[Muri Oppidi] Die Stadtmauer

  • Flava bekam bei Landos Herumgedruckse ein ziemlich schlechtes Gefühl. So ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend.
    „Was soll sie mir erzählt haben?“, fragte sie widerstrebend, irgendwie wollte sie es gar nicht wissen. Sie blickte Lando kritisch an und wappnete sich, obwohl sie selbst niht genau wusste, für was.

  • Die Trauer in seinem Blick sprach Bände.


    "Narcissa hat mir nie erzählt dass sie noch eine Schwester hat.", er schluckte bevor er fortfuhr, "Deine Cousine Narcissa ist anlässlich eines 'Familienbesuchs' in der Casa Duccia eingekehrt, bei ihr war Quintilius Montanus, ihr Cousin. Das war vor fast einem Jahr jetzt. Sie wollte euren Bruder Iuba besuchen, welcher zu der Zeit in eurer Casa gelebt hatte, musste jedoch.... jedoch feststellen dass er kurz zuvor an einer Verletzung und dem darauffolgenden Fieber gestorben ist."


    Er machte eine kurze Pause und beobachtete die junge Frau mit mitfühlendem Blick, er hasste es diese Nachrichten überbringen zu müssen, hatte er doch bei Narcissa genau dasselbe tun müssen...


    "Sie hat das ganze sehr mitgenommen, kam kaum aus ihrem Zimmer. Als dann auch noch Montanus sich vollkommen unerwartet auf ein Landgut zurückzog, welches er außerhalb der Stadt geerbt hatte, war sie quasi vollkommen alleine. Kontaktgesuche hat sie strikt abgelehnt. Als dann auch noch Montanus auf seinem Gut verunglückte, schien ihre Welt komplett zusammen zu brechen. Eines morgens war sie nichtmehr in ihrem Zimmer. Wir haben die Vigiles in der Stadt und auch außerhalb suchen lassen, jedoch ist sie nach wie vor verschollen. Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen... ich dachte man hätte dir davon erzählt."

  • Flava lauschte immer fassungsloser Landos Worten. Ihre Augen wurden groß und ihr Mund öffnete sich, wie um ihn zu unterbrechen, oder zu widersprechen, ehe sie eine Hand darauf legte, die typische Geste der Entsetzten. Als Lando geendet hatte schüttelte Flava nur den Kopf.


    Sie konnte darauf nichts sagen, konnte es nicht glauben und doch bildete sich ein Klos in ihrer Kehle und ihr traten die Tränen in die Augen. Ihre Tante hatte ihr davon nichts erzählt, hatte sie davon gewusst? Hatte sie vielleicht sogar Kontaktversuche abgehalten? Nein, so grausam war sie nicht! Nie und nimmer!


    Die Tränen kamen nun hervor, liefen Flava über die Wangen und sie senkte den Blick. Inzwischen hatte sich die zweite Hand zu der ersten gesellt und sie bedeckten nun zusammen Mund und Nase, während Flava gegen das Schluchzen ankämpfte, doch ihre Schultern zitterten.

  • Wenige Momente ertrug Loki es, als er die junge Frau dort von ihren Gefühlen überfraut sah, schließlich ließ er sich von der Zinne gleiten, stellte sich neben Flava so dass ihr Kopf auf Höhe seiner Brust war, und strich ihr sanft durch die Haare.
    Er wusste nicht warum er das tat, aber irgendwie schien es ihm richtig zu sein, und er hoffte dass er ihr durch ein wenig menschlicher Wärme einen Teil Trost spenden konnte, wenn es ihm überhaupt vergönnt war.


    "Und ich dachte immer meine Familie wäre Krisengeschüttelt.", murmelte Loki vor sich her, während er versuchte der doch noch so fremden Römerin nahe zu sein, und gleichzeitig in Gedanken an die Quintilii die Ferne musterte...

  • Wie von selbst drehte sich Flava Lando zu, als dieser neben ihr stand, und vergrub ihr Gesicht in dem Stoff an seiner Brust. Die Tränen tropften auf die Tunika und ließen den Stoff, dort wo sie auftrafen dunkler werden. Sie hielt sich an Lando fest und weinte um die große Schwester, mit der sie als sie beide Kinder waren so viel Spaß hatte.


    Es dauerte eine ganze Weile, und der eine oder andere herzzerreißende Schluchzer bahnte sich doch noch seine Bahn, dann ließ das Zittern ihrer Schultern jedoch langsam nach und auch die Tränen versiegten. Wenn auch nicht die Trauer.


    Sie löste sich zögernd und vorsichtig von Lando, wagte es nicht ihm dabei ins Gesicht zu sehen und wischte sich beinahe brutal mit dem Handrücken die nassen Wangen.


    „Ich... wir...“, Flava räusperte sich und flüsterte dann: „Ich hab sie nie als Frau gesehen, das letzte Mal als ich sie sah, waren wir beide noch Kinder. Ich dachte... ich hoffte... dass ich vielleicht nach Rom...“ Sie brach ab und wischte sich die neu aufkommenden Tränen weg.


    „Könnte sie noch..?“, wieder brach Flava ab, sah nun jedoch mit roten Augen, noch immer nassen Wangen und roter Nase zu Lando hoch. Verzweiflung und ein Funke Hoffnung stand in ihrem Gesicht geschrieben.

  • "So die Nornen wollen.", flüsterte Loki fast in ruhiger Stimme, "So die Nornen wollen. Ich weiß nicht wohin es sie getrieben hat, aber in dieser Stadt hat sie es nicht ausgehalten. Ich kann dir nichts darüber sagen, und will dir auch keine falschen Hoffnungen machen, wie auch sie dir nicht ganz nehmen. Ich weiß es nicht, Flava."


    Sie standen noch einige Momente da während er sie sanft streichelte, und erst dann ward ihm bewusst was er da eigentlich tat. Jetzt die Hand wegnehmen? Sich von ihr entfernen? Sie jetzt alleine in ihrer Trauer lassen? Das ging auch nicht wirklich...


    "Du wirst sie wiedersehen, wie wir alle unsere Ahnen wiedersehen. Dieses Leben ist nur eine der Instanzen die wir zu bewältigen haben, Flava. Wobei ich nicht wirklich weiß wie ihr Römer das eigentlich seht. Aber bei uns ist es so, dass wir unsere Ahnen nach dem Tode wiedersehen. Entweder in Hels Reich, oder in den langen Hallen Valhals... trauere um sie, denn das ist gut und recht. Und ehre ihr Andenken."


    Wieder fiel Stille über sie. Schließlich raffte Loki sich auf, beugte sich zu ihr runter und kam ihr besorgniserregend nahe, als er ihr die letzten Tränen aus dem Gesicht strich.


    "Ich weiß wo dein Bruder liegt. Soll ich es dir zeigen?"

  • Flava hatte zwar keine Ahnung, wer oder was diese Nornen waren, aber Landos Worte beruhigten sie etwas. Vielleicht lebte Narcissa noch. Flava klammerte sich an diesen Gedanken und würde ihn wohl erst loslassen können, wenn sie die Leiche ihrer Schwester sah. Sie schloss die Augen und genoss die kleinen Streicheleinheiten die sie von Lando bekam und machte sich momentan deswegen überhaupt keine Gedanken. Dann sprach Lando wieder und Flava hörte ihm still zu. Ja, irgendwann würden sie sich sicher wiedersehen. Oder sie war schon hier, bei ihr. Beides war irgendwie tröstlich.


    Sie hatte noch immer die Augen geschlossen, als Lando sich zu ihr herunter beugte. Sie spürte, wie er ihre Tränen fortwischte und öffnete die Augen. Überrascht sah sie wie nah Lando ihr war und in die Angst und die Traurigkeit mischte sich wieder dieses seltsame Kribbeln im Bauch. Sie nickte langsam. Sie wollte sehen, wo ihr großer Bruder lag, aber gleichzeitig wäre das auch endgültig, und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren würde. Doch die Gewissheit war wohl besser, und sie musste sehen, wo er lag, sie musste es einfach, auch wenn sich etwas in ihr dagegen sträubte.

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