Zwei Sergier auf dem Marsch in ihre Zukunft

  • Natürlich hatte auch Pius den Abschied seiner Schwester Calvina von der Familie in der Casa Sergia mitbekommen. Ihm selbst war es irgendwie schwergefallen, daran teilzunehmen. Aber natürlich konnte er Calvina nicht einfach so gehen lassen, ohne ihr auch noch einmal Lebewohl zu sagen. Er hoffte allerdings, dies allein tun zu können, und wartete deshalb im weiteren Verlauf der Via Nomentana, um sie noch abzupassen.


    Angestrengt blickte er in Richtung der heimischen Casa, ob er sie nicht kommen sähe.

  • Nachdem ich mich im Hause von allen verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Weg zur Regia des Cultus. Dort erwartete man mich.
    In der Ferne sah ich eine Person stehen. Sie schien auf etwas oder jemanden zu warten.


    Als ich näher kam erkannte ich meinen Bruder. Eilig ging ich näher und lächelte ihm freudig entgegen. Als er mich sah, kam auch er auf mich zu.


    "Bruder welch eine Überraschung! Hast du auf mich gewartet?"

  • Endlich sah Pius aus der Richtung, in der die Casa Sergia lag, eine weibliche Gestalt kommen. Der Beschwingtheit ihrer Schritte nach zu urteilen, konnte es sich dabei nur um seine Schwester handeln - und tatsächlich: Bald schon konnte er sie deutlich erkennen.


    Pius kannte nun selbst auch kein Halten mehr und ging schnellen Schrittes auf sie zu. Als Calvina ihn sah, sprach sie ihn freundlich an, machte dabei aber aus ihrer Überraschung keinen Hehl. Na ja, damit hatte sie ja nun irgendwie auch Recht; Pius wusste, dass er ihr noch eine Erklärung schuldete. Sich räuspernd, sagte er schließlich: "Na klar habe ich auf dich gewartet! Oder dachtest du etwa, ich lasse dich einfach so ohne Abschiedskuss zu den Vestalinnen gehen? Aber weißt du, zu Hause, mit den anderen... - ich wollte dich eben noch einmal allein sehen! Ich hoffe, du bist deswegen nicht sauer auf mich oder so."


    Da war noch was, aber es fiel Pius nicht leicht, das in Worte zu fassen; das war einfach nicht so seine Art. Und deswegen hatte er es ihr auch alleine sagen wollen: "Ich bin sehr stolz auf dich! Und ich freue mich für dich, dass jetzt dein Wunsch in Erfüllung geht. Dann bete aber auch für mich, dass auch mein Wunsch in Erfüllung geht und sie mich in der Legion nehmen."

  • "Nein ich bin nicht böse auf dich."
    Ich lächelte.


    Zwar standen wir uns bisher nie sehr nahe, aber seit unsere Eltern tot waren hatten wir beide niemanden gehabt. So kam es dass wir uns plötzlich näher standen als zuvor.
    Der Gedanke an unsere Eltern machte mich nachdenklich.


    "Ich wünsche dir natürlich viel Glück Pius. Und ich bin sehr froh dass du stolz auf mich bist."


    Ich lächelte und schaute ihm ins Gesicht.


    "Aber weißt du...Vater starb als er Soldat war. Ich weiß er war krank, aber trotzdem. Ich möchte nicht auch noch dich verlieren. Bitte sei vorsichtig!"

  • Pius grinste etwas linkisch zu seiner Schwester hinüber. Er war froh, dass sie ihm nicht doch etwa böse war, denn so hätte er sich auf keinen Fall von ihr trennen wollen.


    Dass Calvina nun ihrer beider Vater erwähnte, nahm es ihm ab, das selbst tun zu müssen. Aber natürlich hatte auch Pius an ihn gedacht, und an ihre Mutter musste er jetzt auch denken, da die Trennung von seiner Schwester so kurz bevor stand. "Ja, Calvina, ich pass schon auf mich auf! Wir werden uns ja jetzt eine Weile nicht sehen, aber so ganz allein lassen wollte ich dich dann auch wieder nicht!"


    Pius versuchte wieder ein Grinsen, um sich nicht anmerken zu lassen, dass er seine kleine Schwester doch vermissen würde, auch wenn sie sich nicht immer viel zu sagen gehabt hatten. Er war echt froh darüber, dass sie bei den Vestalinnen sicher in guten Händen sein würde und außerdem ja noch andere Verwandte hier in Rom hatte. Er dagegen würde in der Legion ziemlich auf sich alleine gestellt sein, und davor hatte er doch ein bisschen Sorge. Aber DAS wollte er sich nun wirklich nicht anmerken lassen - wobei man bei Calvina natürlich nie sicher sein konnte, dass sie es nicht doch vielleicht merkte.

  • Unser Vater hatte den Weg in die Armee gewählt, so würde nun also auch mein Bruder handeln. Und ich? Mir wurde bewußt wie götterfürchtig meine Mutter war. Ich ähnelte ihr wohl doch mehr als ich je dachte. Nur hatte meine Mutter nie den Weg eingeschlagen den ich nun gehen würde. Sie hatte sich in unseren Vater verliebt und mich erwartete nur eine Liebe. Die zu den Göttern.


    "Pius ich werde dich vermissen. Du wirst sehr allein sein, aber ich bin sicher du wirst schnell Freunde in der Legion finden. Wirst du dich hier in Rom bei der Legion vorstellen?"


    Ich hoffte für ihn dass er schnell Anschluss finden würde. Aber ich war mir sicher dass er das tut. Er war kein schüchterner Mensch, redseliger als ich und sehr viel mutiger.


    "Wir können uns ja schreiben!" lachte ich ihn an.

  • "Aber sicher schreib ich dir!", lachte Pius. Der Umgang mit Schreibwerkzeug war zwar nicht so sein Metier - er freute sich mehr auf das Schwert -, aber wenn er genug Geld zusammen hatte, wollte Pius seiner Schwester und vielleicht auch Severa doch so bald wie möglich schreiben.


    Das wäre vor allem dann der Fall, wenn sein ursprünglicher Plan nicht aufgehen sollte. "Ich wollte mich der Legion in Mantua melden, bei der 1. Legion. Dann bin ich nicht ganz so weit weg. Wenn sie mich da aber nicht nehmen sollten," - Pius zögerte etwas -, "also, dann dachte ich auch an Aegyptus." Aus den Augenwinkeln heraus blinzelte er zu Calvina herüber. Er war gespannt, wie sie auf diese für sie neue Nachricht reagieren würde. Immerhin war die Legion in Alexandria die Legion ihres Vaters gewesen.


    An den großen Schritten seiner Schwester merkte Pius, wie eilig sie es hatte, nun ihr neues Leben zu beginnen. Unaufhaltsam näherten sich die beiden Sergier der Regia des Kultus.

  • Aegyptus. Das Wort war wie ein Stich ins Herz. Pius hat ihren Vater, so weit sie das richtig erkennen konnte, verehrt. Er war Soldat und auch Pius wollte für Rom kämpfen. Aber Aegyptus? Ein leichter Schauer rann ihren Rücken herunter.


    "Pius? Bitte pass auf dich auf!"


    Bestimmt würde er das tun. Er wird bestimmt ein guter Soldat werden.


    "Ich glaube fest an dich. Du wirst ein guter Soldat für Rom. Wenn wir uns einmal wiedersehen werde ich bestimmt sehr stolz auf dich sein!"

  • Hätte Pius seiner Schwester das mit Aegyptus lieber doch nicht sagen sollen? Besorgt registrierte er, wie sie doch ein bisschen zusammenzuckte, als er ihr diesen Plan B enthüllte. Etwas zögerlich legte er ihr seine Hand auf die Schulter. Damit das nicht so auffiel und so dramatisch aussah, wollte er schnell etwas dazu sagen, aber er fand dafür zunächst mal nicht die richtigen Worte. Deshalb sagte er nur: "Hey, Calvina, ich pass schon auf! Und die Götter werden über uns wachen. Und ich weiß auch, dass du eine gute Dienerin Vestas sein wirst!"


    Diese Sätze meinte Pius, wie eigentlich alles, was er so sagte, ganz ehrlich. Aber er hatte eben auch noch etwas anderes ausdrücken wollen, und dafür suchte er einen Moment lang noch die passenden Worte. "Komisch, nicht? Es sieht fast so aus, als würden wir beiden, natürlich auf unsere Weise, das fortsetzen, was unsere Eltern früher gemacht haben. Ich als Soldat und du als fromme Dienerin der Götter."


    Pius war sich gar nicht so sicher, ob seine Schwester ihn jetzt verstanden hatte. Für lange Erklärungen war er aber leider eigentlich auch nicht der richtige Mann, und viel Zeit würde ihm jetzt sowieso nicht mehr bleiben, denn sie kamen der Regia des Cultus jetzt immer näher. Deshalb ließ er seine Hand mal ganz einfach auf Calvinas Schulter; zum Abschied würde er sie gleich sowieso noch einmal richtig drücken.

  • "Ja ich bin mir sicher dass die Götter uns beschützen werden. Sie werden uns behüten, wenn wir dankbar und ehrfürchtig sind."


    Pius hatte schon Recht. Er wurde Soldat wie unser Vater und ich war so götterfürchtig wie unsere Mutter und folgte dem Rat den sie mir in einem meiner Träume gab. Ich werde Vestalin.


    Aber was wollte Pius damit sagen? Für mich war es ganz natürlich dass wir ähnliche Wege wie unsere Eltern gingen. Wir wollten wohl beide unsere Eltern ehren.


    "Nun Pius bald sind wir da. Ich wünsche dir alles Gute!"
    Mit diesen Worten stand ich vor ihm und blickte meinem Bruder ins Gesicht. Es würde eine lange Zeit sein, die wir uns nicht mehr sehen können und ich war etwas traurig. Aber ich war auch glücklich darüber dass wir beide unsere Wege gefunden hatten auf denen wir nun zu gehen gedachten.

  • Auch wenn die beiden Geschwister eigentlich nie soviel Zeit miteinander verbracht hatten, glaubte Pius, Calvina doch gut genug zu kennen, um zu wissen, wie ernst sie die Sätze meinte, die sie noch sagte, während die beiden Sergier die letzten Schritte zur Regia des Cultus zurücklegten. An Pius selbst aber gingen diese Sätze irgendwie schon vorbei. Er richtete seinen Blick auf das Gebäude, in dem seine Schwester gleich verschwinden würde. Nicht, dass er dieses Gebäude noch nie gesehen hatte. Er war ja immerhin in Rom aufgewachsen, und Mutter hatte Calvina und ihn fromm erzogen. Aber seitdem Calvina sich entschlossen hatte, Vestalin zu werden, sah er das alles doch in einem anderen Licht, so wie seine Schwester vielleicht seine Castra betrachten würde, wenn sie da mal hin käme.


    Sie hatten die Regia erreicht, und der Moment des Abschieds kam. Calvina stellte sich vor ihren Bruder hin, und ihm kam es vor, als ob sie ihn mit einer Mischung aus Traurigkeit und gleichzeitig irgendwie stiller Freude ansehen würde. Pius selbst ging es ähnlich, und damit dass auch ja keiner merkte, setzte er jetzt sein Vorhaben um und drückte seine Schwester noch einmal richtig an sich. "Ich wünsche dir auch alles Gute, Calvina! Und ich melde mich, sobald ich kann!" Und damit er sich am Morgen nicht ganz umsonst so gründlich rasiert hätte wie selten, drückte er seiner Schwester noch einen Kuss auf die Wange. Für ihn würde es in wenigen Tagen nach Mantua gehen, und da würden Küsse sicher erst mal Mangelware sein.

  • Nun war also tatsächlich der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Nachdem mein Bruder mich umarmte, drückte auch ich ihn an mich und gab ihm einen Kuss auf die Wange.


    Natürlich wollte ich meinem Bruder so oft schreiben wie es ging, aber ich wollte auch meine neue Aufgabe vom ersten Tag an ernst nehmen. Es war ein Geschenk der Vesta dienen zu dürfen und so sah ich es. Ein Geschenk...nein ein Auftrag der Götter. Und ich würde diesen Auftrag niemals aus den Augen verlieren und stets in Ehren halten.


    Wenn ich es mir recht überlegte war das im Grunde die Sache die ich immer tun wollte. Im Gegensatz zu anderen jungen Mädchen in meinem Alter hatte ich mich nie für die jungen Plebejer interessiert, die sich Ehefrauen suchten. Ich wollte mich den Göttern verpflichten, niemand anderem.

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