atrium | Heimkehr

  • Natürlich ließ Ursus sogleich seinen Blick schweifen, um alle Veränderungen festzustellen. Immerhin hatte Corvinus ja etwas von Umbauarbeiten geschrieben. Und auch sonst gab es immer Kleinigkeiten, die sich im Laufe der Zeit veränderten. Und ein Jahr war eine verflixt lange Zeit. Während die Sklaven das Gepäck hereinbrachten und sich darum kümmerten, daß sein Zimmer fertig gemacht wurde, griff sich Ursus den kleinen Jungen, der gerade dafür gesorgt hatte, daß ihm ein kleiner Imbiß bereitet wurde. "Flitz los und berichte Corvinus, daß ich da bin", forderte er den Jungen auf, der daraufhin davonstob.


    Dann ließ er sich auf einer der Bänke am Impluvium nieder und genoß es einfach, sich ausruhen und an einem Becher Wein nippen zu können. Nur wenige Minuten später wurde ihm ein Teller mit Käse, Brot und Oliven gereicht, völlig ausreichend für den Moment. Nun fehlte nur noch der Rest der Familie. Ursus wußte nicht einmal so genau, wer überhaupt da war. Vor allem fragte er sich, was mit seiner Schwester war. Sie hatte ihm nicht ein einziges mal geschrieben, was ihn doch ziemlich enttäuscht hatte.

  • Mit dem Rücken zum Haus hatte ich im Garten vor einer Neuerwerbung gestanden - einer Orchidee - und sie bewundert, als der Junge erschien, um mir die erste freudige Botschaft seit der Ankunft Cottas zu bringen: Ursus war ebenfalls heimgekehrt. Es schien mir seltsam zu sein. Nach so vielen, von der Missgunst der Götter erfüllten Wochen, geschahen nun Dinge, die mir das Herz leichter werden lassen. Es war ungemein befreiend. So war es auch kein Wunder, dass ich schneller an dem Knaben vorbei war, als er sich umdrehen und mir vorausgehen konnte.


    "Titus!" rief ich aus, lächelnd von einem Ohr zum anderen. Mich dann aber besinnend, nahm ich meinen Schritten ein wenig Schnelligkeit und ging gemäßigter auf Ursus zu, um ihn zu umarmen und einige Male auf den Rücken zu klopfen. "Ich hatte jeden Tag mit deiner Ankunft gerechnet. Hast du keinen Boten vorausgeschickt?" fragte ich.

  • Erst jetzt, als er sich erleichtert fühlte, bemerkte Ursus so richtig, daß er der Begegnung mit Corvinus doch mit einiger Nervosität entgegengeblickt hatte. Es hatte in der Vergangenheit harte und verletzende Worte zwischen ihnen gegeben. Erst an jenem Abend, als sie sich gemeinsam betrunken hatten, war ein zwangloses Gespräch möglich gewesen. Und der Ton in den Briefen war offen und herzlich gewesen. Ursus hatte sich gewünscht, daß dieser herzliche Ton und diese Offenheit sich erhalten würden, wenn sie sich wieder gegenüber standen. Und es schien auch tatsächlich so zu sein. Die Freude sah ehrlich aus, schon die Eile, mit der Corvinus ins Atrium kam.


    Ursus erhob sich und trat auf Corvinus zu, um ihn zu umarmen. "Marcus!" Auch Ursus lächelte breit und mit offensichtlicher Freude. "Ich dachte, es ist besser euch zu überraschen, damit ihr nicht das Haus verrammeln und flüchten könnt", versuchte er sich an einem kleinen Scherz. "Ach, es tut gut, wieder zuhause zu sein. Wie geht es Dir? Und allen anderen? Meine treulose Schwester hat mir nicht ein einziges mal geschrieben, stell Dir mal vor." Peinlichst vermied er das Thema Fhionn. Das hatte Zeit. Nun endlich einmal konnten sie vernünftig miteinander reden, das wollte Ursus nicht durch diese unglückselige Sache kaputt machen. Nicht jetzt. Er wolle heimkommen und sich darüber freuen können. Natürlich war es eine Art von Selbstbetrug. Das wußte er auch. Trotzdem schaffte er es, diesen Gedanken beiseite zu schieben.

  • Avianus war auch nicht in weiter Ferne, als er Stimmen vernahm und seinen Onkel mit jemandem reden hörte. Er hörte den Namen Titus von seinem Onkel rufen... war Ursus etwa aus Germanien zurückgekommen? Sofort flitzte auch Avianus in die Richtung, aus welcher die Stimmen vernahm, in der Vorfreude, seinen Cousin nach so langer Zeit wieder sehen zu können. Seine Vorahnung bestätigte sich, als er Ursus höchstselbst auf einer Bänke am Impluvium sitzen sah. Corvinus war ihm zuvor gekommen und hatte Ursus schon herzlich empfangen. Aber nun war Avianus dran.


    "Ursus, Vetter!", rief Avianus glücklich und umarmte Ursus stürmisch. Der Militärdienst in der II schien ihn verändert zu haben, genauso wie seinen Körperbau... oder war es einfach die Zeit, die verstrichen ist? "Ach Ursus! Wie ist es dir in Germanien ergangen? Hier hat was gefehlt, als du fort warst! Ich sehe schon, du scheinst abgenommen zu haben!". Nicht, dass Ursus jemals dick war. Aber man merkte doch sofort den Unterschied zwischen vor und nach der Legion. In seiner Wiedersehensfreude lachte Avianus Corvinus und seinen Cousin gleichzeitig an. Er schien das Glück in Person zu sein!
    Der junge Aurelier wandte sich an einige schaulustige Sklaven, welche sich versammelt hatten, um dem Geschehen beizuwohnen. Ursus sehnte sich sicher nach einem entspannenden Bad. "Schnell, bereitet für Ursus ein Bad vor!". Emsig gingen die Sklaven ihrer neuen Aufgabe nach.

  • Grinsend setzte ich mich und stahl eine Olive vom Teller, den sich Ursus wohl hatte bringen lassen. "Ich sollte wohl besser nicht zugeben, dass du uns durchschaut hast", gab ich zurück und zwinkerte. "Sonst nimmst du vielleicht gleich wieder reißaus. Aber ich verstehe, was du meinst. Mir ging es nicht anders, als ich nach meinem Tribunat wieder heimgekehrt bin. Anders als du hatte ich ja noch Deandra und eine Vielzahl mehr an Sklaven dabei." Mein Lächeln verblasste ein wenig, als ich an sie dachte, nicht ahnend, was inzwischen aus ihr geworden war. Seufzend konzentrierte ich mich wieder auf Ursus.


    "Den anderen geht es soweit gut, denke ich. Die ganzen Geschehnisse der letzten Zeit haben natürlich ihre Spuren hinterlassen. Bei uns allen." Ich lächelte schwach, fuhr jedoch gleich fort. "Minervina hat sich mit einer Flavia angefreundet, die beiden unternehmen viel, auch zusammen mit Prisca. Und Helena...ist vor ein paar Tagen aufgebrochen. Ich habe sie zu Matidia geschickt., es war besser so." Sisenna war ebenfalls bei ihrer Tante im Süden Italiens. Helena würde sich nicht langweilen, und sie hatte Zeit, sich wieder am Leben zu erfreuen. Ich schwieg betreten. Uns beiden war klar, dass dies nicht der einzige Grund gewesen war, aus dem ich sie fortgeschickt hatte. Andererseits hatte sie es selbst vorgeschlagen, also traf mich nur ein klein wenig Schuld.

  • Ursus stellte den Teller zwischen sie beide, so konnten sie beide davon nehmen. "Nein, das solltest Du wahrhaftig nicht zugeben, auch wenn es mehr bedarf, um mich abzuschrecken", lachte er amüsiert, wurde dann aber auch ernster, als er die Wandlung in der Miene des Onkels bemerkte. Deandra war also auch immer noch ein empfindliches Thema. "Sertorio war in Germanien nicht besonders glücklich. Caelyn auch nicht, obwohl sie am Schluß geradezu mürrisch wurde, als es an die Abreise ging. Verstehe einer die Frauen. Vielleicht mag sie die Reise an sich nicht, oder was auch immer. Übrigens habe ich noch jemanden mitgebracht. Louan. Er ist der Bruder von Caelyn und ich möchte ihm helfen, ein anständiges Leben zu führen. Caelyn ist wesentlich ruhiger und zuverlässiger geworden, seit sie ihren Bruder in Sicherheit weiß. Und er ist durchaus willig." Auch wenn er letzteres nur war, weil er sich erhoffte, Caelyn eines Tages freikaufen zu können. Doch was machte es schon, warum jemand etwas tat, solange er es nur tatsächlich tat?


    Die Geschehnisse der letzten Zeit ließ Ursus erst einmal unkommentiert, denn anscheinend wollte auch Corvinus sich im Moment nicht näher darüber auslassen. Was Ursus nur ganz recht war. Daß der Tod Fhionns bei allen seine Spuren hinterlassen hatte, war ja schließlich kein Wunder. "Helena ist abgereist? Nun, ich hoffe, sie bekommt sich in den Griff. Ich werde ihr schreiben, vielleicht mag sie ja dieses mal antworten." Auch von ihr hatte Ursus keinen Brief bekommen, was ihn sehr gewundert hatte, nachdem sie doch zuletzt so ein vertrauliches Verhältnis zueinander gehabt hatten. "Schön, daß wenigstens Minervina glücklich ist. - Du siehst müde aus, Corvinus. Arbeitest Du wieder zuviel? Nun, ich hoffe, Du wälzt einen Teil der Arbeit auf mich ab, es nützt niemandem etwas, wenn Du Dich so kaputt machst."


    Plötzlich hörte Ursus seinen Namen rufen und blickte auf. "Avianus?" Er stand natürlich auf und lachte, als der Vetter ihn so stürmisch umarmte. Auch bei ihm schien die Freude echt und sogar geradezu überschäumend zu sein. Das tat gut. Wirklich gut. Er hätte nicht gedacht, daß er derart vermißt worden war. "Mir ist es gut ergangen und ja, das viele Training und die tagelangen Ritte haben ihre Spuren hinterlassen. Ich hoffe, ich verliere diese Topform nicht gleich wieder. Schade, daß Cadhla nicht mehr da ist, ich könnte einen Trainingspartner gebrauchen." Das mit dem Bad war wirklich eine hervorragende Idee. Ursus hatte ganz vergessen, die Anweisung dazu zu geben.


    "Komm, setz Dich auch dazu. Und berichtet mir alle Neuigkeiten, ja? Was ist los in Rom? Wer sind die Männer, die der Kaiser fördert? Hat er schon jemanden abgesägt? Tiberius, wirst Du auch in die Politik gehen?" Viele Fragen, doch Ursus hatte ja tatsächlich einiges nachzuholen.

  • Seit Tagen gab es innerhalb der Mauern der villa Aurelia in Roma kaum ein Thema, welches mit so großer Vorfreude und solch strahlenden Augen besprochen wurde wie die baldigst erwartete Ankunft von Ursus aus Germania. Als ich vom impluvium her zunächst fröhliche Laute, dann Sklavengerenne und schließlich mehrere Männerstimmen hörte, wusste ich, dass es nun soweit war.


    Meine erste Reaktion war natürlich, dass ich aufsprang und meine Kleidung richtete, um mich so schnell wie möglich denjenigen anzuschließen, die Ursus jetzt willkommen hießen. Als ich jedoch den Griff meiner Zimmertür in der Hand hielt, zögerte ich. Wie würde Ursus, gerade Ursus, meine Rückkehr und mich selbst hier aufnehmen? Bei aller Hochachtung und echten Sympathie, die wir füreinander empfunden hatten, hatte zwischen uns doch auch eine gewisse Rivalität geherrscht. Gegenseitig hatten wir uns angespornt für unser beider politische Karriere zum Wohle Roms und zum Segen der gens - eine Karriere, die Ursus mit Glanz beschritten hatte, für die ich nun aber, und wie es schien, endgültig, ausfiel. Meine Sorge bestand darin, von Ursus - und vielleicht auch nicht nur von ihm - nicht mehr ernst genommen zu werden. Doch in dem Moment, in dem ich mir diese Furcht eingestand, erwachte auch schon ein gewisser Kampfgeist in mir, der mir ein "Jetzt erst recht" ins Ohr flüsterte und mich dazu brachte, mit festen Schritten in Richtung des impluviums zu gehen. Außerdem kam es natürlich gar nicht in Frage, dass ich mich bei der Begrüßung von Ursus etwa ohne Grund verleugnen lassen würde.


    Da nun der Empfang meines Vetters, wie schon mehrfach erwähnt, gerade im impluvium stattfand, bot sich mir die Gelegenheit, schon von weitem einige Gesprächsfetzen aufzuschnappen, die Ursus mit Corvinus und dann auch mit Avianus austauschte, ohne dabei selbst von den dreien gesehen zu werden. Als ich gewahr wurde, dass man sich über Angelegenheiten der gens besprach, hielt ich inne und begann, ganz gegen meine Gewohnheit, zu lauschen, ob nicht etwa auch mein Name fallen würde, und vor allem: wenn er denn fallen würde - in welchem Licht. Statt von "Cotta" war jedoch von anderen die Rede; einmal mehr musste ich feststellen, wieviel mir in meiner Abwesenheit entgangen war, denn vieles von dem, was auch hier im trauten Kreis nur angedeutet wurde, konnte ich ganz und gar nicht einordnen. Es befiel mich in diesem Augenblick wieder jenes Gefühl, unter dem ich vor meiner Flucht so oft gelitten hatte in der villa Aurelia in Roma: das Gefühl, hier eigentlich nicht dazu zu gehören. Doch wieder meldete sich mein genius und trieb mich "nun erst recht" an, mich zu meinen Verwandten zu gesellen. Ohne weiteres Zögern trat ich an die Gruppe von drei Aurelii heran.


    "Salve Ursus! Ich freue mich sehr, dich endlich wiederzusehen!"


    Corvinus und Avianus grüßte ich mit einem Nicken.

  • Noch bevor einer der beiden hatte antworten können, kam jemand dazu, mit dem Ursus nicht im geringsten gerechnet hatte. Weshalb auch sein Name bisher nicht gefallen war. Die Verblüffung und Überraschung standen Ursus ins Gesicht geschrieben, als er aufsprang, um den Vetter zu begrüßen. "Cotta? Cotta, bist Du das wirklich? Du bist hier? Ich glaubte Dich in Aegyptus! Was für eine Freude, Dich hier zu sehen! Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, weil so lange keine Nachricht gekommen war!" Freudestrahlend umarte Ursus den Vetter, der ihm auch ein Freund war. Trotz der Rivalität, die zwischen ihnen immer so ein bißchen geherrscht hatte. Doch hatte sie ihre Beziehung nie vergiftet, sondern sie einfach gegenseitig angespornt. Ursus hatte nie verstanden, warum Cotta sich auf einmal aus diesem kleinen, fast schon sportlichen Wettstreit zurückgezogen hatte. Doch das war keine Frage, die in diesem Moment zu stellen war. Sie würden sicher mal die Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch finden.


    "Komm, setz' Dich dazu, erzähl von Deiner Reise. Du siehst irgendwie müde aus. Sicher bist Du auch vor kurzem erst angekommen?" Ursus sah von einem zum anderen. Wirklich frisch und munter wirkte eigentlich nur Avianus. Gut, er war auch der jüngste der Anwesenden und vermutlich noch am wenigsten mit den Problemen belastet, die das Leben so mit sich brachte. Nun wartete er auf Antworten auf all die Fragen, die aus ihm herausgesprudelt waren.

  • Sich ruhig zu setzen, fiel Avianus angesichts seiner Freude zwar schwer, doch tat er dies trotzdem. Ursus hatte sich ohne Widerstand umarmen lassen, doch wie war dies auch möglich, wenn ein glücklicher Avianus auf jemanden zustürmte und demjenigen gleich um den Hals fiel? Die Beziehung zwischen den beiden Vettern könnte man schon als brüderlich abtun, denn sie waren beide in Rom aufgewachsen und hatten zusammen genügend Unfug angstellt. Man wusste eigentlich nicht, welcher von den Beiden der Wildere war. Sie hatten sich regelmäßig zusammen auf Kindereien und Streiche geeinigt.
    Viel zu erzählen hatte Avianus allerdings wirklich nicht, war er doch selbst nicht allzu lange da. Mit seinem Bruder Catulus hatte er seine Mutter in ihr Neues Heim gebracht, welches weit weg von Rom war. Somit ging unglaublich viel an einen Menschen vorbei, auch wenn sich die wichtigsten Geschehenisse wahrscheinlich in der ewigen Stadt abspielten und in aller Munde waren!


    "Politisch wird dir Corvinus wohl mehr erzählen können, da ich auch nicht allzu lange da war und noch uninformiert bin. Ich war mit Catulus in weiter Ferne, um Mutter in eine neue Villa Rustica zu bringen. Sie wird es dort wohl schön haben, ohne Zweifel.". Als Avianus gerade beendet hatte, fand sich auch Cotta in die Familienrunde ein. Er entgegnete ebenso mit einem Nicken.

  • Die freudige Begrüßung, die Ursus mir zuteil werden ließ, löste eine unbeschreibliche Erleichterung in mir aus, welche mich selbst überraschte und mein Gesicht fast ein wenig gegen meinen Willen mit einem für mich doch sehr ungewöhnlichen Strahlen überzog. Der Grund hierfür war vielleicht, dass Ursus' Reaktion so offensichtlich aufrichtig war, denn auch eine anfängliche Verblüffung über mein Erscheinen hatte er durchaus nicht zu verbergen gesucht. Nachdem diese jedoch einer echten Freude gewichen war, ließ auch ich es mir nicht nehmen, meinen - wie mir schien, nun muskulöseren - Vetter herzlich zu umarmen, und gern ließ ich mich von ihm beinahe schon auf eine der Bänke drücken.


    Nachdenklich stimmte mich allerdings, dass Ursus sofort bemerkte, wie müde ich aussähe, und dies, obwohl ich heute doch einen meiner besseren Tage hatte. Ich beschloss, die Aufmerksamkeit nach Möglichkeit von dieser Tatsache wegzulenken, wenn auch nur kurz, denn an der nun folgenden Äußerung von Avianus konnte ich erkennen, dass ich hier ein wenig störend in ein Gespräch eingedrungen war, in dem es um Politik und die Familie ging - beides Themen, zu denen ich ja nun leider noch nicht allzuviel beizutragen hatte - und natürlich um Ursus selbst und seine Erlebnisse, die auch mich wesentlich mehr interessierten als meine eigenen Erfahrungen in der Wüste.


    "Ja, Ursus, ich selbst bin erst vor wenigen Tagen hier eingetroffen und muss mich noch ein wenig akklimatisieren. Von Aegyptus habe ich vor allem die Wüste gesehen; das, was ich darüber vielleicht erzählen könnte, ist ganz sicher nicht so interessant wie deine steile Karriere, zu der ich dir herzlich gratuliere, und natürlich die Frage, wie dir denn bei der Legion der puls geschmeckt hat."


    Ich hoffte, dass es mir durch diese launige Bemerkung gelungen war, die Aufmerksamkeit wieder auf den zu lenken, dem sie am heutigen Tag ganz allein gebührte: Titus Aurelius Ursus.

  • Allmählich wurde es nicht nur eng an Sitzplätzen, auch vom Überschwang schien die Luft zu vibrieren. Als nun auch noch einige Sklaven hinzukamen und die einzelnen Familienmitglieder fragten, was sie zu trinken wünschten, erhob ich mich wieder. Mit Cotta und Avianus schien das Empfangskommitee eine geeignete Größe zu haben, und Ursus und ich würden später noch Gelegenheit bekommen, ausgiebig miteinander zu reden. "Ich lasse euch mal allein, entschuldigt mich", sagte ich. Zu Ursus gewand folgte noch ein "Es ist schön, dass du wieder zurück bist." Dann ließ ich die drei allein und ging in den Garten, dorthin, wo ich auch zuvor gestanden und die Orchidee bewundert hatte. Sie alle hatten sich gewiss viel zu erzählen. Ich konnte warten. Warten war das kleinste meiner derzeitigen Übel.

  • Ja, es wurde wirklich etwas eng mit den Sitzplätzen, doch irgendwie auch gemütlich und vertraulich. Eine Nähe zwischen den Familienmitgliedern, wie Ursus sie schon sehr lange vermißt hatte. Umso enttäuschter war er, daß Corvinus sich so bald aus dieser Vertraulichkeit zurückzog. Er konnte ja nicht ahnen, was die Gründe dafür waren. "Ich bin auch froh, daß ich wieder zurück bin. Und... wenn Du erlaubst, werde ich Dich morgen aufsuchen, damit wir uns in Ruhe besprechen können." Einen Moment lang blickte er Corvinus hinterher, dann wandte er sich wieder den anderen beiden zu.


    "Corvinus schrieb mir, daß ihr beide wieder hier seid, Catulus und Du. Wo steckt denn der Schwerenöter überhaupt? - Und Aegyptus hat nur die Wüste zu bieten? Ich dachte, wenigstens Alexandria wäre ein Ort, an dem man es aushalten kann. Ganz ehrlich, ich kann Aegyptus nicht viel abgewinnen, nach allem, was ich darüber weiß. Germanien hingegen ist durchaus sehenswert, wenn man nicht gerade den grauen, nassen Herbst erwischt. Im Winter liegt der Schnee so hoch", er deutete mit der Hand die Höhe an. "Es ist ein eigenartiges Vergnügen durch eine frische, unberührte Schneefläche durchzulaufen. Auch wenn man sie damit kaputt macht, man kann nicht anders, als da durchstapfen." Er lachte, der Schnee hatte ihn schon ziemlich fasziniert.


    "Die Wälder sind gewaltig und teilweise wirklich furchteinflößend. Wo sie richtig dicht sind, ist es so dunkel, daß man kaum etwas sehen kann, aber wenn man auf einer Anhöhe steht und den Blick über die Landschaft schweifen läßt, dann ist sie auf eine raue Art wunderschön. So unglaublich grün und dicht bewachsen, richtig urtümlich und voller Leben. Da ich ja für den Limesausbau zuständig war, habe ich einiges von Germanien gesehen. Und ich war auch einmal in Magna. Mit Quästor Germanicus zusammen auf diplomatischer Mission bei den Mattiakern. Erst waren sie sehr mißtrauisch - und wir daraufhin natürlich auch. Aber als das Eis erstmal gebrochen war, haben sie uns überwältigende Gastfreundschaft gewährt. Ich sage euch, laßt euch niemals darauf ein, mit Germanen zu trinken. Obwohl ich sehr aufgepaßt und sehr viel weniger getrunken habe als die Germanen, war ich am Ende doch ziemlich duselig im Kopf. Met ist ein unglaublich hinterhältiges Zeug, aber sehr lecker. Ich habe etwas davon mitgebracht, dann könnt ihr mal probieren. - Ja, und der Puls... ich habe keine Ahnung, wie der schmeckt", lachte Ursus in die Richtung von Cotta. "Ich hatte ja Sertorio dabei und der ist zum Glück ein begnadeter Koch."


    Er blickte Cotta weiterhin an. "Erinnerst Du Dich, daß wir damals über den Militärdienst gesprochen haben? Ich dachte, ich würde mich dort nicht am rechten Platz fühlen und sah der Sache mit großem Mißtrauen entgegen. Aber es kam ganz anders, ich habe mich im Gegenteil sehr wohl da gefühlt. Das habe ich natürlich zu einem großen Teil Tribun Terentius zu verdanken. Er hat mich in alles geduldig eingearbeitet und vor allem hat er mir erstmal richtig reiten beigebracht. Als Kommandant der Reiterei sollte ich mich ja nicht völlig blamieren. Das war auch so eine Sache, ein Kommando zu erhalten, ohne Erfahrungen damit zu haben. Doch ich hatte brauchbare Offiziere und sehr gute Soldaten unter meinem Kommando, sie haben mir die Sache sehr erleichtert. Legat Vinicius Lucianus hat mir großes Vertrauen entgegen gebracht und ich denke, ich habe ihn nicht enttäuscht. Übrigens ist er mittlerweile mein Patron." Er machte eine kurze Pause.


    "So, genug von mir. Jetzt zu euch. Wie sehen eure Pläne aus, werdet ihr euch jetzt in die Karriere stürzen? Cotta, Du mußt Dich ganz schön ranhalten, wenn Du mich einholen willst", scherzte er, ohne zu ahnen, in welches Fettnäpfchen er damit sprang. "Avianus, Du wirst doch auch in die Politik wollen, oder was hast Du vor zu tun?"

  • Gerade als Ursus so richtig anfangen wollte, uns von allem zu erzählen, erhob sich zu meiner großen Überraschung - und wohl auch zu der von Avianus und Ursus - Corvinus, der sich nurmehr von uns verabschiedete und sich dann zurückzog. So ganz wusste ich nicht, wie ich dieses Verhalten einordnen sollte, und schon neigte ich wieder einmal dazu, es auf mich zu beziehen. Andererseits hatte ich natürlich schon in den wenigen Tagen, die ich nun in der villa Aurelia hier in Roma weilte, mitbekommen, welch merkwürdige Stimmung hier herrschte, und Corvinus als der eigentliche Herr dieses Hauses war davon natürlich noch ganz anders betroffen als ich. Auch diese Stimmung konnte ich nicht einordnen, und zu einem längeren Gespräch mit Marcus war es, nicht zu letzt aufgrund meiner Erkrankung, auch noch nicht gekommen.


    Nun war er also gegangen. Dafür begann Ursus nun in aller Ausführlichkeit die Neugierde von mir und sicher auch von Avianus zu befriedigen, indem er von seiner Zeit in Germania erzählte. Mit großen, strahlenden Augen hing ich dabei an seinen Lippen. Als er geendet hatte, konnte ich nicht mehr an mich halten:


    "Ursus, ich danke dir für diese farbige, anschauliche Schilderung all deiner Erlebnisse! Ich habe jetzt fast das Gefühl, ich wäre mit dir dort im Norden gewesen."


    So richtig gelang es mir nicht, meine Empfindungen in Worte zu fassen. Mehr noch als ihre Anschaulichkeit hatte mich an der ganzen Erzählung die Bescheidenheit von Titus beeindruckt. Geendet hatte er allerdings mit einer für ihn typischen, ohne jeden Zweifel ganz und gar freundlich gemeinten Bemerkung über die Karrieren von Avianus und mir, die mich schmerzhaft und dennoch natürlich nicht unerwartet traf. Ich hatte mir ohnehin vorgenommen, in diesem Punkt vor meinen Familienangehörigen keine große Geheimniskrämerei zu betreiben, und so fing ich nun meinerseits an zu reden:


    "An Anschaulichkeit wird meine Schilderung es mit der deinen bei weitem nicht aufnehmen können, Ursus. Besonders weil meine Reise nach Aegyptus doch eher eine Reise nach innen, letztlich zu mir selbst war. Ja, natürlich war ich auch in Alexandria; ich habe die Pyramide gesehen und die Sphinx und bin am Nil entlang bis nach Edfu gekommen. Aber einen großen Teil meiner Zeit habe ich tatsächlich in der Wüste verbracht, dort, wo die Toten ruhen."


    Ich gönnte mir einen Moment Pause; ich hatte gut und couragiert angefangen, doch das Schwierigste stand mir ja noch bevor.


    "Die hohen Erwartungen in mich in Richtung auf eine steile und schnelle Karriere, das plötzliche Auftauchen meiner Mutter und die ganzen Verletzungen, die damit verbunden waren, meine eigene Unfähigkeit, mich hier wirklich auszudrücken und jemandem nahe zu kommen - ich kann es auch nicht wirklich erklären, Avianus und Ursus, aber ich habe es hier einfach nicht mehr ausgehalten, in dieser villa nicht, in Rom nicht, in diesem Leben nicht. Und bin eben dahin gegangen, wo die Toten ruhen."


    Dies alles fiel mir auch wieder sehr schwer zu sagen. Insbesondere gegenüber Avianus fühlte ich in mir eine gewisse Zurückhaltung, die rein gar nichts mit ihm selbst zu tun hatte, sondern allein mit der Tatsache, dass auch wir beiden noch keine Gelegenheit gehabt hatten, uns näher kennenzulernen. Trotzdem gelang es mir, dies alles auch in seiner Gegenwart jetzt so zu formulieren - ein Zeichen dafür, dass ich mich während meiner Abwesenheit tatsächlich ein wenig weiterentwickelt hatte.


    "Ich weiß natürlich, dass ich für die gens damit alles andere als ein Ruhmesblatt bin. Und dass eine politische Karriere für mich eigentlich nicht mehr in Frage kommt, denn wer sollte mir noch vertrauen? Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich habe mir in Aegyptus, wahrscheinlich im Delta... es wird eine Mücke gewesen sein... ich habe jetzt ein Fieber, das mich immer wieder schubweise überfällt und mich dann sehr schwächt. So gut reiten wie du, Ursus, werde ich nicht mehr lernen."


    Ich versuchte den Angesprochenen anzulachen, bei dem es mich überhaupt nicht wunderte, dass er sich bei der Armee so gut gemacht hatte.


    "Ich hoffe, dass ich vielleicht noch Dienst an den Göttern verrichten kann."


    Und ich hoffte, dass nun vielleicht auch Avianus uns in seine Zukunftspläne einweihen und zumindest mir damit die Möglichkeit geben würde, ihn besser kennenzulernen.

  • Avianus bemerkte ebenfalls, dass sich hier mit Sklaven und Familienmitgliedern eine stattliche Gruppe versammelt hatte. Überraschend kam es jedoch trotzdem, dass Corvinus die Runde mit so wenigen Worten verließ. Es wirkte nahezu so, als hätte er es irgendwie eilig, schnell zu verschwinden. Fragend blickte Avianus seinem Onkel hinterher, ehe er wieder seine Aufmerksamkeit auf Ursus richtete.


    Germanien hatte der junge Aurelier noch nie gesehen, und besonders neugierig war er ebenfalls nicht auf die dunklen, dicht bewachsenen Wälder und die kalten Winter, die jemandem sicherlich nicht wenig abverlangten. Der Gedanke, durch knie- oder gar brusthohen Schnee zu waten stärkte Avianus´ Freude nach diesem Land nicht unbedingt. Ganz zu schweigen von den Wilden jenseits des Limes, von denen man selbst hier in der ewigen Stadt ab und wann zu hören bekam. Doch trotzdem verspürte Avianus eine eigenartige Neugierde über Germanien, welche ihn diesen Namen wohl fest einprägen ließ. Ursus schien wenigstens gute Erfahrungen mitgebracht zu haben. "Das hört sich ja ziemlich gut an, was du über Germanien erzählst, Vetter. Ich kann dem Land nicht viel abgewinnen, aber vielleicht habe ich selbst zu wenige Erfahrungen gemacht.", kommentierte Avianus schmunzelnd, "Den Met lasse ich mir übrigens auch nicht entgehen! Ich weiß nicht, wie das Zeug schmeckt, aber probieren geht über studieren!".
    Aegyptus hingegen schien ja mit Alexandria nicht unbedingt uninteressant, aber klimatisch das Gegenteil von Germanien zu sein. Wüste, Hitze und damit unstillbarer Durst. Das konnte sich Avianus irgendwie auch nicht vorstellen!


    Dann sprang man sofort zum nächsten Thema, der Karriere. Etwas, wozu Avianus nun nicht wirklich etwas zu sagen hätte. Er hoffte innerlich, es würde sich ändern und er würde es zu etwas bringen. Das Selbstvertrauen hatte er... hatte er jedoch auch das Können? So konnte er jetzt nur nickend zuhören, was Ursus über seine Erfahrungen im militärischen Dienst schilderte. Das, was er erzählte, klang gut. Seht gut sogar, denn wie es schien, hatte Ursus alles richtig gemacht. Avianus sollte sich vielleicht ein Beispiel an Ursus nehmen. Er wollte auch alles richtig machen und weit kommen. Das war sein Traum, doch seine Erfüllung lag in sehr weiter Ferne.
    Dann sprach Ursus Avianus an, welcher ein wenig ins Stocken geriet. Gerade zu diesem Thema hatte er nichts zu sagen und er wollte es. Er konnte nur mit Ambitionen glänzen. Unerfüllten Ambitionen. "Ähm... also... ich bin zurzeit der Scriba Personalis von Corvinus. Ich will später mein Glück im Cursus Honorum, also in der Politik versuchen und hoffe, dass ich es zu etwas bringe.", äußerte Avianus trotzig. Sein Selbstvertrauen hatte wohl doch eine kleine Lücke...
    Avianus nickte Cotta freundlich zu, als er seine "Karriere" erläuterte. Nunja, er hatte wenigstens Gründe, dass es mit seiner Chance nicht gerade geklappt hatte. Avianus hatte noch nicht einmal eine wirkliche Chance...
    Er hatte Cotta noch nicht allzu nahe kennengelernt. Doch sie waren nunmal eine Familie. Avianus sollte unbewusst der Erste sein, der die Zurückhaltung ein wenig lösen sollte und Cotta tröstend auf die Schulter klopfte. "Es wird schon wieder, Cotta. Du wirst es garantiert noch weit bringen, doch alles braucht seine Zeit. Der Dienst im Cultus ist keine schlechte Wahl. Ich kann da leider nicht hin, da ich kein Blut sehen kann. Also für die Zeremonien, die dort stattfinden leider ein schlechter Kandidat.", grinste Avianus.

  • "Manchmal stellst Du Dein Licht allzu sehr unter den Scheffel, Cotta", schimpfte Ursus im Scherz, als Cotta ihn so sehr lobte für seine Erzählung und die eigene so niedermachte. Auch wenn Cotta sich sehr kurz faßte und am Anfang eher nur Stationen aufzählte, kam danach doch mehr persönliches dazu. Und was er hörte, ließ Ursus schlagartig ernst werden. Offensichtlich hatte Cotta eine schwere Zeit hinter sich. "Ich glaube, ich könnte der Wüste nichts abgewinnen, nichts als Sand und Hitze. Doch ohne Zweifel ist sie ein geeigneter Ort, wenn man auf der Suche nach innerer Ruhe ist. Aber daß Du Dir dabei diese Krankheit eingefangen hast, ist wahrhaft grausam. Kann man da denn gar nichts machen? Vielleicht solltest Du hier in Rom ein paar gute Ärzte aufsuchen. Decimus Mattiacus zum Beispiel, er ist ein ausgezeichneter Mediziner und dazu ein Freund." Immerhin hatte er Helena gerettet damals.


    "Weißt Du, es muß ja nicht jeder in die Politik gehen. Man kann auch anderweitig seinen Teil dazu beitragen, die Gens zu stärken. Ich bin sicher, daß Du der Gens keine Schande machen wirst, sondern auf Deine Art Deinen Betrag leisten wirst. Trotz dieser heimtückischen Krankheit. Und reiten... braucht man hier in Rom ja nicht." Er blickte den Vetter ernst an. Anscheinend ließ Cotta sich gerade ziemlich hängen, gerade mit Ursus als Beispiel vor sich für das, was er ja selbst gewollt hatte und nun nicht mehr zu erreichen glaubte. Das mußte niederschmetternd sein und verursachte Ursus ziemliches Unbehagen. Außerdem war er noch nicht davon überzeugt, daß es wirklich keine Möglichkeit mehr für Cotta gab. Noch waren nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, - fand er zumindest.


    Auch Avianus strotzte in seinen Äußerungen nicht gerade vor Selbstbewußtsein. Was war denn hier los? War irgendetwas vorgefallen, von dem Ursus nichts wußte? Oder warum dachten hier alle, daß sie zu nichts nutze wären? "Also, es ist ein sehr guter Anfang, Corvinus als Scriba zur Seite zu stehen. Er ist sehr erfahren und hat gleich mehrere wichtige Positionen inne. Nicht zuletzt kennt er viele einflußreiche Leute. Du wirst viel von ihm lernen können, wenn Du Augen und Ohren offen hältst. Hab Vertrauen zu Dir selbst, dann schaffst Du es auch. Außerdem sind wir alle hier und helfen Dir, wenn es mal schwer wird. Wozu hat man den Familie? Wenn Du einen Rat von mir willst: Geh viel aufs Forum, hör Dich um, merke Dir Namen und Verbindungen. Hör zu bei den öffentlichen Senatssitzungen und bei den öffentlichen Verhandlungen. Ansonsten hast Du alles, was Du brauchst: Eine gute Vorbildung, eine gute Herkunft, genug Geld im Hintergrund. Zöger nicht zu lange, sondern pack den Stier bei den Hörnern und fang einfach an. Mut wird anerkannt! Als ich mich als Vigintivir zur Wahl stellte, konnte ich auch nichts vorweisen an Verdiensten. Vertraue Dir selbst, dann vertrauen Dir auch andere."


    Ursus atmete tief durch. Viel zu ernste Themen für diesen Moment waren das. Und er selbst hatte sie angschnitten, schalt er sich. Depp, der er war. Er wandte sich noch einmal an Cotta, dieses mal nicht mehr ganz so ernst. "Nun laß Dir mal keine grauen Haare wachsen, ja? Und gönne Dir selbst die Zeit, Deinen Weg zu finden. Heißer Met soll übrigens eine stärkende Wirkung haben. Ich werde anweisen, daß ein Teil des Mets angewärmt werden soll. Ich habe das Zeug schon sowohl kalt als auch heiß getrunken. Beides hat seinen Reiz, es schmeckt einfach in jeder Form gut, dieses hinterhältige Zeug. Hinterhältig deswegen, weil es zu gut schmeckt, um rechtzeitig aufzuhören." Er versuchte bewußt, ein wenig von dem drückenden Thema wegzukommen. Das lief ihnen ja nicht weg. Und heute wollte er sich einfach freuen, wieder hier zu sein und die anderen um sich zu haben. Er hoffte, daß Cotta und Avianus das genauso sahen. Er winkte einen Sklaven heran, der für den Met sorgen sollte. Es würde nicht lange dauern, bis das Getränk serviert würde.

  • Dass Avianus mir nach seinen herzlichen Worten auch noch tröstend auf die Schultern klopfte, hätte mich früher sehr verlegen gemacht und beschämt; jetzt aber konnte ich diese Geste dankend annehmen und sah ihm warm in seine braunen und lebendigen Augen.


    "Ich danke dir für den Zuspruch, Avianus! Und ich kann Ursus nur zustimmen: Die Zusammenarbeit mit Marcus ist die beste Vorbereitung, die du haben kannst, ganz gleich, wohin dein Weg dich noch führen wird."


    Dass ich selbst nach Abschluss meiner Studien und meiner Ankunft in der villa Aurelia hier in Roma am allerliebsten auch erst einmal so etwas wie ein scriba personalis bei Corvinus gewesen wäre, verschwieg ich selbstverständlich. Ich hatte nie gewagt, diesen Wunsch zu äußern, schon gar nicht, nachdem kurze Zeit nach mir auch Titus die villa nach seiner Zeit in Athen bezog und sich mutig sofort in Wahlkampf und Politik stürzte. Eine ähnliche Lebhaftigkeit wie von Ursus ging meiner Meinung nach auch von Avianus aus, und deshalb war ich mir auch sicher, dass er seinen Weg, einmal gefunden, mit einer ähnlichen Leichtigkeit gehen würde. Aber er hatte ja auch noch Zeit.


    Seltsamerweise drängte sich mir im Augenblick der Berührung von Tiberius ein, wie mir zunächst schien, ganz unpassender Gedanke auf, den ich dann aber gut mit einer Bemerkung von Titus in Verbindung bringen konnte, dem ich mich nun zuwandte:


    "Sorgen? Nein, Sorgen braucht man sich sicher nicht um mich zu machen. Ich erkenne immer mehr, wie sorgsam auch mich die Vorsehung geleitet hat und bin deshalb auch zuversichtlich - nicht zuletzt natürlich auch, weil ich ja das Glück habe, in einer gens mit Verwandten wie euch zu leben, allen voran Marcus. Nur diese kleine Mücke..."


    Ich lächelte, denn natürlich hatte ich mich schon längst mit meinem Leiden abgefunden und sogar ein wenig angefreundet.


    "Die Idee mit Mattiacus ist gar nicht schlecht, Ursus, vielleicht sollte ich ihn auch noch konsultieren. In Aegyptus selbst habe ich natürlich auch Ärzte aufgesucht, einheimische, die mit diesen Krankheiten tagtäglich umgehen. Man versicherte mir, dass zwar gelegentliche Schübe vorkommen, dass ich aber dennoch bei guter Konstitution und Pflege damit steinalt werden kann. Und die Hauptsache: Es ist nicht ansteckend!"


    Und vielleicht half ja auch dieses Met. :D

  • Avianus nickte lächelnd, als Ursus sein Selbstvertrauen erweiterte, von welchem er sicherlich eine Portion mehr bedurfte. Ja, so war Ursus schon immer. Derjenige mit dem stärkeren Vertrauen in sich selbst. Sogar als die beiden noch ihre Bulla trugen, war Avianus derjenige, der für seine Taten ein wenig mehr Ermutigung benötigte, der sich von Ursus im Zweifelsfall jedoch zu einer Tat ermuntern ließ. Eben auch zu jenen Streichen, die kleine Jungs zu spielen pflegten.
    Cotta indes schien erfreut über Avianus´ Geste zu reagieren, was ihn selbst nicht weniger erfreute und strahlen ließ. "Ihr habt ja recht. Danke.", bedankte sich Avianus anerkennend und leicht geschmeichelt. Avianus lebte seiner Meinung nach in einer wundervollen Familie, die einen nie im Stich ließ und unterstützte. Gerade in Zeiten, in denen man sich bewähren musste, wollte man das nicht missen. Die Worte Cottas waren es schließlich, die den jungen Aurelier in seinem Tatendrang bestärkten.


    "Das Wichtigste ist doch, dass du uns lange erhalten bleibst. Es ist allerdings trotzdem seltsam, was solch kleine Tiere anzurichten in der Lage sind.", sprach Avianus grübelnd. Die Wirkung eines kleines Mückenstichs konnte doch für Verwunderung sorgen. Die Wirkung, wie sie bei Cotta war, zeigte sich ungeahnt und schlich auf leisen Sohlen... doch Avianus wollte nicht lange über das Thema reden und schwenkte somit gekonnt auf Ursus´ nächste Äußerung ab.
    "Dann lass uns mal sehen, ob von uns Dreien jemand widerstehen kann und ob das stimmt, was du sagst!", lachte Avianus.

  • Auf leisen Sandalensohlen, die sie auf strenge Anweisung der Köchin Niki eher unwillig angezogen hatte, ging, nein, schlich sie regelrecht hinein ins atrium. Die geflochtenen Zöpfe ihrer schulterlangen fast schwarzen Haare tanzten auf ihren Schultern wenn sie mit angespannten Muskeln ging. In ihren Händen trug sie einen kalten Krug Met. Es war ein ihr unbekanntes Getränk, aber es roch so ähnlich wie Wein. Angeblich hatte Ursus diesen aus dem Land mitgebracht wohin er vor einem jahr hingereist war. Und nun war er wieder da. Sollte sie sich darüber freuen oder nicht? Aus den Augenwinkeln schielte Tilla mit scheuem Blick zu ihm rüber, versuchte ihn als die Person wiederzuerkennen, die er vor Germanien gewesen war. Sein Blick traf für einen Augenblick den ihren. Schnell senkte sie den Blick, verbarg ihre Angst und den Schrecken den sie mit sich trug, seit der Mann namens Matho...


    Nein, sie wollte nicht daran denken. Sie folgte der anderen aurelischen Sklavin zum impluviuum, die andere Frau trug den warmen Krug Met. Die Sklavin machte sich durch leises Räuspern bemerkbar, erklärte kurz wer den warmen bzw. kalten Krug trug. Ängstlich wartete Tilla auf ein Nicken der anwesenden Männer, dass sie ihnen einschenken sollte. Auwei... musste der Met mit Wasser verdünnt werden? Gern würde sie sich jetzt an ihr Amulett fassen, um sich zu beruhigen, aber sie hielt den schweren Krug in ihren Händen. Hier stand sie nun an einem Ort an dem Matho sie wegen dem Hausputz zusammengetrommelt hatte und sie anschliessend wegen der kleinen Wasserüberschwemmung getriezt hatte. Das war doch gar nicht soviel Wasser gewesen, dachte Tilla trotzig, blickte stur auf den Krug. Bestimmt würde sie in den Augen der anderen Sklavin wieder 'unaufmerksam' sein.

  • Na, das hörte sich doch schon besser an. Ursus machte sich tatsächlich Sorgen um den Vetter. Und das ließ er sich auch nicht nehmen. Immerhin waren sie nicht nur miteinander verwandt, sondern auch befreundet. Da hatte er ja wohl alles Recht der Welt, sich Sorgen um ihn zu machen, wenn er hörte, daß er krank war. "Nun, wenn es wenigstens keinen frühen Tod mit sich bringt, wollen wir dafür zumindest schon mal dankbar sein. Und natürlich auch dafür, daß es nicht ansteckend ist. Hier wirst Du gewiß die richtige Pflege erhalten, also werde gefälligst steinalt. - Ah, da kommt ja schon der Met." Ursus sah die Sklavinnen herantreten, eine von ihnen war Tilla. Sie wirkte allerdings nicht sehr glücklich. Freute sie sich denn gar nicht darüber, daß er wieder da war?


    "Für Cotta bitte den warmen Met, für mich den kalten. Avianus, was möchtest Du?", fragte er den Vetter, da der weder krank war, noch Ursus die geringste Ahnung hatte, was er wohl bevorzugen würde. "Macht die Becher besser nicht ganz voll", wies Ursus die Sklavinnen an. "Es ist besser, ihn dann mit Wasser zu verdünnen, sonst erleben wir das Abendessen nicht mehr." Natürlich übertrieb er, ein bißchen Spaß mußte schließlich sein. "Aber den ersten Schluck, den probiert bitte pur. Er schmeckt natürlich pur am besten." Wieder wanderte sein Blick zu Tilla. Was ist los? Hast Du Ärger gehabt?, fragte er mit seinen Händen.

  • Der Met kam genau rechtzeitig, um die Stimmung über Cottas wohl halb so schlimme Krankheit ein wenig aufzulockern. Nach Ursus´ Frage musste Avianus einen Moment lang nachdenken. Bei dem Wetter schien ihm der kalte Met doch durchaus passender zu sein, was der junge Aurelier jedoch nicht vor Cotta anmerken wollte, bevor sich jener benachteiligt fühlte. "Danke, ich werde den Met wohl kalt probieren.", antwortete Avianus anschließend in Vorfreude auf das Getränk.
    "Ja, du hast recht.", lachte Avianus, "Bevor uns das Zeug aus den Calcei haut, sollten wir es lieber verdünnen. Natürlich, nachdem wir es erst pur probiert haben.". Eine der Sklavinnen schien hingegen nicht gerade frohen Mutes zu sein, was man ihr unmissverständlich ansah. Mit fragenden Blicken bäugte Avianus die ihm namentlich unbekannte Tilla Romania und wartete auf den Met, auf welchen der Aurelier schon so scharf war...

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