Seleukia Pieria, der Hafen von Antiochia – Die Heimat ruft

  • Das römische Heer, das voller Tatendrang und siegesgewiss vor Monaten in Syria gelandet war, zog sich zurück. Man hatte den Krieg gegen die Parther nicht verloren. Aber gewonnen hatte man auch nicht.
    Lucius Aelius Quarto war das bewusst, aber laut ausgesprochen hätte er diese Wahrheit niemals. Der Imperator Caesar Augustus Lucius Ulpius Iulianus war auf diesem Feldzug gefallen und alles andere als ein Sieg – und sei es auch nur ein behaupteter – wäre unerträglich gewesen. Vielleicht weniger für ihn selbst, aber sehr wohl für die Soldaten, die gekämpft und die nicht nur ihren Kaiser und Heerführer, sondern auch viele Kameraden verloren hatten.


    Das römische Heer zog sich zurück. Aber noch war es nicht hier, sondern auf dem Rückmarsch von Dura Europos zurück an die Küste.
    Anders Aelius Quarto. Der Magister Domus Augusti hatte bald nach dem Tod des Kaisers das Lager der Armee verlassen und war ihr voraus geeilt. Er hatte lediglich den wichtigsten Teil seines umfangreichen Gepäcks mitgenommen und auch nur zwei seiner Sklaven. Die anderen würden seine Sachen im großen Tross begleiten. Er selbst wollte jedoch keinen Tag zu viel verstreichen lassen. Darum hatte er die Legionen verlassen, begleitet von jenen beiden Sklaven und einer Abteilung der Prätorianergarde, die für seine Sicherheit sorgen sollte.


    Ihn hielt nichts mehr in diesem Land. Er hatte es gründlich satt und sehnte sich nach Rom, seinem schönen Haus und seiner Adria, dem geliebten Eheweib, dass er aus ganzem Herzen verehrte. Er vermisste das angenehme Leben eines geachteten Senators und die Segnungen der römischen Zivilisation.
    Aber sein Ziel war gar nicht Rom. Er hatte es deshalb so eilig, weil er schnell zu seinem Bruder kommen wollte, der in Illyrien eine Legion kommandierte. Valerianus, sein leiblicher Bruder und der Adoptivsohn des verstorbenen Kaisers, war nämlich als dessen Nachfolger ausersehen und Quarto glaubte felsenfest, dass er ohne ihn, den erfahrenen Politiker, geradezu aufgeschmissen wäre. Vermutlich überschätzte er sich und seine Bedeutung. Das kam leider häufiger vor.


    Die kleine Reisegruppe war von Dura aus zunächst dem Oberlauf des Euphrates gefolgt. Das war in dieser Gegend die Grenze zwischen der römischen Provinz Syria und der parthischen Satrapie Osroëne. So waren sie nach Sura gelangt, einer stark befestigten Stadt auf römischer Seite. Von dort aus war es weiter nach Apamea gegangen und dann nach Antiochia.
    Mit ihrem leichtem Gepäck und dem Vorsatz, sich nirgendwo lange aufhalten zu lassen, waren sie rasch voran gekommen und es wäre wahrscheinlich sogar noch schneller gegangen, wenn Quarto nicht ein so erbärmlicher Reiter gewesen wäre.
    Als sie nun in Seleukia Pieria, dem Hafen von Antiochia, ankamen, da glaubte er jeden einzelnen Knochen in seinem Inneren zu spüren. Sein Hintern war wund und andere Stellen an seinem Körper ebenfalls, darunter auch solche, über der er sich sehr wunderte. Quarto dankte allen Göttern, dass diese Tortur vorüber war. Nun würde es per Schiff weiter gehen und selten zuvor hatte er einer Seereise so gerne entgegen gesehen.


    Bevor es jedoch aufs Meer hinaus gehen konnte, musste er den zuständigen Kommandeur der Flotte aufsuchen.

  • Aelius Quarto musste mit einem Tribunus Classis vorlieb nehmen. Der Flottenpräfekt der Classis Ravennas war auf Cyprus, angeblich, um von dort aus den Nachschub zu koordinieren. Der Tribun, der ihn vor Ort vertrat, war von der schwerfälligen, stoischen Sorte. Seine schlaffen und mürrischen Gesichtszüge ließen ihn weder sympathisch, noch besonders fähig erscheinen. Er residierte in der Hafenkommandantur, die sich in unmittelbarer Nähe zu den Anlegestellen befand.


    Die Prätorianer hatten Aelius Quarto den Weg frei gemacht, als sie durch die engen Gassen hinunter zum Hafen geritten waren. Im vergangenen Jahr war die ganze Bucht voller Schiffe gewesen. Eine riesige Flotte hatte die Armee des Kaisers über das Meer gebracht und es waren weitaus mehr Schiffe gewesen, als im Hafenbecken einen Platz finden konnten. Jetzt sah Quarto den Hafen wieder und noch immer lagen hier zahlreiche Schiffe vor Anker und dazu kamen etliche Galeeren auf dem flachen Sandstrand jenseits des Hafens. Wie gestrandete Wale lagen ihre dunklen Rümpfe auf dem Trockenen. Es waren viele Schiffe, aber nicht so viele wie im vergangenen Jahr, als er hier mit der großen Armee angekommen war.


    Der Tribunus Classis bestätigte ihm diesen Eindruck. Die Classis Misenensis, so erzählte er, wäre nach Italia zurückgekehrt und ein Teil der Transportflotte war unterwegs, um Nachschub die Küste hinauf zu bringen.
    Wie ihm der Legatus Legionis Tiberius Vitamalacus aufgetragen hatte, berichtete Quarto, dass die Armee sich auf dem Rückmarsch befand und das die I. Legion bald in Antiochia eintreffen würde, um sich dann in Richtung Heimat einzuschiffen. Er würde, so versicherte der Tribun, eintreffende Schiffe zurückhalten. Es würde schon reichen die I. über das Meer zu bringen, meinte er optimistisch. Als Quarto aber sagte, er selbst bräuchte auch ein schnelles Schiff für seine eigene Passage und das es dringend und eilig sei, da wurde der Tribun abweisend. Fast alle Triremen wären in der Werft oder lägen am Strand, wo sie den Winter über instand gesetzt würden und wo man ihre Rümpfe reinigte und ausbesserte. Was er momentan an schnellen Schiffen zur Verfügung hätte, dass würde gerade ausreichen die schwerfälligen Lastschiffe zu eskortieren. Schließlich müsse man immer vor den Piraten auf der Hut sein, die es an diesen Küsten gäbe.
    Aber Quarto beharrte auf seiner Forderung. Er hielt dem Mann seinen Siegelring mit der eingravierten Sonnenscheibe - dem Wappen seiner Familie - unter die Nase, berief sich auf seinen Rang als Konsular und Senator, sowie sein Amt als Magister Domus Augusti, erwähnte auch seine Verwandtschaft mit dem Caesar und unterstrich die Wichtigkeit seiner Mission und das er unverzüglich nach Dalmatia aufbrechen müsse.
    Daraufhin lenkte der Tribun doch ein. Er meinte, es gäbe da noch eine alte Liburne. Der Name des Schiffes wäre 'Obstinatio' und das würde sehr gut passen, denn das bedeutete so viel wie 'Eigensinn' und wäre sehr treffend. Denn eigensinnig sei diese Liburne, würde jeder Strömung nachlaufen und sich nur störrisch den Anweisungen ihrer Steuerleute beugen. Bei den Mannschaften sei sie sehr unbeliebt. Aber, so versicherte er, sie sei fast dicht, würde nicht zu viel Wasser nehmen und wäre durchaus seetauglich. Auf Bequemlichkeit könnte Quarto nicht hoffen, aber sie würde ihn schon an sein Ziel bringen.


    Wann er denn aufbrechen könne, wollte Quarto daraufhin wissen und bekam zur Antwort, dass die 'Obstinatio' noch Proviant aufnehmen müsse, ihre Mannschaft noch nicht vollzählig sei und das es auch auf das Wetter ankäme, vor allem auf den Wind. Nochmals fragte Quarto nach und verlangte, einen genauen Tag gesagt zu bekommen. Der Tribun machte ein noch mürrischeres Gesicht. In zwei Tagen, meinte er resignierend, aber der 'Herr Senator' solle ihn nicht darauf festnageln und überhaupt hätte er jetzt noch andere Dinge zu tun. Mit diesem deutlichen Hinweis, man kann es sich denken, war das Gespräch beendet.

  • Obwohl er Quartos energisch vorgetragener Bitte nur so widerwillig nachgegeben hatte, hielt der schlaffgesichtige Tribunus Classis Wort. Zwei Tage nach ihrer Unterredung war die 'Obstinatio' mit so viel Proviant beladen, dass man bis hinter die Säulen des Herakles hätte reisen können. Eine ausreichend große Mannschaft war auch an Bord. Das waren ganz bestimmt nicht die besten Männer der Flotte. Einige der Ruderer sahen übel mitgenommen aus und wirkten weder kräftig und gesund, noch besonders eifrig. Der Kapitän war ein hagerer, unrasierter Kerl, der bedenklich nach Wein stank und einige seiner Matrosen sahen so aus, als würden sie für ein paar Denare ihre eigene Schwester an den nächstbesten Sklaventreiber verkaufen. Doch für Bedenken blieb keine Zeit und angesichts der Eile und der unerfreulichen Aussicht, sich dann erneut mit dem Tribun auseinandersetzen zu müssen, wollte Quarto nicht wählerisch sein.


    Also ging er mit seinen beiden Sklaven und einer Hand voll Gardisten an Bord, hoffte auf das Beste und mit der mittäglichen Flut lief die 'Obstinatio' aus. Unter halbwegs rhythmischen Ruderschlägen und – fast schon erstaunlich – ohne der Hafenmauer bedrohlich nahe zu kommen, verließ sie den Hafen von Seleukia Pieria und strebte dem offenen Meer zu, der Küste Dalmatias entgegen.

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