Tablinum | Evander et Furianus

  • Iocasta hatte Evander zurückgelassen und war dem Ianitor gefolgt. Nicht, dass er ihr den Anblick des prachtvollen Atriums nicht gönnte, aber er fürchtete um Verlust an Autorität, wenn seine Sklaven ihn in einer untergeordneten Position sehen würden. Im Grunde eine absurde, unbegründete Angst, aber jeder hatte nunmal seine eigene Macken und musste damit leben.
    "Salve, proconsul Flavius"
    grüßte er und folgte der Einladung des Flaviers, wohlwissend, dass das, was er ihm gleich sagen würde, dem Proconsul ganz und gar nicht schmecken würde.
    "Danke, dass du dir Zeit nimmst, mich zu empfangen. Ich sehe, du erfreust dich bester Gesundheit. Das ist erfreulich"
    So konnte man die Frage nach dem Wohlbefinden auch umgehen.
    "Ich komme mit einem ganz bestimmten Anliegen zu dir..."
    Damit platzte er dann wohl gleich mit der Tür ins Haus, fing sich jedoch und fuhr nicht fort, wollte erstmal abwarten, ob nicht Furianus etwas vorab sagen wollte.

  • Furianus griff geradezu lüstern nach einer weiteren Dattel. Zu lange musste er diese Köstlichkeit entbehren, denn die Vorräte wurden erst heute aufgefüllt. Ein paar Sklaven wurden selbstverständlich ausgepeitscht, da sie den Meldebestand einfach ignoriert hatten.


    "Ja, ich bin bei bester Gesundheit. Und die brauche ich auch. Hispania ist nicht klein, Evander."


    Er war gut gelaunt und hoffte, dass der Klient kein Geld für die Stadt abschwatzen wollte. Es gab immer was zu tun, das wusste Furianus auch, aber sein Geldbeutel war auch schon lange strapaziert worden.


    "Du darfst frei sprechen, Evander. Was ist los?"

  • Evander wusste nicht, wie er es am besten sagen sollte, darum versuchte erst gar nicht, um den heißen Brei zu reden.
    "Ich werde Hispania verlassen"
    sagte er.
    "Ich habe nach Italia geschrieben und mich für das Amt des architectus beworben. Ich habe die Aufforderung erhalten, beim praefectus classis vorstellig zu werden"
    Evander versuchte, anhand der Mimik des Proconsuls seine Reaktionen vorherzusagen. Gar nicht so einfach.
    "Drum möchte ich dich hiermit ganz offiziell um eine Entlassung aus meinem Amt als duumvir und sodalis curiae provincialis bitten"

  • "WAS?!"


    Entfuhr es Furianus und ein Stück der im Mund befindlichen Dattel fand den Weg in einem hohen Bogen hinaus.
    Er schluckte und blickte den Mann vor ihm ernst an.


    "Du wirst nun nochmals wiederholen, was du sagen willst. Zuvor wirst du bedenken, dass du mir einst Treue geschworen wie ich dir, Evander. Zudem wirst du dir noch einmal in Erinnerung rufen, was du noch vor einem Jahr warst und was du jetzt bist, welchen Stand du hattest und wo du nun stehst. Und dabei wirst du dich sicherlich an einen Mann erinnern, der an deinem glücklichen Werdegang maßgeblich beteiligt war, wie groß dein Dank ihm und der Provinz gegenüber sein müsste."


    Furianus konnte nicht glauben wie beschränkt jemand handeln konnte und blickte dem Klienten tief in die Augen, er fixierte ihn und verzog keine Miene.


    "Und nun noch einmal."

  • Evander blieb ruhig und gefasst. Er hatte gewusst... nein, geahnt, dass das, was er dem Proconsul zu sagen hatte, diesem nicht gefallen würde.
    "Ich erinnere mich an alles, proconsul. Ich erinnere mich daran, dass ich Sohn eines dummvir war, nicht sehr vermögend und ohne Rang und Namen, aber mit dem Wunsch, in den Dienst der Provinz einzutreten. Ich erinnere mich daran, dass du dafür gesorgt hast, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters treten konnte und Hispania und Tarraco dienen konnte"
    sagte er.
    "Ich erinnere mich aber auch daran, dass ich der Stadt treu und pflichtbewusst als magistratus und duumvir gedient und zum Beispiel mit-, später sogar hauptverantwortlich für den Umbau des Hafens war. Dass ich der Stadt einen weiteren patronus beschert habe und meinen Pflichten als sodalis curiae nachgekommen bin. Ich bin nicht undankbar dir, der Stadt und der Provinz gegenüber, aber ich habe meinen Rang und Namen nicht für nichts bekommen"
    sprach er weiter.
    "Nun habe ich die Möglichkeit, ein ranghohes und angesehenes Amt zu walten. In Italia. Ich dachte, es wäre ein Grund, sich für mich zu freuen, sogar stolz auf mich zu sein. Dem scheint nicht so. Es wird von mir verlangt, namenloser Togaträger zu sein ohne eigene Meinung, ohne eigenen Willen. Ich komme mir wie eine Hure vor, die mit Ämtern bezahlt wird, wie eine Marionette, verpflichtet abzustimmen und mich zum Beispiel für Octavius Augustinus für eine inscriptio auszusprechen, obwohl sie unverdient ist"
    sagte er, leicht kopfschüttelnd.
    "Ich will Hispania nicht als jemand verlassen, der seinen Treueeid bricht. Aber die Differenzen zwischen unseren Ansichten sind unübersehbar und nicht überwindbar. Das sind keine Voraussetzungen für eine Klientel. Drum bitte ich dich, mich aus deiner Klientel zu entlassen und mich meines Weges ziehen zu lassen"

  • "Du bist wichtig, nicht nur für mich, sondern auch für Hispania. Bedenke, dass diese Stadt schon wieder einen Duumvir missen muss! Hast du an eine Nachfolge gedacht?! Nein, hast du nicht!
    Wir leben derzeit in einer schweren Zeit, denn der Thron ist nicht sicher. Willst du Hispania jetzt verlassen?! Du Stadt braucht dich jetzt mehr denn je!"


    Dabei schlug er mit der Faust auf den kleinen Tisch, so dass ein Glasbecher zu Boden fiel und zersprang.


    "Oho, ein ranghohes Amt in der Stadt...ich hätte dich in die Provinzverwaltung geholt! Unter mir kannst du viel schnell viel weiter kommen! Bist du denn wirklich so naiv? Glaubst du der Octavier würde wahrhaftig diese Inscriptio verdienen?! Der verdient nichts, aber er arbeitet wenigstens ohne Widerworte, er bemüht sich und ich musste eine Stimme in der Curia gewinnen, weil mein treuer Klient einfach so verschwunden ist!"


    Furianus war sehr erbost. Das ließ er sich hier nicht gefallen, auf gar keinen Fall.


    "Und wie naiv bist du denn?! Wie eine Hure sagst du? DAS ist Rom, mein Junge! Werte wie Moral, Gewissen und Ehre zählen für euch Plebejer nicht! Und wenn du etwas erreichen willst im Leben, Redivivus, dann hast du dich unterzuordnen, dann hat sich auch deine Ehre unterzuordnen! Bis du weit genug gekommen bist, um unabhängig zu sein. Und erst dann bist du keine Marionette, keine Hure mehr! Aber bis es soweit ist, Redivivus, kannst du deine Träume vergessen! DAS ist Rom oder glaubst du man wird dich mit offenen Armen empfangen, nur weil du ein Mann von Ehre bist? Vergiss es! Du brauchst Beziehungen, Kontakte und das bekommst du nur durch gewisse Verbindungen, durch mich! Und wenn du mir hier offenkundig ins Gesicht spuckst, mein treuer Klient, dann werden wir mal sehen, wie weit du kommst!
    Oh ja, versuch es ruhig, Redivivus, doch denke nicht, dass ich dich vergessen werde! Los, geh mir aus den Augen, so etwas Undankbares wie du widert mich an!"


    Er hatte ihn zum Magistratus gemacht, zum Duumvir, er hat ihm den Ordo geschenkt, mehr als genug Geld...und dann sowas!
    Furianus war aufgebracht, gedemütigt, enttäuscht, ja geradezu verletzt.

  • Evander fühlte sich mißverstanden. Gerne hätte er etwas erwiedert, aber wenn ein Mann in einer Position, wie sie Furianus innehatte, gesprochen hatte, verbot es sich, noch weiter zu erwiedern, wenn einem sein Leben lieb war. Und Evander hing an seinem Leben, der grimmige Nubier, der ihn am Eingang 'freundlich begrüßt' und hierher geleitet hatte, machte einen Eindruck, als könnte er Evander mit Leichtigkeit den Hals umdrehen. Irgendwo hatte er natürlich schon Recht, der Flavier. An seiner Stelle wäre Evander explodiert wie der Vesuv - obwohl der Ausbruch des Furianus auch nicht ohne war - und er hätte seinen Klient wohl nicht einfach weggeschickt, sondern hinausgetreten, verprügeln und ihm vielleicht noch schlimmeres antun lassen.


    Der junge Redivivus wurde geradezu rausgeschmissen, schweigend drehte er sich um und ging, bevor der Proconsul noch wirklich auf solche Gedanken kam und sie in die Tat umsetzte. Er schritt zum Eingang, wurde, als er die Türe aufmachte, von dem Nubier grob hinausgeschubst. Iocasta sah ihn fragend an, Evander blickte verlegen zurück. Sie ahnte, dass das Gespräch alles andere als erfreulich verlief.
    "Nun star mich nicht so an"
    sagte er angeschlagen und ging rüber zu den Pferden. Es war Zeit, von hier fortzukommen. Er würde seine Sachen packen, Helena die Casa überlassen und das nächste Schiff nehmen.

  • Nachdem der Redivier gegangen war, blieb Furianus stumm zurück und blickte von seiner Kline aus ruhig auf den Boden. Genau so ruhig stand er auf, packte den Tisch und schmiss diesen um.


    "REUDIGER HUND, STERBEN WIRST DU!"


    Schrie er dabei durch den ganzen Raum und ballte die Hände zu Fäusten. Einige Sklaven schreckten zurück. Als Patrizier musste er vor Anderen seine Contenance wahren, doch Sklaven waren für ihn keine Menschen. Gegenstände, aber keine Wesen auf die man Rücksicht nehmen sollte.


    "WAS STEHT IHR RUM! AUFRÄUMEN! SKLAVENPACK!"


    Seine Wangen vibrierten durch das Spiel seiner Muskeln, da er vor Wut den Kiefer zusammendrückte, bis er Zahnschmerzen bekam. So konnte er sich gut ablenken.


    "Nein, ich werde dich nicht töten lassen, ich töte das, was dir so viel bedeutet - deine Ehre. Wir werden sehen, Plebejus."


    Sagte er nun ruhig, geradezu für sich und sein Blick fing einen Sklaven.


    "Du da! Bring mir Samsa."


    Samsa, sein kleiner Spion. Der Redivivier würde so nicht davon kommen.

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