"Wäre diese Möglichkeit konsensfähig?"
fragte Durus nach einiger Zeit, denn er wollte nicht, dass hier langatmiges Anschweigen zur Regel wurde.
"Wäre diese Möglichkeit konsensfähig?"
fragte Durus nach einiger Zeit, denn er wollte nicht, dass hier langatmiges Anschweigen zur Regel wurde.
Ein Nicken von Senator Macer signalisierte dessen Zustimmung. "Ja, die Formulierung ist sicher besser als meine und sagt das aus, was ich sagen wollte."
Dann wandte sich sein Blick allerdings in Richtung Aelius Quarto. "Ich glaube aber, dass uns der Kollege Quarto mit seinem Einwurf irgendetwas anderes sagen wollte, als das Wörtchen 'Gültigkeit' einfach aus dem Titel zu entfernen." Die Feststellung klang halb wie eine Frage, denn Macer hatte schon erwartet, dass der Senator seine Gedanken weiter ausführen würde.
Aelius Quarto räusperte sich.
“Nun, ich meine, dass Gesetz sollte durchaus etwas zur Gültigkeit einer Wahl aussagen. Das Wort aus dem Titel des Paragraphen zu streichen würde ihn zwar mit seinem Inhalt in Einklang bringen, so wie er jetzt als Entwurf vor uns liegt. Aber es ignoriert, dass durchaus Gründe denkbar sind, die Rechtmäßigkeit einer Wahl anzuzweifeln. Massive Wahlfälschung etwa, Bestechung der Wähler oder eine Beeinträchtigung ihrer Wahlfreiheit.“
Er sah sich im Plenum um und machte dabei ein so rechtschaffenes und argloses Gesicht, als ob er nicht wüsste, dass all dies seit jeher – zumindest in Maßen – bei jeder römischen Wahl dazu gehörte.
“§ 42 betraut die amtierenden Consuln mit der Leitung der Wahlen zum Cursus Honorum. Also sollte es ihnen auch obliegen, nach der Wahl deren Gültigkeit festzustellen. Oder sie sollten die Möglichkeit erhalten, eine Wahl für ungültig zu erklären – natürlich nur wenn triftige Gründe dafür vorliegen.
Das ist mein Vorschlag.“
Durus stutzte. Keine schlechte Idee von Quarto. Wieso er da selbst nicht draufgekommen war...
"Dann wäre der gesamte Entwurf:
§ 45 Wahl und Gültigkeit
(1) Für die Ämterbesetzung sind diejenigen Kandidaten zu berücksichtigen, die die meisten, jedoch mindestens mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten. Existieren zu wenige Kandidaten mit ausreichender Stimmenzahl, so bleiben die Ämter unbesetzt.
(2) Bei Stimmengleichheit oberhalb des geforderten Quorum wird eine Stichwahl durchgeführt. Erlangt in einer Stichwahl keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit, so ist kein Kandidat gewählt, das betreffende Amt bleibt unbesetzt.
(3) Über die Gültigkeit der Wahl entscheiden die amtierenden Consuln.
Könnte der Senat sich mit einer solchen Regelung anfreunden?"
Hoffentlich hatte er jetzt nichts vergessen...
Während Macer den Ausführungen von Aelius Quarto noch zustimmen konnte, missfiel ihm die Zusammenfassung von Tiberius Durus doch erheblich.
"Das finde ich viel zu unpräzise", warf er daher sofort ein. "Das Gesetz legt überhaupt nicht fest, unter welchen Bedingungen die Consuln die Gültigkeit oder Ungültigkeit feststellen können. Das wäre ja wie in vergangenen Zeiten, als der für den Kalender zuständige Pontifex einfach willkürlich entscheiden konnte, welchen Tag des Jahres er als Schalttag ausfallen lassen wollte." Er wollte den Consuln damit zwar nichts unterstellen, aber das Gesetz würde dazu geradezu einladen.
Durus seufzte leise, dann hob er erneut an - dieses Gesetz war schwieriger als erwartet!
"Irgendeine Instanz muss letztendlich entscheiden, ob die Wahl rechtsgültig verlaufen ist. Ich denke, es versteht sich von selbst, dass die Consuln dabei die Mos Maiorum achten und nur in Fällen von Unregelmäßigkeiten an der Gültigkeit zweifeln - selbst wenn wir den Passus 'triftige Gründe' einbauen, ist dies noch keine Sicherheit. Eine Möglichkeit wäre: 'Entspricht der Wahlvorgang nicht den hier vorgegebenen Vorschriften, sind die Consuln verpflichtet, die Wahl für ungültig zu erklären und Neuwahlen anzuberaumen.'"
"Aber das sagt doch genauso wenig aus!", schüttelte Macer energisch den Kopf. "Wir können doch nicht von den 'hier vorgegebenen Vorschriften' sprechen, wenn wir keine Vorschriften machen. Und dass die Consuln die Gültigkeit der Wahl festzustellen haben, ergibt sich doch schon daraus, dass sie die Wahlleiter sind." Er wartete einen Moment ab, um nicht zu hitzig weiter zu sprechen. "Wann würden wir denn wohl eine Wahl für ungültig halten? Ist sie ungültig, wenn jemand eine Stimme abgegeben hat, der kein Stimmrecht hat? Ist sie ungültig, wenn für einen Kandidaten gestimmt werden konnte, der nicht über das passive Wahlrecht verfügte? Ist sie ungültig, wenn für einen zugelassenen Kandidaten keine Stimmen abgefragt wurden? Ist sie ungültig, wenn ein Kandidat nicht zur Vorstellung im Senat erschienen ist? Ist sie ungültig, wenn die capitolinischen Gänse während der Auszählung nach Osten geschaut haben? Man kann sich doch alles mögliche ausdenken, weswegen eine Wahl ungültig sein könnte. Über das Mos maiorum wird sowieso gewacht, da müssen wir schon etwas konkreteres festhalten."
Sein Blick ging noch einmal an Aelius Quarto. "Aelius Quarto hatte ja eben auch schon einige Vorschläge gemacht. Dort stellt sich allerdings die Frage, wann das entsprechende Fehlverhalten festgestellt werden muss. Bestechung kommt ja möglicherweise erst Monate später ans Licht, wenn man die Wahl nicht mehr für ungültig erklären kann."
Durus seufzte. Was wollten seine Senatskollegen denn?
"Derartige Delikte werden im Codex Iuridicialis geregelt. Dort wird meines Wissens nach nur allgemein von Wahlfälschung als Delikt ausgegangen. Wenn wir die Gültigkeit im Codex Universalis und nicht im Codex Iuridicialis haben möchten, müssten wir einen Passus verwenden, der die Wahl bei Wahlfälschung oder Wählernötigung für ungültig erklärt, soweit diese während der Wahl festgestellt wird. Ist der Magistrat erst vereidigt, schützt ihn seine Immunität prinzipiell vor einer Klage, folglich könnte er nur im Nachhinein deswegen angeklagt werden. Dies ist allerdings schon im Codex Iuridicialis geregelt."
stellte er endlich fest. Dass an Gesetzen in diesen Hallen aber auch immer so viel herumgemängelt werden musste!
Jetzt war es offenbar wieder an Macer, verwirrt zu sein. "Aber wir sprechen hier doch gar nicht von den Delikten als solche, sondern von der Gültigkeit der Wahl. Dass der Codex Iuridicialis Wahlfälschung unter Strafe stellt ist gut und richtig, aber das regelt schließlich noch lange nicht, ob die Wahl dadurch ungültig ist und wer das feststellt." Er schwieg einen Augenblick und wartete ab, ob ihm ein passendes Beispiel oder ein guter Vergleich einfiel.
"Der Codex Militaris verbietet es auch, dass ein Soldat verheiratet ist", setzte er dann an. "Daher wird man einen Soldaten aus dem Dienst entfernen, der diesen Umstand bei seiner Verpflichtung verschwiegen hat. Aber würde man deswegen eine Schlacht für ungültig erklären und sie wiederholen, weil Soldaten daran teilgenommen haben, die keine Soldaten sein durften? Wohl kaum! Ebenso ist es bei Wahlen. Dass eine Straftat vorliegt ist die eine Sache, ob die Wahl deswegen ungültig ist und wiederholt werden muss eine andere." Der Vergleich war zwar nicht gerade der naheliegendste, aber Macer erschien er zumindest recht eingängig.
Durus war zuerst erneut verwirrt und fragte sich, ob sie aneinander vorbeiredeten. Dann bemerkte er, dass er sich wohl unklar ausgedrückt hatte. Allerdings war das Beispiel von Macer auch meilenweit hergeholt, wie er fand. Fast hätte er schmunzeln müssen, doch dafür war Juristerei ein zu ernstes Geschäft.
"Ich sagte ja bereits, dass man es auch in den Codex Universalis in gegebenen Paragraphen einfügen könnte. Allerdings wäre es meiner Meinung nach eben nur sinnvoll, die Wahl für ungültig zu erklären, bis der Magistrat inauguriert ist, denn danach unterliegt er der Immunität und kann nicht gerichtlich belangt werden."
“Ich stimme dir zu. Die Wahl eines bereits vereidigten und amtierenden Magistrats kann nicht mehr für ungültig erklärt werden und außerdem hätten die Consuln zu diesem Zeitpunkt auch bereits ihr Amt niedergelegt. Dann ist es auf jeden Fall zu spät. Andererseits werden die neu gewählten Magistrate erst dann vereidigt, wenn die Wahlleiter die Wahl für gültig erklärt haben. Wollen wir nicht einfach eine Frist im Gesetz festhalten? Auch gefällt mir das Wort 'entscheiden' in dem jetzigen Entwurf nicht, denn die Wahlleiter entscheiden das nicht, sondern prüfen und müssen das Ergebnis ihrer Überprüfung nach bestem Gewissen beurteilen. Ihr Entscheidungsspielraum ist also sehr eingeschränkt und es handelt sich eher um ein Bewerten, bestenfalls ein Abwägen. Wie wäre es mit:
(3) Die Gültigkeit der Wahl wird von den amtierenden Consuln innerhalb einer Frist von 7 Tagen nach Abgabe der Stimmen überprüft und öffentlich festgestellt. Die Wahl ist ungültig, wenn hinreichende Verdachtsmomente für Delike im Sinne der §§ 100 und 101 Codex Iuridicialis vorliegen. Eine für ungültig erklärte Wahl muss binnen 30 Tagen wiederholt werden, wobei auf die Wahrung der in den §§ 39 und 40 Codex Universalis vorgesehenen Fristen verzichtet werden kann.“
Aelius Quarto machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach:
“Und wo wir dann ohnehin schon dabei sind, sollten wir uns anschließend, aber hoffentlich noch zeitig bis zur kommenden Wahl auch der angesprochenen §§ 100 und 101 zuwenden. Auch dort gibt es meines Erachtens Änderungsbedarf, insbesondere dann, wenn der Senat meinem Vorschlag folgen möchte und in dem von uns heute diskutierten Paragraphen einen Verweis auf sie verankert.“
Natürlich, das war keine schlechte Lösung - wieso war nicht darauf gekommen?
"Mit dieser Regelung könnte ich mich ebenfalls zufrieden geben. Man könnte es natürlich auch allgemeiner halten und die Wahl für ungültig erklären, wenn Verdacht auf ein Wahldelikt gemäß des Codex Iuridicialis vorliegt - falls eines Tages weitere Wahldelikte hinzugefügt werden sollten."
Man sollte ja immer so allgemein wie möglich und so speziell wie nötig bleiben, wie sein alter Rhetor immer gesagt hatte.
Erfreut stelle Macer fest, dass sein Beispiel halbwegs verstanden wurde und die Debatte voran kam. Sowohl der Vorschlag von Aelius Quarto als auch der Einwand von Tiberius Durus gefielen ihm gut. "Ich schließe mich dieser Fomulierung in der vorgeschlagenen allgemeineren Form an. Von Wahldelikten gemäß Codex Iuridicialis sollte meiner Meinung nach ausreichend sein und entbindet uns von der Pflicht, regelmäßig das eine Gesetz zu aktualisieren, wenn sich ein anderes ändert." Da konnte man viel zu schnell den Überblick verlieren, auch wenn man meinen sollte, dass diejenigen, die die Gesetze machen, sie auch noch überblicken.
Da sich niemand einschaltete, versuchte es Durus noch einmal, eine Abstimmung herbeizuführen.
"Wäre dann eine solche Hinzufügung als dritter Absatz konsensfähig? Können wir zur Abstimmung schreiten?"
“Ja natürlich, mit einem allgemein gehaltenen Verweis auf den Codex Iuridicialis bin ich auch einverstanden. Senator Purgitius Macer hat sicherlich recht: Das ist praktischer.
Lasst uns zur Abstimmung schreiten!“
Der Consul erhob sich, um die Debatte zu beenden.
"Ich danke den Beteiligten für ihre Redebiträge. Die Abstimmung erfolgt in der nächsten Sitzung, für die eine schriftliche Fassung des Vorschlags vorgelegt wird."
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