Im Auftrag des Herrn unterwegs IV oder: Die Rückkehr der Aurelier

  • Siv unterdrückte ein erleichtertes Aufseufzen, als Matho endlich auf ein Haus zeigte und verkündete, dass dies die Villa der Aurelier in Mogontiacum sei. So sehr sie die Reise genossen hatte, das Reiten, die Umgebung, die vertraute Sprache, die Tatsache, dass zur Abwechslung mal sie diejenige war, die verstand und sich vernünftig ausdrücken konnte – natürlich verstanden hier auch alle Latein, die einen mehr, die anderen weniger, und es gab auch viele Römer, die nur Latein sprachen, aber dennoch, in den Gasthäusern, den Städten, auf Märkten, da kam man weiter, wenn man Germanisch sprach –, so sehr sie das alles eigentlich genossen hatte, seit Merit krank geworden war, hatte das vieles von seinem Reiz verloren. Nachdem in jenem Gasthaus kein Medicus aufzutreiben gewesen war, waren sie weiter gereist, am nächsten Morgen. Siv verzog kurz das Gesicht, als hätte sie Magenschmerzen. Es ging ja nur um eine Sklavin. Mehr nicht.


    Ohne es zu wollen, kam ihr jener Abend in den Sinn, als sie bei Corvinus gewesen war und ihn zur Rede gestellt hatte, zur Rede hatte stellen wollen, besser gesagt, und an seine Antworten, die ihr gar nicht gefallen hatten. Dass er ihr nichts übel nahm, war eine Erleichterung für sie gewesen, als sie sich verabschiedet hatten, aber es hatte nicht lange gedauert, bis sie darüber nachgegrübelt hatte, was denn umgekehrt war. Nahm sie ihm etwas übel? Wenn sie ehrlich war, ja, das tat sie. Wie er reagiert, wie er sie abgefertigt hatte… Vielleicht hätte sie – das gab sie zähneknirschend zu, wenn auch nur vor sich selbst – nicht so hereinstürmen, ihn nicht so anfahren sollen, aber was er gesagt hatte… Es nagte an Siv, dass er offenbar keinerlei Verständnis hatte. Dass er nicht verstehen wollte, warum Merit geflohen war, und damit auch nicht, was für ein Gefühl es überhaupt war, Sklave zu sein, abhängig von einem anderen Menschen. Natürlich wusste sie, dass er nichts an dem System ändern würde, konnte und vermutlich nicht einmal wollte, aber das war es auch gar nicht, was sie erwartet hätte. Nur… es traf sie, immer noch, dass er in Merit – in ihr nur eine Sklavin sah. Und das warf weitere Fragen auf, die sie bis vor ein paar Tagen gekonnt verdrängt hatte, die sich aber mit Merits Krankheit – und der damit verbundenen Tatsache, dass Siv Zeit auf dem Wagen verbrachte und dann keinen Idolum hatte, mit dem sie sich ablenken konnte – nicht mehr abweisen ließen. Sie war nur eine Sklavin – und die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten? Die Germanisch-Stunden, die Wege durch Rom, die zufälligen Treffen wie dieses eine im Garten, und nicht zuletzt die Nächte? War das alles gespielt gewesen, von seiner Seite aus? Wie viel davon war ernst gewesen, und wie viel war nur… nun ja, der Tatsache geschuldet, dass er einsam war – was er oft genug gesagt hatte – und sie eben einfach da gewesen war und versucht hatte, Verständnis aufzubringen? Und da war es schon wieder, Verständnis – Siv knirschte mit den Zähnen. Sie hatte versucht, Verständnis für ihn aufzubringen, obwohl er ihr Herr war, obwohl er Römer war, obwohl sein Leben und seine Welt so fremd für sie waren. Aber er brachte es nicht fertig zu verstehen, was es hieß, Sklave zu sein.


    Unwillig zog sie an den Zügeln, was der dunkelgraue Hengst mit einem noch unwilligeren Werfen seines Kopfes beantwortete sowie mit einem Satz nach vorne, und nach ein paar weiteren Sätzen, die teilweise recht hoch in die Luft gingen und die Siv durchaus beabsichtigt hatte, waren sie auch schon da. Sofort sprang die Germanin von Idolums Rücken und wandte sich dem Wagen zu, um zusammen mit den anderen Merit hinein zu bringen, deren Zustand sich in den letzten Tagen noch verschlechtert hatte. Kein Wunder, sie hatten ja kaum eine Möglichkeit gehabt vernünftig dafür sorgen, dass das Fieber gesenkt wurde. Besorgt strich Siv der Ägypterin über die Stirn und die Haare, die trotz der Kälte und den konstanten Bemühungen, sie trocken zu halten, schweißnass waren. Alexandros und Matho waren unterdessen bereits in der Villa verschwunden, in der, wenn Siv es richtig begriffen hatte, jemand von Zeit zu Zeit nach dem Rechten gesehen, die aber im Übrigen leer gestanden hatte. Vermutlich würden sie einiges herrichten müssen, um sie bewohnbar zu machen, zumal einige ja länger bleiben würden – aber bevor sie sich um irgendetwas kümmerten, musste erst einmal Merit versorgt werden. Selbst wenn es anderslautende Anweisungen gegeben hätte oder geben würde, würde Siv darauf nicht achten, auch wenn das für Matho wieder ein gefundenes Fressen wäre.

  • Nach dem Zwischenstopp in dem Gasthaus, in dem wir eigentlich für Merit ´nen Medicus besorgen wollten, was allerdings letztlich dann doch in die Hose gegangen war, hatte´s noch ´ne Ewigkeit gedauert, bis wir dann doch noch im Mogontiacum ankam´n. Völlig fertig und verdreckt, von der langen Reise, versorgt´n wir erst ma Merit, denn sie hatte´s am Nötigsten. Matho und Alexandros hatten sich erst ma verpisst. Klar, die schwere Arbeit konnten ja die Frau´n machen. Gemeinsam schafft´n wir sie vom Wag´n runter. Oh Mann, ihr ging´s noch dreckiger als noch vor´n paar Tagen! Die Wechselklammotten, die wir für sie organisiert hatten, war´n alle aufgebraucht. Sie brauchte jetzt dringend ´nen Medicus! Aber wir konnten sie ja hier draussen jetzt nich liegen lassen. Wohin jetzt mit ihr? Naja, das war´ne römische Villa. Da gab´s logischerweise auch´n Platz für die Sklaven, auch wenn die Herrn außer Ursus nich da war´n. Also in die Sklavenunterkunft mit ihr!
    Aber auch Ursus, Sertorio und ich, wir würd´n uns nich lange hier aufhalt´n. So wie Ursus gesagt hatte, würden wir mit ihm im Castell wohnen. Na super! Tolle Vorstellung! Ich war ganz hin und weg, mich tagtäglich mit dämlichen Legionären rumärgern zu müssen. Seit der Sache in Rom, war bei mir jeder Soldat, egal ob zu Wasser oder zu Lande unten durch!
    Trotzdem mussten wir jetzt erst ma den ganzen Krempel ins Haus schaff´n. Ich hatte die Nase so gestrich´n voll! Ich wollt nich in Germanjen sein, schon gar nich in ´nem Castell wohnen und Ursus sah ich am liebsten nur von hinten! Leider war´s nich zu vermeiden, gelegentlich doch das eine oder andre Wort mit ihm zu wechseln. "Wo soll ich deine Sach´n hinbringen, dominus?"

  • Die Nacht im Gasthaus hatte Merit nicht groß geholfen. Zwar hatten sie so dem eisigen Wind und der Kälte draußen entfliehen können, und auch die heißen Steine hatten ihr in Verbindung mit warmem Sud gut getan, doch als sie am nächsten Morgen erneut aufbrachen, war ihr deswegen nur umso kälter. Bibbernd und zitternd hatte Merit auf dem Wagen gehockt, was sie wenigstens nicht allein hatte tun müssen, da Caelyn und Siv seit ihrem Malheur die Ehre hatten, sie zu umsorgen und zu wärmen. Während ihrer wachen Momente war Merit ganz und gar nicht glücklich darüber, doch da jene Momente während des weiteren Verlaufs ihrer Reise immer mehr abnahmen, mussten weder die zwei Sklavinnen noch der Rest viele Einwände seitens Merit ertragen.


    Vor zwei Tagen hatte es eine kleine Auseinandersetzung gegeben. Alexandros und dieser komische, sie begleitende Römer waren verschiedener Meinung gewesen, was die kleine Ägypterin anbelangte. Während der Grieche darauf gepocht hatte, einen medicus ausfindig zu machen und auszuharren, bis es Merit besser gehen würde, unterstützte der Römer das Drängen des römischen Soldaten. Angeblich würde er dringend erwartet werden, daran bestünde gar kein Zweifel. Und Merit war schließlich nur eine Sklavin, eine von vielen. Natürlich hatte Alexandros klein beigeben müssen, schließlich war auch er einer von vielen und damit ebenso ersetzbar wie alle anderen auch. Doch der Stimmung war dies natürlich abträglich gewesen. In den vergangenen zwei Tagen hatte kaum jemand geredet, und alle schienen nun froh darüber, endlich das Ziel ihrer Reise erreicht zu haben. Merit selbst hatte in den letzten Tagen kaum etwas getrunken, vom Essen ganz zu schweigen. Sie glühte regelrecht, ihre Haut fühlte sich an wie Pergament. Aufgesprungen waren die Lippen, ihre Stimme nur mehr ein heiseres Krächzen. Zumindest hatte man dafür Sorge getragen, dass ihr alle entbehrlichen Decken zu Verfügung standen, doch selbst unter diesem Wust zitterte sie noch schwitzend, Espenlaub gleich. Längst schon argwöhnte man, dass die Reise für Merit noch ein anderes Ziel bereithielt, eines, an das man sie nicht würde begleiten können.


    Die gelegentlichen Streicheleinheiten über Stirn oder Wangen machten ihr die Stunden zumindest etwas erträglicher, so auch jetzt, als der Wagen gehalten hatte und Siv ihr die Haare aus der Stirn strich. Verklärt blinzelte Merit nach oben zu den blonden Strähnen der Germanin und glaubte, in den Armen der Göttin Bastet zu liegen, ehe es sie erneut das Bewusstsein verlor.

  • Ursus war nicht minder froh, endlich angekommen zu sein. Kaum hatte der Wagen gehalten, schickte er Alexandros los, um eine Medicus zu holen. Er gab dem Sklaven nicht mal die Zeit, etwas zu trinken oder auch nur das Haus zu betreten. "Aber einen guten, keinen Pfuscher, hörst Du?" Denn daß es Merit wirklich schlecht ging, war nicht zu übersehen.


    Eigentlich hatte er kaum Zeit für sowas, doch da die Frauen nun allein bei der Kranken standen, - wo waren die Männer eigentlich hin?, - blieb ihm kaum etwas anderes übrig. "Siv, geh vor und mach ein Bett soweit bereit, daß wir sie reinlegen können." Er schob seine Arme unter den zarten, heißglühenden Körper und hob die schöne Ägypterin hoch. Dann eilte er mit ihr hinter Siv her. "Siv, Du kümmerst Dich um sie. Kühle Umschläge im Nacken und um die Waden könnten helfen. Und sorg dafür, daß sie trinkt! Sie wirkt ja schon ganz ausgetrocknet. Ich kann nicht bleiben, ich muß mich melden. Alexandros holt gerade einen Medicus. Achte darauf, was er tut. Und wenn Du den Eindruck hast, er ist nicht gut, dann holt einen anderen! Ich möchte hier keinen Pfusch, hast Du verstanden?" Er sprach zwar möglichst langsam und deutlich, doch das Latein der Germanin war eben noch nicht sonderlich gut. Merit hatte er mittlerweile auf einem Bett abgelegt. Den Rest würden Siv mit Hilfe der anderen schon machen.


    Ursus kehrte in das atrium zurück und wurde gleich von Caelyn gefragt, wo sie mit seinem Gepäck hinsollte. "Du und Sertorio, ihr bleibt erst einmal hier. Ich muß mich erst einmal melden und schauen, wo wir wohnen werden. Das dauert sicher eine ganze Weile. In der Zeit packt ihr meine und eure Sachen auf eines der Pferde. Dann richtet euch manierlich her, eßt etwas, ruht euch aus. Arbeit werdet ihr dann später noch genug haben, gönnt euch also hier eine Pause, bis ein Bote euch holen kommt. - Und jetzt für den Moment: Bring mir eine Schale Wasser, Seife und ein Handtuch, ich möchte mich wenigstens eni wenig säubern, bevor ich mich vorstelle."

  • Als endlich der Wagen vor einem Haus anhielt und man ihr nun zu verstehen gab, man hätte das Zei erreicht, wahr Fhionn mehr als erleichtet. All ihre Bemühungen, Merit zu helfen, hatten nicht gefruchtet. Stattdessen hatte sich ihr Zustand nur noch verschlechtert.
    Etwas müde stieg sie nun vom Wagen und half dabei, Merit ins Haus zu bringen. Dabei sah sie sich kurz um. das Haus ähnelte sehr seinem Gegenstück in Rom. Vielleicht war dieses nur etwas kleiner, doch nicht minder reich bestückt.
    Der Römer hatte indes alles in die Wege geleitet. Alexandros hatte er losgeschickt, um einen Medicus herbei zu holen, Siv war schon voran gegangen, um in der Sklavenunterkunft ein Bett für Merit vorzubereiten. Nur Matho schien das ganze eher mißmutig zu beäugen. Doch er konnte nichts dagegen machen oder sagen, denn der Römer hatte es so befohlen. Mit einem leichten Kopfschütteln quittierte er nur die Anstrengungen der anderen Sklaven und murmelte leise vor sich hin: "Tss, der ganze Aufwand, nur für eine Sklavin!" Wahrscheinlich glaubte er, niemand hätte ihn gehört. Doch da hatte er sich geirrt! Fhionn, die währenddessen an ihm vorbeigegangen war, hatte jedes Wort verstanden und hatte ihn darauf nur verständnislos angesehen. War er denn selbst nicht auch ein Sklave, fragte sie sich. Wie konnte er nur?!
    Als sie nunendlich die Sklavenunterkunft erreicht hatte, war bereits ein Bett für Merit vorbereitet und sachte legten sie die Ägypterin hinein.
    "Siv, ich bereiten heißen Stein, ja?" Fragend sah zu der Germanin, die sich nun wieder um Merit kümmerte.

  • Siv nickte Ursus zu und verschwand ins Haus, wo Matho ihr zeigte, wo die Räume der Sklavinnen waren. Viel Zeit zum Vorbereiten hatte sie nicht, weil der Römer schon mit Merit auf den Armen hinter ihr herkam und sie in das Bett legte, das Siv gerade aufgeschlagen hatte. Mit beiden Händen strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und holte tief Luft, während Ursus die Ägypterin hinlegte und sich dann ihr zuwandte. Ihr Blick blieb an Merit hängen, während der Römer zu ihr sprach, aber Siv verstand zumindest das Wichtigste – Alexandros war unterwegs, einen Medicus zu holen, und sie konnten einen anderen rufen, wenn er nicht gut war. Erst bei seiner Frage riss sie ihren Blick los und sah ihn an. "Ja. Wir, wir… kümmern Merit." Allerdings wusste sie nicht, was es noch bringen würde. Merit hätte die letzten Tage nicht quer durch Germanien transportiert werden dürfen, nicht in diesem Zustand – sie hatten unterwegs einfach nichts für die zierliche Ägypterin tun können. Und Siv war sich bei weitem nicht sicher, ob es jetzt nicht schon zu spät war, selbst für einen Medicus.


    Einen Moment lang stand sie nur da und betrachtete Merit-Amun, dann biss sie so fest die Zähne aufeinander, dass sie knirschten. Sie wollte verdammt sein, wenn sie einfach so jemanden aufgab. Jetzt waren sie da, jetzt konnten sie sich angemessen um Merit kümmern, und genau das würden sie tun. Sie nickte Fhionn zu, die ebenfalls herein gekommen war. "Ja, mach Stein heiß. Vier, und… weiter vier, für später." Siv strich erneut über Merits Haare, während sie in Gedanken kurz aufzählte, was zu tun war. Heißer Met oder Wein, mit Kräutern und Honig. Die gebrauchten Sachen mussten sie schleunigst waschen und trocknen. Umschläge. Siv sah sich um, aber in dem Zimmer war keiner mehr. Fhionn war schon los, um die Steine vorzubereiten, Caelyn kümmerte sich vermutlich um Ursus, Alexandros holte den Medicus, und der Rest… kümmerte sich vermutlich um das Gepäck, die Pferde, und darum das Haus wieder bewohnbar zu machen. "Nicht Sorge, Merit. Ich bin zurück, bald." Noch einmal fuhr sie ihr über die Stirn, strich die verschwitzten Haare zurück, dann verließ auch Siv den Raum und machte sich auf den Weg in die Küche. Sie wollte nicht zugeben, nicht einmal vor sich selbst, wie viel Sorgen sie sich tatsächlich um die Ägypterin machte. Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Corvinus. Würde er sie jetzt auch noch ignorieren, wenn er wüsste, dass sie dem Tod fast näher war als dem Leben? Während sie durch die Gänge des ihr noch unbekannten Hauses hastete, griff ihre Linke nach dem Silberanhänger um ihren Hals. Würde er sich Sorgen machen um Merit – nicht als sein Besitz, sondern weil sie ein Mensch war? Natürlich würde er das, sagte eine Stimme in ihrem Inneren überzeugt. Wäre Merit ihm tatsächlich so egal wie er getan hat, hätte er sie verkauft. Aber trotzdem hatte er gesagt, dass sie nur Sklaven waren, nicht mehr…


    Siv fluchte lautlos vor sich hin, während sie versuchte, die Grübeleien zu verdrängen. Genau dafür hatte sie jetzt keine Zeit – wollte sie Merit helfen, dann musste sie sich auf sie konzentrieren, und nicht darauf, wie ihr gemeinsamer Herr womöglich reagieren würde, der noch dazu gar nicht anwesend war und erst von Merits Krankheit erfahren würde, wenn alles schon längst vorbei war, egal wie es ausging. Dennoch blieben ihre Gedanken weiter bei dem Mann hängen, dem sie gehörte, kreisten wieder um ihre Gespräche, um den Zusammenstoß, um den Abschied, und schienen sich regelrecht darin zu verheddern, so dass Siv überhaupt nicht mehr wusste, was sie denken sollte. Warum war sie auch ausgerechnet jetzt so weit weg? Wäre er hier, wäre sie in Rom, sie würde zu ihm gehen und ihn darauf ansprechen, um herauszufinden, wie er tatsächlich dachte. Aber das war nicht möglich, und so blieb Siv mit ihren Gedanken und ihrer Verwirrung alleine, während ihre Schritte sie zur Küche trugen, wo Fhionn mit den Steinen hantierte und Sertorio bereits den heißen Met und eine Brühe vorbereitet hatte. Siv füllte eine Schüssel mit kaltem und einen Krug mit warmem Wasser, lud alles auf ein Tablett und machte sich dann auf den Rückweg zu Merit.

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus


    Ursus kehrte in das atrium zurück und wurde gleich von Caelyn gefragt, wo sie mit seinem Gepäck hinsollte. "Du und Sertorio, ihr bleibt erst einmal hier. Ich muß mich erst einmal melden und schauen, wo wir wohnen werden. Das dauert sicher eine ganze Weile. In der Zeit packt ihr meine und eure Sachen auf eines der Pferde. Dann richtet euch manierlich her, eßt etwas, ruht euch aus. Arbeit werdet ihr dann später noch genug haben, gönnt euch also hier eine Pause, bis ein Bote euch holen kommt. - Und jetzt für den Moment: Bring mir eine Schale Wasser, Seife und ein Handtuch, ich möchte mich wenigstens eni wenig säubern, bevor ich mich vorstelle."


    Ach was? Wir blieben gar nich hier? Aber wieso denn nich? Hier war´s doch schön! Zwar´n bisschen dreckig aber schön! Mit ´n paar Handgriffen wär der gröbste Dreck erst ma weg! Boa nee! Wir mussten doch nich in dem blöden Castellum wohnen? Na, das konnte ja noch heiter werden. Als ich das hörte klappte mir erst ma die Kinnlade runter! Dann würd ich den ganzen lieben langen Tag dort fest sitzen! Klar, Sertorio würde dann die Einkäufe machen, weil mir konnte man ja nich mehr vertrauen, nach allem was ich mir geleistet hatte. Das war´n ja ganz entzückende Aussichten!
    Ich schluckte meinen Ärger runter und versuchte, was zum Waschen aufzutreiben. Die andern kümmerten sich derweil um Merrit oder räumten ihr Gepäck ins Haus.
    Irgendwann kam ich dann mit ´ner säuerlichen Miene, ´ner Schüssel Wasser, Seife und ´nem Handtuch über´m Arm wieder.
    "Brauchst du auch was frisches zum anzieh´n, dominus?"fragte ich fast schon gelangweilt, denn ich hatte echt n´Hals!

  • Etwas später als die anderen erreichte auch ich das Anwesen der Aurelier. Zum Glück war der beschriebene Weg nicht allzu schwer zu finden gewesen und zur Not hätte ich mich auch durchfragen können. Das ist es also?!, seufzte ich im Gedanken und betrachtete die villa, die zwar prächtig anzusehen war, aber bei weitem nicht an das Anwesen in Rom heranreichen konnte. Rom! … oh ja, … beinahe!, wäre mir das hier erspart geblieben, dachte ich und seufzte erneut, während ich mich aus dem Sattel schwang und Ikarus an den Zügeln weiter führte. Ja, fast hätte ich umkehren und, mit Funeribus zusammen, zurück nach Rom reisen dürfen.


    Dieser hatte sich unterwegs, in einer der Raststätten, tatsächlich eine Vergiftung zugezogen und konnte und wollte nicht mehr weiter reisen. Ich persönlich war ja davon überzeugt, dass es dieses Pökelfleisch gewesen war, von dem - außer Funi - niemand essen wollte. Sogar der Hund des Wirtes, dem ich heimlich ein Stück davon hingehalten hatte, verschmähte es. Aber diese Römer mussten ja alles in sich hinein stopfen, was irgendwie nach etwas Essbarem aussah. Selbst schuld! Im Gegensatz zu Merit war der aurelische Klient allerdings in der Lage, selbst zu entscheiden was er wollte und was er tat. Also weigerte er sich partout, sein Bett zu verlassen und jeder Versuch, ihn mit Worten und Händen dazu bewegen zu wollen endete damit, dass er wie leblos in sich zusammen sackte und den Sterbenden mimte.


    Es half nichts, dieses Spiel ging immer so weiter. Er wollte einfach nach Rom zurück und ich sollte ihn dorthin begleiten. "Ja-ja-ja-ja!" Innerlich jubilierte ich zwar, aber nach außen hin tat ich natürlich so als wäre ich traurig nicht wenigstens einmal Mogontiacum gesehen zu haben. Das war wohl auch mein Fehler, denn dummerweise kam zwei Tage später eine römische Reisegruppe vorbei, die sich auf dem Himweg nach Rom befand. Dieser Gruppe wollte sich Funeribus nun anschließen und er entschied spontan, dass ich den anderen nach Mogontiacum folgen sollte.


    Er meinte es anscheinend gut mit mir. Tja, Pech gehabt. Nun war ich also hier in diesem Land der Barbaren und das fast noch zeitgleich mit dem übrigen Gefolge. Hoffentlich bedeutete der Ausfall von Funi jetzt nicht, dass wir alle gezwungen wären, bis zum Ende des Tribunats von Ursus hier aus zu harren Das befürchtete ich zwar, aber vielleicht würde sich für unserer Rückreise ja eine Alternative finden lassen. Zur Not flüchte ich einfach, scherzte ich im Gedanken und dachte nicht weiter darüber nach, warum ich die Gunst der Stunde nicht genutzt hatte, als ich noch alleine hinter dem Tross her geritten war. Was soll´s? … ich bin wohl zu brav … "Salvete!", grüßte ich die ersten Personen, die mir vor der aurelischen villa über den Weg liefen und führte Ikarus weiter zu den Stallungen, um mich dann irgendwo und irgendwie nützlich zu machen.

  • Zitat

    Original von Caelyn
    Ach was? Wir blieben gar nich hier? Aber wieso denn nich? Hier war´s doch schön! Zwar´n bisschen dreckig aber schön! Mit ´n paar Handgriffen wär der gröbste Dreck erst ma weg! Boa nee! Wir mussten doch nich in dem blöden Castellum wohnen? Na, das konnte ja noch heiter werden. Als ich das hörte klappte mir erst ma die Kinnlade runter! Dann würd ich den ganzen lieben langen Tag dort fest sitzen! Klar, Sertorio würde dann die Einkäufe machen, weil mir konnte man ja nich mehr vertrauen, nach allem was ich mir geleistet hatte. Das war´n ja ganz entzückende Aussichten!
    Ich schluckte meinen Ärger runter und versuchte, was zum Waschen aufzutreiben. Die andern kümmerten sich derweil um Merrit oder räumten ihr Gepäck ins Haus.
    Irgendwann kam ich dann mit ´ner säuerlichen Miene, ´ner Schüssel Wasser, Seife und ´nem Handtuch über´m Arm wieder.
    "Brauchst du auch was frisches zum anzieh´n, dominus?"fragte ich fast schon gelangweilt, denn ich hatte echt n´Hals!


    Ursus ignorierte den Mißmut seiner Sklavin. Gerade sie brauchte nun wirklich keinen Flunsch zu ziehen. Bei einem anderen Herrn wäre sie ausgepeitscht und anschließend an das nächstbeste Freudenhaus verkauft worden. Sie hatte es doch wirklich sehr gut bei ihm, auch wenn sie jetzt ein Jahr lang in einem Castellum leben mußte.


    "Ja, eine frische Tunika wäre nicht schlecht", nickte er also, während er sich entkleidete und daran machte, sich zu säubern. Auf Caelyn achtete er in diesem Moment nicht weiter, er nahm an, daß sie ihm die frische Tunika heraussuchte, während er sich wusch.

  • Das konnte ja noch echt heiter werden! Seit Wochen beachtete er mich gar nich mehr. Ich war nur noch Luft. Na kar, nach allem, was war! Aber wie lange sollte das noch so weiter geh´n? Ewig konnte er mich doch nich ignoriern.
    Missmutig kramte ich aus Ursus Gepäck ´ne frische Tunika heraus und brachte sie ihm. Als er mit dem waschen fertig war, reichte ich sie ihm. "Hier bitte!" Ich vermied´s ihn dabei anzuschauen. Wär ja eh umsonst gewesen.

  • Ursus trocknete sich gerade ab, als Caelyn mit der frischen Tunika zurückkam. "Danke", sagte er, als er sie entgegen nahm. Seufzend zog er sie sich über den Kopf. Am liebsten wäre er noch ein paar Stunden hiergeblieben, hätte sich gerne einfach noch ein wenig ausgeruht. Doch wie würde das aussehen? Nein, besser, er meldete sich sofort. Ausruhen konnte er dann am Abend.


    "Hilf mir doch mal, die Rüstung wieder anzulegen. Und bereitet dann alles vor, ich schicke jemanden, der euch Bescheid gibt. Vergeßt nicht, auch ein paar Vorräte mitzubringen, sonst müssen wir zu allem Überfluß auch noch hungern." Er nahm die Rüstung, legte sie an, und ließ sich dann von Caelyn beim Schließen der Riemen helfen. "So, ich muß dann los. Wir sehen uns dann heute Abend. Ruht euch aus, sobald ihr alles passend zusammengeräumt habt. Nach eurer Ankunft im Castellum werdet ihr noch genug Arbeit haben. Ich sage es gleich auch nochmal Matho, damit er euch nicht für irgendwelche Arbeiten einteilt."

  • Echt! So ´n verdammter Mist! Ich hatte doch fest damit gerechnet, solange die andern hier war´n , auch hier zu sein! Wenn wir, Sertorio und ich auch noch im Castellum wohn´n müssten, säße ich total fest! Kacke nochmal! Ich hasste dieses Scheißleben! Ich wollte nich dahin! Aber das hatte Ursus wahrscheinlich ja auch so beabsichtigt.

    Missmutig half ich Ursus, seine blöde Rüstung zuzukriegen.Er sollte ruhig merken, dass ich nich damit einverstanden war, in dieses Scheißkastell zu ziehen!
    Endlich war das Ding zu. Wer so was erfunden hatte, musste auch ´ne Macke gehabt haben! Traurig sah ich mich zu den andern um, die geschäftig hin und her liefen. Wer sollte sich denn jetzt um sie Ägypterin kümmern? Klar doch, Siv und diese neue, die so gut wie gar nix sagte. Fhionn hieß sie. Mit wem sollte ich denn im Castellum reden? Sertorio war ich inzwischen auch Schnuppe geworden, darin stand er Ursus in nichts nach. Das würde´n ödes Jahr werden!

  • Ursus runzelte ein wenig unwillig die Stirn, als er merkte, daß Caelyn an den Riemen herumriß, als könnten die etwas dafür, daß das Schicksal sie nicht nur zur Sklavin, sondern auch zu einer ungeschickten Taschendiebin gemacht hatte. Nein, es war nicht der rechte Augenblick, sie deswegen zusammenzustauchen.


    "Ich schicke den Boten, sobald es mir möglich ist. Haltet euch einfach bereit." Er prüfte noch einmal den Sitz der Rüstung, legte den Schwertgurt um und nickte Caelyn nur nochmal kurz zu, bevor er Matho suchen ging, um ihm klarzumachen, daß Caelyn und Sertorio sich ausruhen sollten, sobald sie das Gepäck auseinander sortiert hatten.


    Dann verließ er die Villa Aurelia, um sich abermals in den Sattel zu schwingen und zum Castellum zu reiten.

  • Sim-Off:

    Ach herrje, das hätte ich beinahe vergessen! Bitte nicht böse sein! ;)


    Zitat

    Original von Siv
    Einen Moment lang stand sie nur da und betrachtete Merit-Amun, dann biss sie so fest die Zähne aufeinander, dass sie knirschten. Sie wollte verdammt sein, wenn sie einfach so jemanden aufgab. Jetzt waren sie da, jetzt konnten sie sich angemessen um Merit kümmern, und genau das würden sie tun. Sie nickte Fhionn zu, die ebenfalls herein gekommen war. "Ja, mach Stein heiß. Vier, und… weiter vier, für später." Siv strich erneut über Merits Haare, während sie in Gedanken kurz aufzählte, was zu tun war. Heißer Met oder Wein, mit Kräutern und Honig. Die gebrauchten Sachen mussten sie schleunigst waschen und trocknen. Umschläge. Siv sah sich um, aber in dem Zimmer war keiner mehr. Fhionn war schon los, um die Steine vorzubereiten, Caelyn kümmerte sich vermutlich um Ursus, Alexandros holte den Medicus, und der Rest… kümmerte sich vermutlich um das Gepäck, die Pferde, und darum das Haus wieder bewohnbar zu machen. "Nicht Sorge, Merit. Ich bin zurück, bald." Noch einmal fuhr sie ihr über die Stirn, strich die verschwitzten Haare zurück, dann verließ auch Siv den Raum und machte sich auf den Weg in die Küche. Sie wollte nicht zugeben, nicht einmal vor sich selbst, wie viel Sorgen sie sich tatsächlich um die Ägypterin machte. Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Corvinus. Würde er sie jetzt auch noch ignorieren, wenn er wüsste, dass sie dem Tod fast näher war als dem Leben? Während sie durch die Gänge des ihr noch unbekannten Hauses hastete, griff ihre Linke nach dem Silberanhänger um ihren Hals. Würde er sich Sorgen machen um Merit – nicht als sein Besitz, sondern weil sie ein Mensch war? Natürlich würde er das, sagte eine Stimme in ihrem Inneren überzeugt. Wäre Merit ihm tatsächlich so egal wie er getan hat, hätte er sie verkauft. Aber trotzdem hatte er gesagt, dass sie nur Sklaven waren, nicht mehr...
    ....


    Fhionn machte sich auf die Suche nach der Küche. Nachdem sie einige Zeit umhergeirrt war, hatte sie sie schließlich gefunden. Gleich machte sie sich ans Werk und feuerte zuerst einmal den Ofen an. Bis das Feuer erst einmal brannte und dann auch die nötige Hitze vorhanden war, verging einige Zeit. Genug Zeit, um sich noch weiter umzuschauen.
    Wieder war sie in der Fremde. Auch wenn dieses Haus doch sehr dem in Rom glich, so war doch auch hier wieder alles anders. Dieses fremde, wilde Land war so anders. Anders als Rom und auch anders als ihre alte Heimat, der sie immer noch nachtrauerte. Die einzige, die sich an diesem Land erfreuen konnte, war Siv. Je weiter sie vorgedrungenwaren, desto mehr blühte sie auf. Selbst Caelyn, die Gallierin, konnte diesem Landstrich nichts abgewinnen.


    Nachdem einige Zeit vergangen war, sah sie wieder nach den Steinen. Endlich hatten sie die Hitze des Feuers angenommen. Mit einer Zange holte sie Steine heraus und legte sie in einen Topf, damit sie sie zu Merit bringen konnte. Bevor sie das tat, legte sie gleich vier weitere Steine nach. Einige Tücher, die sie in der Küche gefunden hatte, nahm sie auch gleich mit. Inzwischen war auch Siv in die Küche gekommen und füllte zwei Kannen mit warmen und kaltem Wasser. Sertorio, der eine Brühe gekocht hatte und den Met erhitzt hatte war nunauch soweit. So gingen sie gemeinsam eilenden Schrittes wieder zurück zu Merit. Sie lag, immer noch mit dem Fieber kämpfend in ihrem Bett. Da sie ja nur so wenige waren, konnte jeder einzelne von ihnen über eine eigene Schlafkammer verfügen.
    Sanft schlug Fhionn Merits Decke hoch und postierte die Steine, die sie in die Tücher eingeschlagen hatte, in ihrem Bett. "So jetzt gleich warm!" Zärtlich, so wie sie es früher bei ihren Kindern getan hatte, wenn diese krank waren, strich sie der Ägypterin übers Haar. "Du bald wieder gesund!"
    Während sie so an Merits Bett saß, schweiften ihre Gedanken ab und sie sah wieder ihre Kinder vor sich. Sie waren noch so zart und zerbrechlich gewesen. Sie hatte noch ihr Kindergelächter im Ohr und dann auf einmal Schreie. Sie waren noch so klein gewesen. Erst drei und vier Jahre alt. Zu jung für die Sklaverei. Zu schwach für den langen Marsch. Sie hatte sich noch ein letztes Mal zu ihnen umgedreht und diesen Anblick sollte sie für den Rest ihres Daseins nicht vergessen - dem Anblick vom Blut ihrer Kinder.
    Die Tränen, die in Fhionns Augen standen, rannen still an ihrem Gesicht hinunter. Diese Unfähigkeit, ihren ganzen Schmerz in die Welt zu brüllen oder gar darüber zu reden, war geblieben und so lastete er auch weiterhin auf ihr, wie ein riesiger Felsbrocken, der sie zu erdrücken drohte.

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