Die Arbeitsräume des Gymnasiarchen Nikolaos Kerykes

  • Nikolaos Gesicht hellte sich deutlich auf. Die Tatsache, dass das Mädchen Verwandte seiner Klientin war, machte Nikolaos der Bewerberin gegenüber gewogen.
    "Ionisch... die Sprache des Herodots und -" Nikolaos säufszte leise. "eine der Sprachen des göttlichen Homers." Sein eigenes Ionisch war, obgleich er in seiner Kindheit lange Passagen von Homers Schriften auswendig gelernt hatte, recht schwach, da ihm die zum Teil sehr andersartige Aussprache einiger Laute nur mühselig über die Lippen kam. "Eine schöne Sprache... nunja, leider weitaus weniger verbreitet als das Attische..." Der Gymnasiarchos mochte vielleicht einen zerstreuten Eindruck machen. Jedoch war er, innerlich, aufmerksam. "Werte Iunia Axilla, ich hoffe du wirst deine Gemeinsprache rasch zu einem höheren Attisch entwickeln..." Er wühlte, scheinbar ohne einen Antrieb dafür, in den Papyri und Tafeln auf seinem Tisch herum. Plötzlich sah er auf und der Bewerberin scharf in die Augen.
    "Dein Latein werde ich nicht in einem Diktat prüfen, da ich aufgrund deiner Herkunft annehme, dass du es beherrschst. Deine Koiné ist ausreichend, wie ich höre. Es sind jedoch andere Fragen noch zu klären.
    Weiß dein Vater oder Vormund davon, dass du ein bezahltes Dienstverhältnis annehmen wirst?"

  • Hieß das ja? Das klang fast wie ein ja, wenn er wollte, dass sie attisch lernte! Axilla wurde ganz aufgeregt, und ihre Augen leuchteten freudig. Zwar hatte sie wenig Hoffnung, wirklich attisch zu lernen, aber sie würde es auf jeden Fall versuchen! Am liebsten hätte sie Nikolaos umarmt, aber das ließ sie lieber bleiben.
    Und als er dann auch die magischen Worte „Vater“ und „Vormund“ sagte, wurde Axilla wieder etwas kleiner und verlegener.
    “Ähm, also, mein Vater ist tot. Und mein Vormund lässt sich nach Rom versetzen. Oh, aber ich bleibe hier, bei Urgulania. Und ich bin ja sui iuris, und ich glaube auch nicht, dass sie da was dagegen hat.“
    So genau wollte Axilla jetzt eigentlich das wie und warum nicht ausbreiten, aber sie war sich ganz sicher, dass Silanus nichts einwenden würde, wenn sie die Arbeit annahm. Und auch Urgulania konnte da eigentlich nichts dagegen einzuwenden haben. Sie hoffte nur, dass diese zugegebenermaßen spärliche Erklärung auch für den Gymnasiarchos genug war.

  • Das Mädchen war also bereits emanzipiert. Das machte die Sache natürlich um vieles einfacher. Nikolaos hatte wenig Lust, sich mit Vätern, Ehemännern oder sonstigen möglichen Vormündern herumzuärgern.


    "Mich freut, dass du unabhängig bist. So steht, hoffe ich, einer Einstellung nichts mehr im Wege. Du wirst aber sicher verstehen, dass ich dich in den ersten Wochen prüfen muss. Ich hoffe, du nähmest es mir nicht übel, wenn ich mich gezwungen sähe, dich nach einiger Prüfung als ungeeignet zu entlassen. Jedoch fürchte ich dies bei dir nicht. Bevor ich dir aber nun darlegen möchte, worin deine Aufgaben bestehen, ist freilich noch die Frage des Arbeitslohnes zu beantworten. Wieviel möchtest du in der Woche haben?"


    Bei ihm zuvor unbekannten Anwärtern, von denen der Gymnasiarchos in seinem politischen Leben einige hatte, wäre gerade diese Frage eine letzte Prüfung. Bei dieser Iunierin jedoch würde er nicht allzu streng sein, auch wenn vielleicht ihre Vorstellungen etwas unverschämt wären. Nikolaos wollte es sich mit seiner Klientin Urgulania nicht verscherzen.

  • Er wollte sie tatsächlich einstellen! Axilla wurde ganz aufgeregt und nickte eifrig auf seine Worte. Natürlich war ihr klar, dass er sie auch wieder rauswerfen konnte, aber das würde schon nicht passieren. Und selbst wenn, sie hätte wenigstens vorübergehend eine richtige, echte Arbeit gehabt. Fast so wie Urgulania!
    Und sie hätte endlich wieder etwas sinnvolles zu tun. Die ganze Zeit daheim zu sitzen und nicht zu wissen, was sie mit der ganzen Zeit anfangen sollte, war furchtbar. Sie hatte weder Geschick noch Müßiggang zum Sticken, Stricken und Weben. Als Mutter noch gelebt hatte, hatte sie in den letzten beiden Jahren das ganze Haus verwaltet. Nungut, sie hatte nicht gewusst, wie, und dabei ordentlich Schulden gemacht. Aber dennoch hatte sie viel getan und viel Verantwortung gehabt. Auch wenn sie vor der häufiger geflüchtet war, so wirklich gar nichts mehr zu tun zu haben, war genauso schlimm. Sie konnte ihr Leben nicht nur so vor sich hinplätschern lassen, sie brauchte eine Aufgabe. Das würde sie auch vor Grübeleien bewahren, die sie so sehr mied.
    Daher war die Frage des Geldes für Axilla eigentlich sehr nebensächlich. Sie hatte keine Ahnung, was ein Scriba so verdiente, und da sie daheim alles hatte und alles bekam, was sie brauchte, war Geld wirklich etwas, worüber sie sich eigentlich keine Gedanken machte. Im Grunde genommen brauchte sie keines, aber ganz umsonst zu arbeiten war wahrscheinlich doch etwas arg merkwürdig.
    Sie zuckte also kurz mit den Schultern und atmete langsam und geräuschvoll aus, als sie überlegte. Wieviel war wohl angemessen?
    “Ich weiß nicht, ich hab ja noch nie irgendwo gearbeitet. Sind zehn Sesterzen zu viel?“
    Sie wollte ja nicht unverschämt sein. Ihr ging es ja nur darum, dass ihr daheim nicht mehr die Decke auf den Kopf fiel.

  • Das Mädchen war sehr bescheiden. Oder aber, die Arbeit wäre für die Römerin, die immerhin Verwandte eines militärischen Tribuns und einer Pyrtanin der Polis war, nur ein Zeitvertreib frei von der Notwendigkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.


    "Zehn Sesterzen sind gewiss nicht zuviel. Für den Anfang sind sie durchaus angemessen, solltest du dich bewähren, würde ich vorschlagen, den Lohn nach einiger Zeit zu verdoppeln. Wenn du noch mehr Erfahrung gesammelt hast und mir weiterhin eine treue Gehilfin bleibst, so werde ich das natürlich mit einer weiteren Lohnerhöhung belohnen."


    Er sah sie wohlwollend an. Der Gymnasiarchos war froh, jemanden für diese Arbeit gefunden zu haben.


    "Wenn du nichts dagegen hast, würde ich dir allerdings den Lohn lieber in Drachmen als in Sesterzen auszahlen, da diese in dieser Gegend geläufiger sind. Es sei denn, du bestehst auf Sesterzen."

  • Axilla konnte ihr Glück immer noch nicht so wirklich fassen. Aber so langsam drang die Erkenntnis durch, dass sie wirklich wieder eine Aufgabe hatte. Eine richtige, echte Aufgabe, die auch wichtig war. Nicht mehr nur daheim sein und nichts tun, nein, etwas wirklich sinnvolles. So langsam fing sie richtig an, zu strahlen.
    “Oh, natürlich, Drachmen. Ich meine, die Händler nehmen zwar auch Sesterzen, aber Drachmen sind wohl wirklich einfacher. Und am Ende ist es ja eigentlich egal, was für ein Bild auf den Münzen ist, nicht wahr?“
    Der Wert einer Münze wurde ja so oder so durch ihre Größe und ihr Gewicht bestimmt. Nur, weil Drachmen und Sesterzen geeicht waren und damit nicht immer nachgewogen werden mussten, waren sie praktischer. Aber zur Not nahm so mancher Händler auch Goldkörner als Bezahlung an. Und Axilla ging es ja wirklich nur darum, Arbeit zu haben. Wenn sie sich dafür ab und an auf dem Markt dann noch etwas besonderes von ihrem eigenen, selbst erarbeiteten Geld leisten konnte, dann war das mehr eine Art persönlicher Genugtuung und Belohnung. Sie brauchte ja nichts dringend für ihren Lebensunterhalt.
    “Hm, wann soll ich dann anfangen?“
    Für „gleich“ war Axilla wahrscheinlich nicht repräsentativ genug angezogen. Sie hatte ja auch nicht damit gerechnet, gleich ein „ja“ zu bekommen und fast fix mit einem „nein“ gerechnet. Daher waren ihre Gedanken ein wenig chaotischer als gewöhnlich, dafür aber war sie seit langem mal wieder so richtig glücklich.

  • Nikolaos lächelte immer noch. Das Mädchen gefiel ihm. Sie schien ihm recht demütig und eifrig zu sein. Alles andere hätte er auch nicht gebrauchen können. Zuoft hatte er sich mit hochmütigen oder, oder gar zudem, faulen Schreibern abplagen müssen.


    "Es wäre gut, wenn du noch heute mit der Arbeit beginnen könntest. Die Hilfsschreiber tanzen mir sonst auf der Nase herum. Sie brauchen eine starke Hand. Sei nicht zu nett zu ihnen. Wenn einer sich dir widersetzt oder zu langsam arbeitet, habe keine Scheu davor, ihn mit dem Rohrstock anzutreiben. Esel sind das, Esel, die schreiben können, und viel mehr auch nicht, und sich auf diesen Umstand viel einbilden und viel Geld kosten.", sagte er ohne die geringste Spur von Ironie in der Stimme. "Du bist ab heute die Meisterin des Vorzimmers, und das sollten die Faulenzer wissen. Die Schülerlisten müssen neu bearbeitet werden, es sind in der letzten Zeit einige zu vollwertigen Bürgern herangereift. Wenn sich Besucher anmelden, die Waffen bei sich tragen, bitte sie freundlich, diese dir zur Verwahrung zu geben. Sollte ein Römer mit bewaffneter Eskorte kommen, so haben die Bewaffneten draußen zu warten. Wenn jemand aufdringlich oder unverschämt wird, und er dies allen deinen freundlichen Ermahnungen zum Trotz bleibt, so rufe die Staatssklaven des Gymnasions, damit sie den Störenfried hinausschaffen. Alle Besucher haben dir ihren Namen zu nennen. Unteroffiziere und noch niedere Dienstgrade der römischen Legion sowie niederes Personal, inklusive magister officiorum, der Regia Praefecti zudem ihr Anliegen, sofern sie keine Bürger der Polis sind."
    Er lächelte immer noch.
    "Du musst dir nicht alles bieten lassen, weder von den Hilfsschreibern, noch von irgendwelchen Besuchern, es sei denn, der Eparchos oder der leibhaftige göttliche Basileus ist es. Hast du noch Fragen?"

  • Irgendwie bekam Axilla das ungute Gefühl, bei dieser Aufgabe fürchterlich zu versagen. Sie sollte nicht nett sein? Sie war aber immer nett, außer wenn man nicht nett zu ihr war. Sie war vielleicht manchmal vorlaut und herausfordernd und vielleicht auch manchmal großspurig, aber „nicht nett“ war etwas, was sie nicht war. Und geschlagen hatte sie auch noch nie jemanden. Nun, von ein paar Prügeleien als Kind mal abgesehen. Aber noch nie hatte sie einen Untergebenen geschlagen. Gar, gar nie! Ihre Familie hielt nichts davon, Sklaven derart zu behandeln. Ihr Vater hatte sogar absolut nichts davon gehalten. Er hatte vielmehr die Ansicht, dass Sklaven wirklich zur Familie gehörten, und da er seine Familienmitglieder nicht schlug, wurden auch Sklaven nicht geschlagen. Und mit freundlicher Bestimmtheit erreichte man ja auch genauso viel wie mit schweren Strafen. Zumindest hätte noch nie einer ihrer Sklaven irgendetwas angestellt.
    Puh, das würde ja was geben. Aber sie würde erstmal versuchen, bestimmt und freundlich zu den Hilfsschreibern zu sein. Sie war sich sicher, dass sie das mit dem Schlagen sowieso nicht hinkriegen würde. Sie würde vielleicht Gift und Galle spucken und sämtliche Flüche der Unterwelt auf jemanden hinabbeschwören, aber damit sie körperlich wurde, musste derjenige sie schon auch angehen. Dann würde sie aber eher die Faust nehmen und nicht irgendeinen Stock.


    “Ähm, bin ich dafür nicht etwas falsch angezogen? Ich meine…“
    Sie sah an sich hinunter. Die Tunika war sauber und aus gutem Stoff. Aber sie war absolut nichts besonderes. Nichtmal schöne Verzierungen hatte das Ding. “… ist das nicht etwas zu schlicht? Also, als „Meisterin des Vorzimmers des Gymnasiarchos“, sollte ich da nicht ein wenig mehr hermachen?“
    Axilla hatte ja keine Ahnung, wie Nikolaos sich seinen Scriba wünschte. Wenn er mit einem Mädchen, das sich nicht im geringsten heute herausgeputzt hatte, zufrieden war, dann musste sie sich in den nächsten Tagen schon nicht zuviel Gedanken um ihr Aussehen machen. Sie war ja hübsch, aber eben nicht schick aufgemacht heute.
    “Und bin ich zum Abend wieder daheim? Sonst macht man sich noch Sorgen, wo ich bleibe, und ich muss einen Boten schicken.“
    Wusste ja niemand, dass sie hier war. Sie war ja ganz allein gekommen und auch allein durch die Stadt geschlendert. Auch wenn sie wusste, dass manche Alexandria als zu gefährlich dafür ansahen. Aber Axilla war schon immer mit einem herrlich niedrigen Risikobewusstsein, großer Abenteuerlust und dem Selbstvertrauen der Jugend ausgestattet gewesen und hatte daher nicht einmal daran gedacht, einen Sklaven als Begleitung mitzunehmen. Sie war nun schon über ein halbes Jahr in Alexandria, und sie fühlte sich in dieser Stadt schon fast zuhause.

  • "Falsch angezogen? Keineswegs! Ein Seidengewand wäre allein schon der Tinte wegen unpassend dafür.", meinte Nikolaos, etwas eigenartig lächelnd. Dabei entblößte er seine Zähne. Unter ihnen waren bereits einige Zähne aus Gold. Beinahe wäre ihm etwas herausgerutscht wie: Und eine Toga und eine gelbe Perücke musst du hier gewiss nicht tragen... . Jedoch wollte er das Mädchen nicht gleich verschrecken, zumal sie Verwandte Urgulanias war. Auch auf die andere Frage des Mädchens hätte Nikolaos wohl mit etwas geringerer Selbstbeherrschung etwas wie Wenn die Schülerlisten bis dahin fertig sind, durchaus. geantwortet.
    "Selbstverständlich.", sagte er stattdessen. "Was heute nicht fertig wird, kannst du morgen immer noch erledigen. Ich möchte nur, dass du täglich* bei Sonnenaufgang hier bist. Ausgenommen natürlich die Feiertage, und besondere Anlässe persönlicher Art, wenn du mich darüber zuvor in Kenntnis setzt. Während der Mittagshitze bist du selbstverständlich von der Arbeit befreit. Und wenn an einem Tag keine Arbeit mehr zu verrichten ist, hast du den Nachmittag für dich. Deinen Lohn wirst du meist am letzten Tag der Woche erhalten. Sollte ich dies einmal vergessen, scheue dich nicht, mich daran zu erinnern."



    Sim-Off:

    *Was natürlich nicht Rl-täglich heißt!

  • Bei Sonnenaufgang da sein? Oha, dann musste Leander sie früher wecken. Sie war doch so ein Morgenmuffel. Aber gut, das würde sie schon hinbekommen. Und das andere klang ja prima. Wenn sie gut arbeitete, hatte sie mehr frei, das war doch großartig! Nun, über einen freien Tag in der Woche hätte sie sich auch nicht unbedingt beschwert, aber das würde sich schon einrichten lassen irgendwie. Aber das würde sie nicht jetzt gleich ansprechen, sie war erstmal nur froh, die Stelle zu haben.
    “Oh, gut. Dann hab ich nur noch eine Frage. Wie soll ich dich ansprechen? Also, wenn ich Besucher bringe, natürlich mit deinem Titel. Aber soll ich den auch benutzen, wenn wir beide miteinander reden?“
    Wie direkt diese Frage war, fiel Axilla nichtmal auf. In ihrer jugendlichen Naivität fragte sie einfach so, wie ihr die Frage durch den Kopf geschossen war. Sie sprach alle Griechen, die sie sonst kannte, mit Vornamen an, ohne groß darüber nachzudenken. Aber da Nikolaos ihr Chef war, wollte sie ihn lieber fragen, wie denn die angemessene und richtige Anrede für ihn war. Mit ihm war sie ja nicht befreundet, und er war auch kein Händler und kein Sklave. Da war vielleicht ein etwas förmlicherer Umgang angebracht.

  • Beinahe hätte der Gymnasiarchos laut gelacht.
    "Werte Axilla, ich bin wahrlich kein Herrscher oder Ähnliches."
    Das Wort König nahm er natürlich, in Gegenwart einer Römerin, nicht in den Mund. Da war er sehr vorsichtig. Zwar glaubte er nicht, dass der Eparchos wahnsinnig genug wäre, den Gymnasiarcho einer freien Polis öffentlich kreuzigen zu lassen, jedoch wollte er sichergehen. Er wusste schließlich auch nicht, wie dieses unbedarfte Mädchen seine Worte verdrehen würde in Gegenwart ihrer Verwandten.
    "Rede mich an, wie ich heiße. Nämlich Nikolaos. Der Gymnasiarchos ist kein Titel sondern ein Amt, das nicht fest mit meiner Person verbunden ist, sondern mir lediglich vom alexandrinischen Volk für eine gewisse Zeit anvertraut wurde."
    Er lächelte harmlos und freundlich. Natürlich nahm er es dieser Römerin nicht übel, dass sie vom Gemeinwesen der Polis wenig wusste. Es amüsierte ihn vielmehr.



    Sim-Off:

    Im Control-Panel dürfte jetzt ein Antrag auf Ernennung zum "Scriba Personalis" sein, den du annehmen darfst, wenn du das noch nicht getan haben solltest.

  • “Oh, ja, natürlich…“ gab Axilla etwas kleinlaut zu. Sie kam sich gerade wieder sehr jung vor, und auch ein wenig dämlich. Sie hatte ja das Amt gemeint, aber sich mal wieder ein wenig verquer ausgedrückt, wie sie es häufig zu tun pflegte. Sie wusste ja, dass hier in Alexandria gewählt wurde. Und ihr Lehrer Iason damals in Tarraco hatte auch sein möglichstes getan, ihr die Grundzüge der griechischen Demokratie beizubringen, damit sie wusste, wie das funktionierte. Aber manchmal vergaß sie das alles nur allzu leicht.
    Aber dass sie ihn einfach mit Vornamen anreden konnte, das machte das ganze schon wieder ein ganzes Stückweit weniger peinlich. Das hatte eine etwas vertrautere Basis, und Axilla fühlte sich bei allzu förmlichen Dingen immer ein wenig unterlegen und dadurch unwohl. Da war ihr das schon weitaus lieber. Und sie wäre nicht sie selbst, wenn sie ihre Unsicherheit nicht hinter einer perfekten Maske jugendlichen Überschwangs zu verbergen wüsste. Also lächelte sie freudig zurück und sah sich voller Tatendrang einmal kurz um.
    “Gut, dann hab ich keine Fragen mehr und kann mich um die Schülerliste kümmern. Hast du noch Fragen an mich, oder soll ich dann gleich mal anfangen?“
    Als erstes würde sie aber, wenn sie im Vorraum mit den anderen Schreibern allein war, sich richtig vorstellen. Schließlich würde sie am Anfang bestimmt von diesen „Eseln, die schreiben können“ ganz viel Hilfe benötigen, bis sie selber alles fand und wusste.

  • Zufrieden lächelte Nikolaos. Der kleinlaute Ton des Mädchens gefiel ihm. Er hoffte nur, die Hilfsschreiber würden ihr nicht allzu sehr auf der Nase herumtanzen.


    "Ich habe keine Fragen mehr an dich. Es wäre gut, wenn du gleich anfängst.", sagte Nikolaos.

  • “Gut“, sagte Axilla, klatschte die Hände einmal leise zusammen und rieb sie etwas, als würde sie sie so für die bevorstehende Arbeit vorbereiten. Da es sonst nichts mehr zu sagen gab und sie ja auch gleich anfangen sollte, machte sie sich auch direkt auf den Weg ins Vorzimmer, wo sie von nun an arbeiten würde.
    Sie schenkte Nikolaos noch einmal ein freudig strahlendes Lächeln, als sie aus seinem Amtsraum hinaustrat und die Tür wieder schloss, damit der Gymnasiarchos auch seine Ruhe für seine Arbeit hatte. Draußen drehte sie sich auf den Hacken um und besah sich ihr persönliches Schlachtfeld.
    Die Hilfsschreiber schauten auch kurz zu ihr auf, und sie wartete einfach einen Moment, schweigend, bis so ziemlich alle herschauten. Ihre Stimme war leise – sie wollte ja nicht, dass Nikolaos alles hörte, was sie jetzt sagen würde – und nicht so ruhig, wie sie es gerne hätte, aber das machte nichts. Ihr zumindest nicht.
    “Chairete. Der Gymnasiarchos hat mich eben als seinen Scriba personalis eingestellt. Das heißt, ich werde mich gleich hier einrichten und mit euch hier arbeiten.“
    Ein kleines Gemurmel war zu hören, als die Schreiberlinge sich die halbe Portion anschauten, die nun hier vor ihnen stand und eine Ebene über ihnen stehen wollte.
    “Der Gymnasiarchos meinte, ihr sollt mir gehorchen, und wenn nicht, soll ich euch schlagen.“ Sie ließ den Satz kurz wirken und schaute auf die Reaktionen in den Gesichtern. Dann fuhr sie mit ehrlicher Freundlichkeit in ihrem Lächeln aber fort. “Aber das werde ich nicht tun. Solange ihr es nicht darauf anlegt. Ich finde, Schlagen hat wenig mit Respekt zu tun. Und warum solltet ihr mich respektieren, wenn ich euch nicht ebenso als das respektiere, was ihr seid? Meine Helfer nämlich, und wenn ihr mir helft, helfe ich dann auch euch.“
    Sie beobachtete genau die Reaktionen, versuchte herauszufinden, wie sich ihre Truppe fühlte. Sie hatte so oft ihrem Vater gelauscht, vor allem, wenn er mit seinem Schwertbruder im Atrium gesessen war und sie philosophiert hatten über die richtige Art, eine Truppe zu führen. Ihr Vater war ein Freund der Ansichten von Alexander dem Großen. Niemand respektierte einen nur um des Namens willen. Man respektierte jemanden um seiner Taten willen. Und wenn man etwas von einem anderen verlangte, musste man bereit sein, genau dasselbe ebenfalls zu leisten.
    Und genau diese Gedanken waren es, die Axilla gerade antrieben. Sie würde sich den Respekt ihrer Hilfsschreiber nicht durch Prügel und Strafen holen, sie wollte, dass sie das, was sie taten, gern für sie taten, weil sie sie wirklich respektierten. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie das nun im Einzelnen anstellen sollte, aber das war der Weg, den sie gehen wollte. Und solange sie es konnte, würde sie es auch so machen.
    “Gut, nachdem das dann geklärt ist: Wo sind die Schülerlisten?“
    Ab jetzt galt es, zu arbeiten.

  • Die Sonne war gerade aufgegangen und das Licht strömte in die noch kühlen Hallen, deren Säulen lange Schatten warfen, jedoch keine harten, wie es abends der Fall war. Der Gymnasiarchos kam auf dem Weg in seinen Arbeitsraum durch das Vorzimmer.


    "Guten Morgen, Axilla. Ich möchte gerne Cleonymus, den neugewählten Kosmetes treffen. Kannst du ihn bitte für mich auftreiben und zu mir schicken? Sage ihm, ich möchte mit ihm über die Lehrpläne sprechen. Wie steht es übrigens um die Schülerlisten?"

  • Im Halbschlaf war Axilla hierher gekommen. So früh aufgestanden war sie ihres Wissens noch gar nie. Sie würde sich erst noch daran gewöhnen müssen, soviel stand fest. Aber das Gehen von der Basileia bis zum Gymnasion machte sie einigermaßen wach. Sie war gerade erst hereingekommen und hatte sich zu ihrem Schreibtisch begeben, als auch schon Nikolaos hereinkam und ihr Aufgaben erteilte.
    “Guten Morgen, Nikolaos.“ Sie unterdrückte ein Gähnen, nicht dass er noch dachte, er langweile sie, und nickte einfach nur etwas stumm. Morgens war sie immer ein klein wenig wortkarg.
    Sie suchte kurz die Liste heraus und versuchte, richtig wach zu werden. Am besten, sie würde einfach reden, das weckte sie meistens etwas auf.
    “Wir haben die Liste gestern noch fertig überarbeitet, aber ich wollte sie heute noch mal neu schreiben mit den anderen. Ein bisschen mehr Ordnung reinbringen und so. Außer, du meinst, das geht so.“
    Bei einigen war es gar nicht so einfach gewesen, herauszufinden, ob die denn noch Schüler waren oder doch nicht mehr. Aber mit ein wenig Fleiß und Spucke ging ja bekanntlich alles. Und wenn man die Hilfsschreiber nett fragte, halfen die einem sogar richtig, hatte sie festgestellt.
    Sie übergab die Liste an Nikolaos, damit er selber schauen konnte, ob es ihm so recht war oder ob er ihren Vorschlag aufgreifen wollte. Axilla war für Durchsetzungskraft definitiv noch zu müde.
    “Der Kosmetes hat sein officium auch hier im Gymnasion, oder?“ Axilla war sich nicht ganz sicher. Sie glaubte, das Amt war so eine Art Schiedsrichter für Sport, wenn sie das richtig gelesen hatte. Aber so genau hatte sie sich damit noch nicht befasst.

  • Nikolaos besah die Liste, doch das nur kurz.
    "Es wäre gut, wenn du davon einige Kopien anfertigen könntest. Ein Exemplar brauche ich selbst, ein anderes ist für das Archiv des Gymnasions bestimmt, eine weitere Abschrift kommt zu den städtischen Schriftensammlungen in das ehemalige Bouleuterion."
    Er gab der Schreiberin die Liste zurück.
    Beim römischen Fremdwort, das das Mädchen benutzte, schmerzten dem Athener die Ohren. Sein Mund verzog sich kurz, als habe er in eine saure Frucht gebissen. Bald jedoch lächelte er wieder.
    "Der Kosmetes hat keine eigene Amtsstube. Er sollte in der Palästra zu finden sein."

  • Immernoch etwas wortkarg nickte Axilla einfach zu allem und nahm die Liste wieder zurück. Das Kopieren sollte kein Problem sein, das ging ja wesentlich schneller, als es zu überarbeiten. Die Schreiberlinge hier waren sehr schnell im Schreiben.
    Dass der Kosmetes nicht einmal eine eigene Stube hatte, erschien ihr etwas seltsam. Er war doch Beamter? Was machte er dann den ganzen Tag hier im Gymnasion? Lief der dauernd herum? Komisches Amt, befand sie in ihrer Unkenntnis.
    “Gut, dann geb ich das den Schreibern und mach mich auf die Suche nach Cleonymus.“
    Na, hoffentlich fand sie den schnell. Sie wusste ja eigentlich noch nicht einmal so genau, wie der aussah.

  • In Begleitung der Scriba kam Cleonymus in den Amtsstuben des Nikolaos an und sah sich sofort etwas um ob sich seit seinem letzten Besuch etwas geändert hatte, dann ging er auf den Gymniasarchos zu und lächelte ihm entgegen ...


    "Sei mir gegrüßt Gymniasarchos Nikolaos Kerykes, wie geht es denn dem mächtigsten Griechen in der Provinz an diesem Morgen?"

  • "Guten Morgen, Cleonymus.", sagte Nikolaos höflich. Auf die Anspielung auf seine Macht, die Nikolaos als gar nicht so groß einschätzte, reagierte er nicht. "Es ist ein schöner Morgen.", meinte er nur. "Ich hoffe nur, der Tag wird nicht zu heiß. Ich hatte mich bereits auf die Regenzeit eingestellt."
    Wobei Regenzeit natürlich in Alexandria und ihrer Umgebung übertrieben war. Winter bedeutete hier, dass es manchmal, oft sehr stark regnete und insgesamt etwas kühler war.
    "Bitte, nimm Platz."
    Er deutete auf einen Stuhl ihm gegenüber.
    "Ich habe eine Idee, die ich dir gerne mitteilen würde: Wie wäre es, wenn wir einen Wettkampf ausrichteten? Und zwar einen, der möglichst viele Disziplinen abdeckt. Ich dachte daran, unterschiedliche Preise auszuloben. Es könnte Ringkämpfe geben, Wettläufe* aber auch Dichter- und Kithaödenwettkämpfe."



    Sim-Off:

    Natürlich müssten wir sehen, wie wir bestimmen, wer z.B. bei einem Wettrennen Schnellster ist. Man könnte das Ganze daran koppeln, wer das schönste Rpg liefert oder aber auswürfeln und für gewisse Dinge, z.B. für jedes Mal, da jemand im Gymnasion trainiert hat, Extra-Punkte vergeben. Wie genau, müssten wir halt mal sehen. Auf jeden Fall müssten wir bei der Ankündigung SimOff erwähnen, dass das ganze rein technisch nicht völlig objektiv sein kann.

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