[Landvilla] Flavia Lucullus

  • Einige Monate hatte ich mich im Norden zur Ruhe gesetzt. Schon bald waren die Studienblätter aufgebraucht und der Tag lud zum Müßiggang ein. Kein Halm wollte auf den Feldern gedeihen. Wie auch der Winter war in seiner eisigen Pracht unbändig windig und frostig. Der Kamin ließ es nicht zu, das die Räume besonders kalt wurden. Von Hitze konnte ich deswegen noch lange nicht sprechen. Einiges aus Rom drang viele Wochen später nach Norden und so auch das Gerücht, wie es in Parthien aussah. Die Konstellation entpuppte sich erst bei genaueren Nachdenken als schwierig und ich dachte darüber nach, wie es unserer Gens ergehen würde. Fakt blieb, das wir nur gemeinsam einen starken Eindruck machen konnten und sollte es notwendig sein auch zusammen fliehen.


    Der Entschluss nach Rom zurückzukehren fiel mir nicht leicht und die drückenden Einblicke in meinen Gedanken erleichterten das Unterfangen auch nicht. So traf ich die Entscheidung, die die Distanz zwar verringern würde, meine Abhängigkeit aber nicht untergrub.


    Mein Gefolge begleitete mich zu einer alten Villa zwischen Rom und Tibur. Einem kleinen Städtchen südöstlich der Hauptstadt gelegen. So war ich nah genug, um Boten aus der Stadt zu empfangen oder selbst welche zu schicken und weit genug, um unabhängig zu bleiben.


    Zwar bot sich mir ein etwas trostloser Anblick, als ich die Allee von Zypressenbäumen hinauf ritt und das aus groben Feldstein gemauerte Haupthaus erspähte, aber ein paar Reperaturen lagen in meinem finanziellen Vermögen.


    Drinnen erwartete mich keine besonders freundliche Atmosphäre, aber das Haus war sauber und die Einrichtung für einen Flavius angemessen. Das eine oder andere Möbelstück würde aus meinem Hausrat noch dazu kommen und natürlich auch das Bett. Ansonsten war ich ein spartanisches Haus von meinem Land im Norden gewöhnt.


    Als das Pferd dem Knecht übergeben war, setzte ich mich draußen in die Strahlen der Sonne. Noch schien sich nicht kräftig genug, um Wärme zu spenden, aber ein kleines Kitzeln im Gesicht war drin. Mit den Gedanken war ich jedoch schon weiter und bat einen der mitreisenden Scribae sich ebenfalls in meiner Nähe niederzulassen. Wenigstens meinem Bruder wollte ich schreiben, wo ich mich aufhielt. Vielleicht wollte er mich sehen. Auch wenn es mir viel Mühe bereiten würde jetzt schon die Stadt Rom zu betreten, so bestand eine kleine Möglichkeit Gracchus vor die Tür zu locken und darauf zu warten, das der Bruder die wenigen Kilometer, nichtmal zehn an der Zahl, zurück legte, um mich zu sehen.


    Derweil luden die Diener die Wagen ab, stellten meine allerlei Möbel ins Haus und füllten die Vorratskammer mit mir angemessenen Speisen. Eine Handvoll Sklaven wurde ausgesandt Wasser in Eimern zu holen und danach sollte trotz der guten Ordnung das Haupthaus geschrubbt werden. Mir war das egal. Ich blickte darauf nicht. Meine Gedanken formten einen Brief. Wenige Zeilen zwar, aber eine Nachricht wenigstens...

  • Ich hatte mich eingelebt. Der Frühling schob die ersten Blätter aus den Olivenbäumchen und die im Winter so kargen Felder zeigten wachsende Tüpfelchen grüner Teppiche. Der Verwalter dieses Gutes begann die Sklaven hinaus zu schicken, um Anpflanzungen vorzunehmen. Ein reges Treiben lockerte dabei meinen Aufenthalt auf. Sonst gab es nicht viel, das mich bewegte. Aus der Stadt war noch keine Kunde gekommen. Das mußte nicht schlecht sein. Den Tag verbrachte ich meist draußen auf der großen Terasse. Sah den Sklaven bei der Arbeit, dem Vieh beim Grasen zu oder vertiefte das Gesicht in Lyriken und Gedichte.


    Manche mochten es Lotterleben nennen, für mich war es der Ausgleich für regen Anspruch meiner Person in Rom. Die schweren Zeiten als Priester mit wenig freier Zeit konnte ich so hinter mir lassen. Das Leben, mein Leben war jung und kein Vater scheuchte mich auf zu dienen.


    Für andere Flavier war das selbstverständlich. Für diese erztraditionellen ein Muß. Für mich jedoch entschied das Herz den Tag. Zumindest solang ich es mochte. Irgendwann würde ich wahrscheinlich auch noch meinem Bruder Gracchus folgen. Irgendwann... solange mein Leben noch meins war, würde ich den Genuss vor den Zwang setzen. Leisten konnte ich es mir allemal. Unser Vater hatte ein stattliches Sümmchen hinterlassen und auch mit den Gütern im Norden verdiente ich gutes Geld, das für mein Leben reichte.


    Wie ich so da saß und verträumt über das weitläufige Land, die Felder, die Haine, dem kleinen Bach der weiter oben entsprang starrte, nahm ich mir vor auch die Familie mal hierher einzuladen. Sie sollten sie sehen, sie anfassen können diese wunderschöne Welt. Weit weg von Lärm, Dreck und verstopften Straßen. Hier regierte kein Staat, hier zwitscherten die Vögel ihr Liebeslied. Ein Rauschen, das durch die Bäume fährt, ein paar Tierlaute mehr nicht. Das Paradies vor der Stadt und ich mitten drin. :]

  • Die Tage kommen, die Tage gehen und jeden Abend das gleiche flackernde Bild. Ein Sklave schiebt stündlich ein paar Scheide nach, stochert im Feuer herum und verdrückt sich dann wieder in seine Ecke. Die Villa hatte sich begonnen zu füllen und neben ein paar der noch wenigen Klienten kamen auch Freunde aus gutem Haus, um ein paar Tage bei mir zu wohnen. Das Leben hier draußen war unbeschwerter, als jenes in Rom. Zumindest dachte ich das so, wenn meine Gedanken zurück in diese Stadt glitten. Der Bruder hatte sich nicht gemeldet. Weniger schlimm, denn die Ablenkung der Arbeit über den Tag und die gesellschaftlichen Spiele im Glitzern der Weinamphoren vertrieben so manche Erinnerungen daran, Gracchus geschrieben zu haben.


    Eines Tages aber gab es in meinem Leben eine abrupte Kehrtwende und ich begann Misstrauen und Argwohn zu entwickeln. Einer der Sklaven, die immer wieder nach Rom gingen, um Post und auch Gerüchte mit aufs Land zu tragen, brachte einen Brief von Minervina, der verschwundenen Schwester mit. Das Siegel war mir unbekannt und doch wieder nicht. In ferner Vergangenheit konnte ich es einordnen. Heute jedoch war es aus den Gedanken geblichen. "Italicus..." rief ich und schreckte ein wenig zusammen, es ausgesprochen zu haben. Die Augen, meine Augen verschlangen die Zeilen ... "so habe ich tiefe Enttäuschung durch deinen Bruder erfahren ... wurde ich getrieben und bin letztlich gegangen. Unsere Eltern ... mein Gewissen ... diese Hoffnung ... mit Sehnsucht ... die alte Zeit ... vergessen ... dir alles Liebe, Minervina"


    Das Pergament senkte sich in meiner Hand. Eine Träne lief mir über die Wange. Wiedereinmal in meinem Leben spürte ich die Last, die auf uns Flaviern lag und dachte über die Zeilen nach. Ein Wort ging mir daraufhin immerwieder über die Lippen: "Exil ... Exil EXIL... warum?" Mein Blick traf den gerade anwesenden Patrizier Marcus Genucius Cethegus. Wir hatten die Kindheit zusammen verbracht und er war meine größte Stütze gewesen. Seine Augen verrieten gerade wenig, sehr wenig. "Gracchus spielt ein gefährliches Spiel, wenn er meine Schwester aus Rom vertreibt..." Nur warum war Minervina geflohen, gegangen, gereist? Das stand hier nirgends. Quartus... ich wußte so wenig. War ich derart blind gewesen? All die Jahre? Ich ballte die Fäuste, der zischende Schmerz ließ sie wieder aufgehen. "Ich muß darüber nachdenken." Sprach ich und stand auf. Wir gingen an den Kamin und ließen die Würfel sprechen. Ich war nicht bei der Sache und verlor mal wieder haushoch bei diesem Spiel. Aber es war mir egal. Meine Seelenströme hatten Flavia Minervina eingefangen und ich wußte jetzt, das sie noch in relativer Nähe war.



    [SIZE=7]Edit: Historienrichtigkeitssetzung[/SIZE]

  • Ein Bote auf der Durchreise brachte eine Nachricht, Flavius Lucullus zu Händen, aus der Hauptstadt her.



    Gruß und Heil dir, Quartus, Bruder in der Ferne!


    Allfällig wurdest auch du bereits unterrichtet über die Ereignisse im Norden der Stadt, so nicht, bleibt es meine traurige Pflicht, dir vom Tode unserer Schwester Minervina zu künden. Nicht ließ sich dies erahnen, so dass es dem Verwalter des Gutes unmöglich war, uns vorherig von ihrem Zustand zu berichten, so dass ihr Dahinscheiden allzu unerwartet die Welt traf. Aufgrund der Entfernung zur Hauptstadt wurden bereits alle notwendigen Schritte eingeleitet, so dass der Abschied uns einzig an ihrem Grabe wird bleiben.


    Mögen die Götter stets über dich wachen!
    [Blockierte Grafik: http://img180.imageshack.us/img180/8848/maniusunterschriftrj6.jpg]

  • Ich hatte mich erfolgreich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Hier auf dem Landgut fand ich genügend Ruhe, um meiner Sucht nach Lektüren und Schriften nachzukommen. Hier fand ich den Frieden, der in Rom so oft in Gefahr kam. Seit den letzten Zeilen vom Bruder hatte ich daher auch nichts mehr gehört. Es mag daran gelegen sein, das ich nicht die Lust verspürte darauf zu antworten. Sondern meinen Tag lieber auf der Terrasse verbrachte und las.


    Die Arbeiten auf den Feldern gingen ebenfalls gut voran. Eine reichliche Schaar junger, frischer Sklaven war dafür angeschafft worden und auch der sonstige Viehbestand verjüngt. Gestern noch zogen sie Furchen in den staubigen Boden der fruchtbaren Felder, heute steckten sie die frischen Triebe der Obstbäume senkrecht nach oben fest, um den entstehenden Früchten die Sonne zu zeigen. Schon heute konnte ich von einer guten Ernte ausgehen. Sah ich die Landwirtschaft doch trotzdem eher als Freizeitbeschäftigung, denn als ernstzunehmend wichtige Arbeit.


    Meine Füße lagen schon seit gut zwei Stunden auf einem Kissen, das wiederum die harten Feldsteine einer kniehohen Mauer bedeckte. Ab und an summte eine Biene um meinen Kopf. Auch die Vögel waren wie jeden Tag in ihrem Lied zu hören. Ansonsten aber umschwebte mich unendliche Ruhe. Die beste Zeit also ein neues Kapitel aufzuschlagen. Wahrscheinlich würde ich nach dem recht üppigen, leckeren Mahl vom Mittag trotz aller Lesesucht wieder einnicken.


    Was soll's. Immerhin belüftet dies den eigenen Geist. :]

  • Sehr früh war es heute, als ich die Terrasse betrat. Noch schlummerte gar die Sonne hinter dem Horizont, schob sich nur sehr langsam empor. Die Nächte hielten bereits gut die Wärme. So konnte ich ohne Weiteres mich setzen. Es dauerte nicht lang, bis der erste Diener erschien. Es lief ab wie in einer Maschine. Jeder wußte, was er zu tun hatte, wann ich es beliebte zu Frühstücken. Was ich am liebsten dabei aß. Welchen Tagesablauf der Morgen dann nehmen würde. Heute aber war es ein klein wenig anders. Schon viel zu lange hatte Proximus ein Verwalter der Sklaven sein Gespräch mit dem Herren, also mit mir, vor sich her geschoben.


    Jetzt also da stand er da und ich hatte noch nichteinmal gefrühstückt. War das gewollt? Ich blinzelte ihn an. Hatte aber gute Laune (noch) und ließ ihn setzen , um keinen steifen Nacken zu bekommen. "Was gibt es Proximus ?" kam ich zur Sache und er begann leicht zögerlich ebenfalls zu reden. Immerhin hatte ich ihn dazu aufgefordert. "Herr es ist nötig über die zugewiesenen Rationen für die Arbeiter die Sklaven die Aufseher und Verwalter beziehungsweise den Gefesselten zu reden" Ich kratzte mir die Stirn. "Was gibt es da zu reden" fragte ich schon ein wenig forscher. Der Verwalter schreckte ein kleines Stückchen zurück, fing sich aber wieder und entschloss sich dabei gleich alles auszuplappern. "Herr wir haben dieses Jahr zwanzig neue Sklaven und fünfzehn neue Gefesselte für die Felder erworben. Dazu kommen noch dreißig Arbeiter für die Ernte. Unser fester Bestand an Weizen, Weizenbrot, Wein, Öl, eingelegter Fisch und Oliven läßt sich nur schwer weiter teilen, um die neuen Arbeitskräfte angemessen zu versorgen."


    Ahja das leuchtete ein. Ich dachte schon er wollte mehr Teile für jeden rausholen. Ich wiederum war der Ansicht gut genährte, aber schlanke Sklaven arbeiteten besser als fette. Daher waren die Rationen auch daran angepasst, das das Sättigungsgefühl nach dem Mahl kam und nicht dazuwischen. "Was geben wir ihnen zur Zeit ?" Proximus begann mit einer langen Aufzählung, die er wohl auswendig gelernt haben mußte, denn sie war für jeden Stand einzeln ausgeführt. "... für Arbeiter legen wir im Sommer 1 kg Weizen, 0,57 Liter Wein, 0,54 ml Öl, 20 g Oliven und jeden dritten Tag einen eingelegten Fisch an. Im Winter verringern wir die Mengen um 10 %. Die Arbeitstätigkeit ist da auch geringer..." Dann folgten die Verwalter, die Sklaven und Aufseher "... für Gefesselte halten wir 1,6 kg Weizenbrot und 0,72 Liter minderwertigen Wein bereit. Einmal in der Woche gibt es Fisch, Oliven und einen Schluck Öl dazu..." Die Liste führte zu den Wintermonaten und dann zu den Stallknechten, den Hausdienern und noch ein ganzes Stückchen weiter. Irgendwann war er fertig und ich sagte: " Wo ist jetzt das Problem ?" Die Augen wurden größer. Bevor sie platzten sagte ich: " Für jeden neuen Arbeiter einfach die benötigte Menge zusätzlich anschaffen und in die Verbrauchslisten einarbeiten... gibt es Nahrungsmittel die im Überfluss vorhanden sind die wir zuviel vorhalten ? Der Verwalter schüttelte erst den Kopf. Erinnerte sich dann wohl aber doch an etwas. Verwarf es wieder und sagte: "Nein, Herr alles bestens." Also nicht, aber das würde ich schon noch heraus finden. Gut möglich, das er in seinen Gedanken zu meiner Vorratskammer gelangt war. Auch wenn er dort nichts zu suchen hatte. Ich blickte gleichgültig drein. Wartete ob es noch etwas gab oder ob wir fertig waren. Letzteres war mir sehr lieb. Ich wollte endlich frühstücken und Proximus sah dies (zu seinem) zum Glück ähnlich. "Vale Herr..." verabschiedete er sich an seine Arbeit gehend und ich nickte bloß. Der Hof wuchs stehtig. Irgendwann brauchte ich mehr Land... deutlich mehr!

  • Wer meinte, das Leben auf dem Land wäre einfacher und beschaulicher, der wußte nichts über das Landleben. Für mich gingen die Tage schneller zu ende, als sie angefangen hatten. Ständig kamen irgendwelche Verwalter auf das Anwesen, um ihre Arbeit schätzen zu lassen. Jeden Tag bekam ich mehr Honig um den Mund geschmiert als ich vertragen würde und so hatten es besonders die später erscheinenden Männer schwerer ihre Schaffungen zu preisen. Ich ließ es mir zwischenzeitlich gut gehen. Hier ein üppiges Abendmahl, dort eine lustige Schaugruppe. Jede Nacht allerdings das Haus voll Leute zu haben, wurde mit der Zeit anstrengend. So zog ich mich mehrere Wochentage völlig zurück. Ließ das Lästern und Unken über mich ergehen, reagierte nicht auf besorgte Mitteilungen umsorgender Nachbarn oder lud sie einfach zu einem späteren Treffen ein.


    So fruchtbar wie das Land über die Monate aufblühte so entspannter wurde ich in den Sinnen, im Treiben und Arbeiten. Eigentlich konnte man für jede Arbeit einen Diener abstellen. Sklaven eigneten sich vorzüglich für die schwere Arbeit und Tagelöhner für all jene Tätigkeiten, die etwas Fingerspitzengefühl verlangten oder bei denen Qualität noch kein Fremdwort war.


    Abgewand hatte ich mich von den Büchern, nicht weil sie mir weniger bedeuteten, eher weil ich mich überlesen hatte. Wohnte ich in Rom war ein gewisses Maß an Aktualität erforderlich. Hier und jetzt lebte ich das einfache römische Leben. Mit etwas Angenehmen verbunden versteht sich. Doch was brauchten wir Städte zum Leben. Niemand braucht sie, sie brauchen uns. Sie umschmeicheln uns, das wir kommen und das wohlverdiente Geld breittragen. Da dachte ich gleich an ein paar neue Kleider, an Schuhe und Mäntel, an Möbel und Werkzeuge... Dinge die man auch auf dem Land bekam. Exklusivität zieht auch auf das Land, wenn nur ein satter Geldbeutel lockt.


    Ich jedoch hatte keinen Grund dieses herrliche Leben gegen die Enge, die Dunkelheit, die Schwerheit, den Staub und Dreck, die schlechte Luft einzutauschen. Noch nicht... noch war ich jung und brauchte das Geld nicht. Was gab es besseres als dieses wunderbare Landleben?

  • ... eine Reise steht an. Wenn ich so an die letzten Monate zurück denke, dann zeigt sich Wehmut auf das Gelebte, aber es muß sein. Ein Packpferd wird herangeführt und ein paar Sklaven gehobener Stellung im Haushalt machen sich bereit Pferde aus dem Stall zu führen. Noch steht das Korn auf den Feldern, aber schon bald werden die Herden Sklaven die Ernte einbringen. Eigentlich eine Zeit, die ich so gern auf dem Land verbringe, aber es muß eben sein.


    Der frische Wind bringt schon bald salzige Luft an unsere Nasen. Wir bewegen uns Westwärts. Das Ziel ein Häfchen am Meer. Kaum einer kennt ihn, wenige nutzen ihn. Dort bringt man Fisch ans Land, krähtet ihn aus, macht ihn haltbar und schickt ihn wieder über das Wasser in die entfernten Großstädte der italienischen Halbinsel. Heute wartet ein Schiff im Hafen, das nicht nach Fisch stinkt. Zumindest hoffe ich es, denn schon jetzt läßt mich der Geruch Übelkeit erzeugen. Wie duften da die Früchte der Mater Natura...


    Ich reite in der Mitte. Ein Umhang schützt vor zu starken Wind und hält den Staub von meinen Kleidern fern. Schon nach drei Stunden erreichen wir eine größere Straße und folgen ihr bis zu einer Abbiegung. Von dort wird der Weg saumiger, die Spur die eines Wagens, der der Wiesenboden aufgerieben hat. Keine all zu befahrenen Wege, aber erkennbar und ganz gut für die Pferde. Wir kommen gut voran. Eine Gabelung später reiten wir wieder über Kies einer römischen Staatsstraße, die jenen kleinen Hafen mit einer Kleinstadt im Landesinneren verbindet. Auch hier gelingt es im Galopp bis fast an die Dorfgrenze zu kommen. Erst ein zwei Miles davor wird der Verkehr dichter. Wagen drängen sich auf der engen Straße aneinander vorbei. Wir weichen auf das weiche Geläuf aus und reiten so an ihnen vorbei. Unsere Geschwindigkeit leidet trotzdem darunter, aber wir kommen voran und müssen erst am Holztor der kleinen Gemeinde absteigen.


    Uns erwartet bereits ein Mann, ein Seemann. Er führt uns zu dem Steg an dem das Schiff liegt. Es ist nicht besonders groß, aber es kann uns und die Tiere aufnehmen. Das reicht völlig. Ich zahle im Voraus. Wie üblich eben. Wir stärken uns nochmal im Hafen. Essen wie könnte es in einem Fischereihafen auch anders sein, Fisch. Gedünstet, gebraten und einige Stücken geräuchert. Dazu gibt es Käse und Brot. Geschluckt wird mit einem äußerst dünnen Wein, dann geht es aber auch los und wir folgen den bereits verladenen Pferden an Bord.


    Bequem ist es nicht gerade. Für die zweitägige Fahrt nach Misenum wird es reichen und wir werden bestimmt durch viel Sehenswertes von der Schiffsbleibe abgelenkt. Schon beim Ablegen steh ich ganz vorn und blicke auf die Wogen des Meeres. Langsam setzt sich das Segelboot in Fahrt. Wird von Ruderern ins offene Gewässer gelenkt...

  • Die mir wichtige Reise endete im Desaster. Außer Spesen nichts gewesen. Ich hatte wenig Hoffnung das mich auf meinem Wohnsitz eine andere Errungenschaft erwartete als gähnende Leere. Mit Frohmut war ich ausgezogen. Als Depressivo kehrte ich heim. Die lange Reise war durch unwetterartige Regenfälle noch behindert worden. Eine ganze Woche mußte ich in einer Gaststube ausharren, bevor mein Ritt bis zum Landgut möglich wurde. Zwar trieb mich keiner heimwärts, aber ich wollte dieses Unternehmen so schnell wie möglich abschließen und mich wieder dem wahren Leben widmen.


    Die Ernte war lange eingebracht. Die Sklaven dabei das Korn vom Halm zu trennen und die kleinen Körner zu Mehl zu mahlen. Gerade auch der Wein wurde dieser Tage gepflückt und in großen Pötten zu Saft gepresst. Später dann sollte mal ein guter Tropfen daraus werden. Doch dazu mußte er noch einige Jahre in schweren Amphoren reifen. Der Keller war dafür der beste Ort. Neben diesen aufwendigen Tätigkeiten wartete auch noch die Obsternte. Die Streuobstwiesen lagen etwas abseits. Ein kleiner gepflasterter Weg führte an einem Hang entlang und traf an seinem Ende auf diese Wiese. Hier gab es alle möglichen Sorten Obst und die Sklaven hatten rückzu kräftig zu zirkulieren, um den Wagen nicht an die Schwerkraft zu verlieren. Ich hoffte natürlich, das Proximus den Arbeitsverlauf mit straffer Hand organisierte. All diese verderblichen Waren hatten nicht ewig Reifezeit.


    Glücklich war ich, als das Haus endlich in sichtbare Nähe rückte und mit jedem stadium der Originalgröße anglich. Der Sprung vom Pferd fiel dann etwas schmerzlich aus. So viele Tage auf einem Rücken ließen meine Knochen vor Begeisterung tanzen. Trotz des jungen Alters war ich eine derart lang anhaltende Reitstrecke einfach nicht gewöhnt. Ich ächzte wie ein alter Mann, als ich von Anaxippus an der Tür empfangen wurde. Das Proximus nicht da war erleichterte meine Gedanken. Dann sollte alles in Ordnung sein. Für den Moment ließ ich mich auf der Terrasse nieder bekam einen Wein und etwas Brot mit verschiedenen Tunken. Der Peregrinus Anaxippus erzählte derweil in ausschweifenden Worten was ich alles verpasst hatte. Wie auf der Reise gedacht, war kein Besuch hier her gekommen. Das riss mich zu einem Seufzen hin und es bedeutete mir, das ich irgendwann vor dem Winter noch eine Reise machen sollte. Hin zur Familie nach Rom.

  • Die Academia Militaris lädt ein


    zum
    Dissertationsvortrag zum Examen Quartum
    von
    Lucius Artorius Avitus


    Der Vortrag wird gehalten am
    PRIDIE NON SEP DCCCLVIII A.U.C. (4.9.2008/105 n.Chr.)
    in den Räumen der Academia Militaris in Rom.


    Anschließend findet eine Informationsrunde für Kandidaten des Examen Tertium zwecks Terminvereinbarung für das Kolloquium statt.

  • Noch immer saß ich auf der Terrasse. Die Sonne wärmte mir das Gesicht, als ich jäh aus den Gedanken gerissen wurde. "Herr, seht da ein Reiter!" Ich blinzelte über die Mauer und erkannte eine staubige Wolke, die sich meinem Haus näherte. Ja ich hatte es derweil als mein Heim akzeptiert. Die Gens unterhielt mehrere solcher Anwesen und ein Jahr ohne Kontakt zu derer ließ mich nicht mehr an diesem Gedanken zweifeln.


    Der Ritt war zügig. Noch wußte ich nicht, wer da auf mich zukam. Aber es war auch noch etwas Zeit. Die hohe Lage des Hof's ließ eine lange Beobachtung derer zu, die sich ihm näherten. Als es wenige stadium waren, hielt ich ihn schon für das, was er dann auch war, ein Bote. So schnell wie er kam, so rasch verschwand er auch wieder über den Weg, den er gekommen war. Erneut stieg Staub auf, aber ich sah ihn nicht. Meine Augen fixierten die Zeilen. "Das sind zwei Tage Anaxippus. Ich werde Morgen früh aufbrechen und du begleitest mich." Das es so schnell gehen würde, hatte ich nie gedacht. Die Sklaven um Proximus würden zurecht kommen und naja irgendwie war ich auch neugierig auf Rom...

  • Bis zu kaum einem Monat gab es mehr zu tun als dem April. Die Knospen schoben sich rasch aus den Flügeln der Bäume, die Saat mußte in den aufgerissenen Boden gebracht werden und das Holz geschlagen, das die Felder zu stibitzen vermochte. Zwar wuselten genügend Sklaven auf dem Landgut herum, aber auch für den Besitzer war es eine stressige Zeit. Versuchten doch immer wieder einige Jungen ihn und seine Aufseher zur Weißglut zu treiben. Als es dann im April ruhiger wurde, konnte ich mich auf ein anderes Projekt verlagern. Eine Aufgabe, die ich mir schon öfters vorgenommen hatte und die nun Wirklichkeit werden durfte. Dazu war es gut genügend Bretter ausgetrocknet gelagert zu haben, denn für einen neuen Stall mit anschließender Koppel brauchte es so einige Hölzer.


    Die Dienstsklaven hatten sich schon auf einen launischen Zeitraum gefreut, doch daraus wurde nun nichts. Eine Zeichnung begleitete den Bau und am Anfang stand wie meist eine Freimachung des Geländes. Auch dabei fiel wieder einiges an Holz an, aber auch ein altes, schon längst nicht mehr betriebenes Klo mußte weichen. Weiterhin füllte sich der Ort mit allerhand Materialien, die dort abseits der blütenweißen Fassade lagerten. Fast schien es so eine Reise in die Vergangenheit zu machen, lud man ein Teil nach dem Anderen auf einen ziehbaren Karren. Hier waren es Schieferplatten, grob behauen, die mal den Weg zum Haus geführt hatten und schon vor Jahren durch edlen Travertim ersetzt wurden. Dort lagen lange Balken, deren Tage gezählt sind, denn die Holzmaden lebten wie im Speck und nur der Backofen würde sich noch über dieses Futter freuen. Auf der anderen Seite fand man einen Stapel grob behauener Feldsteine, gute Ware. Sie würde sich für den Sockel des Stalls eignen und so einige Fuhren teurer neuer Steine ersparen. Ein Sklave wurde sogleich dafür abgestellt die Steine zu zählen, zu berechnen wie weit man damit kam. Ebenso konnten die Schieferplatten einen Platz finden. Der Weg zum Stall und die Gehparzellen darinnen, waren in Gedanken bereits damit ausgelegt.


    Doch neben den Schätzen fand sich auch Unrat, Dinge die die Welt nicht mehr brauchte oder jetzt zumindest nicht. Ich entschied mich dagegen alles einfach wegzubringen, nein ein anderer Lagerplatz mußte gefunden werden. Ein Ort, der im sichtbaren Bild der Villa Rustica verborgen lag. Und trotzdem war er da. Einige scripulum waren hinter der großen Futterscheune schnell gefunden. Für die Sklaven gab es nun genug zu tun. Im Anschluss ans Beräumen sollte am Abend noch das grobe Abstecken folgen. Ohne Frage diese Baustelle würde ich einige Male am Tag aufsuchen. Doch dazwischen zog mich die warme Sonne an den Lago Larius.


    Auch an diesem Ort hatte ich so meine Visionen. Vorallem das Strandhäuschen war im Kopf schon weit gereift. Ein kleines Paradies fern ab vom Lärm der Straße, dem Brüllen der Viecher, dem Geschrei der Kinder und dem allgemeinen Alltag. Doch dies mußte noch etwas warten. Zeit gab es hier genug. Viel davon mehr noch als in den toskischen Ebnen, wo die Oliven reiften und der Wein in Reben angebaut wurde. Zeit war hier etwas, das man gern vergaß. Einzigst die Helligkeit und Dunkelheit beschränkte mich darin sie ganz aus meinem Leben zu streichen.


    Oh wie war ich froh darüber Rom bei Zeiten wieder den Rücken gekehrt zu haben und nach hier in mein eigenes Reich zurückgekehrt zu sein. Es war nicht das Selbe, die Villa in Rom und diese Villa hier. Es war so eingeengt, so zwanghaft und vorallem laut. Keine Nacht wollte ich dort recht schlafen. Immer wieder schreckten Träume meine Sinne hoch. Rom mochte anziehend sein für jene, die das Leben als eine populäre Aufgabe sahen, aber für jene die bescheiden leben und arbeiten wollten war Rom eine Hure. Eine Luppa, die die Massen an ihren Zitzen säugte.


    Nun war ich wieder hier in meinem Land und blickte von der hohen Terasse aus über die unendlichen Weiten der Getreidefelder. Hin zu den nur schemenhaft erkennbaren Stämme des Waldes, der sich an die urbar gemachten Landstriche anschloss. Meine Augen fingen das glitzernde Nass ein, das vom Lago Larius zeugte. Ohne weitere Umschweife schritt ich in den Stall, holte mein Lieblingspferd heraus und legte eine Reitdecke über dessen Rücken, dann rief ich meine Jugendfreunde Gaius und Brutus hinzu und wir zusammen galoppierten hinunter an die samtig weichen Ufer des Sees. Es war ohne Frage der schönste Ort auf der ganzen Welt...

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