[Blockierte Grafik: http://img165.imageshack.us/im…arithsardarvonedesng5.jpg] | Ardeshir Kashtarith
"O Ahura, nun vor allem, Allwissender und Unfassbarer, mit gutem Sinn huldige ich Dir,
O Mazda, in Verehrung nähere ich mich Dir, zu guten Worten und guten Werken.
Im Glanze der Wahrhaftigkeit strahlt die Kraft Deines Lichtes, die lodernde Flamme, die ewig und kraftvoll ist,
Die dem Rechtschaffenen gegen den Truggenossen beisteht, und die uns den Weg weist."
Eine einzelne Flamme brannte hier, sie zuckte um den Docht einer Öllampe, flackerte und wand sich in einem leichten Luftzug. In Zentrum gleissend, fast weiss, dann gelb, weiter aussen in tiefroten Zungen auslaufend, warf sie ihren Schein in das Verlies, in dem Ardeshir Kashtarith, ehemals General von Osroëne, gefangen war.
Feuer, die reinigende Kraft, Sinnbild der Wahrheit und des Asha Vahishta. Der Gefangene kniete auf dem Steinboden vor der Flamme. Die Hände vorgestreckt, den Mund von einem Tuchfetzen verhüllt, sprach er eine Gatha, ein Gebet in der alten avestischen Sprache, in der der erleuchtete Zoroaster die Offenbarungen des Schöpfers aufgezeichnet hatte.
Laut hallte seine Stimme in dem Gewölbe wieder, die Stimme mit der er einst die Panzerreiter von Edessa befehligt hatte, mit der er als Sardar für seinen Herrn, den Satrapen von Osroëne, die Truppen in den Krieg geführt hatte, mit der er in der Schlacht Welle um Welle parthischer Soldaten gegen den Feind geschickt hatte. Am Ende, bei dem Sturm auf den Adler, war er selbst in Feindeshand gefallen, und hatte dabei schwere Verletzungen erlitten. Die Zeit danach verschwamm für ihn, er war dem Tode nahe gewesen, doch unter der Obhut der feindlichen Ärzte hatte er überlebt. Wulstige harte Narben waren an Hals und Schulter zurückgeblieben, und verzogen die Haut, so dass er den Kopf jetzt ständig etwas schräg hielt. Gerechter wäre es gewesen, er wäre dort auf dem Schlachtfeld gestorben, wie die vielen Männer die er in den Tod geschickt hatte... vergeblich... oder nicht ganz, wenigstens hatte er die Gewissheit, dass der Feind den Sieg hatte teuer bezahlen müssen. Schon immer war Kashtarith fromm gewesen, jetzt in Gefangenschaft hielt der Glaube an den Herrn der Weisheit ihn aufrecht. Einigermassen jedenfalls.
"Ahura, seit ich Dich mit meinen Gedanken als Anfang und Ende der Schöpfung kennen lernte,
Habe ich Dich mit dem Auge des Verstandes erblickt.
Du bist wahrhaftig der Schöpfer, Du bist der Quell der guten Gedanken.
Asha, Wohuman, Wokhashatra, wann werde ich Euch erkennen?
Du allmächtiger Ahura, wann ist es mir möglich Deinen Weg zu ergründen?
Als du am Anfang der Zeit für uns Körper und Leben, Geist und Gewissen erschaffen hast,
Da hast Du uns die Vernunft geschenkt.
Im Glanze der Rechtschaffenheit hast Du uns Kraft gegeben, zu handeln und zu reden,
Damit jeder seinen Weg in Freiheit aussuchen kann."
Dabei hätte es schlimmer sein können. Den Umständen entsprechend hatten die Römer ihn anständig behandelt, es gab ein Fenster in seiner Zelle, er bekam genug zu Essen und man hatte ihn bisher nicht gefoltert. Aber die Gleichförmigkeit, die Einsamkeit, setzten ihm zu, so sehr dass er, ohne es sich zuzugeben, die Verhöre, die man dann und wann mit ihm anstellte, schon fast herbeisehnte, waren sie doch die einzige Abwechslung in dem stumpfen Einerlei, dem zähflüssigen Brei immergleicher Tage. Mehr als seinen Namen, die Position die er innegehabt hatte, und Belangloses das dem Feind bestimmt nichts nützen konnte, hatte er nicht preisgegeben. Aber sie hatten Edessa ja schon erobert. Kashtarith sorgte sich um seine Frauen und seine Kinder. Wie der Krieg weiter verlaufen war, das hatte man sorgsam von ihm ferngehalten. Ob die Rückkehr der Ersten Legion einem Sieg oder einer Niederlage geschuldet war - er wusste es nicht. Wohin man ihn hier gebracht hatte - er wusste es nicht. Und was aus ihm werden würde - das lag in der Hand des Allerhöchsten.
"Ahura, der Dir nichts verborgen bleibt, hilf mir wenn der Zweifel meine Gedanken trübt,
Spende mir die Gabe die aus Khashatra und Wohuman stammt.
Hilf mir, wenn die Truggenossen mich verleiten wollen, dem guten Sinn den Rücken zu kehren,
Lass die Armaity und Asha zur Hilfe eilen um meine Gedanken zu leiten, und meinen Willen zu stählen!
O Ahura, o Mazda, lass mich im Licht der Wahrheit wissen, welcher Weg der bessere ist, damit ich ihn wähle."