Einsames stöbern

  • Der Primus Pilus Quintus Octavius Augustinus Minor wollte seinen restlichen freien Tag nutzen um sich etwas weiter zu bilden. So saß er etwa zur IX. hors in der Abteilung für römische Literatur.


    Er hatte sich einige Papyrusrollen genommen, die ihn interessierten. Als er die erste Rolle aufrollte blinzelte er. *Was macht denn Sophokles hier?* dachte er kopfschüttelnd und legte die Rolle beiseite.


    Als gegebenem Anlass war die nächste Rolle Caesars 'De Bello Civili'

  • Auch Nikolaos hielt sich gerade in diesem Teil der Bibliothek auf. Zwar schätzte er die Summe aller Geistesleistungen der Rhomäer eher gering ein, jedoch konnte er sich einer gewissen Bewunderung für einige rhomäische Dichter nicht verwehren. Diese Dichter allerdings, ein gewisser Pyblios Ovidos, oder ein Catyllos, waren bei den Rhomäern meist verfemt und wenig angesehen. Als sei es ein Vergehen, schön und erfreulich zu schreiben und mit einer leichtfüßigen, eleganten Musikalität zu dichten. Bei seinem Besuch fiel ihm ein Mann auf, offenbar ein Soldat der Rhomäer. Vorsichtig neigte Nikolaos den Kopf und versuchte zu entziffern, welche Schriftrolle der Rhomäer gerade in der Hand hielt. Als er an der Auschrift erkannte, dass sie ein Werk namens De bello civili beinhaltete, ging ein verächtlicher Zug durch seine Lippen. Jener Caios Iolios Kaisas war für Nikolaos der Archetyp eines Barbarens. Ein Schlächter, ein Räuber, der Bücher geschrieben hatte, um seine Raubzüge zu rechtfertigen und sich selbst mit Lob zu überhaufen, das ganze so, als würde ein anderer schreiben. Das alles wäre nicht sonderlich verwerflich gewesen, doch dieser Mann hatte in einem Stil geschrieben, der für alle Ohren mit Sinn für Schönheit unerträglich war. Nikolaos wollte weitergehen, doch er hatte das Gefühl, der Mann hätte bemerkt, dass Nikolaos ihm auf die Finger gesehen hatte. So blieb Nikolaos stehen, blickte dem Rhomäer nun ins Gesicht. "Chaire. Darf ich fragen, was du da liest?", fragte er höflich, um sich eben nicht wieder davonzustehlen, was unfreundlich gewesen wäre.

  • Diesen Rhomäer kannte Nikolaos doch... . Und er schien Nikolaos zu kennen. Das war doch der Centurio, mit dem Nikolaos der Stadtwache wegen zu tun gehabt hatte. Wie hieß er noch gleich? Endlich erinnerte sich Nikolaos. Dass die Rhomäer ihren Kindern immer so lange Namen geben mussten... .
    "Vielen Dank, Octavie Augustine.", antwortete Nikolaos höflich, in Koiné, wobei er aber den Namen rhomäisch aussprach. Er suchte rasch nach einem Thema, mit dem er das Gespräch weiterführen könnte, Caesar bat sich dafür nicht an. "Welche Überraschung, dich hier zu treffen.", sagte er. "Hat der neue Strategos schon mit dir über die Forführung der Angelegenheiten der Stadtwache gesprochen?"

  • Er sah ihn an. "Nun ja, wie fast alle Römer, die lesen können, schätze ich gute Schriften. Ich bin überzeugt davon, dass man aus der Vergangenheit lernen kann. Daher versuche ich mir ein klares Bild der Geschichte zu machen. Will ich die Wahrheit über etwas erfahren, dann lese ich beide Seiten. Will ich wie hier die ganze Wahrheit über den Bürgerkrieg erfahren, dann lese ich die Berichte von Caesar und Pompeius... außerdem versuche ich hier andere Sprachen zu erlernen, da ich mich, wie schon mein Vater, sehr andere Sprachen udn deren Literatur interessiere"


    Als der Exegetes auf den Strategen zu sprechen kam verkrampfte sich sein Magen etwas. Um das zu demonstrieren antwortete er in fließendem Griechisch:
    "Nein, er hat mich bisher noch nicht benachrichtigt. Womöglich hält er die Stadtwachen für nicht so wichtig, wie du es getan hast. Jedoch schließe ich mich deiner Auffassung dieses Themas an." sagte und lächelte leicht.

  • Nikolaos war überrascht von der ihm bisher verborgen gebliebenen Helligkeit des Geistes des Soldatens. Einem rhomäischen Offizier hätte er eine solche Verstandesgabe nicht zugetraut. Zwar konnte er die Behauptung des Octavios bezüglich der lesenden Rhomäer nicht bestätigen, doch dessen Methode der Suche nach der Wahrheit, wenn man von einer solchen ausgehen wollte, hob dessen Ansehen bei Nikolaos um einiges.
    "Das ist eine sehr vorsichtige und kluge Methode.", sagte er, und er meinte es wirklich so. "Wobei ich selbst bei den rhomäischen Schreibern eher die Dichter vorziehe, und von diesem vor allem jene, die Elegien dichteten, und von diesen vor allem gewisse." Er sah den Rhomäer an. "Wie du siehst, gibt es auch hier eine Vielzahl an Werken in der rhomäischen Sprache. Du wirst sicher Freude daran haben. Bist du in diesen Hallen heute zum ersten Mal?", fragte Nikolaos, mit ernsthaftem Interesse. Es erfreute ihn sehr, bisher ihm unbekannte Seiten an diesem Rhomäer zu entdecken.
    "Das ist ein sehr löbliches Vorhaben.", antwortete Nikolaos auf die Aussage des Octavios bezüglich der fremden Sprachen. "In diesem Haus gibt es Bücher in allen Sprachen der bekannten Welt, sogar Bücher in der heiligen Sprache der Iodäer gibt es hier. Doch auch die Sprachen weitaus östlicherer Völker sind hier in Schrift vertreten. Leider sind mir selbst diese Sprachen noch fremd." Er lächelte. "Nunja, der Strategos... ." An seiner Stimme war deutlich zu erkennen, dass dieser ihm Ärger bereitete. "Ich habe leider nicht die Befugnis, mich in dessen Amtsgeschäfte einzumischen, ansonsten hätte ich am liebsten die Sache mit der Stadtwache schon lange organisiert." Er blickte ernst drein. Dass der Octavios eine recht gute Koiné sprach, überraschte ihn nun noch mehr. Vor einiger Zeit noch hatte der Rhomäer in einer seltsamen Mischung aus Koiné und der demotischen Sprache gestammelt. In Nikolaos Bild von diesem Mann schlich sich Bewunderung.

  • "Römische Dichtung... für die Dichtung an sich kann ich mich nicht wirkliche Begeistern. Es gibt, einige, schönen Dichtungen aus den Federn vieler Männer, aber keines diese packte mich bisher..."


    Er lauschte den Worten des Mannes. "Ich denke, dass es wichtig ist die Sprache des Landes zu sprechen, in dem man stationiert ist. Es bring unglaubliche Vorteile bei der Arbeit mit der Bevölkerung und es ist, so bin ich mir sicher, die Voraussetzung dafür, dass Römer, Griechen und die Menschen a Aegypti." sagte er mit fester, aber freundlicher Stimme. "Man muss dem anderen entgegenkommen..."


    Auf die andere Frage des Griechen antwortete er nach einer kurzen Pause. "Ich bin so oft hier, so es meine Zeit zulässt. Jedoch bin ich erst seit kurzer Zeit am lesen. Vorher habe ich eine kleine Materialsichtung gemacht. Die Menge der Schriften hier sind unglaublich..."


    Als der Exegetes auf den Strategen zu sprechen kam, wurde die Miene des Octaviers wieder ernster. "Er ist bis jetzt noch nicht dazu gekommen, was wohl aber nicht heißt, dass er es nicht noch tun wird. Du gehörst doch zur zweiten Stufe der Ämterlaufbahn. Er zur ersten. Folglich bist du ihm gegenüber weisungsbefugt oder irre ich mich?"

  • Das Ansehen, dass der Rhomäer sich bei Nikolaos erworben hatte, sank schlagartig, als dieser zugab, sich nicht für Dichtung erwärmen zu können. Auch die Aussage des Soldatens über den Zweck des Erlernes fremder Sprachen enttäuschte Nikolaos in seiner neuen Hoffnung und ließ die alten Vorurteile wieder stärker werden. Für Nikolaos diente das Erlernen einer Sprache vor allem dem Erkenntnisgewinn, praktische Nutzen waren ihm zwar nicht fremd, doch sie als Antriebsfeder zu bezeichnen für eine solch edle Sache wie die Suche nach Erkenntnis kam ihm reichlich schnöde vor.
    "Sehr wohl.", sagte Nikolaos und lächelte, dem leisen neuen Anflug von Verachtung zum Trotz. "Man versteht einen Menschen erst dann, wenn man dessen Sprache spricht." Auf die etwas naive Bemerkung bezüglich der Menge der Schriften lächelte Nikolaos milde. "Und es kommen ständig Schriften hinzu. Man könnte ganze Menschenleben mit Lesen verbringen, und wäre doch nicht am Ende. Daher muss man natürlich mit Sorgfalt auswählen. Du scheinst erfahren im Umgang mit dieser Bibliothek zu sein. Das freut mich. Doch anderenfalls wäre es mir auch eine Freude gewesen, dich ein wenig herumzuführen." Er lächelte. Seine Verachtung wandelte sich nun wieder in eine freundliche Haltung, wennauch mehr die Milde, die man Kindern gegenüber zeigte. Von all diesen Regungen würde natürlich der Rhomäer nichts erfahren, Nikolaos war die ganze Zeit gleichbleibend höflich geblieben.
    "Ich fürchte, du irrst dich. Zwar gilt das Amt eines Exegetes durchaus als angesehener und ehrenhafter als das des Strategos. Jedoch ist kein Archont einem anderen weisungsbefugt, weisungsbefugt ist nur die Bürgerschaft von Alexandria. Ihrem Willen habe ich mich unterzuordnen, ihrem Willen hat sich der Strategos unterzuordnen."

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