Im Atrium angekommen, blieb der Sklavenjunge abrupt stehen.
"Bitte wartet hier, ich rufe die Herrin!", piepste der Knirps und war gleich darauf schon verschwunden.
Atrium | Frühlingsbrise...
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Gemessenen Schrittes folgte Hannibal dem Knaben, wobei er immer wieder stehen blieb und darauf achtete, ob sein Herr ihm auch folgen konnte und nicht fiel. Denn selbst wenn sein Herr schon ein klein wenig besser als noch gestern Abend aussah, war er immer noch schrecklich blass. Im Atrium sah sich Hannibal kurz um. Lange war es her gewesen, dass er diese Gemäuer betreten hatte. Es war an jenem Tage, wo Hannibal die junge Epicharis zu dem Essen abgeholt hatte. An dem Tag, wo sein Herr den Heiratsantrag gemacht hatte. Lange war es her. Und doch schien sich wenig hier zu ändern. Zumindest hatte Hannibal das Gefühl. In diesen Gedanken versunken bemerkte Hannibal erst im letzten Augenblick, dass der Junge stehen blieb. Fast wäre er in ihn hinein gelaufen. "Danke! Das werden wir tun!", erwiderte Hannibal und trat bis an das Impluvium heran, das viele römische, vornehme Häuser zierte, mal von den Landvillen abgesehen. Das Licht glitzerte im Wasser und brach sich in tausend funkelnden Strahlen. Hannibal verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wartete stumm.
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Klock! Klock! Die Krücken warfen ein lautes Echo in das atrium der villa Claudia, mit jedem Schritt, den Marcus tat, wobei man es eher ein Schritthüpfen nennen konnte. Denn immer wieder mußte sich Marcus auf die Krücken stützen, sich mit Kraft gegen die Erde stemmen und wurde dann mit den Krücken erneut einen Schritt nach vorne geschoben, auf dem gesunden Bein aufkommend. Obwohl Marcus durchaus in den Armen trainiert war, war das auf Dauer doch ganz schön anstrengend, außerdem tat sein Bein immer noch höllisch bei jeder Bewegung weh; der medicus hatte ihm auch prophezeiht, daß es noch Wochen dauern würde, womöglich sogar nie, daß der Schmerz verschwand. Ärgerlich verzog Marcus das Gesicht als er das laute Pochen auf den Steinboden vernahm, immer mal wieder hielt er an, um Luft zu holen und Atem zu schöpfen. Als sein Sklave in das lichtdurchflutete atrium trat, blieb Marcus stehen; neben einer Säule verharrte er, getaucht in den Schatten, den der Stein warf. Das Licht umstrahlte seinen Sklaven, der immer noch seltsam Gedanken verloren wirkte. Marcus schüttelte seufzend den Kopf und sah erwartungsfroh in die Gänge, die vom atrium wegführten. Marcus war – und das erstaunte ihn sehr! - sehr aufgeregt, sein Herz schien laut zu klopfen, seine Hände fühlten sich ein wenig klamm an, außerdem begann er schon in Gedanken zu überlegen, was er denn als Begrüßung sagen könnte. Liebste Epicharis! Die Götter sind herabgestiegen um...! Zu schwülstig, befand Marcus. Überraschung!! Wie banal, befand Marcus gleich darauf.
Die Krücke drückte unter seinem Arm, so lehnte er sich etwas gegen den Stein an der Mauer und hob den Arm, um sich mit der Hand über die Stirn zu wischen. Wasser plätscherte leise in das Becken und es war schon recht warm an jenem Tag, aber Marcus hatte sich dennoch – dem Anlaß wegen!- heute auch in eine blütenweiße toga gequält. Schon die Tunika verbarg die Wunde an seinem Torso, aber die gewickelte toga versteckte auch sehr gut sein verletztes Bein. Dennoch und gerade deswegen litt Marcus unter all den Bergen von Stoff, die sein Sklave heute Mittag um ihn herum drapiert hatte, quer, hoch und seitlich gewickelt, ganz wie es die Kunst erforderte. Aber Marcus war das Tragen von Togen nicht mehr gewöhnt, selbst die schwere Rüstung schien noch angenehmer zu sein als dieses unpraktische Gewand. Ob sie überrascht sein wird? Ob sie sich freut? Wie es ihr wohl geht? All die Gedanken schoßen Marcus durch den Kopf, während er - genauso wortkarg - auf Epicharis wartete und mit jedem Herzschlag nervöser und zappliger wurde.
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In Epicharis' Gemächern
Abwesend saß Epicharis hinter ihrem Webstuhl. Dieser Tage war das Ausharren in den beengenden Gemäuern der Villa Claudia eine Qual für das dynamische Geschöpf. Das Schiffchen glitt nach rechts. Epicharis verfolgte seinen Weg mit den Augen, sah es jedoch nicht. Die Fäden tauschten ihre Plätze durch das mechanische Betätigen des Fußpedals. Das Schiffchen rutschte nach links. Epicharis seufzte und ließ nun resigniert die Hände sinken. Auch, wenn sie an einem wichtigen Stoff webte - immerhin galt es als notwendig, das Gewand für die Hochzeit, die Tunica Recta, selbst zu weben - hatte sie doch nicht den rechten Nerv dafür.Am Tage, als man ihr Aristides' letzten Brief gebracht hatte, hatte sie sogleich Nordwin entsandt, um den Hinweis des Boten zu prüfen. Jener hatte von Gerüchten gesprochen, die Legionen seien bereits auf dem Heimweg. Doch Nordwin hatte keine brauchbaren Informationen sammeln können, und so blieb es bei Gerüchten, auf die sich das frohgemute Herz lieber nicht stürzte. Doch das war einfacher gesagt als getan. Am Ende grübelte Epicharis nämlich doch fortwährend darüber nach, ob den Gerüchten nur ein Funken der Wahrheit innewohnte. Und jetzt lehnte sie sich zurück und blickte stirnrunzelnd auf die paar wenigen Reihen, die sie dem Stoff heute hinzugefügt hatte. Da klopfte es. Erfreut über die in Aussicht stehende Ablenkung bat Epicharis den Klopfenden hinein und erfuhr von einem der Türjungen, dass man im Atrium mit einer Nachricht von Aristides auf sie wartete. Augenblicklich schnürte es ihr die Kehle wieder zu: Waren es gute oder schlechte Nachrichten? "Ich komme", war die knappe Antwort, die sie gab, während sie sich bereits erhob und um den Webstuhl herum auf die Tür zuging.
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Mit erwartungsvoller Miene und gerunzelter Stirn betrat Epicharis schließlich das Atrium und erblickte Hannibal, Aristides' höflichen Sklaven, der ihr gut in Erinnerung geblieben war. Ein Lächeln wollte ihr nur halbherzig gelingen, kaum dass sie Hannibals abwesende Miene sah. Was, wenn er trauerte...? Mit wild pochendem Herzen - der Krieg schien ein immerwährendes Auf und Ab - kam sie näher, die Arme um den in hellblaue Seide gekleideten Körper geschlungen. Der silberne Anhänger mit Mondstein und Saphir, welchen ihr Aristides seinerzeit zur Verwahrung gelassen hatte, rundete das Gesamtbild ab, das sie gab. "Hannibal...salve", sagte sie schließlich und blieb ein paar Schritte von ihm entfernt stehen, nur vage lächelnd. "Du...hast eine Nachricht für mich?" fügte sie mit leicht schwankender Stimme an und blickte dem Sklaven erwartungsvoll entgegen.
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Werter Leser, vorweg eine kleine Einleitung zu diesem Stück. Eine Übersetzung von Dr. Dr. h.c. P. F. Puvogel, nach den neuesten Interpretation der antiken Schriftrollen. Es könnte sein, dass sich einige Diskrepanzen zu bisherigen Schriften aufzeigen werden.
„Eigentlich war es mir mit jedem Jahr mehr zuwider geworden, den Laufburschen meines Herrn zu spielen. An manchen Tagen haderte ich besonders mit meinem Los, aber jede Sekunde versuchte ich mir zu vergegenwärtigen: Hannibal, Du hast noch einmal Glück gehabt. Stell Dir vor, Du bist auf einem Landgut und schuftest dort als Sklave von morgens bis abends, jeden Tag in der langen Woche. Nur die Saturnalia, die ich im Haushalt der Flavier immer als drolliges Vergnügen der Herrschaft angesehen hatte, würde mir in dem alternativen Schicksal als Licht am schwarzen Horizont erscheinen. An jenem Tage war ich vor geschickt worden, Amor gleichend, der den Weg der Liebe bereiten sollte. War es schon Liebe? Wenn ich an damals zurück denke, bin ich mir nicht ganz so sicher. Aber mein Herr hat mich schon früher und auch später überrascht.“- Auszug aus den Schriften eines Sklaven, sie werden dem Sklaven Hannibal zugeordnet! Frei übersetzt von Dr. Dr. h.c. P. F. Puvogel!
Reflexionen von Wolken spiegelten sich in dem Wasser wieder. Gebrochen von dem Licht an der glatten Oberfläche. Langsam schienen die weißen Flecken auf dem Wasser entlang zu kriechen, um im Stein aufgesogen zu werden. Hannibal sah von der Wasseroberfläche zu der Öffnung in der Decke und sah sinnend zu dem blauen Himmel hinauf, der von einigen Schäfchenwolken geziert wurde. Die herein schneiende Verlobte seines Herrn bemerkte er im ersten Moment nicht, erst als die Stimme im Atrium erklang und ungebrochen von den steinernen Wänden bis zu ihm kam, wurde Hannibal aus seiner Gedankenwelt gerissen. Er blinzelte und sah die junge Epicharis an. Hannibals Mundwinkel hoben sich leicht. Hübsch war die Verlobte und Hannibal bewunderte es, mit welcher Geduld und reizenden Art sie all die lange Wartezeit erduldet hatte. Ob sein Herr wusste, welches Glück er mit jener jungen Frau hatte? Aber so wie er seinen Herrn kannte, würde er einen solchen Schatz nicht sehen, selbst wenn dieser direkt vor seiner Nase war. Hannibal neigte den Kopf. "Salve, Domina!", grüßte Hannibal die junge Claudia mit respektvollen Tonfall. Sie würde wohl in absehbarer Zeit auch seine Herrin sein, als Ehefrau von Aristides. "Nicht ich habe eine Nachricht. Ich bringe Dir jemanden, der Dir von Deinem Verlobten berichten kann. Sogar sehr genau!" Hannibal schmunzelte und wandte sich um. Er sah auf die Silhouette, die sich an der Säule des Atriums abzeichnete. Sicherheitshalber trat Hannibal schon einen Schritt zurück, um nicht in die Bahn zu geraten.
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Die Krücken drückten unter seinen Armen, das Bein schmerzte höllisch und Marcus hätte sich am Liebsten irgendwo hin gesetzt, während sie warteten, aber die nächste Sitzgelegenheit stand direkt in einem sonnendurchfluteten Teil des atrium und Marcus wollte doch die Überraschung nicht verderben, darum hielt er sich in dieser unbequemen Position und harrte weiter hin der Ankunft von Epicharis. Jeglicher Schmerz und Nervosität, die sich unerklärlicherweise bei ihm breit gemacht hatte, verflog jäh als Epicharis tatsächlich in den Raum trat. Es war seltsam gewesen, auf dem Feldzug hatte er Anfangs hauptsächlich ihr Gesicht lebhaft vor Augen gehabt, doch mit den Monaten vermischte es sich immer mehr mit den Erinnerungen an ihre Stimme, an ihren Duft, den lieblich zarten Oder, den sie auf dem Wehrturm in Mantua ausgestrahlt hatte, und ihrem fröhlichen Wesen, während die realen Züge ihres schönen Gesichtes in den Hintergrund traten, gar schon an Substanz verloren. Und erneut bestätigte es sich. Wie eine leichte Feder kam sie in den Raum geschwebt. Einem munteren Frühlingsbach glitt ihre Gestalt, so zerbrechlich, so zierlich, Marcus blinzelte verblüfft als er seine Verlobte im warmen Sonnenlicht stehend betrachtete. Und mit Epicharis kam alles, was sich Marcus in all den letzten Monaten, in der langen Zeit des Feldzuges erwünscht hatte, die Verkörperung der Heimat, des Friedens und dem Ende des Krieges. Obwohl er gestern schon in der villa seiner Familie angekommen war und sogar schon eine Nacht in einem weichen und komfortablen Bett geschlafen hatte, begriff Marcus erst jetzt: Er war nun wirklich zu Hause und der Krieg war vorbei. Marcus schloß über diese Erkenntnis einige Herzschläge lang – die nicht lange währten, denn er war sehr aufgeregt! - die Augen.
Erst als er Hannibals Stimme vernahm, öffnete Marcus wieder die Augen. Soso, er würde besser von sich selber berichten können? Unrecht hatte Hannibal damit gewiß nicht; Marcus stemmte sich in die Krücken und hob sein – nicht unbeträchtliches! - Gewicht eine Nuance in die Höhe, um sich nach vorne zu schieben. Ein Schritt, Klock, noch ein Hüpfen und schon beleuchtete das Sonnenlicht, das durch die Öffnung des Daches in das atrium fiel, seine Gestalt. Hell leuchtete seine strahlend weiße toga, sogar seine Haare wirkten nicht mehr schwarz, sondern bekamen den tiefbraunen Ton, den sie eigentlich sogar hatten, aber das Sonnenlicht zeigte auch die Schatten unter seinen Augen und die fahle Farbe seines Gesichtes, immer noch getrübt durch seine Verletzung. Dennoch funkelten Marcus Augen vergnügt, der Schmerz war schließlich in dem Augenblick vergeßen, und Marcus machte noch einen Schritt auf Epicharis zu. Jeglich einstudierte Worte waren verflogen in dem Augenblick; Marcus konnte nicht umhin, Epicharis einige weitere Herzschläge lang zu betrachten, ihren strahlenden Teint, ihre wunderschönen Augen, die vollen, sanft geschwungenen Lippen und ihr dunkel, glänzendes Haupt. Wie schön sie doch war! Welches Licht sie mit ihrem Wesen ausstrahlte! Marcus war ganz verblüfft, das erneut zu bemerken, erstaunt, so etwas an der Frau entdecken zu dürfen, die er – eigentlich unfreiwillig! - heiraten sollte.
„Epicharis!“
Zelebrierend nannte er ihren Namen, der so herrlich melodisch klang.
„Ich bringe Dir tatsächlich Kunde von Deinem Verlobten!“
Ein schelmisches, spitzbübisches Lächeln zeigte sich bei Marcus.
„Er sagt Dir, daß der Krieg vorbei und er nach Hause zurück gekehrt ist!“ -
Epicharis hatte heute keine Augen für Hannibals freundliche wie höfliche Gestik und Mimik. Sie betrachtete ihn nur stumm, wissbegierig und mit besorgtem Ausdruck auf ihrem Antlitz, sich vor der vielleicht folgenden Offenbarung fürchtend. Nicht nur aus diesem Grunde hasste sie den Krieg. So harrte sie angespannt der Nachricht, die, als sie kam und doch nicht kam, sie sehr verwirrte. Mit fragend gerunzelter Stirn und bereits einer entsprechenden Entgegnung auf den roten Lippen wollte sie sich an Hannibal wenden, doch die Frage blieb ihr förmlich im Halse stecken, als Hannibal auf eine Säule deutete, in deren Schatten sie nun eine Bewegung wahrnahm. Epicharis schlang ihre Arme noch ein wenig fester um ihren Körper, verbannte die Frage und beschloss, erst einmal abzuwarten, was dieses Versteckspielchen sollte. Hannibal jedenfalls schien sich zu amüsieren, während sie nicht recht wusste, was sie davon halten sollte, dass man sie derart auf die Folter spa....
...Epicharis erstarrte, und mit ihr auch ihre Gedanken. Stattdessen starrte sie. Sie starrte ihn an, ihren Verlobten, der ins Licht getreten war. Vielerlei Eindrücke stürmten auf sie ein, und sie war zugleich fassungslos, überrascht, entsetzt, verwundert, sprachlos und freute sich. Unwillkürlich legte sich zuerst die eine, dann auch die andere Hand auf ihr Brustbein, während sie sich bemühte, weiterzuatmen, denn das hatte sie ob der Umstände ganz vergessen. Wie festgewurzelt stand sie an Ort und Stelle, bar jeden Wortes und beinahe einen Schabernack von Serenus hier erwartend, aber nein, das alles war dann doch zu echt, und Hannibal hätte doch bestimmt nicht bei einem solchen Streich mitgewirkt. Epicharis hörte kaum auf das, was Aristides sagte, vielmehr studierte sie sein Erscheinungsbild mit einer unnatürlich stoischen Ruhe, obgleich es doch in ihrem Inneren gänzlich anders aussah. Sie bemerkte die Krücken natürlich sofort, woraufhin ihr Blick den beiden Füßen galt, die - den Göttern sei Dank! - beide noch dran waren.
Aristides stand immer noch im hellen Licht der Sonne, die genaustens alles beschien - er hatte zugenommen, konnte das sein? - und kein Quentchen der Gestalt verschleierte. Müde sah er aus, abgekämpft, und Epicharis meinte, auch tiefe Linien des Schmerzes in seinem Gesicht erkennen zu können. Aber alles, was zählte, war nun für sie, dass er wieder da war, endlich. "Ich...Wie..?" Und so riss sie sich nach diesen wenigen Herzschlägen der Musterung los und stürmte regelrecht auf ihn zu, wehenden Haares an Hannibal vorbei, der zurecht aus der Flugschneise getreten war. Epicharis verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie Aristides Schmerzen bereiten oder ihn gar umwerfen könnte, als sie sich an seine Brust warf, ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn mit ihrem Ungestüm schwanken machte. Augenblicklich umgab sie sein Duft, eine Mischung aus frisch gewaschenem Stoff, Duftölen, ein wenig Schweiß und eben Aristides, und Epicharis vergrub ihren Kopf an seiner Halsbeuge und schloss die Augen, sich zum ersten Mal seit Monaten wieder geborgen fühlend. "Marcus....Marcus..." murmelte sie, eine Hand streichelte seinen Nacken und die andere hielt ihn einfach nur fest und schien ihn gar nicht mehr aus der Umklammerung fortgehen lassen zu wollen.
Eine unendliche Ewigkeit war vergangen, irgendwo hatte sich ein Sklave geräuspert und Epicharis in die Realität zurückgeholt. Als sie sich schließlich langsam und widerstrebend von ihm löste, war ihre Schminke um die Augen herum ganz verschmiert, sie hatte geweint, doch das Lächeln auf ihrem Gesicht und das Funkeln in ihren Augen zeugten davon, dass sie es nicht aus Trauer getan hatte, sondern aus Freude. "Ich kann es gar nicht glauben... Ist das real? Ist der Krieg wirklich vorbei? Musst du nie mehr fort?" bestürmte sie ihn nun mit Fragen und fügte nach einem Blick zu einer der Stützen an: "Warum gehst du auf Krücken?" Ohne Worte deutete sie auf die sonnenbeschienene Sitzgruppe und setzte sich langsam mit Aristides dorthin in Bewegung, nicht von seiner Seite weichend. Als sie Hannibal passierten, wandte sich Epicharis um und schloss den Sklaven kurz aber herzlich in ihre Arme. "Danke, dass du ihn heil zurückgebracht hast", flüsterte sie in dem Glauben, dass Hannibal auch im Krieg an der Seite seines Herrn gewesen war.
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Ein Frühlingswirbelwind kam auf Marcus zu und schon spürte er Epicharis, die ihn mit Händen und Armen berührte und mit einer Wucht in Beschlag nahm, das ihm die Krücke aus der Hand fiel. Polternd landete sie auf dem steinernen Boden und Marcus verlor das Gleichgewicht, nur mit Mühe und Not und der Hilfe einer Säule konnte sich Marcus aufrecht halten, mit einer Hand stützte er sich an der Säule ab und stemmte sich auf die noch verbliebene Krücke. Obgleich ein heftiger Schmerz durch sein Bein ging, wie tausend Nadelstiche bis zu seiner Hüfte hochzog und in einem Echo an seinem Torso widerhallte, stöhnte Marcus nur einen Herzschlag lang auf, was in einem tiefen und freudigen Lachen unterging bei der stürmischen und freudigen Begrüßung durch seine Verlobte. Marcus ließ auch noch die andere Krücke fallen und hielt sich nur mit einer Hand an der Säule, die Andere legte er sanft auf den Rücken von Epicharis. Unter seinen Fingern spürte er den leichten Stoff ihres Kleides, aber ebenso ihre zierliche und schlanke Gestalt. Sanft strich er über ihren Rücken, wie zart sie doch war, wie ein Windhauch, eine schmale und grazile Blume. Dem mußte man gewiß noch abhelfen, aber Marcus war sich sicher, daß sie schon noch einige Pfunde zu legen würde, spätestens nach der Hochzeit. Marcus senkte seinen Kopf und sog ihren Duft in sich ein, ja, er war immer noch so wundervoll wie bei ihrer letzten Begegnung, sogar noch ambrosischer als zu der Abendstunde in Mantua. Weiches, seidiges Haar glitt an Marcus Nase entlang, sanft legte er seine Lippen auf ihren Scheitel und küßte sie dort sachte. Durch seine toga hindurch verspürte Marcus nichts von den Tränen, erst als Epicharis wieder ihr Gesicht von seiner Brust anhob, sah er das helle Glitzern in ihren Augen, den feuchten Glanz auf ihren Wangen und den dunklen Rand um ihre Augen, der wohl von dem Kohlezeug stammte, den sich Frauen doch so gerne um ihre schönen Augen drappierten.
„Meine wunderschöne Epicharis!“
Wie gut das doch klang! Marcus hob seine Hand und fuhr mit dem Daumen sachte über ihre feuchte Wange, selbst wenn seine Hände immer etwas kratzig waren, der Schwielen und der Hornhaut wegen, die er mit den Übungen und dem Kampf als Soldat erworben hatte und die wohl Zeit seines Lebens nicht mehr weg gehen würden. Ein hilfreicher Sklave war schon heran getreten und hielt die Krücken bereit, die sich Marcus nun doch wieder unter den einen Arm klemmte, etwas strauchelte bei der Bewegung, dann ließ er notgedrungen seine Hand sinken, die eben noch Epicharis berührt hatte und er stützte sich auf die andere Krücke. Nie wieder fort? Marcus betrachtete die femininen und schönen Züge seiner Verlobten und hätte wohl am Liebsten leise geseufzt. Konnte er so etwas mit Bestimmtheit sagen? Nun, wo die Zeiten unsicher waren und sie alle nicht wußten, was der Kaiser eventuell gegen die Flavier tun würde? Marcus lächelte schwach und humpelte auf die Sitzecke zu, auf die Epicharis deutete. Mit einem Ächzen und nun doch einem schmerzhaften Stöhnen ließ er sich auf den Sitz herunter sinken, dabei verwundert von Epicharis zu Hannibal schauend, weil er die Bedeutung der Umarmung nicht ganz verstanden hatte. Ein Funken von Mißtrauen keimte in Marcus, ein Glimmen, das nur von Eifersucht kommen konnte. Marcus griff unter sein Bein und platzierte es auf einen der anderen Stühle, denn das Pochen und der Schmerz war bei dem Marsch schlimmer geworden. Die toga verrutschte dabei natürlich, auch an seiner Schulter zeigte sie nicht mehr die Linienführung, die eine toga heutzutage aufweisen mußte. Er drapierte die Krücken neben sich, an eine Wand gelehnt und lächelte wieder frohgemut und glücklich, jetzt, wo er saß und sein Bein hoch gelegt hatte, wurde der konstante Schmerz etwas weniger schlimm.
„Der Krieg ist vorbei!“
, bestätigte Marcus.
„Und ja, die Prima wird in Italia bleiben!“Hoffentlich! Man konnte schließlich nie wißen, was der nächste Kaiser vor hatte. Dennoch...schon seit Parthia reifte in Marcus gänzlich andere Überlegungen, er wollte selber entscheiden können über sein Leben, weder von der Mutter, noch von einem Befehlshaber wollte er mehr abhängig sein. Marcus Augen wanderten zu seinem verletzten Bein, das noch größtenteils von der toga verdeckt wurde, aber ein wenig des dicken Verbandes lugte doch an seiner Wade heraus. Stolz auf die Ursache jener Verletzung war Marcus gewiß nicht, er erwog einen Augenblick lang eine fantastisches Lügenmär zu erzählen. In der Schlacht von...Edessa oder Chaboras? Alles zu unglaubwürdig! Doch ein Dorf in der Einöde von Parthia! Dreihundert Parther haben uns in dem Dorf angegriffen, standhaft wehrten wir uns. Drei ganze Tage und drei ganze Nächte kämpften wir gegen sie, wehrten eine Kampfeswelle nach der Anderen ab, mit schweren Opfern errungen wir schließlich den Sieg. Das klang zumindest heroischer als: Ein Bauernlümmel hat mich mit der Mistgabel erstochen! Marcus seufzte und blieb bei fast der ganzen Wahrheit, schmachvolle Dinge ließ er lieber dann doch unerwähnt.
„Wir haben in einem Dorf Getreide und Vieh für die Legion rekrutiert, das war schon nach Dura Europos, wir waren eigentlich nur ein kleiner Trupp, dummerweise hatten sich in dem Dorf ein paar parthische Reiter versteckt und die Bauern haben uns mit ihnen zusammen angegriffen. Da ist das dann irgendwie leider paßiert! Nur kurze Zeit bevor wir in Antiochia eingeschifft wurden.“
Der düstere Schatten, der sich auf Marcus Gesicht abzeichnete, schwand sofort als er seine Verlobte betrachtete. Er streckte ein Hand aus, um die Ihrige zu er greifen und sie zu sich zu ziehen.
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Bei jedem anderen hätte sie sich geschämt, so reagiert zu haben, bei Aristides allerdings tat sie es nicht, was wohl auch nur allzu verständlich war, angesichts ihrer Verbindung und der Umstände des Wiedersehens. Bei anderen hätte sie sich auch ganz gewiss nicht die Blöße gegeben, derart stürmisch zu reagieren. Epicharis genoss die zärtliche Geste des Scheitelkusses, seufzte tief und blinzelte auch noch die letzten glitzernden Tränen fort, während sie an Aristides' Seite zu der bequemen Sitzgruppe ging. Aufmerksam beobachtete sie ihn von der Seite her, ganz so, als glaubte sie, er würde verschwinden, sobald sie den Blick abwendete. Dass das Hüpfgehen ihm zu schaffen machte, war unübersehbar, und umso mehr freute es sie, dass er sich auf den Weg hierher gemacht hatte statt ihr jemanden zu schicken, der sie abholte. Auch, wenn sie dieser Tage nur ungern in diesem Hause weilte. Das Kompliment verfehlte seine Wirkung nicht, grazil schlug sie die verwischten Augen nieder und sah schamerfüllt zu Boden.
Dann hatten sie die gemütlichen Korbmöbel nahe der Steinbank erreicht, Aristides setzte sich ächzend und Epicharis ließ es sich nicht nehmen, ihm den Stuhl für sein Bein zurechtzurücken. Schnell war ein Sklave damit beauftragt, eine schöne Schüssel Trauben zu holen, samt edelstem Tropfen, denn schließlich musste dieses Wiedersehen gebührend geifert werden. Flüchtig runzelte sich die claudische Stirn beim Anblick des verletzten Beines, dann trat Mitgefühl auf Epicharis' Antlitz und sie entschied sich, nicht anstandsvoll einen fernen Sessel zu wählen, sondern setzte sich direkt neben Aristides, wenn man auch erwähnen musste, dass sie einen minimalen Abstand zu ihrem Verlobten wahrte. Mitfühlend blickte sie auf den Zipfel des Verbandes hinab, der unter Toga und Tunika hervorlugte, beäugte nochmals die Krücken und wandte das Gesicht dann wieder Aristides zu, der tatsächlich zugelegt zu haben schien. Seine Worte lösten eine tiefe Zufriedenheit in ihr aus. Fast war es ihr gleichgültig, ob Rom gesiegt hatte oder nicht. Sie würde Aristides jedenfalls nicht wieder fortgehen lassen, so viel stand fest, mochte er auch noch so viel Durchsetzungsvermögen an den Tag legen. Epicharis schloss die Augen, hielt einen Moment den Atem an und stieß ihn dann erleichtert wieder aus. Nachdenklich musterte sie Aristides, erinnerte sich an den vorläufigen Abschied im Castellum der Prima und die Szene auf dem Turm, was ein flüchtiges Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Um ein Haar hätte sie mechanisch an seine Schulter gegriffen und die Falten wieder in Ordnung gebracht, doch sie konnte sich im letzten Moment zurückhalten und tastete stattdessen vorsichtig an der centurionischen Wade. "Tut es sehr weh?" fragte sie ihn und lauschte der Entstehungsgeschichte der Wunde. Als Aristides geendet hatte, schüttelte sie erbost den Kopf. "Wie schrecklich! Da hast du so vieles überstanden und dann passiert so etwas", drückte sie ihr Mitgefühl aus und fragte vorerst nicht weiter nach, was nicht daran lag, dass der Sklave nun zurückkam und ihnen beiden köstlichsten Wein einschenkte.
"Ich habe mich so über jeden deiner Briefe gefreut", erzählte Epicharis und ließ sich nur zu gern von ihrem Verlobten noch ein wenig näher ziehen. Sie legte ihren Kopf an seine Schultern und war glücklich. "Die Verlustmeldung in der Acta allerdings war grausam. Gracchus war auch ganz erschüttert. Ich glaube fast, er hat sich selbst die Schuld daran gegeben. Aber wie froh er war, als sich herausstellte, dass es ein Missverständnis war, und ich erst!" Epicharis hob das Kinn und strahlte Aristides von unten her an. "Und jetzt bist du zurück, ich kann es gar nicht fassen... Ich habe von Gerüchten erfahren, aber dass sie wahr sind..." Ihr Blick blieb an seinen Lippen hängen, und was sie dachte, äußerte sich in einem äußerst verlegenen Nagen auf ihrer eigenen Unterlippe. Ob sie es riskieren konnte? Durfte? Lieber doch nicht, hinterher kam noch ihr launischer Vater ins Atrium und beförderte Aristides achtkantig hinaus. Ein zitternder Seufzer entglitt den geschwungenen Lippen.
"Und wie geht es dir, Marcus? Wie sieht Parthien aus, wie leben die Menschen dort?" Das Essen jedenfalls schien doch recht gut gewesen zu sein. "Und der Kaiser... Er ist wahrhaftig tot, nicht?" Natürlich war Epicharis bewusst, dass man nicht einen neuen Kaiser ausrufen würde, wenn der alte noch am Leben war, aber es aus erster Hand zu erfahren war schließlich etwas ganz anderes.
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Bedauernd betrachtete Marcus diesen großen, allzu großen Spalt, der immer noch zwischen ihnen lag, so wollte Marcus nach Epicharis schlanken Taille greifen und sie etwas näher an sich heran ziehen. Schon berührte seine Hand ihren Rücken als jedoch Epicharis seine Wade betastete. Selbst wenn sie es vorsichtig tat, so war Marcus einfach noch zu empfindlich an seinem Bein; scharf sog Marcus den Atem durch seine Nase ein, der Schmerz zuckte heftig durch seinen ganzen Körper bis zu seinen Schläfen hinauf. Marcus unterdrückte nur mit Mühe einen Schmerzenslaut – er wollte Epicharis schließlich nicht beunruhigen! -, konnte ein leises Stöhnen jedoch nicht ganz verhindern, egal, wie fest er seine Zähne aufeinander biß, so stark, daß sich seine Wangenknochen deutlich im Gesicht wenn es nur zwei Herzschläge lang war.
„Ja..!“
, ächzte Marcus. Aber der Schmerz wurde etwas schwächer, Marcus nickte, denn es war wirklich zu dumm gewesen. Daß er freilich schon vorher verletzt wurde und nicht schadlos den ganzen Krieg bis zu diesem bitteren Ende überstanden hatte, das verschwieg Marcus noch, schließlich waren seine Worte in den Briefen an Epicharis immer ein Zeugnis davon, wie ungefährlich der Krieg angeblich gewesen ist. Marcus legte seine Hand auf ihren Rücken, angenehm kitzelte eine der weichen Haarsträhnen an seinem Kinn, als Epicharis ihren Kopf an seine Schulter legte. Marcus wandte den Kopf zu ihr und betrachtete sie sinnierend und nachdenklich.„So schlimm ist es nicht, außerdem hatte ich noch Glück, selbst wenn es nicht gerade angenehm ist, verletzt zu sein. Aber einen Vorteil hat es mir doch eingebracht!“
Marcus lächelte still vor sich hin und ließ seine Hand an Epicharis hoch wandern, seine Fingerkuppen ertasteten dabei deutlich ihren schlanken Rücken.
„Ich habe Re..Rekon...Urlaub, bis ich wieder einigermaßen laufen kann. Viele der Offiziere mußten erst nach Mantua zurück kehren, ich konnte mit Hannibal gleich von Ravenna aus aufbrechen!“Wie froh Marcus gewesen war, als er die Nachricht von dem medicus vernommen hatte. Er hatte ihn in eine Liste mit den Verletzten eingetragen und somit hatte - laut des Befehls des Legaten - Marcus erstmal Zeit, sich hier in Rom zu erholen. Marcus hob seinen Kopf etwas an, um nach den Sklaven zu spähen, der von Epicharis ausgesandt worden war. Ein kühler Tropfen würde ihm jetzt gewiß gut tun, nach all dem Hüpfen und dem Marsch von der Sänfte bis zum atrium. Die Briefe? Ah ja, die Briefe! Ein wenig hatte Marcus doch an seinem schlechten Gewißen zu knabbern, schließlich hatte er die Briefe zwar schon selber produziert, aber eben nur mündlich und Naevius hatte sie sorgfältig überarbeitet und von den langen, verworrenen Sätzen etwas befreit, die manchmal doch sehr sinnfrei waren. Aber immerhin waren die Briefe dennoch mit dem gefüllt, was Marcus seiner Verlobten auch berichten wollte. Seine Finger verirrten sich zu ihrem seidigen Haar, zart strich er über ihren Nacken, bis er ihren Haaransatz erspürte, über den er seine Finger spielen ließ. Weich zeichnete die Sonne die Konturen von Epicharis, versunken betrachtete Marcus diese und nickte langsam. Auf welche der Fragen oder Bemerkungen das jetzt die Antwort war, wurde erst mal nicht deutlich. Wie ganz selbstverständlich hob Marcus die andere Hand und strich mit seinem Zeigefinger an ihrer Kinnlinie entlang.
„Die acta? Hm!“
Leise hatte Marcus das gemurmelt, während er mit seinem Finger die Linie erkundete, die an einem kleinen Ohrläppchen endete.
„Saftladen, diese acta!“
, gab Marcus ganz selbstvergeßen von sich ehe ihm siedendheiß einfiel, daß Epicharis ja für diesen Saftladen arbeitete. Herrje! Erneut ein Fettnäpfchen gefunden. Schnell versuchte Marcus seinen Faux Pas ungelenk wieder glatt zu bügeln.
„Öhm...ähm, naja, ich mag Säfte!“
Himmel, Marcus, dämlicher geht es nicht, hm?
„Und die Schuld lag ja eindeutig bei den Schreibern bei uns. Mich einfach auf die Verlustliste setzen, tztz!“
Verzeihung erheischend sah Marcus seine Verlobte an. Was half am Besten bei einer brenzligen Situation mit einer Frau? Ihr etwas schenken - dazu aber erst später mehr! - oder schnell das Thema wechseln.
„Ähm, ja, er ist tot. Ganz definitiv tot!“
Marcus seufzte leise und nickte schließlich.
„Er ist vor Dura Europos gestorben, am Abend, heißt es. Wir haben ihn viele Tage durch die Steinwüste getragen und dann verbrannt. Ich denke, der Legat wird die Urne mit der Asche bald nach Rom bringen. Dann wird es hier wohl noch ein großes Staatsbegräbnis geben!“
Marcus hoffte, wenigstens dort anwesend sein zu können, bei der Verbrennung hatte er nicht teilnehmen können, da er zu jener Zeit bereits fieberte wegen der frischen Verletzungen.
„Parthia? Och, steiniges Land, fremdländische Menschen, hinterhältige Bauern, verlogene Stadtbewohner, guter Wein! Die Menschen leben dort auch in Steinhäusern, wie hier in Rom.“Für Marcus hätte wohl eine derartig knappe Rede ausgereicht, aber ein Blick auf seine Verlobung, sein Erinnerung an ihre lebhafte Neugier und ihr Wissensdurst brachten ihm die Klarheit, daß sich eine derartig erkenntnishungrige Frau nicht mit den wenigen Worten abspeisen ließ. Marcus lächelte schief und kramte in seinem Kopf nach einigermaßen paßenden Worten.
„Die Parther sind schon ein ganz eigenes Volk. Sie sind nicht mit den Germanen oder den anderen primitiven Völkern zu vergleichen. Sie bauen prachtvolle Städte und sind wohl auch sehr geschickte Taktiker. Sie waren wirklich ein zäher und energischer Feind, es war nicht nur einmal, daß wir von ihnen in eine Falle gelockt wurden. Wenn es wohl einen Feind auf der Welt gibt, die es mit uns aufnehmen kann, dann sind das die Parther. Und ihr Land...ja, das Land ist wirklich wie die Parther selber. An manchen Stellen rauh und karg, abweisend und feindselig, dann wiederum von einer unvergleichlichen Schönheit. Und die Sonnenaufgänge sind wunderschön dort! Aber ihre Sprache ist grauenhaft, wobei manch einer der Parther auch Griechisch spricht.“
Etwas, was Marcus nie geholfen hatte, denn in den letzten Jahren waren seine mageren Griechischkenntnisse noch lausiger geworden. Marcus verstummte und ließ seinen Finger nun über Epicharis Ohr hinweg gleiten, betrachtete dieses kleine und zierliche Gebilde.
„Aber erzähle von Dir, Epicharis, meine Schöne! Wie geht es Dir? Hast Du Dich mit Deinem Vater versöhnen können?“ -
Erschrocken nahm Epicharis hastig die Hand fort. Sie glaubte nicht, dass Aristides als starker römischer Centurio ihr Schmerzen vorspielen würde, zudem lebte sie noch ganz in dem Irrglauben, dass rechtschaffende Männer keinesfalls wehleidig waren sondern viel eher "echte Kerle", die sich lieber die Zunge abbissen, statt vor Schmerz zu stöhnen. Deswegen löste der halb unterdrückte Schmerzenslaut ihres Verlobten auch augenblicklich die Fürsorglichkeit in der jungen Frau aus, und sie sah ihn äußerst mitleidig an und zog einen besorgten Mund. "Mein tapferer, lieber, mutiger Streiter Roms", säuselte sie liebevoll an seinem Kinn vorbei und strich ihm über die Wange. Im nächsten Moment schon kroch ein Getier mit vielen tausend kleinen Füßen ihren Rücken hinauf. Das Gefühl war zugleich angenehm wie fremdartig, obwohl es von Arisitdes' Fingern herrührte, deren Zärtlichkeit sich Epicharis viel zu lange herbeigewünscht hatte. Verstohlen beobachtete sie ihn. Man sagte schließlich, dass die meisten Männer etwas ganz Bestimmtes dachten, wenn sie zärtlich zu einer Frau waren. Aber sie konnte nichts Auffälliges feststellen. "Es freut mich, dass du gleich hergekommen bist. Das mit deinem Bein aber trotzdem nicht schön. Ich hoffe, dass du bald wieder ganz gesund bist. Ein wenig Pflege, und alles wird gut. Du wirst sehen. Und wenn ich etwas für dich tun kann, damit es dir besser geht, dann sag es ruhig", erwiderte Epicharis und hob den Kopf, damit Arisitdes ihr Lächeln sehen konnte.
Die Lider der verwischten Augen schlossen sich für eine Weile genießerisch, und kein Wort drang über Epicharis' Lippen, während Aristides sie zärtlich koste. Mehr und mehr revidierte sie ihren eigenen Entschluss, nicht wagen zu dürfen, was so verführerisch war nach all diesen vielen Monaten. Ein beinahe unmerklicher Seufzer drang über ihre Lippen, bevor sie sich schließlich dazu bewegen konnte, die Augen wieder zu öffnen. Aristides' Bemerkung pber die Acta half allerdings dabei, denn kaum waren die Lider aufgeschlagen, manifestierte sich ein skeptischer Ausdruck auf Epicharis' Gesicht. Dass er kurz darauf versuchte, seinen Fuß aus dem Fettnapf zu ziehen, quittierte die Claudierin zuerst mit einem verwegenen Schmunzeln, das sich postwendend in ein heiteres Lachen verwandelte. Genau das war die Art, die sie an Aristides so mochte und die Gracchus schlichtweg fehlte. Gracchus wäre aber auch gar nicht erst dieser fatal anmutende Fehler unterlaufen. "Es hat sie ja letztenendes alles zum Gute aufgeklärt", tat sie den Fehler ab und beruhigte somit Aristides, dessen zerknirschte Miene sie als Besorgnis interpretierte. "Du bist am Leben und sitzt direkt neben mir, etwas lädiert zwar, aber am leben. Nur das ist wichtig. Und ich hätte mir ja gleich denken können, dass man einen Flavier nicht so leicht klein bekommt. Noch dazu, wenn er so...stattlich ist wie du", fügte sie an und konnte nur mit Mühe ein Schmunzeln unterbinden.
Wie gebannt hing Epicharis hernach an seinen Lippen, als er von Parthien erzählte. Zuerst nur wenige Worte verlor er, dann - wohl auf ihren fragenden Blick hin - ging er ins Detail. Die parthischen Menschen mussten sehr sonderbar sein, wenn sie neben der Erschaffung von wunderschönen Städten solch ein kriegerisches Volk waren. Und immerhin, das durfte man neben all der Wiedersehensfreude nicht vergessen, hatten sie den Kaiser auf dem Gewissen. "Ich hätte das gern einmal mit eigenen Augen gesehen", sagte Epicharis. "Wo es mir schon nicht vergönnt war, Ägypten zu bereisen. Zuerst das Fieber, dann war einfach keine Zeit und schließlich wurde es mir untersagt." Epicharis hob eine Schulter und blickte bedauernd drein. "Vielleicht...als Hochzeitsreise", schlug sie schließlich vor und errötete, kaum dass sie es gesagt hatte. Sie räusperte sich und war froh, dass Aristides ein anderes Thema zur Sprache brachte.
"Mir geht es blendend, seitdem ich weiß, dass du heim zurück bist", entgegnete sie zu allererst und lächelte breit. "Ich habe in all der Zeit kaum Sinnvolleres gemacht, als die Zeit zu vergeuden und Unmengen an Geld auszugeben. Das heißt... Naja, die Tunica Recta ist annähernd fertig, das kann man sicher als sinnvoll betrachten." Epicharis schmunzelte und legte ihre Hand vorsichtig in Aristides Nacken. Wie warm seine Haut doch war, wie flaumig die kurzen Haare dort! Ein sanftes Streicheln setzte ein, als Epicharis fortfuhr. "Sonst hat sich hier kaum etwas verändert. Von Vater schrieb ich dir bereits, das hat sich nicht gebessert. Du kennst seinen Starrsinn nicht, wenn er sich eine Meinung gebildet hat, ist es ganz gleich, was man tut oder sagt oder wie man etwas meint." Sie seufzte ergeben und ließ die Hand wieder sinken. "Deandra lässt sich auch nicht mehr blicken und wenn, ist sie so kühl wie germanischer Schnee. Diese Sache mit Aurelius Corvinus scheint ihr Herz zu Stein gewandelt zu haben. Vater zürnt ihm deswegen - hast du überhaupt davon erfahren? Der Aurelier hat die Verlobung gelöst, einfach so. Wenn Deandra sich ihm gegenüber so verhalten hat wie mir gegenüber, kann ich ihn verstehen. Allerdings hat das nicht gerade dazu beigetragen, dass sich meine Familie gut mit seiner versteht. Da scheint Krieg zu herrschen, was man so aus dem Senat hört. Einerseits traurig, andererseits bin ich gespannt, wohin das führen wird. Ich vermute ehrlich gesagt, dass Corvinus am längeren Hebel sitzt. Du kennst ihn doch?" Während sie sprach, kam deutliches Interesse am politischen Geschehen Epicharis' zu Tage. Noch wusste sie nicht, was ihr Verlobter davon hielt, aber das würde sie wohl gleich herausfinden...
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Balsam für die Seele waren die Worte von Epicharis, und was für die Seele gut war, das war auch vortrefflich für den Korpus, darum klangen die Schmerzen schon recht bald ab, das Gesicht von Marcus hatte sich schnell wieder entspannt und er mit einem freudigen Lächeln die Anrede wahrgenommen. Aus ihrem Mund klang das sogar glaubhaft, selbst wenn Marcus sich selber gar nicht so tapfer oder mutig vor kam, erst recht nicht lieb , aber aus ihrem Munde klang es wie eine größere Adelung und Ehrung als in dem Moment, wo er für Circecium einen silbernen Reif erhalten hatte und die Betitelung Held von Circecium. Zudem erleichterte es Marcus, daß Epicharis ganz offensichtlich nicht seines kleinen Ausrutschers wegen beleidigt war, oder gar zornig. Im Gegenteil, sie machte ihm sogar ein Kompliment. Stattlich? Genauso wie es Marcus gewöhnt war, daß Männer den Frauen Komplimente machten und er in seinem Leben noch nicht ein solch eine Schmeichelei von einer römischen Frau gehört hatte, derart reagierte Marcus auch. Sein Gesicht nahm langsam, aber durchaus sichtbar eine verlegene Röte an, während seine Augen fröhlich, wenn auch scheu, glitzerten und er sich über die Worte freute. Marcus spürte durchaus, daß seine Wangen und Stirn etwas hitziger wurden und blinzelte bedripst. So daß ihm womöglich die Gunst der Stunde völlig entging. Nur ein leises: „Oh!“, drang von seinen Lippen als Antwort, denn mehr brachte er in jenem Augenblick nicht hervor, womöglich hätte er noch ein Stottern geschafft, aber er wußte nicht so recht, was er darauf erwidern sollte, mußte oder konnte. Während Epicharis schon fröhlich und munter weiter redete – Marcus war ihr in jenem Augenblick auch wirklich darüber dankbar! - entfärbte sich sein rotes Gesicht ganz langsam und nahm wieder einen normalen Hautton an, der Sonnengebräunte, den er in all der Zeit auf dem Feldzug erworben hatte und der die Lachfalten um seine Augen noch betonte, zudem auch die Grübchen an seiner Wange und die etwas tiefe Furche um seine Mundwinkel, die doch die Jahre mit sich gebracht hatten, die oft bewegt und selten langweilig waren.
Die Röte auf Epicharis Wangen hinwieder fand Marcus äußerst reizend und bezaubernd, es hatte etwas sehr frisches und unbefangenes, denn welche Frau konnte schon so etwas vortäuschen? Marcus lächelte und nickte zustimmend, selbst wenn er im Moment noch völlig in der Schwebe hing, wie denn seine nahe Zukunft aussehen würde, aber darüber würde er sich erst später Gedanken machen, sobald er sich etwas erholt hatte und von Pontius zu Pilatus laufen konnte. Aber nach Ägypten reisen würde auch Marcus gefallen, die wunderbare Stadt Alexandria besuchen, auf dem Nil entlang reisen, die eine oder andere Jagd, ein paar alte Freunde besuchen in Ägypten, das klang wirklich wunderbar und erinnerte ihn an die schönen Zeiten als er noch das tun konnte, wonach ihm gerade der Sinn stand, Marcus lächelte selig vor sich her. Unmengen von Geld ausgeben? Da das ja noch nicht sein Problem war, sondern das von Epicharis' Vater, konnte sich Marcus eines Schmunzelns nicht erwehren; wahrscheinlich bestand das im Einkaufen, Marktgänge, noch mehr Einkaufen, das Leben von Frauen schien doch recht unkompliziert zu sein, wobei Marcus durchaus durch seine Mutter wußte, daß dem eigentlich nicht so war. Marcus ließ seine Finger über ihre Wange hin weg gleiten, dort, wo ihr Lachen sich wie ein Sonnenstrahl ausbreitete, wie weich und zart doch ihre Haut war, wenn auch reichlich blaß – was fast alle Römerinnen für Marcus waren! - aber er würde sie noch oft genug an die frische Luft schleppen. Etwas konfus war Marcus dann doch all der Namen wegen, er runzelte die Stirn, was sich gleich wieder auflöste als er die leichte Berührung an seinem Nacken spürte, abermals blinzelte Marcus überrascht, war aber erneut recht angetan davon. Leider währte das jedoch nicht sehr lange, Marcus folgte jedoch der Hand ein Stück, in dem er etwas näher noch an Epicharis rutschte und einen Arm sanft um ihre Taille legte.
„Deandra? Sollte ich sie kennen?“
, fragte Marcus etwas verwirrt. Der Name sagte ihm leider gar nichts. Am Ende war das noch eine enge Verwandte von Epicharis und Marcus hatte sich wieder in die Nesseln gesetzt.
„Corvinus? Hm!“
Marcus grübelte.
„Aurelius Corvinus...!?“Auch der Name bereitete Marcus Schwierigkeiten, aber Marcus hatte noch nie ein sonderlich gutes Namensgedächtnis gehabt, erst mit seinen Soldaten hatte sich das gebessert, denn schließlich wollte er seine Männer auch ordentlich mit Namen anreden könne, so wie sie es auch verdient hatten. Mehrere Gesichter ragten aus dem Dunst von Erinnerungen heraus, aber Marcus war sich nicht ganz sicher, ob auf dem Fest in Mantua der Tiberier oder der Aurelier waren oder gar Beide? Marcus war etwas ratlos, was sich auch an seiner Miene offenbarte. Darum konnte er auch all die damit zusammen hängenden Aussagen nicht ganz verstehen.
„Deandra war also mit dem Aurelier verlobt. Und das wurde gelöst! Warum?“
Marcus versuchte systematisch diesen gordischen Knoten zu entwirren, was zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war, schließlich war die Natur eines solchen Knoten, daß er unentwirrbar blieb.
„Warum sitzt der Aurelier am längeren Hebel? Ist er in einem einflußreicheren Amte?“Solch Klatsch und Tratsch war noch nie wirklich eine Sache von Marcus gewesen, aber es waren Dinge, die seine Verlobte beschäftigten und ihre letzten Monate wohl schwer gemacht hatten, so versuchte er wenigsten etwas das zu verstehen. Marcus betrachtete ihre harmonischen Gesichtszüge, die ausdrucksstarken Augen und die vollen, wunderbar weichen Lippen und hatte eigentlich nicht groß Lust über irgendwelche Aurelier nachzudenken. Marcus hob auch die andere Hand und strich sanft mit dem Daumen an ihrem Kinn entlang. Was war es eigentlich, was Marcus im Moment gefangen hielt? Natürlich war Epicharis wunderschön, aber eigentlich nicht der Typ von Marcus – der lieber die dunkelhäutigen Frauen bevorzugte – aber die Herzlichkeit und das lebendige Wesen von Epicharis erwärmten ihn gerade, machten ihn glücklich und ließen ihn endlich in Rom und der Heimat ankommen. Ganz versunken in all dem Tohuwabohu von Empfindungen – die doch so wahrlich untypisch für Marcus waren! - vergaß er auch alles um sie herum. Marcus Augen ruhten auf ihrem Gesicht, er beugte sich etwas näher an sie heran und flüsterte leise, mit leicht rauchiger Stimme:
„Wie wunderschön Du doch bist, Epicharis!“
Auch noch die letzte Distanz wollte Marcus überwinden, er beugte sich nach vorne, hielt sanft eine Hand an Epicharis' Wange, während die Andere abermals zu ihrer Taille wanderte und diese umschlang. Noch ehe ein Atemzug vergangen war in der Bewegung, legte Marcus seine Lippen auf ihren Mund. Marcus Lippen, die von dem Wetter und ein wenig Durst etwas spröde wirkten, erkosteten den wundervollen Erdbeermund der schönen jungen Frau, genüßlich ließ Marcus erst diese sachte Bewegung gewähren ehe er das Feld des unschuldigen Kußes verließ und sachte mit der Zunge ihre Lippen teilte, um in einen leidenschaftlicheren Kuß überzugehen.
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Epicharis hatte zudem gar nicht gemerkt, dass Aristides errötet war. Und wenn sie es bemerkt hätte, hätte sie nicht einordnen können, was die Ursache dafür gewesen war. Seinem Bein hingegen schien es ihr nun wieder etwas besser zu gehen, immerhin schien jeglicher Schmerz vergessen und Aristides wirkte fast wieder wie jener Mann, der Epicharis damals in den Garten entführt hatte, um um ihre Hand anzuhalten. Die Sonne, die durch das Dach das Atrium flutete, vermochte zwar noch nicht die Menschen draußen zu wärmen, doch im geschützten Raum genossen, sorgte sie dafür, dass sich der Stoff der Kleidung allmählich erwärmte und den Träger derselben träge machte. Versonnen blinzelte Epicharis daher im Licht der Sonne, schloss kurzweilig die Augen und erinnerte sich an jenen wunderbaren Tag, an dem sie die flavische Sänfte damals zuhause abgeholt hatte. Beim Genuss der wärmenden Strahlen schlich sich urplötzlich etwas an ihre Wange heran, berührte sie sanft und kroch dann weiter. Als Epicharis Aristides das nächste Mal ansah, blitzten ihre Augen schalkhaft, und der Blick aus ihnen war geheimnisumwoben. Die darauf folgende, plötzliche Nähe zu Aristides raubte ihr Kurz den Atem. Sie stockte, hielt ihn an und blickte dann leicht schräg zu Aristides hinauf, um dessen Gesichtsausdruck zu ergründen. Er selbst jedoch sprach ganz normal weiter, und spannte Epicharis sogleich mit einer Frage ein - was sie nun von Aristides' Nähe doch etwas ablenkte. “Deandra? Mein Vater hat sie adoptiert - das macht sie dann wohl zu meiner Schwester... Sie war vorher eine Aurelia. Und Corvinus war vorher ihr Bruder, aber nicht leiblich, weil sie bei den Aureliern auch nur adoptiert war. Deswegen war diese Verlobungsgeschichte auch nicht anstößig, eben wegen der fehlenden Blutverwandtschaft. Aber so ganz steige ich da auch nicht durch, wenn ich ehrlich bin. Im Grunde war die ganze Angelegenheit jetzt ohnehin umsonst." Epicharis hob die Schultern blickte ratlos. " Ja, Aurelius Corvinus. Ich glaube, er war damals auch in Mantua dabei. Bei dem Fest, du weißt schon?" Menecrates hatte schließlich damals einen kleinen Empfang gegeben anlässlich Epicharis' Rückkehr aus Spanien. Diese kleine Feier hatte gleichzeitig einen anderen Grund gehabt: man hatte sich erhofft, einen geeigneten Ehemann ausfindig zu machen - und das schien nun gelungen. "Das kann ich dir auch nicht sagen. Niemand spricht darüber. Aber wenn du mich fragst, ich vermute, dass es an der Deandras seltsamer Veränderung liegt." Epicharis kniff die Augen etwas zusammen und nickte mehrmals hintereinander leicht, ganz so, als würde sie nachdenken. Sie berücksichtigte dabei nicht, dass Aristides ja ein Mann war, frisch aus dem Krieg zurückgekehrt, sozusagen. Er würde sich wohl am wenigsten für Klatschgeschichten interessieren. Und so holte sie munter wieder Luft und fuhr fort: " Ja, doch. Er ist der seit langer Zeit jüngste amtierende Septemvir und gerade frisch zum Quaestor gewählt worden. In Rom ist er weitaus bekannter als Vater." Und das wollte schon was heißen, immerhin war Menecrates Senator.
Eigentlich hat er Epicharis noch mehr dazu sagen wollen, doch dass Aristides sie so aufmerksam beobachtete, irritierte sie, und so hielt sie inne und tat es ihm gleich. Erneut berührte er sie und versetzte damit die Schmetterlinge in ihrem Inneren abermals in Aufruhr. Das Lächeln, welches ihre Mundwinkel nun umspielte, war hauchzart und spiegelte wider, was sie empfand. Unter seinem durchdringenden Blick sah sie verlegen beiseite. Und als er das schmeichelhafte Kompliment aussprach, schlug sie schamhaft die Lider nieder. Bei ihrem nächsten, zittrigen Atemzug war Aristides’ Geruch viel intensiver, und noch ehe sie seine Lippen spürte, wunderte sich Epicharis flüchtig darüber, dass sein Kinn und die Oberlippe ein wenig kratzten. Köstlich mutete diese Kosung an, wie Ambrosia und Nektar zugleich, und hatten Epicharis’ Lider eben noch eine Winzigkeit von Unsicherheit geprägt geflattert, so waren sie nun locker geschlossen und ihr ganzer Körper seltsam losgelöst. Nicht zum ersten Mal verspürte sie das eigentümliche Prickeln im Nacken, welches ihr den Rücken hinabkroch. Schon auf dem Turm, damals in Mantua, hatte dieses Gefühl Besitz ergriffen von ihr. Damals hatte sie sich noch darüber gewundert, doch heute wusste sie, was es bedeutete – woran nicht zuletzt das Studium eines bestimmten Besuches schuld war. Vorsichtig legte sie ihre Linke auf Aristides’ togabedeckte Brust, neigte den Kopf um eine Kleinigkeit und erwiderte den sinnlichen Kuss ihres Verlobten. Epicharis hatte noch nicht oft geküsst, weswegen sie eigentlich Bedenken hatte, es richtig zu machen. Doch in diesem Moment schien ihr Kopf wie leergefegt von allen Gedanken. Nur die Schmetterlinge in ihrem Bauch waren noch da, und noch viel tiefer in ihrem Inneren loderte dieses geheimnisvolle Etwas, das sie so gern erkunden wollte, ohne zu wissen, wie sie es anstellen sollte.
Epicharis war es, die sich nach einer unendlich anmutenden Zeit schließlich sanft löste, noch ein wenig näher rutschte und ohne Rücksicht auf Aristides’ schicke Togafalten den Kopf in die Beuge zwischen Hals und Schulter legte, wo sie tief und zufrieden seufzte. „Geh nicht mehr fort, Marcus. Ich möchte bei dir bleiben“, sagte sie leise. „Vrsprichst du mir das?“
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Goldener Regen ähnlich tanzten die feinen Staubflocken durch die Eingangshalle, dem mit Marmor geschmückten, großen Raum, der von der Sonne angenehm erhellt wurde. Goldene Funken, die die Sonne in das atrium geschickt hatte, so kamen Marcus die Staubkörnchen vor, die vor seinen Augen ein Reigen aufführten. Gedankenverloren betrachtete Marcus die junge Epicharis vor sich und sah das goldene Glimmen um ihr Haupt, den warmen Schein der Sonne, der ihr dunkles Haar zum Glänzen brachte. Eine Nymphe der Luft hätte Epicharis in dem Moment sein können und es hätte Marcus nicht verwundert; als ob die Strahlen sie mit dem güldenen Schein herunter gesandt hatten. Sehr viel mehr interessierte sich Marcus für die Konturen ihres Gesichtes, für die schöne Wölbung ihrer Lippen, der Glanz - der Zarte auf dem roten Erdbeermund-, ihre Augen, die lebhaft ihren vor Worten sprudelnden Mund begleiteten. Schön, fand Marcus dieses Bild, darum rauschte mindestens die Hälfte von dem, was ihm gesagt wurde, an Marcus vorbei. Deandra – Schwester, Corvinus – Verlobter, Deandra und Corvinus – Bruder und Schwester, dann doch wieder nicht oder wurden sie Geschwister durch Adoption, nein, eine Adoption, um die vorige Adoption aufzuheben, Marcus hatte den Faden verloren. Versunken antwortete er etwas, was wie: „Typisch Clau...“ klang, aber Marcus war dann doch noch geistesgegenwärtig genug es rechtzeitig abzuwürgen, schließlich war Epicharis auch eine Claudia. „Aha!“ folgte einem „Hm?“ und einem „Hmh!“, was er immer mal wieder als Antworten einstreuen ließ, damit Epicharis nicht gekränkt war, weil sie meinte, daß er nicht zu hörte, natürlich tat er das auch nicht wirklich, denn er war mit anderen Dingen beschäftigt – nämlich ihren Anblick und die Freude wieder in der Heimat zu sein.
Alle Worte, alle komplexen Zusammenhänge waren jedoch wie mit einem kräftigen Windstoß hin fort geweht, nun, da er Epicharis' Lippen erspüren konnte, er sanft ihren Körper an sich zog und ganz von ihrem köstlich süßen Duft eingehüllt wurde, derart ihn nur wenige Frauen - solche Frauen wie Epicharis! - besaßen und der einmalig auf der Welt war, zudem den Männern mit Leichtigkeit den Verstand rauben und ihm die Sinne verwirren konnte. Es war jener Wohlgeruch, den nur eine Römerin ausstrahlte, eine Vornehme hinzu, und es war schon viele Jahre her, daß Marcus diesen Geruch so nahe an seiner Nase gehabt hatte, selbst wenn das letzte Mal, daß er mit einer Frau – aus dem Troß – engeren Kontakt hatte, gerade mal ein paar Wochen her war, eine Woche bevor er verletzt wurde. Der Geruch drang tief bis zu den Bereichen, die all jene Daimonen enthielten, die noch im Moment von ihm gezügelt waren, schließlich war Epicharis ein besonderer Mensch für ihn und er wollte sie nicht gleich damit verschrecken, wie roh und ungehemmt er eigentlich in solchen Situationen war. Und bei Venus, das fiel Marcus sehr schwer, mit jedem Herzschlag lang wurde sein Atem schwerer und sein Wille sich zu beherrschen schien wie eine dünne Eisfläche in dieser Frühlingssonne dahin zu schmelzen. Seine Hand wanderte schon tiefer, um Epicharis noch etwas fester an sich zu ziehen, die Wesen aus seinem Inneren dabei etwas lockere Zügel überlaßend, doch schon löste sie sich von ihm, vielleicht gerade noch rechtzeitig um Marcus vor einer Dummheit zu bewahren.
Die Augen selber offen, hatte Marcus gesehen, wie Epicharis ihre Augen schloß, während sie sich küssten. Nun sah er nur einen kurzen Augenblick lang in ihre dunklen, großen Augen ehe sie ihren Kopf an seine Schulter legte; Marcus atmete ein Mal tief ein und aus, selbst wenn er immer noch den zarten Duft von ihr in seiner Nase spürte, so vermochte er doch wieder die auf flackernde Glut in sich unter Kontrolle zu halten. Sanft ruhten seine Hände auf ihrem Rücken, während er erneut die seidigen Haare spüren konnte, die sein Kinn streifte, wie die sachte Berührung einer Feder, auch etwas, was wohl den Frauen eigen zu sein schien; aber insgesamt hatten Frauen – seiner Meinung nach! - etwas zartes und leichtes an sich, was ein Mann niemals haben könnte, geschweige denn ausstrahlen. Marcus lächelte und legte seine Wange an ihren Kopf, dabei hoffend, nicht gestört zu werden im atrium. Aber scheinbar hatten die Sklaven ein Einsehen und hielten sich dezent und unsichtbar im Hintergrund und auch kein Claudier war in Sicht, der ihr erstes Zusammentreffen nach so langer Zeit hätte stören können. Drei Herzschläge lang zauderte Marcus, denn ein solches Versprechen war schon eine Herausforderung der Schicksalsgöttinnen, aber dann verschwanden die Bedenken in Marcus, schließlich konnte er nur das Versprechen, was in seiner eigenen Macht lag, geben.
„Das verspreche ich Dir, Epicharis!“
Marcus hob den Kopf an und legte abermals seine Lippen auf ihr dunkles Haupt, um sie an ihrem Scheitel zu küßen und seine Wange wieder an ihre Haare zu legen, die sich doch so herrlich an fühlten. Dabei wunderte er sich ein wenig über sich selber, schließlich war das nicht seine Art, aber Epicharis hatte eine so strahlende und bezaubernde Art an sich, der er sich einfach nicht entziehen konnte, obwohl er es am Anfang durchaus noch versucht hatte, als er von Hannibal erfahren hatte, was die neuesten Pläne seiner Mutter waren und ihn damals nicht sonderlich beglückt hatten. Eine Weile lang hielt Marcus seine Verlobte stumm und so überraschend innig in seinen Armen, genoß es einfach, endlich wieder zu Hause zu sein und bei ihr. Dann hob Marcus den Kopf an, ebenso seine Hand, die er unter ihr Kinn wandern ließ, um dieses ein wenig anzuheben. Er lächelte die junge Frau erfüllt an und sog ihren Anblick, der für alles stand, was sich Marcus in den letzten Monaten erträumt hatte, in sich auf.
„Nun, stella mea, es wartet weder Dienst, noch Verpflichtungen auf mich, ich habe den ganzen Tag Zeit, nein, was sage ich, die ganze nächste Zeit. Wie wäre es, wenn wir die Zeit nutzen und etwas Schönes zusammen unternehmen? Fern Deiner Familie und dieser villa hier?“
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Es war Aristides auch nicht weiter übel zu nehmen, dass er diese wirren Verwandtschaftsbeziehungen nicht entknoten konnte. Vermutlich vermochte dies niemand außer den Beteiligten oder jenen, die sich eingehender damit beschäftigten. Da Epicharis in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit gehabt hatte, hatte sie sich eingehend mit der Thematik beschäftigt. Bei Aristides' Versprecher wirkte sich kurz ihres sorgfältig in Form gebrachte Augenbraue. Sie hatte sehr wohl verstanden, was ihr Verlobter so eben zu sagen im Begriff gewesen war. Gerade noch rechtzeitig hatte er sich gerettet, so dass Epicharis ihrerseits nicht weiter darauf eingehen, und es dabei beließ. Schließlich hörte er ihr wenigstens zu, unterbrach sie nicht und schien im Großen und Ganzen recht aufmerksam.
Während und auch nach des Kusses, als Epicharis wohlbehütet in Aristides' Arm lag, kroch ihr allmählich ein Duft in die Nase, der ebenso unmerklich wie penetrant war. Sie konnte nicht einordnen, wonach es duftete - oder woher der Geruch stammte. Fakt war, dass sie diese feine Nuance, die den Mann an ihrer Seite umgab, wahrnahm. Und die Wahrnehmung dessen stieß in ihr auf eine bisher unerkannte Seite, die Sie in jenem Moment nur zu gern näher ergründet hätte. Doch da war der Kuss bereits vorbei und das Atrium drängte sich mit all seiner Kraft zurück in ihrer beider Bewusstsein, auch wenn Epicharis für den Moment Noch die warme Geborgenheit an Aristides' Seite genoss. Von ihrem Blickwinkel aus betrachtete sie sein mit winzigen Stoppeln bedecktes Kinn. Daran, dass sie womöglich gestört werden konnten, verschwendete Epicharis nicht einen einzigen Gedanken. Zu sehr war sie auf die Anwesenheit ihres Verlobten fixiert, auf seine Ausstrahlung und seinen Geruch, als dass sie an etwas anderes als diesen glücklichen Moment hätte denken wollen. Seine Geste, mit der er den Kopf an ihren bettete, ihren Schopf küsste und sich dann wieder an sie lehnte, machte sie glücklich und ließ sie diesen Tag als den besten seit langer, langer Zeit in ihrem Gedächtnis festhalten. Nie hätte sie es für möglich gehalten, trotz einer arrangierten Verbindung so etwas genießen zu können und zu dürfen. Es hätte sie weitaus schlimmer treffen können als mit Aristides, den sie lieben gelernt hatte. Vielleicht hatte sie ihm in den vergangenen Monaten so einiges an charmanten Dingen angedichtet, einfach weil sie glauben wollte, dass er des Nachts mit ihrer geliehenen Palla in seinem einsamen, kalten Zelt saß und an sie dachte. Weil sie sich vorstellte, dass er im Tross mit seinen Soldaten ritt und abwesend erschien, weil er sie vor Augen hatte und hoffte, schnell nach Rom zurückkehren zu können. In diesem Punkt war Epicharis schlichtweg romantisch veranlagt und bedingt dadurch leicht naiv. Nie im Leben hätte sie von ihrem Verlobten angenommen, dass er sich aus purer Langeweile mit irgendwelchen billigen Dirnen amüsierte, und weil allein die Vorstellung vollkommen absurd war, argwöhnte sie solch dunklen Machenschaften auch nicht. Seine Hände schienen pure Wärme abzustrahlen, unter der sie sich um ein Haar sogar wohlig geräkelt hatte – doch lag sie hier nicht in ihrem behüteten, gewärmten Bett, sondern befand sich an der Seite des Mannes, der sie noch früh genug räkelnd sehen würde. Und ja, trotzdem dass Epicharis Aristides schätzte wie keinen anderen, verspürte sie doch Furcht vor der besonderen Nacht, welche die Hochzeit mit sich bringen würde. Sie hatte sich fest vorgenommen, Lucilla als einzige ihr näher bekannte Frau zu fragen, auf was sie sich gefasst machen musste. Und bei dieser Gelegenheit wollte sie ihr noch eine weitere Frage stellen, doch die gehörte ebenso wenig hierher wie die vorangegangenen Gedanken.
Was hierher gehörte, ja geradezu zwingend erforderlich war, war seine Versicherung, sie nicht wieder so lang allein zu lassen. Ganz gleich, ob er dieses Versprechen würde einhalten können oder nicht, sowohl die Situation als auch Epicharis’ Gewissen verlangte diese Worte aus seinem Munde, der Beruhigung wegen. Was zählte, war dass er versuchen würde, sein Versprechen zu halten. Dahingehend beruhigt, seufzte die Claudierin ein zweites Mal tief und kuschelte sich regelrecht an Aristides heran. Auch sie fand in dieser Situation keine Worte; sie waren ebenso überflüssig wie jeder Zweifel, den sie auch gehegt haben mochte ob seiner Wiederkehr. Schließlich war es Aristides, der die einvernehmliche Stille durchbrach. Er nannte sie seinen kleinen Stern, was ihre Augen augenblicklich sternengleich vor Freude funkeln ließ. Epicharis war nach tanzen zumute, sie wollte umherspringen und lauthals lachen, sich mit Aristides im Kreis drehen und ihn nie wieder hergeben, denn seine Ankunft bedeutete gleichsam, dass sie bald ihr Elternhaus verlassen würde, der seltsamen Stimmung entfliehen und alle Gedanken daran verbannen konnte. Doch natürlich konnte sie sich nicht so gebärden, immerhin war sie kein Kind mehr, und schon Gracchus hatte ein wenig befremdlich reagiert, als sie ihrem Übermut Luft gemacht hatte. „Du meinst… Jetzt gleich?“ fragte sie ihn gleichermaßen begeistert wie atemlos und überrascht. Ob er mit seinem Bein überhaupt vieles würde unternehmen können? „Nichts würde ich lieber tun, Marcus“, bestätigte sie hocherfreut und strahlte mit der Sonne um die Wette.
Seine schönen, braunen Augen - und vor allem den ebenso schalkhaften wie liebevollen Ausdruck darin, während er sie so musterte - prägte sie sich gut ein, wie es bereits bei ihrer Verabschiedung damals ebenfalls getan hatte. Nun wieder daran erinnert, lehnte sie sich ein wenig zurück und bettete ihre Hand auf ihr Dekollettée, wo sie den Anhänger trug, den er ihr zurückgelassen hatte. Sie sah darauf herab, schmunzelte flüchtig und nahm ihn dann behutsam zwischen die Finger. „Möchtest du ihn jetzt zurück haben? Ich habe gut darauf acht gegeben, er hat nicht einen Kratzer abbekommen“, sagte sie und konnte dem Drang nicht widerstehen, sich vorzubeugen und seine zarten Lippen zu küssen. Auf die flüchtige Berührung folgte eine zweite, längere, und schließlich eine dritte, die an Leidenschaft von Epicharis’ Seite aus nicht geringer bemessen war als der erste Kuss. Mit dem Unterschied, dass sie Aristides dieses Mal ansah, seine kleinen Fältchen um die Augen, das rehfellfarbene Braun seiner Iris und den gebräunten Ton seiner Haut.
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Von Draußen waren deutlich die fröhlichen Vogelstimmen zu hören, die sich über einen weiteren sonnigen Tag in Rom freuten und mit ihrem munteren Gezwitscher aus so manch einen Römer erfreute, in der Luft lag der Duft des Frühlings, der frische und feine Geruch, den es nur an solchen Tagen gab, jede Jahreszeit schien ihren eigenen Duft zu haben, selbst wenn Marcus all dies nicht wirklich Beachtung schenkte, insbesondere da er eine schöne, junge Frau in seinen Armen hielt, so weckte es dennoch seine Lebensgeister, um selbst die Erschöpfung von der Seereise, die ihm noch in den Knochen steckte, als auch der Schmerz in seinem Bein, aber auch an seinem Bauch zu mindern – doch womöglich belebte ihn die Freude, Epicharis wieder zu sehen noch sehr viel mehr. Darum zögerte Marcus nicht, als Epicharis seinem Vorschlag zustimmte, zu erwidern:
„Ja, jetzt gleich. Diem carpem, wie man doch gerne sagt!“Marcus runzelte einen Herzschlag lang die Stirn, denn ganz sicher war er über den Ausspruch nicht. Aber in dem Moment war es ihm sogar egal, der Tag war einfach schon viel zu erfreulich verlaufen, als daß er sich wegen solcher Kleinigkeiten in Grübeleien stürzte. Stattdessen hoben sich seine Mundwinkel zu einem herzlichen Lächeln an, mit dem er Epicharis bedachte, ein Lächeln, was ein wenig von gutmütiger Natur zu sein schien, aber, wenn Marcus diesen Ausdruck zog, auch stets bei ihm so wirkte. Überrascht sah er auf den Anhänger runter, den Epicharis hervor zog, einen Herzschlag lang fixierte er das Schmuckstück, eines der wenigen Erbstücke, die ihm sein Vater hinter laßen hatte und den er von seiner Mutter vor vielen Jahren erhalten hatte, als eine Art Talisman, doch schon wanderte Marcus Blick ganz woanders hin, nämlich dort, wo sich zwei Wölbungen zeigten, die Marcus' Augen wie magisch anzogen, und was für ein prächtiges Dekolleté er da sah, die von ihrer zarten und schlanken Hand leicht berührt wurde. Marcus blinzelte einige Male und konnte sich nur schwer von diesem wunderbaren Einblick lösen. Ehe seine Augen jedoch den schlimmen Wettstreit ausmachen mußten, welchen Einblicken, denen der Augen oder denen des Kleidungsausschnittes, sie lieber folgen sollte, half ihm Epicharis wieder aus der Klemme, in dem sie ihn mit Küßen bedeckte. Seine Augen schnellten nach oben als er ihre Lippen zart auf seinem Mund spürte, noch nicht mal einen winzigen Augenblick lang war wieder Distanz zwischen ihren Lippen ehe Epicharis ihn dieses Mal in einen Kuß verwickelte, Marcus blinzelte einen Herzschlag lang verblüfft, aber er war sehr angenehm überrascht, Frauen mit Temperament waren ihm schon von je her tausend Mal lieber als die verschüchterten Mäuschen, die manche der vornehmen Frauen vor spielten oder es auch waren. Sanft ließ er seine Hand nach oben wandern an ihrem Rücken und ließ den Kuß wonnevoll und auskostend gewähren, nur ungerne löste sich Marcus von den zarten Frauenlippen, die so wundervoll weich sich anfühlten.
Dicht vor ihrem Gesicht verharrte er einen Moment und sah sie mit einem erfüllten Ausdruck auf dem Gesicht an, ehe er mit einem verschmitzten Lächeln seine Hand anhob und vorsichtig nach dem Anhänger griff, den sie um ihren Hals trug, wobei die Rückseite seiner Finger achtsam ihre Haut am Dekolleté streifte, fast wie zufällig, was es natürlich nicht war, Marcus wollte nur diese verlockende Rundung einen Moment erspüren und selbst wenn er nicht mehr sehen durfte – heute zumindest! - dann wenigstens eine Ahnung davon erhalten, was so lockend auf ihn schon jetzt wirkte. Marcus hob den Anhänger etwas an, hielt ihn in seiner hohlen Hand.
„Ich möchte Dich bitten, animula mea, daß Du den Anhänger noch eine Weile bei Dir behältst und auf ihn aufpaßt. In Deinen Händen, an Deinem Herzen, weiß ich diesen Anhänger an der besten Stelle und am Sichersten!“
Behutsam bettet Marcus den Anhänger zurück, dabei darauf achtend, sie nicht zu aufdringlich zu berühren, denn eine Ohrfeige wollte er heute nicht riskieren – es wäre auch nicht das erste Mal, daß Marcus eine solche von einer empörten Frau erhalten hätte! - aber dafür war das Zusammentreffen noch ohne düstere Wolken verlaufen und das sollte auch erst mal so bleiben, fand Marcus, der in seiner unbedachten Art immer wieder reichlich dämliche Fehler beging, aber eigentlich eher ein Mensch war, der mit Streit und Hader gar nicht gut zurecht kam und bei Frauen einfach sprachlos wurde, wenn sie zornig auf ihn waren. Marcus lächelte und strich mit seinem Zeigefinger an ihrer sanft geschwungenen Kinnlinie entlang. Kosenamen, einen nach den Anderen, würde er für Epicharis finden, welche, die nicht seine Tochter schon erhalten hatte, aber er würde nie und nimmer auf die Idee kommen, Epicharis gar venustas zu nennen, nein, das tat Marcus nicht bei Frauen, denen er größte Wertschätzung entgegen brachte, das tat er bei Sklavinnen und leichten, käuflichen Frauen.
„Wir tun das, stella mea, woran Du heute Vergnügen findest. Möchtest Du...öhm...noch erst was holen oder sollen wir gleich aufbrechen? Ich kann auch noch hier warten, falls Du noch vorher etwas erledigen mußt!“
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Amüsiert kicherte Epicharis über den lustigen Versprecher Aristides', zog die Nase kraus und beugte sich vor, um Aristides einen übermütigen Kuss auf die Nasenspitze zu setzen. "Carpe diem, mein Lieber. Aber du hast Recht, genau das werden wir tun." Schließlich hatte sie gleich damit begonnen. Wer verbrachte so ein Wiedersehen nicht gern damit, sich ganz und gar auf den Partner zu konzentrieren? Im Übrigen empfand sie die kleinen Fehlerchen, die er machte, als nicht gravierend oder gar blamabel. Vielmehr erfrischend wirkte seine Art auf sie, erheiternd und ablenkend.
Epicharis hatte bereits bei der Abreise der Legionen bemerkt, wie viel Aristides dieser Talisman bedeuten musste. Umso verständlicher war es nun, dass er ihn nach all der langen Zeit genau betrachten wollte - so glaubte sie, und deswegen hielt sie inne und saß ganz still. Vielleicht war ihr Vorgehen bezüglich des Kusses auch etwas zu dreist, doch wenn er es tatsächlich als solches betrachtete, so ließ sich Aristides nicht groß anmerken, dass es ihn störte. Im nächsten Moment schon, als der Kuss im Ausklingen inbegriffen war, schämte sich Epicharis zugegebenermaßen ein wenig wegen ihres forschen Vorgehens. Über die aufkeimende Peinlichkeit hinweg half ihr jedoch Aristides' Geste. Wie zärtlich er den Anhängern nahm, ihn in seiner hohlen Hand barg, nicht weit entfernt von ihrer sich im Rhythmus des Lebens hebenden und senkenden Brust. Flüchtig konzentrierten sich alle Schmetterlinge ihres Körpers auf jene Stelle, an der er seine Finger sie dabei streiften, was sie verwirrt zur Kenntnis nahm. Das unsichere Lächeln, das er damit auslöste, wandelte sich auch schon wieder in ein erfreutes, kaum dass er sie bat, auch weiterhin auf das ihm so wichtige Schmuckstück acht zu geben. Natürlich nickte sie nun, blickte doch schon etwas geehrt zu ihm auf und ließ ihn das Schmuckstück erneut auf ihre Haut betten. Es war seltsam mit Aristides. Er schien so gar nicht wie die anderen Männer zu sein, die Wert darauf legten, möglichst hart und standhaft zu sein, ehrenvoll und angesehen – und die darob ihre Gefühle unterdrückten, sofern sie denn noch welche besaßen. Aristides schien sich nicht viel aus Standhaftigkeit und großem Ansehen zu machen – was einerseits außergewöhnlich und zudem recht nett war, bestimmte Punkte betreffend jedoch dringend geändert werden musste (ebenso wie sein Bauchumfang) – vielmehr schien er einfach nur er selbst sein zu wollen, und das imponierte ihr. Auch, wenn es da sicherlich nach ihrer Hochzeit noch Punkte ergeben würden, wo sie ihn in die richtigen Bahnen würde leiten müssen. Doch noch informierte sie sich nicht direkt über seine politischen Ambitionen, dazu blieb noch genug Zeit.
Vorerst schmunzelte sie über den zweiten Kosenamen, den er ihr angedeihen ließ, übersah großzügig eine erneute Berührung seiner rauen Finger und stand dann voller Tatendrang auf. So stehend blickte sie auf ihren sitzenden Verlobten, erfrischend lächelnd, und überlegte sich, worauf sie nun Lust hatte. Nachdenklich kniff sie die Augen zusammen und sog die Unterlippe ein. Wieso nur kamen ihr ausgerechnet die Thermen in den Sinn, wo sie ohnehin nicht zusammen würden hingehen können? Und…wo sie zudem deutlich weniger Kleidung tragen würden…wenn überhaupt? Leichte Röte überzog Epicharis’ Wangen ob dieser verwegenen Gedanken. Beinahe erschrocken war sie von sich selbst und senkte den Blick auf Aristides’ Bein, was sie auf einen anderen Gedanken brachte. „Hm, wir werden uns etwas ausdenken müssen, das dein Bein nicht zu sehr in Anspruch nimmt“, sagte sie, legte einen Finger über ihre Lippen und dachte weiter nach. Ein Spaziergang war somit hinfällig, und gleichsam ein Bummel über die Märkte oder der Besuch des Gartens, in dem alles angefangen hatte. In allen Fällen würde Aristides laufen müssen. Nur wohin sonst? Dann plötzlich fiel ihr etwas ein. „Ah, ich weiß, was wir machen könnten. Es ist so schön draußen, lass uns irgendwo hingehen, wo wir sitzen und uns unterhalten können. Ich könnte ein paar Dinge zum Naschen einpacken lassen, und wir machen uns mit der Sänfte auf den Weg, dann musst du nicht laufen. Vielleicht gehen wir zum Esquilin, was meinst du?“ Epicharis hatte die Hände in die Hüften gestemmt und lächelte den sonnenbeschienenen Aristides vor sich an. Frische Luft würde ihm sicher gut tun, entschied sie, und es gab noch so viel zu erzählen. Angefangen beim Krieg und endend bei den Planungen zur Hochzeit…
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Wenn Hannibal ihn korrigierte, in seiner unnachahmlichen, besser wißerischen Art, die Marcus ganz und gar nicht ausstehen konnte, dann reizte es Marcus' Nerven, aber wenn Epicharis das tat, dann war das was Anderes und sie erntete damit ein zerknirschtes Lächeln, womit er über seinen Versprecher hinweg zu spielen gedachte; außerdem hatte er keine Ohrfeige geerntet. Seine Augen folgten der geschmeidigen und lebhaften Bewegung seiner jungen Verlobten, das Leben schien nur so aus jeder Pore ihres Körpers zu strahlen, ebenso aus den schönen Augen, die immer noch ein wenig die Spuren der Tränen zeigten. Hingerißen betrachtete Marcus die strahlende, junge Frau und bemerkte dadurch die Röte, die plötzlich sich auf ihre Wangen schlich durchaus, konnte den Grund jedoch nicht wirklich erahnen. Ob ihr vielleicht jetzt bewußt wurde, wo er, anstatt auf den Anhänger, eben hin gestarrt hatte? Herrje, unwillkürlich folgten seine Augen wieder zu demselben Ziel, aber jetzt, wo sie stand, war weniger zu sehen, nur unter dem Stoff zu erahnen, so daß Marcus nicht so sehr abgelenkt wurde wie noch vor ein paar Herzschlägen. Etwas unternehmen, was sein Bein nicht zu sehr in Anspruch nahm? Marcus Augen folgten dem Blick von Epicharis und er musterte sein gebrochenes Bein, verdammig noch mal, daran hatte Marcus nicht mehr wirklich nachgedacht und wie zur Bestätigung prickelte es unangenehm bis zu seinem Oberschenkel hinauf. Aber immerhin, sie - Hannibal und er - waren ja schließlich mit einer Sänfte bis zur villa Claudia gekommen, denn den ganzen Weg von dem flavischen Heim bis hier her hätte Marcus auf den Krücken nicht geschafft, nicht in der toga, in die er sich für die erste Begegnung mit Epicharis geworfen hatte, damit der Auftritt nicht zu flapsig wirkte. So konnte Marcus zustimmend nur nicken, denn wie ein junger Antilopenbock konnte er gewiß nicht durch die Straßen oder Parkanlagen von Rom hüpfen. Marcus legte den Arm auf die die seitliche Erhebung seiner Sitzgelegenheit und obließ es Epicharis über die Unternehmungsmöglichkeiten zu sinnen, schließlich war er schon lange nicht mehr in Rom gewesen und Epicharis über die Möglichkeiten sehr viel besser informiert.
Er widmete sich mehr den Betrachtungen der jungen Frau, ließ aber auch mal seinen Blick durch das atrium schweifen, in dem er wohl das erste Mal war, wenn er sich recht entsann. Prachtvoll war das atrium gewiß, aber was konnte man schon von so einer alten Familie wie der Claudier anders erwarten. Die Inspektion der Räumlichkeiten wurde von Epicharis Vorschlag unterbrochen. Marcus' Augen leuchteten auf, Dinge zum Naschen, das klang doch sehr gut, denn seit ein paar Tagen, nachdem er das Schiff verlaßen hatte, kehrte auch langsam sein normaler, und mehr als reichlicher Appetit zurück; denn während seines Fiebers hatte Marcus kaum etwas zu sich genommen und sogar ein paar Pfunde verloren, unfreiwillig natürlich und es machte bei seinem nicht wenigen Körpergewicht kaum etwas aus, aber womöglich war das auch das Glück von Marcus gewesen, daß er über so reichliche Reserven verfügte, um das Fieber einigermaßen gut zu überstehen, überhaupt zu überleben, der Hellene hatte ihm nicht große Prognosen eingeräumt, wie er später von seinem Legionsschreiber erfahren hatte. Auf jeden Fall zeugte Marcus ganze Miene und die munter blinkenden Augen durchaus sein Einverständnis an, für den Vorschlag den Epicharis gemacht hatte.
„Ich meine...“
, setzte Marcus an und lächelte breit.
„...das klingt nach einem sehr guten Vorschlag. Meine Sänfte wartet auch bereits vor der Haustür, die können wir dann nutzen, um durch die Stadt uns zu bewegen.“
Selbst wenn Marcus die Sänfte nicht sonderlich mochte, aber es blieb ihm keine andere Wahl.
„Dann, mea gemma, harre ich hier so lange, bis alles bereit ist!“
Nach den Krücken angelte Marcus jedoch schon, damit er auch zügig wieder auf die Beine kam, wenn Epicharis fertig war. -
Genau diese Toga war es, die Epicharis nun, da sie Aristides ein weiteres Mal eingehend beobachtete, auffiel. Vermutlich würde sie seine Bewegung noch weiter einschränken, mehr noch als dies die Krücken ohnehin schon taten. Zudem wäre ein Römer, der in seiner Toga im Gras saß sicherlich ein seltener Anblick in Rom. Doch ihn selbst schien dies nicht zu stören, im Gegenteil, er wirkte regelrecht begeistert - besonders, als Epicharis die Häppchen erwähnte. Noch war sich der Flavier allerdings nicht darüber im Klaren, welcher Art die Naschereien sein würden, die ihn später beim Picknick erwarteten. "Sehr gut! Dann werde ich mich beeilen", erwiderte Epicharis lächelnd und wandte sich ab, um einige Anweisungen zu erteilen. Als sie sich erst einige Schritte von Aristides entfernt hatte, schien ihr noch etwas einzufallen, und sie wandte sich um, kam zu ihm zurück und küsste ihn spontan auf seine Nasenspitze. Erst dann - und nachdem sie ihm doch ein Lächeln geschenkt hatte - huschte sie vollends hinfort.
Schnell waren Fiona und Minna gefunden, nach Nordwin hatte sie schicken lassen, und schon war Epicharis dabei, Anweisungen zu erteilen. "... aber achtet darauf, dass ihr nur Geflügel eingepackt. Am besten, ich fange jetzt schon damit an, ein wenig auf Aristides' Figur zu achten. Er selbst scheint bisher nicht so genau zu nehmen. Deswegen lasst ihr auch die in Honig eingelegten Naschereien besser weg und nehmt stattdessen Obst und Nüsse und sowas, ich bin mir sicher, ihr werdet schon das ein oder andere finden. Und beeilt euch bitte - wir werden ihn schonmal in die Sänfte verfrachten..." Ein eindringlicher Blick folgte, gepaart mit einem enthusiastischen Lächeln - überhaupt schien Epicharis seit der Ankunft ihres Verlobten nur noch zu lächeln. Auch sonst war sie natürlich nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, manche behaupteten gar, sie sei eine unverbesserliche Optimistin, die selbst in den verdrossensten Situationen noch etwas Gutes fand. Das ging sogar soweit, dass sie sich auf ein Leben mit Aristides' Sohn freute, und das selbst nach der Aktion mit der Ratte. Sie war der Ansicht, dass der Junge mit fortschreitendem Alter sich bessern und verstehen lernen würde, was er mit solcherlei Dingen auslöste.
Das dauerte wahrhaftig nicht lange, bis Epicharis wieder ins Atrium zurückkam. Sie steuerte sogleich Aristides an und verkündete, dass sie nicht lange würden warten müssen. "Wir können ruhig schon nach draußen gehen. Minna, Fiona und Nordwin kommen sicher gleich. Sie bringen auch den Korb mit. Hannibal, kennst du die zwei Mädels schon?" sagte Epicharis und zwinkerte Hannibal vielsagend zu. Sie wusste schließlich nicht, dass es vergebende Liebesmüh war. Und so hielt sie Aristides eine Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen und ihn anschließend zu der parat stehenden Sänfte zu begleiten.
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Verdutzt blinzelte Marcus seiner Verlobten hin und her und hob die Hand, um sich an die Spitze seiner Nase zu greifen, dort, wo sie ihn gerade geküßt hatte, er warf Hannibal einen viel sagenden Blick zu, der sagte: Wehe Du lachst! Aber dann konnte Marcus es nicht an sich halten und lächelte selber ganz selig, solch eine Liebenswürdigkeit nach all den Monaten und der langen Zeit an Entbehrung, die alle Soldaten in der Legion aufgebracht hatten, tat sehr gut, schon am gestrigen Abend, die Begrüßung durch seinen Vetter und ganz besonders auch seinen Sohn – wegen dem Streit war Marcus doch besorgt gewesen, ob sein Sohn es ihm noch nach trug, dabei war Marcus selber ein Mensch, der mit Familienharmonie glücklicher lebte und Zank und Streit gar nicht mochte – nun, es hatte ihn sehr gefreut gehabt, daß das bei seinem Sohn wohl vergeßen zu sein schien. Und nun die liebevolle Begrüßung durch seine Verlobte, die auch kein bißchen mit ihm zu hadern schien, weil er so lange im Krieg gewesen war. Ja, Epicharis hatte etwas von einem leicht dahin schwebenden und ätherischen Wesen, einem Schmetterling oder noch viel mehr einem filigranen, zierlichen und fröhlich zwitschernden Vogel, der sich an schönen Tagen trillernd in den blauen Himmel schwang und den Menschen es leicht ums Herz werden ließ. Marcus lächelte versonnen, als er über das Bild nachdachte.
Geduldig wartete Marcus im atrium, schloß sogar für einen Moment die Augen, um etwas Kraft für den Ausflugstag zu schöpfen, denn im Grunde fühlte sich Marcus immer noch erschlagen, selbst wenn es schon einige Tage her war, daß sie in Ravenna gelandet waren und sein Fieber schon auf dem Schiff besser geworden war, aber die Reisen, selbst auf einem Wagen, waren nun mal nicht die optimalste Art, sich zu erholen. Doch dem schönen Tage willen, würde sich Marcus zusammen reißen, außerdem war so ein Ausflug tausend Mal besser als zu Hause herum zu sitzen. Zudem war Marcus nun schon so lange nicht mehr in Rom gewesen, er freute sich darauf, etwas mehr von der großen Stadt zu sehen als nur das, was er am Vorabend im letzten Lichte des Tage erheischen konnte. Und ehe Marcus weg dämmern konnte – er hatte nun mal die soldatische Fähigkeit überall und zu jeder Stunde zu schlafen, selbst im Sitzen oder anderen, noch viel unmöglicheren Positionen und bei größtem Lärm! - hörte er schon wieder leichte Schritte, die zurück kehrten, Epicharis! Marcus öffnete die Augen und lächelte.
„Alle Drei werden uns sicherlich noch überholen, so lange, wie ich zur Zeit immer brauche!“
Marcus ergriff die Hand von Epicharis, stützte sich jedoch an der Krücke ab, damit die junge Frau nicht sein ganzes Gewicht in die Höhe stemmen mußt, denn das traute er ihr nicht wirklich zu, wobei man nie wußte, wie viel Kraft in einer scheinbar fragilen Frau steckten, es überraschte Marcus dann doch immer, besonders, wenn er eine Ohrfeige erhielt, die höllisch brennen konnte. Er nahm auch die andere Krücke und stützte sich wieder mit seinem ganzen Gewicht darauf, während sein verletztes Bein etwas in der Höhe schwebte, dabei jedoch nicht angezogen war, denn Marcus konnte sein Knie nicht beugen, bei jedem Versuch – was er schnell aufgegeben hat! - resultierten daraus nur höllische Schmerzen, die ihn beim ersten Mal sogar in tiefe Schwärze geschickt hatte. Jetzt tat das Bein jedoch nur minimal weh, das Zeug vom medicus – leider nicht so ein verdammt gutes Kraut wie vom medicus in Parthia! - wirkte immer noch an. Immer einige Schritte tuend, dann wieder kurz pausierend, humpelte Marcus dorthin, wo er auch hinein gekommen war.
--> Sonnige Tage oder ein flavisch-claudischer Ausflug in die Stadt
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