Agonium des Mars

  • Tiberius Durus betrat an diesem Tag früh die Regia. Er hatte sein Amt als Praetor gerade erst niedergelegt, sodass er sich voll auf seine Aufgaben als Pontifex konzentrieren konnte. Am Schrein des Mars stand bereits der Rex Sacrorum mit bedecktem Haupt, ebenso weitere Pontifices und Opferhelfer.


    Er stellte sich unauffällig dazu und wartete ab. Diesmal hatte Durus die Ehre, das Opfergebet zu verlesen, weshalb er sich von einem der Helfer eine Schriftrolle reichen ließ. Weihrauchkörner wurden auf den Altar gestreut und sofort verbreitete sich der betörende Duft in der Regia.


    Nach einer Weile der Besinnung trat der Fabier vor und begann, sich und den Widder, den man zum heutigen Tage in die Regia gebracht hatte, rituell zu reinigen. Unter Flötenmusik sprach er die uralten Formeln, mit denen das Tier und er für Mars, den heute geehrten Gott, gereinigt wurde.


    Dann ging der Blick hinüber zu Durus und er begann mit lauter Stimme:


    "Mars, Herr über Felder und Waffen!
    Dir weihen wir unsere heiligen Riten,
    Unsere Gebete und Entsühnungen, erhabenste Gottheit,
    Für alle Tage welche du uns Nahrung und Sicherheit geschenkt hast.
    Dein Schild ruht über unserer Stadt,
    Dein strahlender Segen schenkt unseren Felder Früchte im Übermaß,
    Mannigfaltiger, nimm Du unsere Gabe,
    Glückverheißender, hör unser Gebet, gib uns schuldloses Heil,
    Mit Frieden, Göttlicher, und dem notwendigen Wohlstand."


    Ein leiser Seufzer entfuhr dem Rex Sacrorum, als er dann das Tier rituell von seinen Wollbinden entkleidete und dann packte. Die Agonalia waren ein besonderes Opfer, denn heute musste der Opferkönig höchstpersönlich das Tier töten. Da er dies jedoch schon seit vielen Jahren tat, bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, die dargereichte Klinge durch die Kehle des Widders zu ziehen, der daraufhin rasch zusammenbrach.


    Damit war den Kultvorschriften genüge getan und Opferhelfer eilten herbei, um den Widder zu zerlegen und die warmen Eingeweide herauszuholen. Antistes selbst begutachtete mit sicherem Blick das Herz, die Leber und übrigen Organe. Ob Mars ihnen gewogen war?


    Unterdessen hatte Durus seine Rolle wieder eingerollt und mit einem leichten Augenbrauenzucken festgestellt, dass der Rex Sacrorum mit seiner unsachgemäßen Schlachtung Blutspritzer auf den Saum seiner Toga gebracht hatte.

  • Sehr erfreulich, dass zum beginnenden Frühling auch mal jemand an die Felder dachte! Die meisten Stadtmenschen und Soldaten vergaßen das ja. Dabei hatte Mars selber gerade erst noch ein paar Stunden im Garten verbracht und dabei den Bauern zugeschaut. Da gab es auch an dem Widder nichts zu meckern, immerhin opferte diesmal der Rex Sacrorum und nicht wieder dieser Senator von neulich.

  • Möglichst unauffällig reckte Durus seinen Hals, um zu entdecken, was der Rex Sacrorum in seiner Schale vorfand. Doch die Schultern des Mannes verdeckten jegliche Sicht auf die Eingeweide, daher gab der Tiberier sein Vorhaben rasch auf und blickte ebenso ausdruckslos wie seine Collegae auf den toten Widder, der am Boden lag und noch immer ein wenig aus der Bauchhöhle blutete und den Boden der Regia besudelte.


    Dann wandte sich Fabius Antistes um und blickte in die Runde.


    "Litatio!"


    Die Pontifices freuten sich, wenn auch nicht sonderlich ausgelassen. Vielmehr ging ein Nicken durch die Runde, während die Schale vor die Füße der Statue des Mars gestellt wurde, gemeinsam mit ein paar ohnehin ungenießbaren Teilen des Widders - diese Teile würden später an der freien Luft verbrannt werden. Das übrige Fleisch würde heute noch von den Sklaven der Pontifices abgeholt werden. Durus würde niemanden schicken - der Widder sah nicht mehr sonderlich jung aus, daher war sein Fleisch sicher auch nicht sehr schmackhaft!

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