[Grundausbildung] Appius Decimus Drusus

Noch früher als sonst hatte sich Drusus zum Beginn einer neuen Ausbildungswelle auf dem Exerzierplatz der Legio II Germanica Fidelis Constans ein. Zwar hatte er schon einmal, und das war mittlerweile durchaus einige Wochen her die Ausbildung einige Probati eigenständig übernommen, doch diese hatte er leider aufgrund einer Krankheit, dank der er auch längerer Zeit im Valetudinarium verbracht hatte, einem anderen Centurio überlassen müssen. Jetzt allerdings war er topfit und brannte regelrecht darauf die neuesten der Neuen niederzubrüllen und kräftig einzuschüchtern.

"Probati, venite!", brüllte der Optio mit einem Stimmorgan, das sich durchaus sehen, oder vielmehr hören lassen konnte über den gesamten Campus.

Schließlich, zum Glück hatte es nicht allzu lange gedauert, sonst hätte er ihnen jetzt schon eine ordentliche Standpauke halten sollen waren alle halbwegs ordentlich angetreten und Drusus, der Nachwuchsschreihals konnte weiter brüllen:

"Probati, ihr habt euch zu zwanzig Jahren, bei manchen vielleicht auch mehr Dienst in der römischen Armee entschlossen. Doch noch seid ihr noch nicht einmal Legionär. Auf dem Weg dorthin werde ich auch begleiten. Ich bin Tiberius Iulius Drusus, für euch zählt allerdings nur mein Rang, Optio! Ich werde euch in den nächsten Wochen zu richtigen Männern machen, die es wert sind als römische Legionäre bezeichnet zu werden! Der Weg dorthin, zur Beförderung zum Legionarius wird allerdings gewiss kein Spaziergang, ganz im Gegenteil er wird steinig und hart und ich werde euch immer wieder Steine in den Weg werfen, Prüfungen, die ihr zu meistern habt! Doch merkt euch eines: Ich mag euch streng und vielleicht auch unmenschlich erscheinen, doch ich bin gerecht!"

Auch Drusus hatte sich in die Schar der Neuen eingereiht.

Das fängt ja gut an,

dachte er,

der da vorne brüllt so laut, daß man ihn kaum versteht. Optio ist er, richtige Männer will er aus uns machen und gerecht ist er.

Drusus war zur Armee gegangen, um Soldat zu werden. Daß er hier mehr Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen und meist nur Schwierigkeiten gegenüberstehen würde, dessen war er sich von vorneherein bewußt.

Folglich ließ er die Einführung des optio über sich ergehen, war sie doch im Grund nichts Neues und bei allen Einheiten gleich, zumindest wie sie ihm sein Bruder beschrieben hatte.

Gut, die Probati schienen verstanden zu haben. Jedenfalls führten sie sich nicht so unverschämt wie die letzte Gruppe auf, die Drusus ausgebildet hatte.

"Probati!", befahl er selbigen nicht mehr ganz so laut wie zuvor, alleridngs immer noch mehr als deutlich. "Wir beginnen gleich mit der ersten Lektion, dem korrekten Umgang mit Offizieren! Wenn ihr einem solchen begegnet habt ihr ihn mit einem 'Salve, Rang Gentilname' zu grüßen. Dabei müsst ihr selbstverständlich auch mit einem schnellen Schlag mit der rechten Faust auf die linke Brust salutieren!"

Mit strenger Miene wanderte Drusus kurz vor der Reihe der Auszubildenden auf und ab und blieb schließlich genau vor seinem Namensvetter, Decimus Drusus stehen. "Du da!", meinte er in militärischem Tonfall und deutete mit seinem Optionenstab auf den Decimer. "Grüße mich!"

Drusus nahm Haltung an.

Schneller Schlag mit der rechten Faust auf die linke Brust, verfassungsmäßiger Blick, laute und deutliche Stimme.

"Salve, optio Iulius".

"Sehr gut", kommentierte Drusus nun so leise, dass es nur der Decimer und seine Nachbarn hören konnten und nickte anerkennend.

"Kommen wir zum nächsten Punkt!", begann der Nachwuchsschreihals im Programm fortzufahren. "Eurer Formation, wenn man das überhaupt als Formation bezeichnen kann! Da ihr scheinbar nicht mal in der Lage seid werdet ihr jetzt drei Runden um den gesamten Exerzierplatz laufen! Und wenn ihr es danach immer noch nicht zusammenbringt, müsst ihr nochmal drei Runden laufen! Los!"

Innerlich leicht amüsiert beobachtete Drusus wie die Probati loszulaufen begannen.

Schließlich, als alle wieder mehr oder weniger abgehetzt zurückkamen konnte der Iulier wieder weiterbrüllen:

"In aciem venite!" (In einer Linie angetreten!)

Der optio hatte sein Los noch nicht ausgebrüllt, da spurtete Drusus los und die anderen probati hinterdrein.

Wäre schön gewesen, dachte Drusus, wenn sich der optio an die Spitze gesetzt und uns erst einmal angeführt hätte. Das hätte gewirkt! Nur brüllen können wir auch!

Als erster hatte er die Runden absolviert und blieb vor dem optio stehen. Die anderen probati kamen nach und nach an bis schließlich der letzte nach Luft schnappend herankeuchte.

Neben Drusus stellten sie sich dann auf und versuchten eine Linie zu bilden. Es war ihr erster Versuch, und ein jeder hoffte, daß dies der optio bei seiner Wertung anerkennen würde.

Aufmerksam beobachtete Drusus die Probati beim Laufen. Den meisten schienen die drei Runden um den Campus keine Probleme zu machen, allerdings war deutlich zu merken, das sich manche schon schwer dabei taten, den Anschluss an die anderen zu halten. Besonders hervor stach erneut der Decimer mit demselben Cognomen. Duetlich vor den meisten anderen kam er als erster wieder vor dem Nachwuchsschreihals an. Erneut nickte der Optio dem Probatus Decimus kurz anerkennend zu.

Umso kritischer beobachtete Drusus schließlich die Reihe, welche die Probati nun vor seinen Augen bildeten. "Das lässt sich aber noch eindeutig verbessern!", kommentierte er selbiger mit leicht vorwurfsvoller Stimme. "Aber immerhin besser als vorher."

"Probati!", setzte Drusus das Ausbildungsprogramm sofort fort. "Als nächstes kommen wir zum Marschieren! Damit werdet ihr wohl den größten Teil eures Legionärsleben verbringen, und wer weiß wo hin es euch noch führen wird! Jedenfalls marschieren wir nicht irgendwie, sind ja keine unzivilisierten Barbaren! Vielmehr marschiert eine vollständige Centurie normalerweise in zwanzig Viererreihen, gegebenenfalls, bei unwegsamen, engem Gelände auch noch weiter auseinandergezogen. Wir werden aber nur das Standardschema üben!

In agmen Venite! (In Marschkolonne angetreten!)

Pergite aequatis passibus!" (Im Gleichschritt Marsch!)

Augenblicklich nach diesen beiden kurz aufeinanderfolgenden Bewegungen setzte sich Drusus in Bewegung um seine Marschkolonne mehrmals um den Campus zu führen...

Ehe sich Drusus versah, fand er sich in der ersten Viererreihe der Marschkolonne, wobei "Marsch" vielleicht in Ordnung, die "Kolonne" jedoch sehr zu wünschen übrig ließ.

In der ersten Reihe hatte er den Vorteil, keinen Vordermann zu haben, auf dessen Abstand geachtet werden mußte, und so konnte er sich voll auf die Ausführung des Kommandos konzentrieren.

Auf das Kommando Pergite aequatis passibus trat er mit dem linken Fuß an und marschierte los. Doch das, was er neben und hinter sich sah, war alles andere als "aequatis passibus".

An die Folgen wagte er nicht zu denken!

Nachdem die Gruppe der Probati gemeinsam mit ihrem Ausbilder die ersten Meter marschiert war, ließ sich Drusus ein wenig zurück fallen um seinen Auszubildenden ein wenig genauer auf die Füße schauen zu können. Dort tat sich dem Iulier ein Bild des Grauens auf. Bis auf wenige Ausnahmen marschierten alle komplett aus dem Takt. Eigentlich ein Wunder, dass sie sich noch nicht gegenseitig auf die Caligae gestiegen waren und in der Folge dessen der Reihe nach umgefallen waren!

"Meine Großmutter marschiert ja gleichmäßiger als ihr!", brüllte der Nachwuchsschreihals, auch wenn er seine Großmutter noch nicht einmal gekannt hatte. Da sich die Ungleichmäßigkeit im Marschieren der Probati nicht einstellen wollte, begann der Optio Iulius seinen Schützlingen den Takt vorzugeben: "Laevum, laevum, laevum..."

... links, zwo, drei, vier ...

Drusus marschierte und marschierte.

Laevum, laevum ... Geradeaus zu marschieren ist doch keine Kunst.

Laevum, laevum ... Er bewunderte die Geduld des optio.

Laevum, laevum ... Hoffentlich kommen keine Wendungen!

"Verdammt, paß` doch auf", rief Drusus seinem Hintermann zu, als dessen Fuß seine Ferse erwischte.

Laevum, laevum ... Wann kommt der Befehl zum Halten?

"Laevum, laevum, laevum...", gab Drusus weiterhin geduldig den Takt vor. Währenddessen warf der Iulier ein kritisches Auge auf die ungeübten und auch unkoordinierten Probati. Zwar verbesserte sich die Leistung der Neuen stetig, doch es fehlte einfach die nötige Übung!

Am nächsten Tag würde Drusus neben dem für gewöhnlich angesetzten Ringen noch eine extra Runde Marschieren einlegen...

Schließlich, sie hatten gerade wieder eine Runde beendet brüllte der Nachwuchsschreihals abrupt:

"Consistite!" (Halt!)

"Milites, venite et state!" (Soldaten, angetreten und stillgestanden!)

"Probati!", zog der Optio brüllend Resume. "Auch wenn das euer erster Tag war, so erwarte ich in den nächsten Tagen doch deutlich bessere Leistung! Was den morgigen Tag betrifft, könnt ihr eure Rüstungen in den Barracken lassen, es steht nämlich Ringen an!

Abite!" (Abtreten!)

Drusus selbst zog sich ebenfalls in seine Stube zurück um sich ein Abendessen zu kochen und später vielleicht noch in den Thermen vorbeizuschauen...

Drusus hatte sich die Haken zwar nicht wundgelaufen, aber das lange Marschieren machte sich in seinen Beinen doch bemerkbar.

Endlich beendete das Abite des optio den ersten Ausbildungstag und das Einrücken in die Unterkünfte bedeutete für diesen Tag zunächst einmal Ruhe ... zunächst!

Nachdem Drusus, der eine unruhige Nacht hinter sich hatte und dementsprechend gelaunt war gefrühstückt hatte fand er sich früh Morgens auf dem Campus ein um seinen Probati an jenem Tag das Ringen beizubringen.

"Probati, Venite!", brüllte der Nachwuchsschreihals schließlich über die Köpfe der Probati mit seiner Exerzierplatzstimme hinweg. Nachdem alle angetreten waren setzte der Iulier seine Ansprache fort: "Heute steht das Ringen auf dem Plan, Probati! Doch eines vorweg: Ich will hier keine Spelunken Schlägereien sehen, sondern ordentliche eines Römers würdige Ringkämpfer sehen! Das heißt, keine hinterlistigen Attacken, oder Schläge beziehungsweise Tritte in Gegenden wie den Kopf, oder die Eier, ist das klar? Ich will schließlich keine Kastraten in meiner Einheit! Ansonsten könnt ihr ruhig ordentlich zulangen!"

Mit ernstem Blick musterte Drusus seine Rekruten.

"Doch bevor wir mit dem Ringen anfangen, macht ihr mir erstmal dreißig ordentliche Liegestütze! Auf den Boden und laut mitzählen!", fügte der Nachwuchsschreihals noch hinzu. Ein wenig aufwärmen musste ja sein...

Liegestütze! Nichts lieber als das! Weit besser als das Ringen!

So ging es Drusus durch den Kopf. Dann ließ er sich zu Boden fallen, federte seinen Körper mit den Armen ab und begann, wie schon einmal, laut zählend mit den Liegestützen, wobei er sich an sein bereits bewährtes System hielt.

"Unus, duo, tres,"

Drusus stemmte sich hoch und tippte kurz mit der Brust den Boden an ...

"quattuor, quinque, sex,"

... gleichmäßig und ohne Hast pumpte er weiter ...

"decem, undecim, duodecim,"

... und gleichmäßig atmete er aus und ein ...

"sedecim, septemdecim, duodeviginti",

... er verspürte ein leichtes Kribbeln in den Oberarmen ...

"viginti duo, viginti tres, viginti quattuor",

... noch hielt er die Gleichmäßigkeit der Liegestützen ein ...

"triginta".

Und wieder geschafft! Und wieder nur ein paar Schweißperlen auf der Stirn. Er stand auf und schüttelte zur Entspannung Arme und Beine aus. Nicht gerade erfreut sah er dem Ringen, für das ihm jeglicher Sinn fehlte, entgegen. Für ihn stand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß er nie mit einem Feind auf diese Art kämpfen würde.

"Na wenigstens das könnt ihr!", brüllte Drusus, der heute bekanntlich besonders schlecht gelaunt war über den Platz. Tatsächlich war er wirklich nicht unzufrieden mit den Probati, immerhin war noch keiner umgeklappt, oder ähnliches.

"Sucht euch jetzt einen Partner und legt los!", befahl der Nachwuchsschreihals seinen Schützlingen.

Sobald die Probati loslegten und sich ihre Gegner suchten begann Drusus herumzustreifen und dne Probati ordentlich auf die Finger zu schauen.

Drusus sah seinen Nebenmann, der sich nach Luft schnappend von der letzten Liegestütze erhob, an. Er wie wie er von gleicher Statur und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

"Was meinst du, ringen wir miteinander?"

"In Ordnung, bringen wir`s hinter uns!"

Nur mit einem Schurz bekleidet gingen die "Gegner" aufeinander zu. Der stank so nach Schweiß, daß Drusus unwillkürlich zurücktrat. Der wiederum nutzte die Situation aus und preßte ihn mit aller Kraft an sich.

Dies kam wiederum Drusus zugute, denn der glitschige Körper des anderen ließ ihn seinem Gegner regelrecht aus den Händen gleiten, der dies nicht bedacht hatte und sich unwillkürlich in einem "Schwitzkasten" befand.

"Hör` auf zu drücken, du hast gewonnen," winselte der andere.

"Ich bin nicht so, du bekommst eine Revanche," meinte Drusus, der sich an den unangenehmen Geruch des anderen gewöhnt hatte, wohlwollend.

Bei ihrem zweiten Treffen versuchten die beiden, wie es der optio befohlen hatte, sich wie eines Römers würdige Ringkämpfer verhalten.

Sie schnauften, preßten, drückten, wurden schnell zu Boden geworfen, standen noch schneller wieder auf, hielten den "Schwitzkasten" und lösten ihn wieder auf, kurzum, selbst ein eingeweihter Beobachter mochte nicht mehr zu entscheiden, wer von den beiden besser oder schlechter oder gar ein Sieger war.

Letzte Instanz hierfür war jedoch der optio!

Wie üblich wenn es ans Ringen ging marschierte Drusus durch die Reihen der gegeinander ringenden Probati, beobachtete selbige äußerst kritisch und teilte ihnen gegebenenfalls mit was sie besser machen könnten beziehungsweise setzte auch bei gröberer Unfähgikeit seinen Optiostab ein.

Schließlich blieb er bei einer Paarung stehen, die ihm schon zuvor aufgefallen war. Einer von den beiden war der junge Decimer, den der Iulier mittlerweile schon näher kannte. Es war ein interessanter Kampf den die beiden da ausfochten. Bei der ersten Runde gewann Decimus Drusus mehr als klar, bei der zweiten war das allerdings wirklich nicht mehr zu erkennen, zu gleich rangen die Probati.

"Probati!", befahl der Nachwuchsschreihals nach einiger Zeit. "Sucht euch jetzt einen anderen Partner und fangt von vorne an!"

Drusus sah seinen Gegner enttäuscht an.

"Gerade, wo wir uns aufeinander eingestellt hatten, müssen wir die Partner wechseln; schade, du warst wirklich gut!"

"Ist nicht wahr, du warst nicht, du bist besser. Aber es hat mit dir Spaß gemacht, du hast fair gekämpft!"

Er drehte sich nach links, als ein untersetzter Bursche auf ihn zu kam, und ihm ohne Vorwarnung den rechten Arm auf den Rücken drehte und ihm diesen fast ausrenkte.

Drusus zog mit seinem rechten Bein aus und stieß dem anderen seinen rechten Fuß derart in das linke Bein, daß ihn der losließ, das Gleichgewicht verlor und wie ein Sack zu Boden fiel.

"Eines Römers würdige Ringkämpfer, hat der optio gesagt!"

Und noch einmal wie schon gehabt: Sie schnauften, preßten, drückten, wurden schnell zu Boden geworfen, standen noch schneller wieder auf, hielten den "Schwitzkasten" und lösten ihn wieder auf.

Der Untersetzter war ein guter Ringkämpfer. Aber nach dem letzten Schwitzkasten konnte er nicht mehr.

"Wann hat der optio endlich ein Einsehen?"

Soweit Drusus das überblicken konnte hatten die meisten Probati auch die zweite Runde ihrer Kämpfe hinter sich gebracht und so konnte der Iulier zu dem letzten Punkt des Tages, der Iwderholung des gestrigen Maschierens kommen.

"Probati, venite!", befahl der Nachwuchsschreihals seinen Rekruten mit kräftigem Stimmorgan. "Das Ringen ist hiermit abgeschlossen. Zwar ist eure Leistung definitiv noch stark verbesserungswürdig, doch teilweise habt ihr euch schon ganz gut geschlagen!"

Der Optio und Ausbilder musterte seine Probati streng und versuchte selbige durchaus ein wenig einzuschüchtern. "Was man allerdings nicht von eurer gestrigen Leistung beim Marschieren behaupten kann", fuhr der Iulier fort. "Deshalb werden wir jetzt noch eine Runde durchs Intervallum drehen!"

"In agmen venite!

Pergite aequatis passibus!"

Augenblicklich führte Drusus seine Ausbildungsgruppe durch die Porta Principalis Sinistra ins Intervallum und stimmte wieder in den altbekannten Takt ein: "Laevum, laevum, laevum..."