officium MAC | The "Witch" Gift Project

  • "Soll rein kommen", sagte ich und sah erwartungsvoll zur Tür. Brix nickte und verschwand wieder nach draußen. Kurz darauf trat ein hagerer, hochgewachsener Mann mit einem unhandlichen Korb ein. Unsicher fing er meinen Blick auf, sah dann zu Boden und stellte seine Fracht ab. "Err-gebendste Grrrüße, mein Herrrr", sagte er und neigte den Kopf. "Salve", entgegnete ich und erhob mich, um um den Schreibtisch herum zu gehen. Mein Blick war auf den geflochtenen Korb gerichtet, dessen zwei Flügeldeckel sorgfältig geschlossen waren und jegliche Sicht auf den Inhalt versperrten. Vor ihm blieb ich stehen und ging in die Hocke, um den simplen Verschluss zu lösen und einen Flügeldecken zu lüften. "Und es ist ganz sicher echt?" fragte ich und blickte prüfend zu dem Mann mit dem dunklen Teint auf. Sofort nickte er. "Natürrlich, mein Herrr. Ich habe selbst dafürrr Sorrrge getrrrragen." Er klang ernst, also nickte ich nach einem weiteren prüfenden Blick und hob den Deckel an, um in den Korb zu sehen. Der Anblick entlockte mir ein flüchtiges Lächeln. Kurz griff ich hinein und befühlte es, dann nickte ich abschließend und verschloss den Korb wieder. Er war hübsch, wie ich gefällig feststellte, geflochten aus hellem Schilfgras. Tiefblaue Perlen waren im Flechtferk eingearbetet.


    Ich erhob mich wieder und sah den Mann an, der die Lieferung gebracht hatte. "Wie viel?" fragte ich. "Oh, mein Herrr, ich habe einen langen Weg gehabt bis hierrrherrr. Viele Stunden auf dem Pferrrdekarrrrrrren, viele Tage auf einem Schiff. Dazu die Suche, die lange gedauerrrrt hat. Schließlich sollte es etwas Besonderrrrres seiin, nicht wahrrrr?" Der Mann lächelte gewinnend. Was hatte ich auch anderes erwartet? Natürlich wollte er mehr haben als veranschlagt war. Das Feilschen begann, und nachdem ich geringfügig mehr gezahlt hatte, als Wcchen zuvor vereinbart worden war, verließ der Mann mit dem seltsamen Akzent das Haus und ließ den schicken Korb in meinem officium zurück.


    Ich warf einen prüfenden Blick aus dem Fenster. Es war bereits Abend und dämmerte schon. Nicht unbedingt die geeignetste Zeit für einen Besuch, aber schließlich sollte auch nur der Korb abgegeben werden. Ich ließ Brix rufen und setzte mich hin, um einige Worte auf Papier zu bringen. Gerade hatte ich die Feder wieder abgesetzt, da klopfte es und Brix trat ein. "dominus?" "Brix. Da steht der Korb, hier ist der Brief. Es soll so laufen wie besprochen." "Jawohl, dominus", erwiderte dr frischgebackene maiordomus, griff den Korb und das Pergament, nickte zum Abschied und tat dann, was bereits vor Tagen besprochen worden war. Ich hoffte, dass es die beabsichtigte Wirkung haben würde.


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    "Und sie hat dem Kleinen einen Brief für mich gegeben?" fragte ich verwundert und mit gerunzelter Stirn. "Woher wusste sie nur, dass die Katze von mir kam?" Hatte sie etwa nur mir erzählt, wie gern sie diese Tiere mochte? Oder war die Anspielung auf den Verehrer schon genug der Worte gewesen? War ich gar der einzige, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, endlich zu heiraten? Brix hob die Schultern und schüttelte den Kopf. "Dem Jungen gegenüber habe ich deinen Namen nicht erwähnt", erwiderte er und reichte mir dann die schlanke Schriftrolle. Ebenso schlicht und siegellos war sie. Leise raschelte das Pergament, als ich sie entrollte und zu lesen begann.



    Liebster Marcus!
    Du weißt immer wieder auf´s Neue, wie du mir eine Freude bereiten kannst. Ich war hocherfreut, als die kleine Saba ihrem Korb entstiegen ist. Sie ist ein wundervolles Tier, so wie ich es mir schon immer gewünscht hatte. Du hast mir mit Deiner Überraschung einen Herzenswunsch erfüllt!
    Meinen herzlichsten Dank für dieses wunderschöne Geschenk!


    In Liebe und Verbundenheit


    Flavia Celerina




    Ich schluckte und starrte den Namen an, ohne ihn zu sehen. Das war... Das... Damit hatte ich nicht gerechnet. Liebster Marcus, stand dort in ihrer Handschrift. Sie nannte mich nicht mehr Corvinus. Das allein hätte mich allerdings nicht so aus dem Konzept gebracht. In Liebe und Verbundenheit hieß es weiter unten. Das war es, was mir einen kühlen Schauer über den Rücken kriechen ließ. Das war zu einfach gewesen. Zu...schnell? Ich blickte auf, suchte mit den Augen den Stuhl und setzte mich erst einmal. Mir schien, dass ich damit nicht bereits einen Fuß in der Tür hatte, sondern schon drinnen auf einer cline lag und Wein orderte, im übertragenen Sinne. Brix hatte die Stirn gerunzelt und beobachtete mich. "Ähm, danke. Du kannst jetzt gehen, Brix", sagte ich langsam. Auf ihn musste ich zerstreut wirken, auf mich selbst wirkte ich zögerlich und unbeholfen. Beides Dinge, die ich nicht wollte, also atmete ich tief durch und fuhr mir durchs Haar. Sah man diesen überraschenden Verlauf der Dinge positiv, so blieb mir die Arbeit des weiteren Freiens um Celerina wohl größtenteils erspart. Und dennoch... Jemand anderer spukte mir im Kopf umher, schürte das schlechte Gewissen. Ich knirschte mit den Zähnen. "Ich heirate Flavia Celerina", sagte ich in den Raum hinein. Und da ich es nun ausgesprochen hatte, gab es auch keinen Weg zurück. So einfach war das. Auch wenn ich nicht so enthusiastisch geklungen hatte, wie ich es beabsichtigt hatte.


    Einen halben Krug Wein später verließ ich das Büro, um noch ein wenig Zeit unter dem Sternenhimmel zu verbringen.



    ~ finis ~

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