Das Schicksal nimmt seinen Lauf ...

  • Sollte dies ein ganz besonderer Tag werden, oder würde es nur einer von unzählig vielen Tagen bleiben, die kamen und gingen? Für manch einen wäre er bedeutsam, für einen anderen bliebe er bedeutungslos. … Dieser Tag also begann wie viele andere auch. Die kühle Morgenluft und das Grau des Himmels wichen nur zögerlich und ebenso zögerlich hielt an diesem Morgen das Leben in den Straßen und Gassen der ewigen Stadt seinen Einzug. Aber das würde nicht lange so bleiben und bald schon sähe man - wie jeden Tag - überall das gleiche Bild. Tausende von Menschen die vieles und nichts miteinaner verband. Tempus fugit und Fortuna bestimmte das Schicksal eines jeden dabei täglich aufs Neue. So auch das einer ganz bestimmten Person, die klein und unbekannt sein mochte und doch nicht völlig bedeutungslos wäre. ...


    "Tilla! … Kommst du endlich! …" Es war weniger eine Frage, denn mehr die Aufforderung nicht herum zu trödeln. Prisca warf ungeduldig einen Blick über die Schulter und zupfte dabei ihre Palla etwas zurecht. Normalerweise hätte sie an solch einem trüben Tag wie heute die villa überhaupt nicht verlassen. Aber sie hatte ein Versprechen gegeben und an das wollte sie sich auch halten. Selbst wenn es nur eine einfache Sklavin war, der sie dieses Versprechen gegebn hatte. "Wie geht es dir überhaupt? Ist das Fieber verschwunden? … Du bist doch wieder ganz gesund? ", erkundigte sich Prisca weiter, ohne Tilla dabei anzusehen während sie gemeinsam nebeneinander den Weg zum Tempel entlang gingen.


    Die Sänfte und das übrige Gefolge hatten sie hinter sich gelassen, denn Prisca wollte niemanden sonst bei der Befragung des Orakels dabei haben. Es reichte schon wenn die übrigen Sklaven wussten, dass Prisca die kleine Sklavin sehr gerne mochte. Sie mussten nicht auch noch wissen, warum sie sich so das Mädchen einsetzte. Jedenfalls tat Prisca dies nicht allein weil Tilla sich stets gehorsam und fleißig verhielt, sondern auch weil Prisca einfach neugierig war. "Hast du dein Amulett dabei? …und das Säckchen mit dem Opferweihrauch hoffentlich auch! … Und was ist mit der Frage? Du hast dir hoffentlich gut überlegt was du die Sibylle fragen willst, oder?", löcherte Prisca weiter, da sie keine Lust hatte den ganzen Weg am Ende umsonst gemacht zu haben. Noch dazu hatte sie extra den teuren Weihrauch von Hektor aus Ostia holen lassen! "Anschließend gehen wir jedenfalls noch auf die Märkte. Ich muss noch etwas erledigen!" kündigte Prisca zum Schluss an, gerade als sie die obersten Stufen erreichten und - auf der Suche nach der Sibylle - das Tempelinnere ansteuerten. Ganz umsonst wäre der Weg also für Prisca nicht … so oder so ...

  • Bei dem ersten sich ankündigenden Morgenrot war sie schon auf den schmal gewordenen Beinen und verliess barfuß und mit den Sandalen in der Hand die Schlafräume. Keine der anderen weiblichen Sklavinnen sollten wach werden und sie davon abhalten sich als 'Hausgeist' zu betätigen. Endlich war der Tag gekommen und endlich war es soweit. Köchin Niki hatte ihr sogar diesselben Anziehsachen hingelegt, die sie auch am Strandtag getragen hatte. Mit einem groben Kamm kämmte sie ihre langen Haare. Gleich würde sie Prisca treffen und zu ungewöhnlicher Zeit auf den Straßen sein. Zu einer Zeit in der sie als Straßenkind und Diebin schon Ausschau nach positiven Ereignissen wie Essen klauen oder einen Beutel Münzen gehalten hatte.


    Aufgeregt zog sie sich die Kleidung an und begab sich eiligst zur Herrin, die so arg nett zu ihr war. Beim Verlassen des Hauses sah man noch die Nebelschwaden durch die Straße wabern. Schräg rechts hinter der Älteren gehend bemühte sie sich den Anschluß zu halten und den Weg zu merken. Zufrieden kuschelte sie das dunkelgraue Cape. Was würde bloß Nero, der Sohn der Claudia dazu sagen, wenn sie ihm erzählte wo sie gewesen war? Das war viel spannender und aufregender als der Besuch bei dem Zauberer aus Ägypten im Viertel der Gaukler! Sie dachte an den Vogel den der Zauberer damals zum Leben erweckt hatte. Ob er noch lebte? Also der Vogel? Und der Zauberer?


    Priscas mittlerweile gut bekannte Stimme riss Tilla aus den Überlegungen heraus. Si. Eilig nahm sie das Gehtempo wieder auf, kreuzte ihren Blick mit dem von Prisca, sah zu ihr auf. Soviele Fragen! Um auf sich aufmerksam zu machen, zupfte sie an Priscas Ärmel. Besser als gestern und vorgestern und vorvorgestern und den Tag vor vorvorgestern. Nein, kaum Fieber mehr. Ich hab keine Blasen mehr. Guck mal. erwiderte sie rasch und schob das dunkelgraue Cape hoch um auf die Narben zu zeigen. Dank einer heilenden Salbe würde davon bald nichts mehr zu sehen sein. Jetzt erreichten sie eine Treppe. Tilla blieb stehen, versuchte die Anzahl der Stufen einzuschätzen. Es sah nach unendlich vielen Stufen aus. Mit dem rechten Fuß zuerst bestieg das stumme Mädchen die Treppe, die zum Ziel des Tages führte.


    Für die anderen Fragen nahm Tilla das Glöckchen zu Hilfe, welches sie geschenkt bekommen hatte und zeigte zudem die nachgefragten Dinge vor. Ding (Amulett). Ding (Säckchen). Was die Frage anging hatte sie sich alles wichtige von Hektor erklären lassen. Ding.Die Frage habe ich im Kopf. fügte sie lächelnd hinzu. Wie sie diese stellen wollte, hatte sie sich auch schon überlegt. Mit einem stummen Nicken quittierte sie die Ankündigung, dass es nach DEM langersehnten Ereignis noch auf den Markt ging. Aus großen dunklen Augen nahm sie die Höhe des Tempels in Augenschein, betrachtete die breiten Säulen. Mit Bedacht strich Tilla die Falten aus der meerblauen Tunika und umklammerte das Säckchen mit dem Weihrauch. Ihr Tränenstein hing um ihren Hals am schwarzen Lederband unter der Tunika verborgen. Später erst würde sie ihn hervorziehen. Ein wärmender Sonnenstrahl der aufgehenden Sonne traf ihren zierlichen Rücken bevor sie in die Schatten des Tempels eintauchte und ihrer Herrin folgte. Es ist soweit.. dachte Tilla.

  • Prisca warf auf dem Weg nach oben nur einen flüchtigen eher skeptischen Blick auf Tillas Haut. Soweit sie die Gesten der Sklavin richtig deuten konnte, schien das Fieber nun überstanden zu sein. Kurz überlegte Prisca ob es wirklich eine gute Idee war, sich schon jetzt wieder in der Nähe der Sklavin aufzuhalten. Krankheiten - egal welcher Art - wurden schließlich nicht auf die leichte Schulter genommen. Aber außer Tilla war ihr kein weiterer Krankheitsfall in der villa bekannt geworden und von daher verwarf sie den Gedanken daran schnell wieder. "Das ist schön, Tilla, dass es dir wieder gut geht!", bemerkte Prisca knapp, aber in einem Tonfall der durchaus erkennen ließ, dass sie es auch ernst meinte.


    Prisca richtete den Blick wieder nach vorne um nicht auf den Stufen zu stolpern und vernahm die restlichen Antworten akustisch mittels des Glöckchens. "Gut! Dann haben wir ja alles. …Bist du schon aufgeregt?", Prisca war es jedenfalls und warf erneut einen kurzen fragenden Blick zu Tilla. Als diese ihr zu lächelte musste auch Prisca kurz schmunzeln und wirkte dann wieder nachdenklich und ernst. "So viele Gedanken um eine einfache Sklavin habe ich mir ja schon seit Jahren nicht mehr gemacht", stellte Prisca insgeheim fest und musste dabei wieder an Leonita denken. Dem Verrat ihrer ehemaligen Leibsklavin hatten es alle anderen Sklaven im Grunde zu verdanken, dass Prisca sich ihnen gegenüber so streng, launisch und unnahbar verhielt.


    Aber Tilla schien eine Ausnahme zu sein, denn die tragische Vergangenheit der kleinen Sklavin berührte Prisca doch ein wenig mehr als andere. Hinzu kam noch das unbestimmbare Gefühl, dass es mit dem Tränenstein-Amulett etwas ganz besonders auf sich haben musste."Aber was nur? … und was ist, wenn Tilla mein Vertrauen irgendwann auch enttäuschen wird und mich hintergeht. So wie damals Leonita?! … Nein, ich darf einfach nicht immer so viele Gefühle und Gedanken an die Sklaven verschwenden!", redete Prisca sich zwanghaft ein und seufzte innerlich, da es so schwer fiel über den eigenen Schatten zu springen. Jedenfalls war ihre angeborene Neugier und auch ein wenig Abenteuerlust geweckt, besonders jetzt, da sie das Innere des Tempels betraten.


    Prisca war zum ersten Mal hier und kannte den Ort nur vom Hörensagen. Ehrfurchtsvoll und neugierig blickte sie sich daher in der großen Halle nach allen Seiten hin um und drängte sich dabei unbewusst näher an Tilla heran. Schließlich deutete sie mit dem Finger in eine Richtung. "Da, sieh mal! Dort drüben ist der Gang, der zur Grotte führt. Niemandem ist es gestattet, diesen Ort jemals zu betreten. Nur die Priesterinnen der Sibylle dürfen dorthin, um den Spruch des Orakels zu holen. …", erklärte Prisca im Flüsterton was sie über das Orakel wusste und malte sich im Gedanken aus, welches Geheimnis sich wohl dahinter verbergen mochte. " … Hast du schon Eine von den Priesterinnen entdecken können? … "

  • Natürlich hab ich alles dabei, sonst müssen wir wieder zurück zur Villa gehen und das Fehlende holen. Ob sie schon aufgeregt war? Tilla sah Prisca forschend an und nickte mit dem Kopf. Ja, ich bin so. Weil ich weiss gar nicht was mich hier erwartet. gestand sie gebärdend und folgte Prisca weiter und tiefer hinein ins Gebäude. Nach dem Sonnenlicht war es ungewohnt fast im dämmerigen Dunkeln zu stehen, aber sie konnte sich den neuen Lichtverhältnissen schnell anpassen. Dem ausgestreckten Finger folgend blickte sie zur Grotte hin und trat dem gezeigten Gang ein bisschen näher heran, versuchte das Ende des Ganges zu erkennen. Es war unmöglich.. der Gang erschien ihr sehr viel länger als die gewohnten Gänge in der Villa der aurelii.


    Stimmt das, dass die Sybille nicht sprechen kann? So wie ich? Hektor hat gesagt, jeder der hierher geht bekommt vor dem Verlassen des Tempels eine Tafel wo alles draufsteht was sie empfiehlt. erzählte Tilla plötzlich der Älteren und liess die Hände wieder sinken. Aufmerksam blickte sie sich um. Nein... ich sehe niemanden. Ich guck mal dahinten nach. Kommst du mit? erwiderte sie gehorsam auf Priscas Frage und lief zu einer Säule, um diese einmal rundum zu umrunden. Die Säule hier war viel dicker als die in den anderen Tempel die sie bisher gesehen hatte. Tilla blieb stehen, blickte nach oben. Auch oben war kaum etwas zu erkennen. Vielleicht sollte man ein Loch in die Decke brechen dann kann die Sonne und der Regen auch hereinschauen. meinte der kleine Mann im Ohr. Lieber nicht, dann würde die Sybille sich immer über die hellen Flecken und nassen Pfützen auf dem Boden ärgern. erwiderte Tilla im stillen und sah Prisca zuversichtlich lächelnd an. Da ist keine solche. Das Wort 'Priesterinnen' hatte sie nicht im Wortschatz. Vielleicht auf der anderen Seite? Sie wollte schon zu der anderen Säulenseite losgehen, da fiel ihr etwas wichtiges sein. Es war schön mit Prisca alleine etwas zu unternehmen, sonst war immer wer bei und um der jungen Frau herum. Weisst du noch? Dein Versprechen... das löst du nun ein. Einmal mehr liess sie die Hände sinken, drehte sich zu den Schritten um, die da näher kamen. Ihre dunklen Augen blickten die Person an, die da näher kam, zwirbelte eine lose Haarsträhne mit dem kleinen Finger auf und nieder.

  • Geduld ist die erste Tugend, welche die Fragenden im Orakel der Sibylle lernen müssen. Manchmal, weil die Priesterinnen der Sybille sich mit Absicht eine Weile verbergen, manchmal, so wie an diesem Tag, aber auch nur, weil die fürs Warten zuständige Priesterin gerade draußen ein kleines Päuschen macht und die Ankommenden nicht hört. Jene Frau, die nun auf Tilla zu schlurft, ist eine sehr alte Frau, um nicht zu sagen steinalt. Merkwürdigerweise scheint es beim Orakel nur sehr junge oder aber steinalte Priesterinnen zu geben. Das stimmt natürlich nicht, aber nur diese bekommen die Fragenden zu Gesicht. Und das kommt daher, weil die übrigen Priesterinnen im Orakelgewölbe sitzen und die jungen Mädchen noch nicht beim Orakeln dabei sein dürfen, die alten Frauen dagegen nicht mehr ganz so viele Orakelsitzungen an einem Tag vertragen oder manchmal auch einfach schon zu viele Visionen gesehen haben, um noch von irgend etwas beeindruckt zu werden.


    "Salvete!" krächzt die Alte und begrüßt die beiden jungen Frauen, weil sie im ersten Moment nicht ganz erkennen kann, dass Tilla nur eine Sklavin ist - ihr Blick ist dieser Tage nicht mehr ganz ungetrübt und oft verirren sich auch sehr einfache Bürger ins Orakel, von denen mancher schlechter gekleidet und gepflegt ist als die Sklavin.
    "Das Orakel ist bereit, eine Frage anzunehmen, doch die Götter werden nur Antwort geben, wenn die überbrachte Gabe von guter Qualität ist!"

  • Während Tilla neugierig und aufgeregt umher lief und sich umsah, versuchte Prisca ihre innere Aufregung zu zügeln indem sie nervös an ihrer Palla herumzupfte. "Warum bin ich eigentlich so aufgeregt? Es geht ja gar nicht um mich ..." Prisca beobachtete weiter die kleine Sklavin und wunderte sich über so manche von ihren Gesten die sie kaum verstand. "... Ob die Sibylle auch nicht sprechen kann? ... was für eine Tafel? ... wo will sie denn jetzt schon wieder hin?.."


    Prisca blieb neben einer der vielen Säulen stehen. " ... hmm ... ich weiss gar nicht genau, ob die Sibylle sprechen kann oder nicht. Aber es stimmt, dass der Orakelspruch auf einer Tafel überreicht wird", versuchte sie Tillas Fragen zu beantworten und da vernahm sie auch schon eine krächzende Stimme ganz in ihrer Nähe.


    Erschrocken drehte sich Prisca zu der alten Frau um und erwiderte den Gruß."Oh! .... Salve! ...ich ...", kurz musste Prisca überlegen, was sie jetzt antworten sollte ... oder sich und Tilla zuerst vorstellen? Da die Alte direkt auf die Frage und die obligatorische Gabe an die Götter zu sprechen kam winkte sie Tilla schnell zu sich heran. "Tilla komm her ... ja, ich ...wir ... sind gekommen um das Orakel zu befragen und bringen auch eine Gabe für die Götter mit ...", erklärte Prisca noch etwas unbeholfen und deutete dabei auf den Beutel in Tillas Händen. "Meine Sklavin hier hat Weihrauch mitgebracht und sie ist es auch, die eine Frage an das Orakel stellen will." Prisca nickte mit dem Kopf und bedeutete Tilla damit sie solle vortreten und den Beutel übergeben. Denn weiteren Ablauf würden sie hoffentlich gleich von der alten Frau erklärt bekommen ...

  • Das stumme Sklavenmädchen sah hinter der Säule hervor, spähte zu Prisca rüber und meinte begeisternd nickend. Dann hat Hektor aber voll recht gehabt mit der Tafel. Wieviel ihr großer Bart-tragender Freund wusste!! Natürlich würde sie ihm auch davon erzählen... also dass er recht gehabt hatte. Da verschwand sie auch schon wieder hinter der Säule um die Umrundung zu vollenden.


    Neugierig beobachtete sie die Person die immer näher kam und stehenblieb. Warum erschreckte Prisca sich so? Sie fing sogar an zu stottern. Der näherkommende Schatten entpuppte sich als eine sehrsehr alte Frau. Verblüfft starrte Tilla sie an, erkannte viele Runzeln und Fältchen im Gesicht. Diese musste viel älter als die weißhaarige Frau sein, die sich um sie gekümmert hatte, als sie noch bei ihrem alten Herrn gewohnt hatte. "Tilla komm her... ja, ich... wir... sind gekommen um das Orakel zu befragen und bringen auch eine Gabe für die Götter mit..."eine Sklavin hier hat Weihrauch mitgebracht und sie ist es auch, die eine Frage an das Orakel stellen will." Wieder war es Prisca die sie mit ihrer Stimme herausriss.


    Mit zaghaften vortretenden Schritten und einem kleinen Knicks übergab sie der alten Frau den Weihrauchbeutel und fügte ein scheues Lächeln hinzu. Salve. Ein kurzes Winken mit der rechten Hand. Vorsichtig suchte Tilla den Blick der alten Frau, überlegte wie sie ihre Frage vorbringen sollte. Wie die Sybille auf der Schreibtafel oder eher mit einem stimmlosen Flüstern? Flach atmend sah sie zu Prisca hoch und wieder zur alten Frau. War es schon an der Zeit die Frage für das Orakel zu stellen? Wohl eher nicht! Der kleine Mann im Ohr stimmte ihr mit einem leisen Blubbern zu. Langsam zog Tilla ihren blaukristallenen Tränenstein unter dem Umhang und der Tunika hervor, umklammerte ihn mit der Faust, bevor sie die Hand wieder öffnete und die Lederschnur über den Kopf zog. Du bist schon lange in dieser Stadt, Erde und Welt. Länger als ich. Das ist mein Stein. Kennst du ihn? gebärdete und flüsterte sie zugleich. Pricsa hörte zum ersten Mal ihr stimmloses Flüstern, welches sie ganz selten anwendete. Überhaupt war ihre Frage noch nicht für die Sybille bestimmt, viel eher an die alte Priesterin gerichtet. Tilla hielt die Schnur fest, sah dem Stein beim Baumeln zu, wartete auf die Reaktion der Frauen.

  • Eine römische Dame, die ihrer Sklavin ein Orakel lesen lässt, dies wäre vielleicht nicht ungewöhnlich. Doch eine Dame, die ihrer Sklavin gewährt, der Sibylle eine Frage zu stellen, das ist ungewöhnlich. Es muss eine ungewöhnliche Dame sein. Oder eine ungewöhnliche Sklavin. Oder beides zugleich.


    Ein bisschen zittrig nimmt die Alte den Beutel entgegen und öffnet ihn, bevor sie ihn vor ihre Nase hebt, die Augen schließt und tief einatmet. Würziger Duft zieht durch ihre Sinne, intensiv und angenehm zugleich. "Gut. Das ist gut."


    Blinzelnd öffnet die Priesterin wieder die Augen als das lautlose Flüstern die Geräusche der Welt übertönt. Sie blickt auf den blauen Stein und streckt eine Hand, um ihn zu berühren. Doch sie hält einen Finger breit vor der schimmernden Oberfläche inne, streicht über die Luft als würde sie den Stein berühren. "Es ist lange her, dass ich so etwas gesehen habe. Woher hast du ihn?"

  • Allmählich legte sich die Überraschung eine so alte Frau vor sich stehen zu haben. Die Frau begutachtete zuerst den Beutel mit dem Weihrauch. Tilla lächelte scheu, als die Frau meinte, dass diese Gabe gut sei. Na, dann hatten sie nun die erste Hürde genommen. Hektor hatte gemeint, die Priesterinnen seien ganz schön streng bezüglich der Opfergaben. Geduldig wartete Tilla auf eine Antwort der Frau, hielt die schwarze lederne Schnur, an dem der Tränenstein hing, in ihrer geballten Faust fest. "Es ist lange her, dass ich so etwas gesehen habe. Woher hast du ihn?"


    Tilla öffnete den Mund und schloß ihn wieder, während ihre dunklen Augen noch ein bisschen größer wurde. DIESE Frau KANNTE den Stein? Den Stein? Ein 'so etwas'? Ich habe ihn bei mir, seit ich ganz klein bin. Immer an einer schwarzen Schnur um den Hals tragend. flüsterte sie leise und stimmlos, deutete die Größe eines Säuglings an. Mit der freien Hand strich sie sich eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht. Sie fand mich ganz allein und nahm mich mit zu sich und ihrem Herrn. Dort bin ich aufgewachsen, habe immer auf den Stein geachtet. Dass er bei mir ist und mich tröstet, wenn ich traurig bin. Nein, das Kapitel ihrer Kindheit wollte sie nicht aufschlagen. Nicht hier, nicht jetzt!


    Tilla sah auf den Stein, der immer noch von ihrer Hand und der Schnur baumelte. "Woher kennst du ihn? Meinen Tränenstein?" Dies wollte sie von der alten Frau wissen. Ein bisschen in den Hintergrund gerückt war der Grund warum sie hier waren... aber sie hatten Zeit. Die Sybille hoffentlich auch!! Tilla wusste, dass Prisca neben ihr stand und mit Sicherheit die Ohren spitzte, denn sonst sah ihre Herrin nur ihre Hände durch die Luft tanzen, wenn sie etwas zu 'sagen' hatte. Oder Prisca las ihre niedergeschriebenen Worte von der Schreibtafel ab und beantwortete diese, vorausgesetzt sie hatte gerade ein paar freie Minuten übrig.

  • Wissend nickt die alte Frau und lächelt unbestimmt. Dann streckt sie ihren Arm aus, das weite, weiße und ein wenig ausgewaschene Gewand baumelt um den dürren Arm und ein knöcherner Finger streckt sich zu dem langen Gang hin, an dessen Ende der Orakelraum verborgen liegt.
    "Von dort." flüstert sie als würde die Luft um sie herum keinen Laut mehr ertragen. Ihre Augen leuchten auf, ganz so als würde sie sich an etwas erinnern, was dort hinten verborgen liegt. Langsam zieht sie die Hand zu sich zurück und legt sie schließlich um Tillas Hand, auf welcher der Stein liegt. Mit sanftem Druck schließt sie ihre Hand und damit auch die der Sklavin um den blauen Stein.
    "Was zusammen gehört, findet zusammen. So war es immer und so wird es immer sein."


    Sie streicht über Tillas Hand und tritt eine Schritt zurück.
    "Aber das ist nicht deine Frage. Wähle sie weise und bedenke, dass das Orakel stets Wahrheit spricht."
    Nicht selten suchen Fragende keine Antworten, sondern nur Bestätigung. Doch das Orakel schert sich nicht um Wünsche, es verkündet unverblümt sein Wissen.

  • Tilla folgte dem ausgestreckten Finger der alten Frau und schluckte. Von dort, diesem Gang also! Wie simpel ihr doch diese Aussage erschien. Sie bräuchte quasi nur selbst durch den Gang zu laufen und nachzuschauen was am anderen Enge des Ganges sich befände. Bereits zwei Erwachsene haben ihr erklärt, dass nur die Priesterinnen dort hinein gehen dürfen, sich auf den Weg machen dürfen zur Sybille, um die Antworten zu holen. Selbst Priscas Stimme hatte vorhin voller Ehrfurcht geklungen. Ein weiteres Schlucken klärte Tillas trockene Kehle. Die Hand der alten namenslosen Frau legte sich um die ihre, schloss ihre Finger zur Faust. Tilla liess es geschehen, genoß die kurze Berührung. Sie wurde von einer Priesterin der Sybille berührt! Was zusammen gehört, findet zusammen. So war es immer und so wird es immer sein." Zusammen? Der Stein und sie gehörten zusammen? Wohl wahr.. so lange trug sie ihn schon um den Hals. Bestätigend bewegte sie nickend den Kopf, zog ihre Hand mit dem Tränenstein darin zurück. Nein, das war nicht meine Frage. Sie kommt gleich heraus. Das Flüstern klingt fast wie die Stimme die sie einst verloren hat. Ein scheues Lächeln legt sich auf ihre sonstweilen so ernsten Züge. Zuerst einmal hängte sie sich den Stein wieder um den Hals und legte ihn über den Halsauschnitt ihrer Tunika zurecht. Jetzt durfte jeder ihn sehen, liebevoll strich sie über die blaue kristallene Oberfläche.


    Tilla atmete tief durch, stellte sich ganz gerade auf und begann nach einem ernsten Blick zu Prisca erneut zu flüstern. Wie ich erzählt habe, bin ich als Säugling am Strand gefunden worden. Mitsamt dem Stein. Eine alte Frau hat mich gefunden und zu sich genommen. Sie meinte über meinen Stein, dass es einen Spruch gibt, der so lautet: 'Dir fehlt die Mutter; drum such – ich befehl es dir, Römer – die Mutter…' Tilla räusperte sich und flüsterte weiter. Ich habe keine Maman und keinen Papan, keine Geschwister. Ich kenne sie nicht, weiss nicht wer und wo sie sind. Der Spruch ist unbekannt in dieser Stadt im Erden- und Weltenkreis. Ich weiss nur, dass ich Tilla heisse, diesen Tränenstein besitze und Talente habe, von denen ich schon weiss oder gerade erst entdecke. In letzter Zeit mit dem nassen Element Wasser, den hellen Delphinen und den dunklen Haien, den Wasserwesen zu tun haben. Abermals räusperte sie sich. Nach dem Besuch würde sie sicherlich heiser sein, darum sorgen konnte sie sich jetzt nicht. Die Zeit mit der alten Frau schien ihr davon zu laufen. Welches Schicksal ist mir vorbestimmt? Das war nun die Frage. Gleichzeitig zog sie ihre Schreibtafel hervor, auf der die Frage noch einmal zum Lesen stand. Drumherum waren gezeichnete Delphine und Haie, Pferde und Münzen zu sehen. Letztere Abbildungen standen für Schimmelstute Luna, die Prisca gehörte und die Münzen, die Tilla für ihren Überlebenskampf auf der Straße als Straßenkind und fingerflinke Diebin gestohlen hatte. Nun hatte sie die Frage, die sie mitgebracht hatte, 'geflüstert'. Tilla reichte die Tafel der alten Frau entgegen. Für Sybille. fügte sie zaghaft lächelnd flüsternd hinzu.

  • Prisca beobachtete zufrieden wie Tilla der alten Frau den Beutel mit dem Weihrauch übergab und diese die Gaben prüfte und für gut befand. "Gut! … Dann hat sich der Weg nach Ostia ja gelohnt, um den Weihrauch zu kaufen. … Hm, vielleicht hätte ich der Sibylle auch eine Frage über meine Zukunft stellen sollen? … Ach, hätte ich Hektor nur gleich zwei von den Säckchen angeschafft", überlegte Prisca vor sich hin während sie neben Tilla stand und zuhörte was die beiden mit einander sprachen. Neugierig und ungeduldig wie sie war, hätte Prisca natürlich zu gern auf die Frage hin gedrängt , aber .... "Nein! … Dieser Augenblick gehört nun Tilla ganz allein ..." Prisca hatte ihr diesen Moment versprochen und sie spürte nun insgeheim, dass sie es sogar gern für ihre Sklavin getan hatte ...


    Also verhielt sich Prisca stumm und wunderte sich nur über Tillas stummes Flüstern. "Das ist mir an ihr noch gar nicht so aufgefallen … was fragt sie da? Ob die alte Frau ihren Tränenstein kennt? … soll das am Ende ihre Frage an das Orakel sein?", Die Bewegungen der Lippen in Verbindung mit den Gesten, erleichterten es Prisca doch merklich, die Sklavin zu verstehen. "Ich werde ihr sagen, dass sie das künftig immer tun soll …", beschloss Prisca und wurde schon in der nächsten Sekunde aus aufs neue überrascht.


    "Die alte Frau kennt den Stein? … wo … woher … WOHER?? … nun sag schon!" Nun wurden ihre Augen vor Neugierde ganz groß und unbewusst trat Prisca einen Schritt näher. Sie erinnerte sich wieder an die Bibliothek in Athen, in der sie damals eher zufällig und aus Langeweile über eine Aufzeichnung gestolpert war. Darin wurde genau so einem Amulett beschrieben! Da diese Schrift von den Bibliothekaren aber als Humbug und Phantasterei bezeichnet wurde, hatte sie es leider nur sehr kurz überflogen. Aber nun würde die alte Frau gleich alles aufklären. Sie hat es also schon einmal gesehen. ... und zwar …???" … Von dort??... entfuhr es Prisca überrascht und enttäuscht zugleich. Sie blickte kurz in die Richtung in die die Priesterin deutete und seufzte dann resignierend. Na toll, das hilft uns jetzt viel … dort werden wir beide wohl niemals hingehen dürfen … Prisca presste schnell die Lippen wieder aufeinander um nicht diese Gedanken auch noch laut auszusprechen.


    Aber vielleicht war es ja wirklich nur Humbug gewesen, was sie damals über dieses Amulett gelesen hatte. Es gab schließlich so vieles, das im Laufe der Zeit niedergeschrieben wurde und niemals den nachfolgenden Generationen überliefert würde, weil es einfach unwahr oder unwichtig wäre und darum irgendwann vernichtet würde ... doch wer wusste schon, was am Ende Wahrheit oder Lüge wäre ? ...


    Prisca verdrängte diese Gedanken. Sie erschienen ihr mit einem Mal unwichtig, da sie keine Lösung dafür fand. Stattdessen konzentrierte sie sich wieder auf das, was Tilla gerade auf die Tafel malte und schrieb. Welches Schicksal ihr vorbestimmt sei?, wiederholte Prisca gedanklich einfach die Worte und wartete dann gespannt darauf was die Priesterin nun tun würde.

  • Die beiden jungen Frauen scheinen sich nicht bewusst zu sein, was dort hinter dem Gang liegt. Es ist mehr als nur eine Höhle im Fels, mehr als ein Kultraum, es ist das Orakel und doch nur Teil dessen, nichts ohne die Sibylle, nichts ohne die Götter. Es ist das Tor zur Welt, das Tor ins Elysium und das Tor in den Hades, das Tor in jeden einzelnen Menschen und aus jedem Gedanken heraus. Es ist ein Raum wie es Zeit ist, es ist Vergangenheit und Zukunft, Gegenwart und Traum, Anfang und Ende. Blass ist die Erinnerungen der alten Priesterin, voller lebendiger Farben, jede Sekunde, in der sie selbst Teil des Orakel war ist tief in ihr verankert und doch nur nebulöses Andenken an ein fernes, längst vergangenes Leben. Wissend nickt sie Aurelia Prisca auf ihre erstaunte Frage zu und nimmt dann die Tafel der Sklavin entgegen.


    Die Worte Tillas über ihre Vergangenheit gleiten an der Alten vorbei wie ihre eigene Erinnerung. Nichts von alledem ist bedeutend für das Orakel, nur die Frage, die sie in ihren Händen trägt.
    "Wartet hier, ich werde dem Orakel deine Frage überbringen."


    Ohne einen Blick zurück verschwindet die Priesterin in dem Gang, welchen sie schon so oft mit Fragen betreten hat. Der dunkle Schatten der Felsen verschluckt sie, nur dass das helle Tageslicht, das durch die Öffnungen im Stein fällt, sie danach wieder einhüllen kann. Licht und Schatten, Frage und Antwort, Schatten und Licht, Frage und Antwort, bis dass das Orakel die Alte verschluckt.




    Während Prisca und Tilla im nun leeren, gewölbeartigen Raum warten, ertönt vom Ende des Gangs her ein leises Pfeifen, dann ein Summen und Surren, vielleicht von menschlichen Stimmen erzeugt, vielleicht von merkwürdigen Instrumenten. Heulend zieht ein Windhauch durch den Gang zu ihnen, vielleicht ist es auch das Klagen einer Frau, doch was immer es ist, die Flammen in den Feuerschalen, die den Raum erhellen, flackern in seinem Luftzug.

  • Die alte Frau meinte, dass sie hier nun auf ihre Rückkehr warten sollten. Was anderes blieb ihnen wohl auch nicht übrig! Das stumme Sklavenmädchen nickte gehorsam, sah mit an, wie die Frau sich umdrehte und mit ihrer Tafel davon ging. Tilla folgte ein paar Schritte ihr nach und blieb, wie von einer unsichtbaren Barriere gestoppt kurz vor diesem mysteriösen Gang stehen. Tilla verharrte auf der Stelle und blickte der alten Frau nach. Sah mit an, wie sich Schatten und Licht auf dem Rücken der alten Priesterin abwechselten. Wie Hell und Dunkel. dachte Tilla, Sonne und Regen. Tag und Nacht. Aufgang und Untergang.


    Der kleine Mann im Ohr fügte hinzu. Trocken und Nass. Tilla lächelte, schüttelte belustigt den Kopf. Du bist lustig. Du hast Ideen. Die alte Frau entschwand ihrer Sicht. Immer noch lächelnd drehte Tilla sich zu Prisca um und lief mit großen Schritten auf sie zu. Kurz hielt sie auf ihrem Weg inne, als das merkwürdige Summen und Surren begann. Das Orakel 'sang' ein wortloses Lied, so klang es in Tillas Ohren. Tillas Brust hob und senkte sich, ihr Herz schlug ganz schnell. Weiteren Schritten brachten sie in Priscas direkte Nähe. Mit leuchtenden Augen sah Tilla im nächsten Moment zu ihr auf. Ich bin so aufgeregt. Sie mochte den Weihrauch. Was die Sybille wohl sagen wird? Du hast doch zugehört, oder? sprudelte Tilla gebärdend los. Die Frau wusste von meinem Stein und sie sagte, wir gehören zusammen. So war es schon immer und so wird es immer sein. Tillas Finger streichelten den Stein. Hörst du? Sybille singt. Sie erschauderte unter einem warm über den Rücken rieselnden Gänsehautschauer.. wohl die Aufregung.

  • Immer noch hegte Prisca die leise Hoffnung, die alte Frau würde dem Gesagten noch etwas hinzufügen. Doch stattdessen nahm diese einfach die Tafel von Tilla entgegen und verschwand damit im wahrsten Sinne des Wortes in diesem geheimnisvollen Gang. Durch das Wechselspiel von Licht und Schatten in diesem Gewölbe hatte Prisca fast den Eindruck, die Frau würde von ihrer Umgebung regelrecht "verschluckt". Nun ist sie weg ... Und Tilla? ... Wo war sie nur wieder hingelaufen.


    Fast zeitgleich mit dem einsetzenden Gesang kehrte auch Tilla zu ihr zurück und Prisca war direkt froh darüber nicht alleine hier warten zu müssen. Auch wenn Prisca keine richtige Angst verspührte so schufen diese seltsamen Töne, die sich wie Wellen um sie herum ausbreiteten, eine doch sehr unheimlich anmutende Atmosphäre.


    Ja, ich habe zugehört und aufgepasst, was du auf deine Tafel geschrieben hast. Da waren Delfine zu sehen und Haie ... und so kleine Kreise??" flüsterte Prisca nickend zurück, obwohl sie nicht ganz verstand, was diese kleinen Kreise zu bedeuten hatten. "Aber die Sibylle wird nur auf deine Frage antworten, alles andere wird sie wohl nicht interessieren ... Du hattest der alten Frau von deiner Vergangenheit erzählt, richtig?", mutmaßte Prisca weiter und fragte nach, da sie nicht alles von dem mitbekommen hatte, was Tilla der alten Frau noch erklären wollte. Dabei blickte sie kurz zu dem Gang hinüber. "Was würde eigentlich passieren, wenn wir einfach dorthin ...?" Doch schon allein der Gedanke daran stellte einen undsichtbare und unüberwindbare Barriere zwischen ihnen und dem dar, was sich tief in diesen Mauern vor den Augen der Welt verbergen mochte. ...


    "Wir werden bald erfahren, wie die Antwort der Sibylle lauten wird. Hab noch ein bisschen Geduld, Tilla.", versuchte Prisca beruhigend auf ihre Sklavin einzureden und war dabei selbst voller Ungduld. Gerade musste sie daran denken, wie viel Zeit allein die anschließende Deutung der Antwort noch in Anspruch nehmen konnte ...

  • Ganz genau. Delphine und Haie, deine Stute Luna und viele Münzen. Die Kreise sind Münzen, die du immer zum Einkaufen brauchst. erwiderte Tilla. Ob sie auch bei Prisca flüstern sollte? So wie bei der alten Frau? Sie sah sich um. Keiner in der Nähe. Tilal wollte es wenigstens auf einen Versuch ankommen lassen und dann die Reaktion von Aurelia Prisca abwarten. Ja, über meine Vergangenheit. Wie ich zum Stein kam und wer mich gefunden hat, wen ich nicht kenne: Maman, Papan, Geschwister. Den Rest kennst du, ich sag nur Farbe 'Rot'. Ich mag sie nicht. Blau ist viel schöner.


    Immer noch befanden sie sich in dem Tempel, dass das Orakel beherbergte. Der geheimnisvolle Gesang verursachte weitere warme Gänsehautschauer auf Tillas Rücken. Gleich würde sie mehr wissen... hoffentlich. Tilla streckte die Hand nach der von Prisca aus, umfasste die große Hand vorsichtig mit der eigenen viel kleineren Hand. Gehen wir ein bisschen rum? Ich kann nicht still stehen. Hast du schon die Säulen gesehen? Unbewusst war sie in die vertraute Anrede gefallen. Dieses Gebäude war aber auch ein besonderer Ort. Hier war eben alles anders... und sie selbst auch. Tilla hustete lautlos in die vorgehaltene Hand, um endlich den Reiz loszuwerden, der am Hals kratzte. Komm.. Sie deutete zu dem Säulengang, wo sie noch hatte wegen einer Priesterin nachschauen wollen.

  • Die Delfine! … richtig, am Meer, der Ausflug!, erinnerte sich Prisca und rief sich wieder das seltsame Bild - dieses Gesicht - ins Gedächtnis das sie glaubte, im Wasser gesehen zu haben. Hatte Hektor nicht erwähnt, dass Tilla ihr damals helfen wollte? Irgendwie lief alles so schnell vor ihren Augen ab, dass sie gar nicht alles bewusst mitbekommen hatte … Ein leises Geräusch verhinderte, dass Prisca ihre Gedanken vertiefen konnte und erst jetzt erkannte sie, wie Tilla wieder diese tonlosen Laute aus ihrem Mund benutzte, um ihre Gesten zu unterstreichen.


    Ja, so konnte sie wirklich besser verstehen, was Tilla ihr sagen wollte. Prisca nickte zustimmend. Erst als sie spürte wie Tilla nach ihrer Hand griff, wollte diese zurück ziehen und ihrer Sklavin sagen, dass sie das zu unterlassen hätte. Doch Prisca tat nichts dergleichen, sondern umschloss die zierlichen Finger des Mädchens nur mit ihren eigenen zarten Hand. "Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. … Sicher sehen es die Priesterinnen nicht gerne, wenn wir hier herum laufen", zweifelte Prisca den Vorschlag ihrer Sklavin an, obwohl weit und breit keine von den Frauen zu sehen war.


    Eher war Prisca etwas unheimlich zumute, denn das diffuse Licht im Inneren des Tempels und dieser fortwährende sonore Gesang verzauberten diesen Ort vollkommen. Trotzdem ließ sie sich ein ein Stück weit von Tilla mitziehen, bis sie abrupt stehen blieb und sie wiederum Tilla an der Hand zurück zog.


    "Hast du das eben gesehen?", flüsterte Prisca ganz aufgeregt und starrte auf eine Stelle zwischen zwei Säulen. "Hat sich dort nicht etwas bewegt? ... etwas kleines",krummes das zuerst nur langsam kriechend sich mit einem Mal ganz flink vom Hellen ins Dunkle wand,"mit",funkelnden "Augen"und dürren langen Finger, die nach ihnen greifen wollten? … Prisca schluckte und blinzelte ein paar mal. Spielten ihre Augen ihr am Ende nur einen Streich? ... ein Scherz? Oder war es wirklich nur der Widerschein der lodernden Flammen aus den umstehenden Feuerbecken, welche fortwährend neue Muster auf die Wände des Gewölbes malten … nein, oder? ...^^

  • Allmählich verstummen die seltsamen Geräusche und Stille zieht durch den Raum. Ganz still ist es natürlich nicht, denn Tilla Romania und Aurelia Prisca sind noch da, ihre Gewänder rascheln, ihre Füße hinterlassen leise Spuren auf dem Boden und ab und zu zischt eine flackernde Flamme. Und dann mit einem Mal steht die alte Priesterin hinter den beiden jungen Frauen.
    "Die Antwort des Orakels."


    Sie wartet, bis die beiden sich zu ihr umdrehen und reicht Tilla eine verschlossenen Wachstafel. Sie wird sie nicht vorlesen, denn sie kennt die Antwort bereits und weiß, dass kein Laut aus ihrer Kehle dringen muss.




  • Schon seltsam... auf der Straße hatte sie viel Geduld gehabt wenn sie auf ein potentielles Opfer zum Münzen abnehmen gewartet hatte. Aber hier? Da wollte sie nicht untätig sein und etwas mehr von diesem Tempel sehen, in dem sich das Orakel befand. Tilla hütete sich Prisca wieder etwas näher zu dem Gang zu führen, in dem die alte Frau verschwunden war und spürte den Griff der älteren Frau um ihre Hand. Sie freute sich wirklich über die Berührung und sah lächelnd auf. Och... diese Halle ist so groß und übersichtlich. Wir gehen nur Säulen gucken. Und sie werden uns sicher aufhalten, wenn wir einem 'verbotenen' Gang zu nahe kommen. erwiderte Tilla stimmlos flüsternd. Der 'Gesang' klang mit jedem Schritt über den Boden immer wieder ein wenig anders als zuvor. Sie würde dem Gesang immerzu lauschen, wenn sie könnte.


    So weit kamen sie auch gar nicht durch die Tempelhalle, denn Prisca war es, die sie bei dem kurzen Rundgang aufhielt. Tilla spähte in die Ecke und kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Was meinte sie bloß? Eine Schlange? Eine Spinne? Eine Fledermaus? Es war schwierig. Die Feuerbecken machten es ihr nicht leicht.. aber was war schon leicht? Die Stimme der alten Frau ertönte hinter ihr. Flugs drehte Tilla sich zu ihr um und sah zu ihr auf. Bei dem erneuten Anblick der Priesterin staunte sie ein zweites Mal über ihr faltiges Gesicht. Das war wahrlich die älteste Frau, der sie gerade begegnete. Sie bekam die Tafel wieder... aber sie war verschlossen. Und nun? Gleich hier öffnen? Erst öffnen, wenn sie im Garten der Villa Aurelia auf dem Kletterbaum saß? Keiner und niemand hatte sie auf den Augenblick vorbereitet, wenn sie die Antwort in den Händen haben würde. Warum sagst du nichts zu mir? Du bist so still! fragte sie die Priesterin spontan. Lange liess Tilla den Blick auf der alten Frau ruhen, bis sie den Kopf senkte und auf die verschlossene Tafel starrte. Vielleicht wusste die Sybille gar keine Antwort auf ihre Frage, vielleicht war ihr Schicksal ebenso unklar wie ihre Herkunft?

  • Bildete sich Prisca das nur ein, oder ließ dieser Gesang langsam nach? Das bekam sie allerdings nur am Rande mit, denn augenblicklich spähte sie gemeinsam mit Tilla angestrengt in eine dunkle Ecke. "Das hätte ich mir auch nie träumen lassen, dass ich eines Tages hier stehe und ins Dunkle starre. Ob das die Sibylle gewusst hätte?" Jedenfalls blieb DAS was da vor ihnen in der dunklen Nische lag, stand, hockte oder kroch wohl für immer vor ihren Augen verborgen, denn in dem Moment vernahm Prisca die Stimme der alten Frau hinter sich.


    Erwartungsvoll wie ein kleines Kind drehte sie sich sogleich zu der Priesterin um und blickte neugierig auf die verschlossene Tafel. Sie war doch verschlossen, oder? was stand da? ... oder was stand da nicht? ... stand da nun was darauf geschrieben, oder nicht? Prisca konnte es jedenfalls nicht genau seen, da Tilla die Tafel immer noch unschlüssig in den Händen hielt. Nun mach sie schon auf! "Prisca blickte ungeduldig zwischen den beiden anderen Frauen hin und her und wunderte sich nur.


    Sollte die Frage nach dem eigenen Schicksal am Ende gar unbeantwortet bleiben? Aber wieso? Die Sibylle konnte doch in die Zukunft blicken und tat es so oft. Und von jedem Punkt der Zeit aus zeichnete sich doch ein ganz bestimmter Schicksalweg für einen Jeden in die Zukunft ab, auch wenn er in der nächsten Sekunde, durch die nächste Aktion, auch schon wieder verblassen und aufs Neue gezeichnet würde. ... Warum sollte dies bei Tilla anders sein, warum konnte man ihn nicht sehen? ...oder war es so, wel sie anders war? ... Fragen über Fragen, für die allein Hektor viele Male nach Ostia hätte reiten müssen, um neuen Weihrauch zu besorgen.


    Ich frag jetzt einfach die Priesterin! ..., beschloss Prisca voller Ungeduld und blieb aber nur stumm neben Tilla stehen ......

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