Ein Schiff soll her

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    Mit dem Pferd am Zügel durchquerte Brix zielstrebig den Hafenbezirk und steuerte eine ganz bestimmte Werft an. Vor sechs Wochen war er schon einmal hier gewesen, um den Bau eines Schiffes in Auftrag zu geben. Mit einem gebrauchten wollte man sich nicht abgeben, also ließ man kurzerhand ein ganz neues bauen. Heute wollte sich Brix ansehen, wie weit der Bau fortgeschritten war. Bereits aus der Ferne konnte er den Mast sehen. Beim Näherkommen entdeckte er viele Männer, die auf dem Schiff herumkraxelten, Knoten in armdicke Seile knüpfen und Werkzeug oder Holz herumtrugen. Brix band sein Pferd an einen Poller und betrat die Werft auf der Suche nach dem Vorarbeiter.

  • "Ah, ich hatte mich schon gefragt, wann du wieder hier aufschlägst", begrüßte ihn ein bärtiger Geselle, der auf ihn zu kam, und klopfte ihm auf die Schulter. "Guten Morgen Myronides. Na, alles fit? Bei dir und ihr?" fragte Birx. "Ach ja, wie man's nimmt. Es geht eben auf und ab im Leben, nicht wahr? Meine Frau ist schon wieder schwanger. Eigentlich sollte mich das freuen..." "Aber das tut es nicht?" fragte Brix höflich weiter. "Nah. Ich hab ja jetzt schon meine liebe Mühe, die anderen acht satt zu kriegen. Aber genug von mir, wie geht es dir, alter Halunke?" Brix enthielt sich besser eines weiteren Kommentars dazu, zumal er ohnehin nichts beitragen konnte, und zuckte mit den Schultern. "Gutgut."...


    An dieser Stelle folgte eine kleine, oberflächliche Unterhaltung. Die Sache mit Matho erzählte er nicht. Seeleute waren mitunter schlimmer als Waschweiber, und auch wenn Myronides genau genommen kein Seemann mehr war, so steckte ihm die Angewohnheit, mehr zu erzählen als gut war, immer noch tief in den Knochen. Eine halbe Stunde später standen sie an Deck. "Hier auf dem Schiff?" fragte Myronides gerade verwundert und kratzte sich durch seinen dicken, schwarzen Bart hindurch nachdenklich das Kinn. "Ja. Ist mal was anderes. Bisher ist das allerdings nur so eine fixe Idee, daher wär ich dir sehr verbunden, wenn du das nicht überall rumerzählst." "Hm? ich? Klar doch. Mach ich nicht, mein ich. Und wann...?" "Kann ich dir nicht sagen. ich vermute, das weiß er nicht einmal selbst." Brix zuckte mit den Schultern. "Ah. In Ordnung. Schon verstanden. Ja alsoo... Die Takelage sollte, sagen wir, morgen Abend fertig sein. Meine Leute bauen unten gerade noch die Schotts ein und - err, willst du mal sehen?" Mit einer lässigen Bewegung hatte Myronides auf die breite Luke gedeutet. "Ach, muss nicht sein. ich vertrau dir da voll und ganz." Myronides wirkte ein wenig enttäuscht, doch er zuckte mit den Schultern und fuhr fort mit seinem Bericht. "Im Grunde sind's nur Kleinigkeiten, die noch fehlen. Aber auch ein Kiesel kann eine Lawine ins Rollen bringen, nicht wahr?" Er lachte keckernd über seinen eigenen Scherz - Brix grinste mit - und sprach dann weiter. "An der Ruderpinne stimmt noch was nicht, die haben wir gestern noch mal ausgebaut und zum Schleifen gebracht, irgendwie hat das Mistding nicht so ganz gepasst. Und dann müssen wir natürlich die Segel noch vertäuen, aber das geht erst, wenn die Gaffeln und Wanten soweit sind. Und..."


    Brix hatte während des letzten Teils des Monoglos - und Myronides war ein Meister der Monologie - einer vorwitzigen Möwe zugesehen, die auf einem Bein auf der Reling stand und ihr Gefieder putzte. Jetzt war sie gerade fertig geworden, wandte sich um und flog davon, nicht ohne etwas zu hinterlassen. Brix wandte sich zu Myronides um, der ihn erwartungsvoll ansah. "Ah, ja... Also, wie lange noch? So in etwa?" fragte er. "Hm, so...zwei Wochen?" erwiderte der Schiffsbauer. "Zwei Wochen, alles klar. Dann komme ich in drei Wochen wieder, oder ich schicke jemanden."


    Als Brix sich verabschiedete, wirkte Myronides ein wenig enttäuscht, doch als der Germane sch auf sein Pferd schwang, vernahm er schon wieder die volltönende Stimme des Griechen, der gut gelaunt Befehle austeilte. "...sonst mach ich euch Beine, ihr räudigen Hunde!" Brix schmunzelte in sich hinein, wandte sein Pferd und ritt zurück nach Rom.

  • Die Sänfte setzte ab. Ich hatte mir den Weg hierher zum Hafen von Ostia mit trüben Gedanken vertrieben, doch als nun der Hufschlag neben mir verklang und ich den Stoff beiseite schob, war ich sogleich eingenommen von dem Schiff, das ich sah. "Ist es das?" fragte ich Brix und deutete auf den Zweimaster, der noch in der Werft lag und auf dem geschäftig einige Männer herumturnten. "Ja, dominus. Wie es aussieht, sind wir noch rechtzeitig angekommen." Hätten wir es nicht geschafft, hätte ich es Brix übel genommen. Er war davon ausgegangen, Ostia in einem schnellen Ritt zu erreichen, und dabei hatte er vergessen, dass mich nichts und niemand mehr auf ein Pferd bringen würde, nicht jetzt und nicht irgendwann später. Der Weg mit der Sänfte hatte natürlich ein wenig länger gedauert als ein Ritt.


    Ich entstieg der Sänfte, Brix drückte seine Zügel jemandem in die Hand und trat an meine Seite. "Der Vorarbeiter ist Grieche, Myronides. Ein rauhbeiniger Kerl, aber er weiß, was er tut", erzählte der Germane. "Das will ich auch hoffen", erwiderte ich ein wenig miesepetrig, was man mir angesichts der Umstände wohl nicht verübeln konnte. Immerhin war dieses Schiff kurz vor meiner Verlobung in Auftrag gegeben worden. Mit Celerina hatte ich mich geeinigt, einen Teil der Hochzeit auf See zu zelebrieren, und dann war sie elendiglich verreckt im Feuer. Ich schob den Gedanken beiseite, da kam auch schon der Grieche auf uns zu. Sein Bart stoß mich etwas ab, ich hatte das Gefühl, als wimmelte es darin. "Chaire, chaire. Senator, Brix. Ihr seid gerade noch rechtzeitig! Gleich geht es los." "Salve." "Salve Myronides. Na, wie geht es Weib und Kindern?" "Ganz ausgezeichnet, ich hab wieder einen Jungen!" erwiderte Myronides und grinste über beide Ohren. Das Kind war sein neuntes, wie sich im weiteren Gespräch zwischen den beiden herausstellte. Brix und Myronides unterhielten sich, während wir auf das Schiff zu gingen. Es ruhte auf gesicherten Rundhölzern, und allmählich zogen sich die Arbeiter zurück und griffen sich lange Stemmhölzer.


    "Nordwind", sagte ich plötzlich, und Brix und der Vorarbeiter verstummten. "dominus?" "Nordwind, Brix. Das Schiff wird Nordwind heißen." Kurz zog sich Schweigen, Brix sagte nichts. Myronides sah von einem zum anderen und grinste dann breit. "Alles klar, Nordwind. Heda, Cossus! Schnapp' dir 'nen Eimer Farbe, die Braut hat einen Namen!" befahl er, woraufhin ein Mann loswetzte. Brix sah mich an, sagte jedoch zunächst nichts. "Ein schöner Name", rang er sich schließlich ab.


    Beinahe eine Stunde später strengten die schweißglänzenden Leiber der Arbeiter sich ein letztes Mal an. Muskeln spannten sich, ächzend stemmten sie sich gegen die Hölzer und hebelten zum letzten Mal. Dann knirschte es, rumpelte es, und dann neigte sich der Bug des Schiffes mit seinem stilisierten Löwen voraus der See zu, und der Nordwind küsste ostiensisches Hafenwasser. Die Arbeiter ließen ihre Stäbe fallen und begannen zu applaudieren und zu johlen, und ich lächelte zufrieden vor mich hin. Ich hatte ein Schiff. Eine Zweimast-Corbita.


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