Die Nacht war längst hereingebrochen, und in der villa Aurelia war es, wie an jedem Abend, still geworden. Irgendwann war die Arbeit im Haushalt getan und auch die Sklaven konnten Ruhe finden, konnten sich von ihrem Tagewerk erholen und Schlaf finden. Nicht alle schliefen sofort, manche würfelten noch etwas beim schwachen Schein einer Talgkerze oder Öllampe, manche steckten miteinander unter der ein oder anderen Decke, andere schwatzten noch, aber irgendwann fand die hochherrschaftliche villa auch unter der Sklavenschaft eine gewisse Ruhe. Einige waren als Wächter zwar auch des Nachts wach, die Leibsklaven, welche in der Nähe ihrer Herren nächtigten, konnten auch jederzeit geweckt werden, wenn ihren Besitzern irgendein Bedürfnis einfiel, das gestillt werden musste - aber mehr als bisweilen durch die dunklen Gänge huschende, leise Füße vernahm man auch hier nicht, damit die Herrschaft nicht gestört wurde im Schlaf oder bei anderen Tätigkeiten.
So fiel auch vorerst niemandem der schmale Schatten auf, der sich den Korridor entlangstahl, von einer kleinen Kammer in der Nähe des cubiculums von Aurelius Corvinus hin zum cubiculum des Aurelius Ursus.
Dass dieser Schatten rothaarig und durchtrainiert war, verbargen die vielen dunklen Flecken gnädig, und auch ihr Vorankommen. Einmal musste sich Cadhla eng an die Wand pressen, aber dem an ihr recht dicht vorbeilaufenden Wächter fiel sie nicht auf - mit einem innerlichen Kopfschütteln dachte sie daran, dass sie unbedingt Corvinus empfehlen musste, das Training der Wächter zu verschärfen, jeder Mörder hätte hier eindringen und zu den Räumen der Aurelier vorankommen können, wenn die Instinkte der Wächter nicht geschärft waren. In diesem Fall allerdings war es ein Vorteil - und erst, als sie die Schritte nicht mehr hören konnte, schob sie sich weiter auf die besagte, allzu bekannte Tür voran zu.
Als sie diese erreicht hatte, spürte sie ihr Blut in den Ohren pochen, denn sie war nervös. Wenn er nicht alleine war, würde sie sich eine gute Ausrede ausdenken müssen ... aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Sie hob die Hand langsam an und klopfte leise an die Tür zum Schlafraum des Aurelius Ursus.