Opfern für Anfänger - Eine praktische Übung für die discipuli

  • Aufmerksam hörte Ticinius dem Flavier zu. Der Priester war also nicht nur beim Opfern behilflich, sondern auch oft ein Ansprechpartner bei Problemen. "Ich verstehe", sagte er, "es wäre mir eine Freude, diesen Menschen helfen zu können." Auch wenn Aquilius jetzt speziell von Mars sprach, konnte Ticinius sich vorstellen, dass dies bei Foruna zutreffen würde - vielleicht noch mehr, denn Glück konnten alle Bevölkerungsgruppen gebrauchen.


    Er schaute sich um, ob er irgendwelche Tempelbesucher erkennen konnte, die Hilfe benötigen. "Sollte ich als Priester warten, bis mich jemand anspricht, oder soll ich ohne Aufforderung auf die Besucher zugehen?", fragte er. Beides hatte wohl Vor- und Nachteile.

    statim sapiunt, statim sciunt omnia, neminem verentur, imitantur neminem atque ipsi sibi exempla sunt

  • "Gerade wenn Du Fortuna dienst, wirst Du oft und sicherlich öfter als ein Priester des Mars derjenige sein müssen, der einen guten Rat gibt, zu viele Menschen machen sich gänzlich vom Glück abhängig, vom Schicksal alleine, ohne harte Arbeit voran zu stellen, und gerade jene sind es, die häufig in die Tempel rennen, weil sie glauben, dass die Götter ihre Probleme lösen würden," sagte ich sinnierend und machte eine wegwerfende Geste. "Letztlich gibt es, denke ich, drei Kategorien an Besuchern. Jene erste, die Dir am liebsten sein kann, denn jene Menschen wissen genau, was sie wollen, weswegen sie kommen und was sie zu opfern haben, das ist jene Kategorie, die Deine Hilfe sehr selten in Anspruch nehmen wird. Bei diesen Menschen räumst Du nur den Opferaltar vor der Statue selbst ab, achtest darauf, dass alles sauber für den nächsten ist und hast ansonsten kaum Arbeit. Unnötig zu erwähnen, dass die wenigsten Tempelbesucher zu dieser Kategorie zählen."


    Ein trockenes Grinsen später führte ich meine Überlegungen weiter aus. "Die zweite Kategorie sind jene, die zwar wissen, was sie wollen, die aber keine Ahnung haben, wie sie es bewerkstelligen müssen. Diesen rätst Du, welches Opfertier für ihr Anliegen passend ist, ob es überhaupt eines Tieres bedarf und ob vielleicht nicht auch Kekse, Früchte und Wein ausreichend sind, und unterstützt sie beim Opfer, wenn sie sich wegen des Gebets unsicher sind. Jene sind es, mit denen Du wahrscheinlich am meisten zu tun haben wirst, denn sie sind zwar geübt darin, zuhause zu opfern, aber große Gebäude und Tempel mit größeren Statuen flößen ihnen zumeist so viel Respekt ein, dass sie unsicher werden - diese Unsicherheit hilfst Du ihnen zu überwinden. Aber da es bei nur zwei Gruppen wohl zu leicht wäre. haben Dir die Götter als stetige Prüfung Deiner Geduld die dritte Kategorie in Deinem Priesterdienst noch mit hinzu gegeben: Jene, die zwar wissen, dass sie etwas wollen, aber nicht genau wissen, was es nun sein soll, die aus einer gefühlten Ungerechtigkeit wegen eines Fluchs kommen, oder einfach nur opfern wollen, weil der Nachbar es auch getan hat und sie keine Nachteile erleiden möchten. Diese Menschen kosten Dich die meiste Zeit und Geduld, denn Du wirst ihnen nicht nur entlocken müssen, welcher Art ihr Anliegen ist, sondern auch sehr mühsam nur bestimmen können, welches Opfer das passendste wäre." Ich blickte meinen Schüler grinsend an und hoffte insgeheim, es hätte ihn jetzt nicht zu sehr abgeschreckt.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!