Atrium | Ankunft Claudia Priscilla

  • Samira ging voran und trat kurz vor dem Atrium zur Seite, damit Priscilla zuerst durch den Einlass gehen konnte. Sie stellte sich anschließend unauffällig an den Rand, um bei anfallenden Wünschen sofort zur Stelle sein zu können. Priscilla galt nicht als Gast, sie konnte als Familienmitglied den Sklaven von sich aus Anweisungen erteilen. In der Zwischenzeit hatte der Ianitor bereits Menecrates’ Arbeitszimmer erreicht und unterrichtete den Hausherrn vom Eintreffen seiner um einige Jahre jüngeren Cousine.

  • Die vielen Eindrücke der für sie schon beinahe fremdgewordenen Villa waren berauschend. Priscilla hatte nahezu alles vergessen, nur nebulös erinnerte sie sich an die groben Einzelheiten der Villa, welche ihr zwar nicht ganz und gar fremd geworden war, allerdings auch nicht vollkommen vertraut. Es hatte sich alles ehrheblich verändert, oder war dieser Anschein nur Einbildung? Reumütig war sie über diese Tatsache, es war trostlos, sich nicht mal mehr an das eigene Zuhause erinnern zu können.


    Der Sklavin folgend betrat die Claudierin schließlich das großzügig eingerichtete Atrium. Priscilla schenkte Samira ein dezentes Lächeln, während sie schweigend auf der Sitzgruppe Platz nahm. Die Tatsache, dass Priscilla einen Sklaven grundlos anlächelte, war gänzlich bizarr. Zweifelsfrei tat sie dies aber nur der Nervosität wegen. Und eben jene Nervosität würde die Patrizierin niemals einer Sklavin preisgeben, weswegen sie diese einfach mit einem matten Lächeln vertuschte. Ein prüfender Blick Priscillas schweifte derweil zu Thalia, welcher mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck endete. Eine angenehme Sklavin war sie. Still und höflich.


    Während der schier endlosen Wartezeit wurde Priscilla zunehmend nervöser. Wie würde Menecrates reagieren? Wollte er sie überhaupt wieder sehen? "Du", kurz deutete Priscilla auf Samira, "Bring mir einen Becher Wasser." Wasser würde ihr jetzt gewiss helfen. Zumahl sie nach der langen Anreise ohnehin sehr durstig war.

  • Nach den ruhigen Winterwochen schienen eine Reihe an Personen sich zum Ziel gesetzt haben, der Villa Claudia einen Besuch abzustatten. Mal waren es entfernte Verwandte, mal Klienten, mal Amtskollegen und am heutigen Tag wurde Menecrates erneut das Eintreffen einer Verwandten gemeldet. Immerhin kannte er seine Cousine, was das Zusammentreffen sicherlich erleichtern würde. Dummerweise war Menecrates keine Quasseltasche. Er liebte sogar die Einsamkeit, die Ruhe und den ungestörten Tagesablauf. Es kostete ihn scheinbar jedes Mal erhebliche Mühe, die Lippen zu bewegen, deswegen überlegte er sich gut, was wichtig genug war, um erwähnt zu werden.


    Während Claudius zum Atrium ging, kramte er in seiner Erinnerung, ob Priscilla zu den schwatzhaften Frauenzimmern gehörte oder ob sie eher wenig sprach. Da Frauen aber stets viel zu sagen hatten, stellte er sich bereits vorbeugend auf ein munteres Geplapper ein.


    Beim Eintreten musste eine Sklavin im Schritt verhalten, um dem Hausherrn den Vortritt zu lassen. Sie stellte sich in ausreichendem Abstand auf, damit er die Verwandte ungestört begrüßen konnte und überreichte erst danach und auf Aufforderung den Becher Wasser.


    "Herzlich Willkommen in Rom, Priscilla. Du hast dich verändert, bist erwachsener geworden, fraulicher."


    Menecrates stellte sich etwas ungeschickt bei der Umarmung an. Solcherlei Begrüßungen lagen ihm nicht, trotzdem unterwarf er sich den Gepflogenheiten.

  • Nervös trommelte Priscilla mit ihren Fingerspitzen auf der Armlehne herum. Sie hasste das Warten. Die Patrizierin war seit jeher schon ungeduldig gewesen, sie verachtete Leute die zu langsam sprachen, zu lange auf sich warten ließen oder alles herauszögerten. Auf Grund dessen mochte die Claudierin fernerhin keine Sklaven, welche die lateinische Sprache nur schwach bis gar nicht beherrschten, denn das Zuhören und Verstehen deren Sätze beanspruchte zu viel Zeit, obwohl diese desolate Tatsache zu Priscillas Berdauern üblich war. Nur wenige Sklaven, die sie bereits kennenlernen konnte, sprachen gutes Latein. Eine eben jener wenigen Sklaven war Priscillas Leibsklavin.


    Die Schritte, welche sich immer mehr dem Atrium zu nähern schienen, konnte Priscilla pedantisch mitverfolgen. Menecrates, ihr um Einiges älterer Cousin betrat den Raum. Unmittelbar, beinahe schon hastig, erhob sich die junge Frau mit einem warmherzigen Lächeln, während sie ihre Stola kurz glatt strich. "Menecrates!" Eine herzliche Umarmung zur Begrüßung folgte, nun ja... eine herzliche Umarmung ihrerseits zumindest. "Man tut was man kann" Bemerkte Priscilla sein Kompliment schon fast wieder ironisch. Das warmherzige Lächeln entwickelte sich allmählich zu einem breiten Grinsen, als sie ihren Cousin musterte. "Das Alter steht Dir wirklich gut." Schelmisch zwinkerte sie ihm zu. "Es freut mich wirklich sehr, Dich endlich wiederzusehen." Wohl zu Menecrates' Bedauern gehörte Priscilla zu dem Typ Frau, welche sehr, sehr sprachgewandt waren und viel und gern erzählten. "Es gibt so viel zu erzählen, wo soll ich anfangen?" Ersteinmal nahm sie einen Schluck von dem Becher Wasser, welcher ihr soeben die Sklavin überreicht hatte. Wenn Priscilla erzählte, dann stets mit viel Enthusiasmus und Begeisterung. Allerdings hatte sie niemals Angst, ihren Gesprächspartner mit den ach so vielen Geschichten zu langweilen, welche sie doch zu erzählen hatte, Priscilla war davon überzeugt, dass sie Andere mit ihrer Begeisterung ansteckte, wobei dies natürlich nicht immer der Fall war.


    "Ach, erzähl mir doch erst von Dir, es muss sicherlich Vieles passiert sein, während ich weg war, nicht wahr?" Es war ihre allgemein anerzogene Höflichkeit, erst einmal ihren Gegenüber erzählen zu lassen. Mit der Erwartung, nun einen langen und ausführlichen Bericht zu hören, blickte Priscilla ihren Cousin gespannt an.


    [SIZE=7]/edit: Rechtschreibung[/SIZE]

  • Wenn es etwas gab, womit Menecrates nicht gut umgehen konnte, dann waren es Komplimente und Geschenke. Er fühlte sich unwohl, ohne genau erklären zu können, warum das so war.


    "Ach", entgegnete er daher auf die Bemerkung hin zu seinem Alter und winkte ab. Am liebsten hätte er sich sofort mit etwas Handfesterem befasst, aber er konnte nicht umhin zu überlegen, ob sie wohl die Falten, die grauen Haare oder den Bauchansatz gemeint hatte. Menecrates kam zu keinem Schluss, weil er Frauen dafür viel zu wenig einschätzen konnte. Aus seiner Sicht waren das alles unvorteilhafte Anzeichen des Alterns.


    Er seufzte innerlich, denn die Höflichkeit verbot einen sichtbaren Protest gegen die Ankündigung, dass es viel zu erzählen gäbe. Er hatte es schon geahnt, warum also nun das Entsetzen? Menecrates ergab sich in sein Schicksal und steuerte auf die Sitzgelegenheiten zu.


    "Lass uns Platz nehmen, da redet es sich gemütlicher." Innerlich schüttelte er den Kopf über sich selbst. Was redete er denn da? Gemütlich reden? Nun ja, er musste da wohl durch. Doch dem nicht genug, Priscilla schlug auch noch vor, dass er erzählen solle. Wobei? Der Patrizier sah darin auch eine Chance, seine Vorstellung von 'gemütlichem Erzählen' deutlich zu machen.


    "Ich diene nicht mehr im Militär." Er nickte bedeutsam und lächelte.

  • "Gern", pflichtete sie ihm bei und nahm sogleich eben jenen Vorschlag in Anspruch.


    "Ach, tatsächlich?" Sie tat es ihrem Cousin gleich und es folgte ein entsprechend knapper Kommentar auf seine ebenso knappe Aussage. Er schien nicht sonderbar gesprächig zu sein. Oder lag es an ihr? Eine kurze unberuhigende Vermutung, die sich allmählich in Priscilla etablieren zu schien, versuchte sie insistierend zu verdängen - tatsächlich dachte sie ernsthaft darüber nach, ob Menecrates Priscilla selbst möglicherweise nicht leiden mochte. Oder war dies schon immer seine Art gewesen? An einen ekstatischen oder gar quirligen Menecrates konnte sie sich jedenfalls nicht entsinnen. Sein Auftreten ihr Gegenüber empfand sie allerdings schon als nahezu unhöflich. Oder neigte Priscilla, wie es schon so oft der Fall war, zur Übertreibung?


    "Nun ja..." versuchte die Claudiern zunächst zaghaft ein Gespräch aufzubauen, wenn er nichts zu sagen hatte, nahm sie eben selbst das Zepter in die Hand und erzählte. Hauptsache es kam nicht zur endgültigen Stille. Wenn Priscilla über etwas verbalisierte, dann war sie bedingungslos in ihrem Element; Priscilla redete viel und selbiges erwartete sie auch von ihrem Gesprächspartner. Von Menecrates' Stillschweigen war sie dementsprechend schon beinahe gekränkt. Wobei ihr schon fast die Lust vergangen war, sich überhaupt weiter mit ihrem Cousin zu unterhalten.


    Ein kurzes Räuspern, wie eine Vorwarnung darauf, was nun kommen würde, folgte.
    "...Es ist schön wieder hier zu sein. Die Zeit in Tarraco war angenehm, Rom ist und bleibt allerdings unübertrefflich." Zur Bestätigung unterstrich sie diesen Satz mit einem leichten Nicken. "Es wurde für mich allmählich Zeit, wieder zurückzukehren." Indes nippte sie an ihrem Becher Wasser, welchen sie immer noch in der Hand hielt. Beinahe fühlte es sich so an, als wäre ihre Kehle vollkommen ausgetrocknet, zudem war sie müde und hungrig, allerdings waren diese Tatsachen jetzt einerlei, es gab schließlich noch Wichtigeres als die unangenehmen Dinge, die Priscilla doch erdulden hat müssen. "Aber wie geht es Dir eigentlich? Und ist sonst noch irgendetwas Außergewöhnliches passiert, natürlich abgesehen davon, dass Du nicht mehr im Millitär dienst?" Priscilla lächelte. Jedoch war es kein herzliches Lächeln, kein freundliches, aber auch kein kühles oder gar zynisches, es war vielmehr ein undefinierbares Lächeln. Wobei, ja wobei hinzuzufügen ist, dass eben jenes Lächeln grundsätzlich im negativen Sinne gemeint war - es war eine Hervorhebung ihrer Worte, die nur so auf die taktlose Schweigsamkeit ihres Cousins anspielten und der schwach erzürnte Tonfall, welcher sogar unbeabsichtigt war, trug nur umso mehr dazu bei.

  • Menecrates konnte bei Frauen so gut zwischen den Zeilen lesen wie er hätte ein Brot backen können - nämlich gar nicht. Daher richtete sich seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Inhalt der Worte und daraus konnte er Zustimmung und Interesse entnehmen. Er nickte zufrieden. Offensichtlich war sie eine unkomplizierte Frau ohne besondere Ansprüche, das gefiel dem Patrizier. Noch mehr gefiel ihm, wie knapp sie sich ihrerseits mit Auskünften hielt. Das war doch einmal eine angenehme Unterhaltung.
    Aus diesem Grund ging er bereitwillig auf ihre Frage ein. Es war wie ein Schlagabtausch, natürlich im positiven Sinne.


    "Ich wurde in den ordo senatorius erhoben. Kurz zuvor ist meine Frau ohne Ankündigung abgereist. Mein Resümee: Berufliche Wege sind kalkulier- und beeinflussbar, aber vor privaten Überraschungen ist man nie sicher."


    Menecrates verspürte Gelüste nach ein paar ausgefallenen Happen und einem guten Tropfen Wein. Er winkte eine Sklavin herbei, erteilte Anweisungen und richtete anschließend seine Aufmerksamkeit auf den Hals seiner Cousine. Wieder einmal stellte er fest, wie unterschiedlich doch Frauenhälse waren. Er bevorzugte eindeutig die längeren.
    Nach einem Räuspern betrachtete er seinen Ring, der zwar aussah wie immer, aber prima dazu diente, seine Blicke festzuhalten.

  • "Was für eine erfrischende Neuigkeit! Das freut mich sehr für Dich", erwiderte Priscilla nach einer Weile lächelnd auf seine Äußerung bezüglich des ordo senatorius. Auf die anderen Mitteilungen ging sie zunächst nicht ein - schließlich hatte sie auch noch zu berichten, denn wenn ihr lieber Cousin schon jetzt annahm, dass das alles war, was die Claudiern zu sagen hatte, täuschte er sich kolossal.


    "Die Anreise war derart ermattend, dass ich zugeben muss, jetzt vollends erschöpft zu sein. Umso mehr freut es mich natürlich, dass ich jetzt endlich angekommen bin! Jedenfalls habe ich nun vor, erstmal in Rom zu bleiben und hier in der Villa zu wohnen, wenn Dir das nicht allzu viele Umstände bereitet." Priscilla schien auf ihrem Platz immer mehr nieder zu sinken, die Müdigkeit übernahm bei ihr zunehmend die Oberhand. "Rom ist so wundervoll wie ehedem, ich musste diese Stadt schon viel zu lange missen! Du hast doch den Brief erhalten, oder? Um ehrlich zu sein bin ich froh darüber, endlich aus den Fängen meiner lieben Tante* entkommen zu sein", sagte sie mehr zu sich selbst als diese Worte konkret an ihren Cousin zu richten. Wobei, die letzte Aussage hätte sie sich sparen können, war diese momentan doch vollkommen unangebracht und zudem noch unhöflich gewesen. Leider war sie nicht dazu im Stande, bereits Gesagtes wieder rückgängig zu machen. Leider. "Kleiner Scherz am Rande." Fügte sie daher noch rasch hinzu und grinste, allerdings war sie sich fast sicher, dass diese Darlegung die Situation nicht mehr hätte retten können, so dass sie sich gezwungen sah, einfach mit einem anderen Thema zu beginnen. "Deine Frau ist also unangekündigt abgereist? Wohin denn?" Fragte die Claudierin in einem dynamischen Tonfall, während sie dabei zusah, wie Menecrates einer Sklavin Anweisungen erteilte. Menecrates’ Frau? Wer war das doch gleich? Ocella? Ocrea? Ofella? "Das... ist natürlich sehr überraschend" Schloss sich die junge Frau der Äußerung ihres Cousins an.


    "Du warst doch sicherlich schon mal in Hispania, oder? Ein wundervolles Land! Das ganze Jahr über ist es sommerlich warm. Und dieses grandiose Ambiente! Und überhaupt, mir kommt es so vor, als wären die Menschen in diesem Land vollkommen anders als hier! Hispania ist viel ruhiger und natürlicher als es hier der Fall ist, nicht so laut, nicht so hektisch, nicht so überfüllt… es hat auf mich immer einen idyllischen und behaglichen Eindruck gemacht, auch in einer Stadt wie Tarraco, wobei Tarraco im Vergleich zu Rom natürlich Nichts ist. Ich bin jetzt schon gespannt auf die Märkte hier in der Stadt!" Priscilla war sich jetzt schon sicher, dass sie vollkommen angetan von den Märkten sein würde, denn sie liebte das Einkaufen von Schmuck, Perlen und anderen derartigen Dingen, so wie es im Grunde genommen bei jeder Patrizierin der Fall war. "Wo wir schon dabei sind, was gibt es Neues von Rom?" Schlagartig erinnerte sie sich an die bestürzende Neuigkeit, welche man ihr vor einigen Wochen mitgeteilt hatte, nämlich dass der Kaiser gestorben sei, allerdings lag dieses Ereignis jetzt schon einige Zeit zurück, so dass sie es als unwesentlich empfand, jetzt darüber zu sprechen. Auch, weil sich dieses Gesprächsthema für ein freudiges Ereignis, nämlich einer Ankunft, weniger eignete.
    "Wie geht es denn dem Rest der Familie? Und hast du in letzter Zeit eigentlich noch einmal was von meinen Brüdern gehört? Sabinus und Verus?"


    Sim-Off:

    [SIZE=7]* eine namentlich unbekannte, prompt erfundene und sehr entfernte Verwandte[/SIZE] ;)

  • Menecrates hatte nichts anderes erwartete, als dass Priscilla von der Reise ermüdet war. Eine Frau war völlig anders gebaut und nicht für Anstrengungen geschaffen. Er nickte daher verständnisvoll.


    "Nun, Umstände bereitet mir dein Aufenthalt freilich nicht, ich bin ja weder für deine Versorgung noch deine Annehmlichkeiten verantwortlich. Ich stelle nur die Gelder und Sklaven zur Verfügung, was aber nicht sonderlich belastend für mich ist. Richte dich hier ein, dem Hausstand wird es vermutlich gut tun, wenn er wieder eine Frau beherbergt. Er verkommt sonst zu einer Einsiedlerunterkunft."


    Menecrates war nicht neugierig genug, um die Aussage wegen den Fängen der Tante zu hinterfragen. Solche Themen rangierten bei ihm unter Frauentratsch und davon mochte er nichts wissen. Die Frage nach dem Brief hingegen war wieder sachlich zu beantworten.
    "Zu meinen Händen ist kein Schreiben gelangt. Welchen Inhalt hatte es denn?"


    Das neue Thema gefiel Menecrates weniger gut. Nicht nur, weil er keine rechte Antwort auf die Frage hatte, sondern weil er generell nur ungern dieses Thema berührte.
    "Sie ist abgereist und ich weiß nicht, für wie lange und wohin." Damit war diese Thematik abgeschlossen und er ging auf die nächste Nachfrage ein.


    "Ja, Hispania habe ich im Rahmen meiner Quaestur besucht." Da Wetter einem Soldaten schon immer egal war, sparte er sich eine Anmerkung diesbezüglich. "Ruhig ist es dort, stimmt. Mehr als einem lieb sein kann…" Der arbeitsgewohnte Offizier hatte sich während der Quaestur unterfordert gefühlt, wegen Untätigkeit etliche Pfunde zugelegt und an Biss verloren.
    Die Nachfrage, was es Neues in Rom gebe, überhörte der Claudier geflissentlich. Das ging ihm bereits wieder zu sehr in Klatschrichtung. Falls sie auf einer Antwort bestehen würde, konnte er ihr bestenfalls die Actalektüre empfehlen. Fragen zur Familie hingegen beantwortete er gern.


    "Deine Brüder sind wenige Tage vor dir angereist", antwortete er verblüfft über die Nachfrage. "Ich habe angenommen, ihr hattet euch untereinander abgesprochen, weil die Anreise derart zeitnah war."

  • "Natürlich. Das hätte ich auch nicht von Dir erwartet", brachte die Claudierin mit einem Schmunzeln hervor, als Menecrates über Versorgung und Annehmlichkeiten ihrerseits sprach. Priscilla entnahm aus den Worten ihres Cousins, dass sie ferner die einzige Frau sein würde, die ab jenem Zeitpunkt in der Villa residierte. "Tatsächlich? Wer verweilt denn momentan in der Villa?"


    "Du hast keinen Brief erhalten?" Fragte die verblüffte Claudierin zur Bestätigung noch einmal nach - er hatte kein Schreiben erhalten? Geriet etwa jene Mitteilung ihrer Tante in Vergessenheit? Oder ist sie gar abhanden gekommen? Die wichtigere Frage war allerdings: was beinhaltete der Brief doch gleich? Priscilla war in mancher Hinsicht wirklich vergesslich gewesen, dies war mitunter einer ihrer größten Schwächen. Vielleicht empfand sie es allerdings auch als belanglos, was ihre uninteressante Tante zu berichten hatte, so dass sie diese Mitteilung einfach aus ihren Gedanken löschte. "Meines Wissens nach wollte sie lediglich meine Ankunft kundgeben."
    Meines Wissens nach wollte sie meine Ankunft kundgeben? Was ist das denn für ein Satz? Wobei? Was hätte sie auch anderes zu berichten gehabt? Nein, sicherlich wollte sie nur über deine Ankunft informieren!


    Priscilla bemerkte die Äußerung ihres Cousins bezüglich Hispania mit einem unempfänglichen kurzen Nicken. Für ihn mochte es vielleicht zu ruhig gewesen zu sein, Priscilla empfand diese Ruhe allerdings als sehr angenehm. Gegebenenfalls würde Priscilla lang dafür brauchen, sich in das -zu Tarraco- oppositionelle Rom (erneut) einzuleben. Aber ihr würde es gewiss nicht schwer fallen, sie war jung, sie war anpassungsfähig und zudem war Rom ihre Heimat. Und ihre Vorfreude auf eben jene Stadt war unsagbar groß.


    "Die Beiden sind auch hier?" War die konsternierte Antwort auf seine Frage, welche im Grunde genommen ebenfalls eine Frage war. "Nein, wir haben uns nicht abgesprochen! Das ist ja ein außergewöhnlicher Zufall!" Diese Worte sprach sie in einem energischen Tonfall aus, sie war entzückt über die Tatsache, dass sie ihre Brüder alsbald wieder sehen würde, welche sie nun auch schon ewig nicht mehr Zu Gesicht bekommen hatte.

  • Menecrates überlegte angestrengt, wann er wem das letzte Mal aufgezählt hatte, wer alles diese Villa bewohnte, konnte sich aber nicht mehr erinnern. Es konnte vor Augenblicken Priscilla gewesen sein, was er allerdings ausschloss, denn sonst würde sie ja nicht noch einmal fragen, es konnte aber auch Tucca oder jemand anderer gewesen sein. Er brummte unwillig, weil es ihn ärgerte, dass ihn sein Gedächtnis zeitweise im Stich ließ.


    "Mein Sohn Brutus, Epicharis, Deandra, Tucca seit kurzem, deine Brüder - das sind die aktuellen Festbewohner. Von den beiden Frauen merkt man wenig, fast nichts. Sie leben zurückgezogen, wie es scheint. In Abständen finden sich jedoch eine Reihe von Verwandten bei uns ein."


    Als die Sprache auf den Brief kam, zuckte er mit den Schultern. "Nun ja, wenn in dem Brief nichts weiter als deine voraussichtliche Ankunft mitgeteilt wurde, ist sein Verschwinden jetzt auch nicht mehr wichtig, denn wie wir wissen, bist du ja soeben eingetroffen. Vergessen wir diesen Sachverhalt einmal. Sonderbar hingegen erscheint mir das Zusammentreffen mit deinen Brüdern. Der Götter Vorhersehungen sind immer wieder unergründbar. Was sie wohl damit bezweckt haben?"
    Er versank in Gedanken. Nichts geschah grundlos, alles besaß einen tieferen Sinn.

  • Die beiden Frauen lebten zurückgezogen? Das konnte ja reizend werden - Priscilla sah sich jetzt schon als gelangweilte Frau in dieser Villa enden, aber wozu lebte sie nun in einer so großen Stadt? Eigens zu jenem Zeitpunkt, mitten im Frühling und kurz vor Sommerbeginn würde die Römerin wohl nicht eine einzige Sekunde damit verschwenden in der Villa zu verweilen, nein, sie würde sich stets außerhalb des Domizils aufhalten, an der gegenwärtig angenehm warmen Luft. Ohnehin war sie ein Naturmensch gewesen, schon immer. Zudem wollte, nein, musste sie neue Kontakte schließen, denn die angemessene und vor allem gleichwertige Gesellschaft war für einen Patrizier unentbehrlich, wie die Claudierin selbst stets zu sagen pflegte. Dies würde gewiss keine Schwierigkeit darstellen, denn gerade sie als geselliger Mensch, redegewandt und offenherzig wie sie sich stets präsentierte, würde es kaum schwer fallen sich einzuordnen. Beiläufig nickte die Patrizierin, abschweifend von den im jetzigen Augenblick deplatzierten Gedanken, während sie erneut an ihrem Becher Wasser nippte, bevor sie sich fasste und zu Wort kam.


    "Ach, es wird schon seine Gründe haben." Beendete Priscilla das Thema knapp und dachte über den Verlauf des ersten Zusammentreffens ihrer Brüder nach, wo sie die Beiden schon so lange nicht gesehen hatte, haben sie sich wohl sehr verändert? Und vor Allem: Was verschlägt sie nach Rom, gerade jetzt? Die Karriere vielleicht? Oder gar der Heirat wegen? Sicher, ein Patrizier heiratet irgendwann, aber ausgerechnet jetzt? Priscilla war sich allerdings sicher, dass sich ihre Brüder zunächst ausschließlich auf ihren Werdegang konzentrieren würden, sie kannte die Beiden zu gut, für eine Heirat hatten sie schließlich noch alle Zeit der Welt.

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