Falerner aus Kampanien, eine siebzehn Jahre alte Amphore aus den Tiefen des aurelischen Weinkellers. Ein angemessener Wein, befand ich. Ausstaffiert mit zwei einfachen, ineinandergestapelten Bechern und besagter amphora wanderte ich den Gang entlang und blieb schließlich vor der Tür zu Ursus' Gemächern stehen. Unschlüssig musterte ich das riefige Holz. Wege entstehen dadurch, dass man sie geht! Genaugenommen war der Weg sogar bereits vorgezeichnet. Das einzige, was ich noch tun musste, war die Hand heben und klopfen. Vielleicht würde Ursus einen guten Tag haben und mich nicht wieder fortwährend missverstehen. Ich sog ein letztes Mal die unbeschwerte Luft des Ganges ein, klemmte mir die beiden Becher unter den Arm, dessen Hand die Amphore hielt - und klopfte. Aus heiterem Himmel heraus ward mir wieder unbehaglich zumute. Ich hasste Streit, und da ich partout nicht wusste, was mich hinter dieser Tür erwarten würde, war mir unweigerlich mulmig zumute. Alles, was ich wollte, war kein weiteres Fiasko der Art, wie es im letzten Jahr eindeutig zu oft stattgefunden hatte.

cubiculum TAU | Auf dem Boden des Weinbechers
- Marcus Aurelius Corvinus
- Geschlossen
-
-
Ursus war gerade dabei, seine Sachen durchzusehen. Was war geeignet mitzunehmen? Was blieb besser hier? Was mußte er vielleicht noch besorgen? Er war gerade eben wieder heimgekommen und eigentlich hätte er gleich Corvinus aufsuchen müssen, um ihn über die neue Situation zu informieren. Doch hatte das nicht wenigstens ein paar Stunden Zeit? Es würde ja doch nur wieder im Streit enden und Ursus wollte sich wenigstens kurze Zeit einfach darüber freuen, daß er einen weiteren Schritt auf dem Karriereweg vor sich hatte.
Als es klopfte, glaubte er, daß es Caelyn war und ging daher nicht zur Tür, sondern rief einfach nur "Herein" und schloß die Schatulle mit seinen Schreibwerkzeugen. Er notierte auf der Wachstafel neben sich, daß er noch Pergament besorgen mußte und Siegelwachs. Das war hier in Rom sicherlich besser und günstiger zu bekommen als in Germanien.
Rein gewohnheitsmäßig hob er den Blick, als die Tür sich öffnete und er begann zu sprechen, bevor er überhaupt registrierte, daß es Corvinus und nicht Caelyn war, die hereinkam. "Du kannst dann erst einmal... Oh, Du bist es. Entschuldige, ich dachte, es sei Caelyn. Salve, Marcus." Ein wenig verblüfft bemerkte er die Becher und die Amphore. Was war denn jetzt los? Seine Augenbraue hob sich und verriet seine leichte Verwirrung. Anscheinend hatte Corvinus vor, sich länger hier aufzuhalten.
"Nimm doch Platz", forderte Ursus seinen Onkel auf, deutete auf einen Sessel und räumte die Dinge vom Tisch, die er dort ausgebreitet hatte, um sie zu sichten und passend wieder zu verstauen. "Und meine herzliche Gratulation zu Deiner Wahl." Er hatte Corvinus in letzter Zeit kaum zu Gesicht bekommen und daher noch keine Gelegenheit gehabt, ihm zu gratulieren.
-
Ich trat ein, schloss die Tür mit meinem Fuß und sah mich danach im Raum um. Er wirkte ganz so, als wäre Ursus in Aufbruchstimmung. Verwundert ließ ich den Blick durch den Raum schweifen, bis er an Ursus haften blieb, der soeben zu sprechen begann. Er hielt mich für seine missratene Sklavin - natürlich war mir nicht entgangen, was sie sich geleistet hatte - und sah mich dann verwundert an. Zur Erklärung hob ich nur die Amphore und die beiden Becher, nun wieder in der Rechten haltend, ein wenig an.
"Ich dachte, wir könnten das Ende deiner Amtszeit feiern", erwiderte ich auf seinen Gruß hin und setzte mich an den Tisch, nachdem die Gefäße dort platziert worden waren. Nebenbei hantierte ich am Kork der Amphore herum und warf einen Blick auf Schreibutensilien, Siegelzeug, Tuniken und ein Wirrwar aus Schnürden, Kordeln und dünnen Seilen, die Ursus nun vom Tisch räumte. Ich hatte den Korken nun aus der Amphore gefingert, schloss die Augen und roch genießerisch am Wein. "Mmh...siebzehn Jahre alter Falerner..." murmelte ich und blickte dann ein wenig überrascht zu Ursus. "Danke dir. Aber sag mal... Es wirkt ganz so, als hättest du keine Zeit. Err... Sollte ich dich besser allein lassen?" fragte ich, die Hand mit der Amphore über den beiden Bechern schweben lassend und Ursus fragend musternd.
-
Ursus legte die Sachen kurzerhand auf sein Bett, da war genug Platz. Aufgeschoben war ja nicht aufgehoben, er hatte später noch genug Zeit, weiterzumachen. Er setzte sich in den zweiten Sessel und blickte auf die über den Bechern schwebende Amphore. "Meine Amtszeit ist vorüber, ich habe alle Zeit der Welt. Noch." Er wußte überhaupt nicht, wie er diese Situation zu bewerten hatte und blieb daher vorsichtig. "Siebzehn Jahre alt, meine Güte. Ein wahrhaft edler Tropfen." Und das nur, weil seine Amtszeit vorüber war? "Was hast Du noch auf Lager für den Tag, an dem Du in den Senat berufen wirst?"
Mit einer ausladenden Geste auf seine verstreuten Sachen erklärte er dann: "Ich habe vor wenigen Stunden erfahren, daß ich nun doch noch ein Tribunat erhalte. In Germanien bei der Legio II. Mir bleiben nur noch wenige Tage in Rom und ich will sehen, was ich noch brauche." Er mußte sich verkneifen zu sagen, daß dies Corvinus doch freuen mußte, da er ihn für ein ganzes Jahr loswurde. Doch er wollte keinen Streit vom Zaun brechen, zumal Corvinus im Moment eher versöhnlich wirkte. "Wahrscheinlich ist es ein Fehler, schon wieder für längere Zeit von Rom fortzugehen. Doch ich halte den Militärdienst für notwendig. Und besser, ich leiste ihm am Anfang meiner Karriere ab als später." Er wußte nicht, ob ihm das Soldatenleben gefallen würde. Bisher hatte er nur wenig mit dem Militär zu tun gehabt.
"Du bist doch nicht wirklich nur gekommen, um das Ende meiner Amtszeit und den Beginn Deiner eigenen zu feiern, oder? Siebzehn Jahre alter Falerner?" Sie hatten schon über weit wichtigere Dinge nicht miteinander gesprochen. Und schon gar keinen edlen Wein miteinander getrunken. "Gibt es noch irgendetwas zu feiern?" Vielleicht hatte Corvinus ja die Hochzeit von Prisca unter Dach und Fach gebracht? Aber da sollte dann doch der Rest der Familie auch dabei sein, wenn sie das feierten.
-
Ich nickte und goss den herrlich duftenden Rebensaft in die bereitstehenden Becher, setzte dann die Amphore ab, verkorkte sie und platzierte sie auf dem Tisch. Hernach schob ich Ursus einen der beiden Becher hin. "Darüber muss ja dann nicht ich mir Gedanken machen", entgegnete ich und schmunzelte. "Aber das ist ohnehin noch lange hin."
Die folgende Geste und vor allem die Information, die Ursus mir gab, hatte zur Folge, dass ich den bereits ergriffenen Becher wieder sinken ließ und den Kopf ein wenig zur Seite neigte. Zuerst sagte ich gar nichts, dann lächelte ich vage. "Ich weiß, dass du dich um ein Tribunat beworben hattest, und ich hatte gehofft, man würde dich den cohortes urbanae oder der Secunda zuteilen." Warum, verschwieg ich noch. "Welche Sklaven wirst du mitnehmen, weißt du das schon?" fragte ich, schüttelte aber ob seiner Bemerkung den Kopf. "Wieso sollte es ein Fehler sein?" Mein Blick fiel nach einer kurzen Wanderung wieder auf den Becher in meiner Hand, und wieder hob ich ihn. "Auf das Ende deiner Amtszeit und auf den Beginn der meinen", sagte ich und vergoss einen kleinen Schluck für die Götter, bevor ich einen tiefen Schluck nahm. Der aurelische Weinkeller war gut bestückt, dafür trug der cellarius Sorge, und so würde einem feuchtfröhlichen Abend nichts im Wege stehen - wenn nicht Ursus wieder zanksüchtig sein würde.
"Ein wunderbarer Tropfen", drückte ich mein Gefallen aus und drehte den Becher einige Male in der Hand, ehe ich ihn abstellte. "Genaugenommen ist das tatsächlich der einzige Grund." Zumindest fadenscheinig. "Aber ich wollte dich zudem eigentlich etwas fragen. Appius hat mir geschrieben. Scheinbar plant er eine Reise nach Ägypten. Im Zuge dessen wäre es natürlich nicht besonders logisch, würde er sich weiterhin um die Kontrolle der Bucher und dergleichen kümmern. Allerdings macht es angesichts deines Tribunats in Germanien keinen Sinn mehr, dich zu bitten, dies zu übernehmen." Ein weiterer Schluck aus dem Becher fand seinen Weg unter meinen Gaumen. Ob zum Mutmachen oder des Durstes wegen, war dahingestellt. "Deswegen hätte ich dich gern in Rom gewusst, abgesehen davon, dass besonders die Frauen dich vermissen werden."
-
Ursus nahm den Becher entgegen und atmete den Duft des durch lange und richtige Lagerung geedelten Weines ein. Er hatte noch nicht oft Gelegenheit gehabt, solch einen Tropfen zu genießen. Und natürlich vergaß auch er nicht, den Göttern ihren Anteil zukommen zu lassen, bevor er einen ersten Schluck nahm und genüßlich über die Zunge rollen ließ, um den Geschmack voll auszukosten. Er nickte. "Ein wahrlich edler Tropfen", stellte er fest und atmete tief durch. Ein Zeichen, daß er sich etwas entspannte, denn Corvinus schien nicht auf Streit aus zu sein. Vielleicht kam ja doch mal ein ganz normales Gespräch zwischen ihnen zustande?
Zur Frage nach den Sklaven schüttelte Ursus den Kopf. "Wie schon gesagt, ich weiß es selbst erst seit ein paar Stunden. Und ich hatte eigentlich schon nicht mehr damit gerechnet. Als ich den Brief schrieb, lebte der Kaiser noch. Ich vermute sogar, daß er ihn noch erhalten hat. Als dann die Nachricht kam, daß er gestorben ist und die Wahlen vorübergingen, ohne daß eine Antwort kam, bin ich davon ausgegangen, daß die Angelegenheit sich erledigt hat. Von daher habe ich mir noch nicht die geringsten Gedanken darüber gemacht, wen ich mitnehme. Wir haben ein Haus in Mogontiacum, oder? Was meinst Du, ob ich da wohnen kann oder ob ich wohl im Castellum leben muß? Wo hast Du gewohnt?" Er wußte praktisch nichts über das Tribunat von Corvinus. Naja, kein Wunder, sie sprachen ja normalerweise nicht miteinander. Nicht mehr als das nötigste zumindest.
Die nächste Nachricht war da schon wesentlich erstaunlicher."Appius reist nach Ägypten?", fragte Ursus überrascht. Er hatte von dem Vetter schon länger nichts mehr gehört und er fand es schade, daß er Rom so lange fernblieb. Doch natürlich konnten solche Reisen sich für seine Zukunft als sehr nützlich erweisen und er gönnte ihm die Erfahrung.
Als Corvinus davon sprach, daß er vorgehabt hatte, ihm die Finanzen zu übertragen, preßte Ursus kurz die Lippen zusammen. Doch er überspielte die aufsteigende Bitterkeit schnell damit, daß er den Becher an seine Lippen führte und einfach noch einen Schluck nahm, während sich seine Gedanken überschlugen. War ja klar, jetzt wo es unmöglich war, bot er ihm diese Aufgabe an. Da war es nur ein schwacher Trost, daß er ihm anscheinend jetzt endlich ein Mindestmaß an Vertrauen entgegenbrachte. "Ich hätte diese Aufgabe sehr gerne übernommen, zumal ich mich mittlerweile gut eingearbeitet habe. Aber zumindest für die kommende Amtszeit ist es mir nun nicht möglich."
Ursus blickte in seinen Becher, als könnte er darin etwas besonders interessantes entdecken. "Nun, ein Jahr ist keine Ewigkeit. Und ich habe Helena und Minervina schon versprechen müssen, regelmäßig zu schreiben. - Wen würdest Du mir denn empfehlen, mitzunehmen?"
-
Beide Arme locker auf die Lehnen des Sessels gebettet, studierte ich Ursus' Verhalten und nickte. "Natürlich", erwiderte ich. "Dass Iulianus' Sohn dafür Sorge trägt, dass die laufenden Vorgänge im Reich auch weiterlaufen, spricht für ihn." Ich strich mir über das leicht stoppelige Kinn und dachte nach. "In meine Amtszeit fiel ja der Wechsel der Legaten. Ich habe unter Decimus Meridius und Vinicius Lucianus gedient, ersterer war nicht begeistert von meiner Bitte, in der villa nächtigen zu dürfen, also habe ich das auf ein Mindestmaß reduziert. Bei mir war es aber auch etwas anderes als bei dir, da Deandra mich begleitet hatte und später Helena und Prisca dazugestoßen sind", erzählte ich und war zugleich verwundert darüber, dass ich darüber noch nie mit Ursus gesprochen hatte. "Ich würde in deinem Fall vermutlich im castellum bleiben, das stärkt zudem das Mannschaftsgefühl. Du kannst aber auch den Legaten fragen, ob er Einwände hat, wenn du ab und an in der villa schläfst. Es sollte zudem kein Problem sein, Sklaven mit im Lager zu haben, denn die Tribunen bekommen jeweils ein kleines domus zur Verfügung gestellt. Vergiss nicht, du bist der Führer der Legion, sollte der Legat verhindert sein, das bringt eine Menge an Vorteilen mit sich."
Genussvoll leerte ich den Becher in kleinen Schlucken zur Hälfte, spähte gleichsam zu Ursus und seinem Becherinhalt hinüber. "In der Tat. Und nicht unbedingt ein Umstand, der mich freut, wenn ich ehrlich bin", entgegnete ich, Cotta betreffend. "Er hat nicht geschrieben, wie lange er beabsichtigt, dort zu bleiben, Titus. Zahlen laufen nicht fort." Für mich überraschend, schenkte ich ihm ein aufmunterndes, kurzes Lächeln und neigte alsdann den Kopf zur Seite. "Dir ist hoffentlich bewusst, dass du auch mir dieses Versprechen geben musst?" fragte ich mit amüsiert zukenden Mundwinkeln. "Aber gut, wen mitnehmen... Ich denke, deine Leibsklavin wirst du allemal mitnehmen. Was sonstige Sklaven betrifft, lasse ich dir die Wahl. Einzig auf der Anwesenheit von Cadhla und Siv bestehe ich, wobei gerade Siv einen Sonderfall darstellt, den ich gern gleich noch mit dir besprechen würde. Vielleicht nimmst du Sertorio mit, Matho ist der Ansicht, dass sich die beiden gut verstehen. Eventuell lässt sich damit auch etwas anfangen im Hinblick auf eine weitere Generation." Die Amphore wurde aufs Neue entkorkt, die Becher wieder gefüllt und während ich das tönerne Gefäß zurückstellte, fuhr ich fort. "Ich hatte ohnehin vor, eine kleine Gruppe nach Mogontiacum zu entsenden, musst du wissen. Umso besser, dass du ebenfalls dorthin gelangen musst, ihr könntet zusammen reisen. Ich beabsichtige, Matho und eine Handvoll der anderen zu schicken. In der villa befinden sich noch einige Dinge, die ich besser hier wüsste als in Germanien. Siv und Fhionn werden auch mit von der Partie sein, ich möchte beide auf die Probe stellen. Matho wird sie begleiten und ebenso Lucius Funeribus, einer meiner Klienten. Sie werden ein Auge auf die anderen haben, ich muss sehen, ob ich ihnen trauen kann."
-
Corvinus könnte mal wieder eine Rasur gebrauchen, fand Ursus, als er das kratzende Geräusch hörte, das von dem Reiben über das unrasierte Kinn verursacht wurde. Doch er hörte aufmerksam zu, was sein Onkel so erzählte. "Dann kennst Du Vinicius Lucianus persönlich? Wie ist er so? Ich weiß überhaupt nichts von ihm. Außer, dass er offenbar treu hinter Valerianus steht und die Truppen bereits auf ihn eingeschworen hat. Und das beruhigt mich schon mal ungemein. Gut, ich werde dann also im castellum wohnen und einfach so oft wie möglich in der Villa vorbeischauen. Wenn Matho dabei ist, können wir uns ja darauf verlassen, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. Ich muss also nicht unbedingt dort schlafen. Willst Du das Haus dort eigentlich halten oder denkst Du daran, es zu verkaufen?" Im Grunde wurde es ja nicht wirklich gebraucht. Andererseits konnte es natürlich immer mal wieder jemanden nach Germanien verschlagen.
Ein Lächeln. Unglaublich. Ursus lächelte unwillkürlich zurück und ließ sich sogar zu einem Scherz hinreißen. "Ich werde natürlich durchbrennen. Mit einer halbwilden Germanin werde ich mich in die Wildnis aufmachen, um in einer niedrigen, fensterlosen Hütte zu hausen und zwanzig Kinder zu zeugen. In so einer Hütte kann man ja auch nichts anderes machen, findest Du nicht?" Er lachte und schüttelte den Kopf. "Ich werde nach dem Tribunat wieder hierher zurückkommen, Marcus. Es fällt mir nicht schwer, Dir das zu versprechen, schließlich ist Rom meine Heimat und ich habe noch einiges vor. Wer weiß, vielleicht ist Cotta dann ja auch wieder da." Das nahm Ursus zumindest an, denn ein Jahr war eine lange Zeit. Einerseits würde es ihn natürlich freuen, wenn Cotta dann wirklich wieder da war. Andererseits würde das aber auch bedeuten, daß er wieder innerhalb der Familie keine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommen würde.
Er führte den frisch gefüllten Becher an seine Lippen, um einen weiteren, genießerischen Schluck zu nehmen. "Für mich persönlich reichen Caelyn und Sertorio. Es würde mich sehr freuen, wenn ich letzteren mitnehmen dürfte. Er ist ein ausgezeichneter Koch und hat ein Gespür für frische Ware. Wenn nur seine Sprache nicht so fürchterlich wäre. Ja, und er versteht sich anscheinend ganz gut mit Caelyn, ob das allerdings so weit geht, daß da an eine nächste Generation zu denken ist, weiß ich nicht. Dazu kommt seine Verlässlichkeit und Ehrlichkeit, die sich hoffentlich prägend auf Caelyn auswirken wird." Es war für ihn immer noch unfassbar, dass sie gestohlen hatte. Ob er ihr das je würde abgewöhnen können?
"Du willst also Siv, Fhionn und Matho wegen des Hauses nach Mogontiacum schicken? Kannst Du Matho hier denn entbehren? Wie lange sollen sie sich in Germanien aufhalten? Ich nehme an, nicht das ganze Jahr, das ich dort verbringen werde? Und dieser Lucius Funeribus soll das Ganze beaufsichtigen? Was ist er für ein Mann? Ich glaube nicht, dass ich ihm schon einmal begegnet bin, oder?" Wieder ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zuwenig miteinander sprachen. Sonst würde er den Klienten, der ja besonders zuverlässig sein musste, sicherlich kennen.
Es war ein ziemliches Risiko, gerade Siv und Fhionn mitzuschicken. Nahe der alten Heimat und ohne direkte Aufsicht durch ihren Herrn mochten sie sehr in Versuchung geführt werden. Aber genau das schien ja der Sinn der Aktion zu sein. Wenn sie dort treu und zuverlässig blieben, würden sie es hier erst recht sein.
-
Mein Kinn war selbstverständlich rasiert, nur eben morgens, und da es gerade Abend war und zwischen dem gegenwärtigen Zeitpunkt und der morgendliche Rasur gute zwölf Stunden lagen, kratzte es nun mal ein wenig...
"'Kennen' ist zuviel des Guten. Er war mein direkter Vorgesetzter, aber gesehen haben wir uns so gut wie nie, sieht man von den üblichen Stabsbesprechungen einmal ab", sagte ich und grinste kurz. "Jeder Kommandeur, der seine Truppe noch nicht auf Valerianus hat schwören lassen, macht sich verdächtig, Titus. Ihm blieb nichts anderes übrig, selbst wenn er nicht hinter dem Kaiser stünde. Aber du hast ganz recht, der Vinicier ist kaisertreu, so wie sein Bruder auch. Hungaricus, den praefectus urbi - du kennst ihn doch?" fragte ich nach und nahm erneut einen Schluck Wein. Selbstverständlich schmeckte er pur am besten, doch hatte die unverdünnte Flüssigkeit zudem die Eigenschaft, recht schnell auf Zunge und Geist einzuwirken. Noch verspürte ich allerdings nur eine angenehme Wärme in der Bauchgegend, die mir zudem das wölfische Grinsen erleichterte.
"Wenn es dir nur um eine schneidige Germanin ginge, müsstest du dich nicht einmal nach Germanien begeben. Manchmal glaube ich, wir haben die meisten germanischstämmigen Sklaven in ganz Rom", witzelte ich - nicht ahnend, wie groß der Wahrheit Kern in diesen unbedacht gewählten Worten doch war. Hätte ich es geahnt, wäre der Abend wohl anders verlaufen als geplant. Es gab nur weniges, das ich ganz ausdrücklich untersagte, doch wer mich kannte, der wusste, dass ich es dann bitterernst meinte, wenn ich es tat. So aber dachte ich mir nichts weiter dabei und nickte nur. "Natürlich, nichts anderes habe ich auch erwartet, Titus. Und wenn du Sertorio mitnehmen möchtest, kannst du das gern tun. Niki kam jahrelang allein mit den anderen aus, da wird sie ein weiteres Jahr nicht umbringen", fuhr ich fort. "Das kann man tatsächlich nur hoffen. Caelyn sollte vorerst nicht mehr allein umherwandern, damit so etwas nicht nochmals passiert. Aber daran hast du sicher gedacht. Was Lucius Funeribus betrifft...nein, du kennst ihn nicht. Er war schon Klient meines Vaters, kein allzu großes Licht, wenn du verstehst. Aber er ist treu und hat das Herz am rechten Fleck. Ich bin mir sicher, dass er zusammen mit Matho ein Auge auf die Gruppe werfen wird." Genaugenommen war ich mir da gar nicht so sicher, sondern hoffte einfach das Beste - was in diesem Fall bedeutete, dass der alte Lucius noch lebte, wenn die aurelische Truppe wieder hier ankam.... "Nicht länger als es notwendig ist", schloss ich schließlich.
Ob jetzt der passende Moment war, ganz nebenbei das zu fragen, was mir auf der Zunge lag? Ich verschob ihn noch etwas und konzentrierte mich einen Moment lang auf mich selbst. Mein Gefühl sagte mir, dass dies hier alles nur Schein war. Noch hatte die große Aussprache nicht stattgefunden, auch wenn sie längst ausstand. Aber weder Ursus noch ich überwand sich dazu, den ersten Schritt zu machen. Warum er es nicht wagte, wusste ich nicht zu sagen, bei mir indes war es einfach die Zermürbnis, nicht wieder einen Streit entfachen zu wollen. Als auch der zweite Becher geleert war, räusperte ich mich schließlich, blickte Ursus ernst an und sagte folgendes: "Angesichts deiner Abreise vielleicht auch nicht gerade der beste Zeitpunkt, aber ich wollte dich bitten, die tutela für deine Schwester zu übernehmen." Da war der Schritt, der erste, und er war von mir gekommen. Zwar hatte es sich als recht schwierig herausgestellt, mich zu überwinden, aber schlussendlich war es mir doch gelungen, und Ursus würde ganz gewiss auffallen, dass ich ihm damit ein Stück weit Verantwortung übertrug.
-
"Schade, ich hatte gehofft, dass Du mir schon ein wenig mehr über ihn sagen könntest", meinte Ursus nachdenklich und nickte dann. "Ja, natürlich kenne ich Hungaricus, wenn auch nicht wirklich persönlich. Wenn er und sein Bruder treu zu Valerianus stehen, finde ich das ausgesprochen beruhigend. Sie haben nicht gerade wenig Macht und Einfluss." Gerade weil sie zusammenhielten. Wie es ja auch sein sollte zwischen Verwandten. Ursus wünschte sich, in seiner Familie könnte es ebenso sein. Doch manche Wünsche blieben eben unerfüllt. "Ist Hungaricus nicht sogar Dein Patron? Es wird langsam Zeit, dass ich mir auch einen Patron suche. Aber ich bin noch unentschlossen, wer da in Frage kommen würde." Und dann war die Frage, ob derjenige ihn auch annehmen würde. Vielleicht sollte er sich den Statthalter Germaniens auch in dieser Hinsicht mal genauer ansehen?
Auch er nahm noch einen Schluck Wein. Wenigstens schien sein Scherz einigermaßen anzukommen, denn Corvinus zeigte zumindest ein Grinsen, das nicht wenig an einen Wolf erinnerte. "Ja, Kelten und Germanen. Irgendwie scheinen wir sie anzuziehen. Naja, die gemeinsame Herkunft sorgt bestimmt für Zusammenhalt und das ist ja eigentlich auch wünschenswert beim Personal. Manchmal frage ich mich, ob es in Germanien überhaupt noch Menschen gibt, oder ob die mittlerweile alle schon bei uns hier leben." Er grinste etwas schief ob seiner Übertreibung. Und da er noch nichts davon ahnte, dass Cadhla in sein Zimmer schlüpfen würde und sie ihm ja auch in letzter Zeit aus dem Weg ging, hatte er ein völlig reines Gewissen, was das betraf.
"Das mit Caelyn… Sie hat natürlich Verbot, das Haus ohne Begleitung zu verlassen und erledigt zur Zeit einige Aufgaben, die sie nicht sonderlich gerne macht. Ich bin sehr froh, dass ich die Angelegenheit mit dem Betroffenen gütlich regeln konnte. Vertrauen kann ich ihr jedenfalls nicht mehr. Sie hat mich wirklich maßlos enttäuscht. Na, egal, in Germanien wird sie für solche Unarten keine Gelegenheit haben." Das Thema war ihm ausgesprochen unangenehm, immerhin trug er die volle Verantwortung für seine Sklavin.
"Wenn dieser Lucius Funeribus schon Klient Deines Vaters war, dann ist er wohl schon etwas älter? Ist er den Strapazen dieser Reise denn noch gewachsen?" Immerhin lag Germanien nicht gerade um die Ecke. Und das Klima dort war für ältere Menschen sicherlich auch eine ziemliche Belastung. Doch sicherlich würde Corvinus dies bedacht haben. "Ich werde sehr bald aufbrechen. In wenigen Tagen. Da die Ernennung so lange hat auf sich warten lassen, werde ich in Germanien sicherlich schon erwartet." Hatte nicht Sedulus diese Stelle bis jetzt inne gehabt? Und er war schon einige Zeit wieder in Rom.
Die nächste Aussage warf Ursus fast vom Hocker. Wenn der Hocker nicht ein Sessel gewesen wäre, von dem es schwer war, hinuntergeworfen zu werden. Dann hatte er sich also tatsächlich so etwas wie Vertrauen erarbeiten können? Oder lag es nur daran, dass Ursus der nächste Verwandte war und somit sowieso normalerweise für diese Aufgabe vorgesehen war? Aber wie auch immer es war, es war eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe und somit bedeutete es nicht wenig, sie angetragen zu bekommen. "Der Zeitpunkt ist sicherlich nicht optimal. Aber… Sie ist meine Schwester und ich werde nur ein Jahr fort sein. Außerdem bleiben wir ja in Briefkontakt. Daher… werde ich sehr gerne die tutela für Minervina übernehmen." Er atmete tief durch und trank noch einen Schluck Wein.
-
"Ja, er ist mein Patron. Ich habe diese Entscheidung bisher auch noch nicht bereut. Bedauerlicherweise stellt unsere Familie keine besonders herausragenden Senatoren, weswegen ich mich außerhalb umgesehen habe. Hungaricus genießt nicht nur Vertrauen und Sympathie vieler Senatoren, er ist zudem ein beim Volk angesehener Mann und war es auch für Iulianus", erklärte ich. "Wenn ich dir einen Tipp geben darf, Titus, suche dir jemanden, der präsent ist und deine Interessen auch vertreten kann. Ein Patron in einer Provinz bringt dir viel, wenn du ebenfalls dort bist und dort Karriere machen möchtest, aber kaum etwas, wenn du in Rom und er zu weit weg vom eigentlichen Geschehen ist."
Na sowas, da war der Becher doch tatsächlich schon wieder leer. Verdutzt sah ich die kleine Pfütze am Boden an, dann zuckte ich mit den Schultern und schenkte uns erneut nach, ebenfalls amüsiert grinsend über Ursus' Witz. "Wirst es ja sehen, wenn ihr da seid", meinte ich. "Ich habe überlegt, jemanden zzzu... engagieren, der Latein lehrt und vielleich auch Griechisch. Gut ausgebildete Sklaven sind ihr Geld wert, und ich lege wert darauf, dass sie uns auch angemesssn präsentieren." Allmöhlich wurde die Zunge schwerer, der Geist umnebelter. Der reife Wein tat seine Wirkung. Wir waren allein, und ein wenig angetrunken sein machte vielleicht das Reden leichter. Also nippte ich kleine Schlucke und musterte Ursus über den Becherrand hinweg. "Hast du dir eigentlich mal überlegt...zzuheiratn?" fragte ich ihn aus einem Reflex heraus.
"Lusiuss Funeribusss ist nicht so alt, dass er die Sch..trapazen der Reise nicht mehr auf sich nehmen könnte", belehrte ich Ursus dann und gab mir bei der fehlerfreien Aussprache doch schon Mühe. "Der warn junger Hüpfer, als er Klient von deinem Großvater wurde. Bisschen seltsam, der Gute, aber...wird schon wer'n." Ich nickte bestätigend, beugte mich etwas vor und klopfte Titus, bei dem ich ganz aufmerksam darauf achtete, dass er seinen Wein auch trank, auf die Schulter. "Prima. Ich werd auf sie aufpassn, währ'nduu weg bist. Prost, Titus, üb schonmal für dassssoldatendasein." Ich grinste ind bewegte meinen Becher - der wievielte war es eigentlich? - zu dem Ursus', wo er mit einem dumpfen Klonk anstieß. -
"Na, das mit den Senatoren in der Familie werden wir hoffentlich bald nachholen", murmelte Ursus und hielt seinen Becher nur zu gerne hin. Morgen würd er es bereuen, das wußte er. Doch im Moment schmeckte der Wein einfach gut und die Unterhaltung lief unerwartet locker und unbeschwert. Das machte Ursus eben ein wenig unvorsichtig.
"Wie gesagt, ich bin noch unentschlossen, was den Patron angeht. Allerdings finde ich auf der anderen Seite, daß es Zeit wird. Naja, erst einmal das Tribunat. Vielleicht sehe ich nach diesem Jahr ein wenig klarer, wer vorteilhaft für mich wäre und wem auch ich von Nutzen sein kann." Er sprach es nicht aus, doch er war der Meinung, daß ein germanischer Statthalter vielleicht nicht immer germanischer Statthalter sein würde. Auch Meridius war mittlerweile wieder in Rom.
Diese nüchternen Überlegungen ließen sich nicht mehr lange aufrecht erhalten. Der Wein, sie hatten ja auch schon einige Becher intus, zeigte seine Wirkung. Er merkte nicht mal so richtig, daß Corvinus langsam etwas undeutlich wurde in seiner Sprache. Ob es daran lag, daß auch Ursus die Schwere seiner Zunge zu spüren begann?
"Ich wär schon froh, wennse wenigstens Latein ordntlich sprechn würde." Obwohl er zugeben mußte, daß Caelyns Sprache sich schon bedeutend gebessert hatte. Vor allem, wenn sie sich richtig Mühe gab, hörte es sich schon brauchbar an. "Aber lesn und schreibn kannse schon ganz gut." Der Becher wurde ein weiteres mal gefüllt und Ursus begann sich zu fragen, wie lange diese Amphore wohl noch reichen würde.
Aufseufzend lehnte er sich in dem Sessel zurück und führte den Becher an seine Lippen, um einen tiefen Schluck zu nehmen. Was er sofort bereute, denn bei der nächsten Frage seines Onkels verschluckte er sich heftig und hustete erst einmal einige Minuten lang, bevor er auf die Frage antworten konnte.
"Also... natürlch hab ich... hust ... darüber schon nachgdacht. Aber ich kenn einfach noch nich gnug Mädchen aus passnden Familien. Eigntlich gar keine. Un wasis mit Dir? Nachdm das mit Deandra nix wird? Haste schon wen im Auge?" Das wäre schon wichtig zu wissen. Nicht daß sie sich da auch noch in die Quere kamen.
"Na, wenner noch nich so alt is, dann wirds schon gehn." Dieser Klient... ach, wenn Corvinus meinte, daß der in Ordnung war, dann würde das wohl auch stimmen.
Der kameradschafliche Schlag auf die Schulter kam für Ursus völlig unvermutet. Doch er hatte Glück, der Becher war noch nicht so weit vom Tisch entfernt und er konnte ihn noch abstellen, bevor ein größeres Unglück geschah. Er grinste ein wenig schief. "Wennas so is mitm Sol... Solatenlebn, dann wirds mir Spass machn." Sie stießen an und Ursus leerte den Becher. "Is nochwas da?"
-
"Mhm", erwiderte ich auf den Kommentar den Senat betreffend. Ein Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf, eines, das ich flüchtig als Sophus erkannte, aber ich hatte ihn noch nie leiden können, was nicht geringfügig an seiner dauernden Absenz lag, uns so zählte ich ihn nicht dazu, wenn es um Senatoren unserer Familie ging. Ebensowenig, wie ich Commodus dazugezählt hatte. Natürlich wusste ich, dass Ursus damit auf mich anspielte, aber ich sah keinen Grund, alles darauf auszulegen, die Senatorenehre schnell zu erhalten. Wenn man mich für geeignet erachtete, würde man mich in den Senat beordern, wenn nicht, dann nicht. Das einzige, was zählte, war dass man gute Arbeit leistete, mit der man auch selbst zufrieden war. "Du machs daschon", gab ich gönnerhaft zurück und meinte bereits die Suche nach dem Patron, was man aber auch durchaus auf das vorherige Thema beziehen konnte. Das aber war mir selbst nicht so bewusst. Ein tiefer Seufzer folgte, und ich ließ mich im Sessel etwas tiefer sinken, um Ursus beim Husten zu begutachten.
"Vielleich, wenn ihr wie'er da seid", gab ich zum Thema Unterricht zurück und winkte dann ab. "Deannra warn Flop. Sch'ätt nie dieser Verlobung ssuustimmn solln. Merk dir einss, Dietuss: Fang niemals was mit deier Schwesser an. Auch wennses gar nich is." Weitläufige Handbewegungen untermalten diese corvinische Weisheit, die in einem Kopfschütteln endete. "Siehsja, was nu Sache is. Die Klau..dija verrennt sich in Racheaksjonen, hätts mal Mennekin...krates Gesich sehn solln alsich vorm Senat stand un meine Kannidatur bekannt gegehm hab. Als wär'ch der Sch...daadsfeind Nummer einss. Ma kanns auch übertrei'n" Ich zeigte Ursus nun einen etwas verunglückten Vogel, winkte in der gleichen Bewegung ab und öffnete erneut die Amphore, nur um festzustellen, das noch für jeden ein halber Becher darin war - mehr nicht. Die Amphore halb erhoben, blickte ich perplex zu Ursus, der mich nach potentiellen Ehefrauen fragte. "Ich?" fragte ich, und es klang wie ein Hickser. "Hmnee. Da gibbs szwar wohl ne Tiberiah, aber das bringt uns ja auch nichs. Klaudija kannse vergessn. Mal Cahjuss fragn, vielleich hat der ja wen anner Hand." Ich zuckte mit den Schultern und stemmte mich aus dem Sessel hoch, die Amphore in der Hand. "Schgeh ma was Neues holn", verkündete ich. "Lauf nich weg."
Der Weg aus Ursus Zimmer hinaus war eindeutig zu kurvenreich und lang, und als ich vor seinem Zimmer stand, fragte ich mich allen Ernstes, wie ich neuen Wein bekam, ohne tatsächlich den Weinkeller aufsuchen zu müssen. Glücklicherweise eilte Dina vorbei, und der drückte ich die Amphore in die Hand und trug ihr in einer wortgewaltigen und instruktionsgefüllten Rede auf, eine neue der gleichen Art zu holen, während ich hier an die Wand gelehnt wartete. Minuten später hielt ich eine volle Amphore in der Hand und begab mich wieder hinein. Die Tür schloss sich erst beim dritten Anlauf, was mich leicht zerstreut grinsen ließ, dann wedelte ich mit der frischen Amphore. "Ich hoff, du kanns nochn bisschen vertra'n..."
-
An Commodus hatte Ursus gar keinen Gedanken verschwendet, er hatte den Mann gar nicht gekannt - und inzwischen war er tot. Und Sophus? Er kannte ihn im Grunde ebenso wenig. Außerdem hatte er nach seinen Worten vor, für sehr lange Zeit auf Reisen zu gehen. Ursus rechnete für mehrere Jahre nicht mehr mit ihm. Also war auch er als Fürsprecher im Senat nicht zu zählen. Von daher sah Ursus es als selbstverständlich an, dass nicht nur er selbst, sondern auch Corvinus mit aller Kraft nach der Senatorenehre strebte. Kein Aurelier im Senat, das war einfach eine Schande. Die Familie musste dringend wieder mehr vorangebracht werden.
Das Thema Heirat und Frauen drängte sich unweigerlich in den Vordergrund des Gespräches. Und Ursus legte seine Stirn in Falten, als Corvinus von Deandra sprach. "Weiste… isch hab ne Schwester, aber die is auch meine Schwester… so was wie isses und wiedernich hab ich nich. " Glücklicherweise konnte man wohl sagen.
"Wenn isch d’Menedingsda wär, wärisch aba auch escht schauer." Ein Schulterzucken unterstrich diese Aussage und er leerte den Becher. "Aba wasss scholls? Nieman wird von alln gliebt. Hamwer haltn Lieblingschfeind. Wär sonscht auch langweilg, Sleben. " Allerdings schränkte das natürlich die Möglichkeiten einer Brautwahl noch mehr ein.
"Warum gehn n die Tiberias nich? Aquil..llillillus, äh, weischt schon… der hat gsagt, da wärn hübsche Tiberja in seinm Kurs im Templ." Leider hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, sie kennenzulernen. Doch aufgeschoben war ja nicht aufgehoben.
Leider gab die Amphore nur noch einen halben Becher für jeden von ihnen her und Ursus, der schon weit mehr als angeheitert war, trank diesen halben Becher allzu schnell. Die Ankündigung von Corvinus, dass er für Nachschub sorgen wollte, beantwortete er mit einem heftigen Nicken. "Ich lauf nich wech", versprach er und ließ sich tiefer in den Sessel sinken, was ausgesprochen bequem war.
Und er hielt sein Versprechen auch. Als Corvinus wieder hereinkam, saß Ursus immer noch in seinem Sessel. Doch sein Kopf war zur Seite gesunken und der regelmäßige Atem erinnerte irgendwie an das Geräusch, das eine Säge verursachte. Dabei war es eigentlich schade, dass Ursus die vergeblichen Versuche, die Tür zu schließen, nicht miterleben konnte, weil er sie schlichtweg verschlief. Dabei hatte er doch nur mal einen klitzekleinen Moment seine Augen ausruhen wollen.
-
Den Arm noch erhoben, wartete ich auf eine Reaktion seitens Usus. Doch es kam keine. Langsam ließ ich den Arm mit der Amphore sinken. Er schlief doch nicht etwa? Nun skeptisch geworden, kam ich etwas näher und zuckte kurz zusammen, als Usus im Schlaf grunzte. Ich zog eine Grimasse. Nun gut, er war tatsächlich nicht weggelaufen, nur seine bloße Anwesenheit nutzt aber nichts. Ich setzte mich auf die Kante seines Bettes und betrachtete meinen schlafenden Neffen. Wie er dort in seinem Sessel hing, wirkte er glatt unschuldig. Doch ich wusste es besser. Die Vergangenheit hatte schließlich gezeigt, dass Ursus wieder ein Kind noch harmlos war. War ich wirklich zu streng mit ihm gewesen?
Die Amphore lag inzwischen neben mir auf dem Bett, und ich machte es mir etwas gemütlicher, indem ich den Rücken an die Wand lehnte. Nur kurz die Augen schließen… Wenn Ursus erst einmal in Germanien war, hatte ich genug Zeit, um zu überlegen, wie ich ihn einbeziehen konnte, wenn er erst wieder da war. Über diesen für meinen gegenwärtigen Geisteszustand doch viel zu anstrengenden Gedanken schlief ich schließlich doch ein, und so sägten die Sägen bald im Duett.
~finis~
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!