Die Kohorten in Rom: Fragen und -hoffentlich- Antworten

  • Salvete.


    Ich habe da eine Frage bezüglich der Organisation der Praetorianerkohorten:


    - und zwar hab ich gelesen (Domaszewski oder so ähnlich heißt der Autor), dass die Kohorten je 1000 Mann umfassten und sog. cohortes equitatae darstellten, dh 6 centuriae und 3 turmae umfassten*.


    Was mich jetzt ein bißl verwirrt:


    - dass die Größe der Kohorten sich änderte, ist bekannt und dass deren Größe in der hier gesimmten Zeit bei ca. 1000 Mann liegen dürfte, auch.


    Aber dass sie cohortes equitatae waren, ist mir neu. So wie ich den Eindruck habe, wird - zumindest hier im IR - strikt zwischen Reitern und Fußsoldaten bei den Praetorianern unterschieden, dh die Equites Singulares werden als in selbstständigen Einheiten organisiert gesehen. Auch die IR-Wiki spricht von 500 Mann pro Kohorte, was auf normale Infanterie-Kohorten deutet. Auch die Grundvorlesung in der Academia Militaris spricht von separaten Kavallerie-Einheiten (insofern fällt sogar auf, dass sich die Aussagen der Grundvorlesung und der Wiki zwar nicht widersprechen, aber immerhin irgendwie nicht vollständig ergänzen).


    Weiß jemand von den Historikern etwas genaueres?


    (edit:
    * dass eine cohors equitata normalerweise 4 turmae hat, ist klar)

  • Bezüglich der Equites Singulares greife ich mal auf ein Zitat aus Junkelmann zurück, das Geminus mal rausgesucht hatte:


    Zitat

    Traian (vielleicht schon Domitian) rief dann eine neue Gardetruppe ins Leben, die aus ausgewählten Reitern der Alenkavallerie bestand, den Numerus Equitum Singularium Augusti. Vorbild für die Neuschöpfung waren die schon länger existierenden Reitergarden, die sich die Provinzstatthalter aus den in ihrem Zuständigkeitsbereich stationierten Alen zusammenzustellen pflegten und die man equites singulares ("ausgesuchte Reiter") nannte. Die Stärke dieser auch als mobile Reserve dienenden Gardetruppe schwankte je nach Provinz, sie konnte sich auf bis zu 500 Mann und mehr belaufen. Während aber die Gardesoldaten der Statthalter Angehörige ihrer Alen blieben , also lediglich abkommandiert waren, wurde die für die kaiserliche Garde bestimmten Reiter endgültig aus ihren Einheiten entfernt.
    Der in Rom stationierte Numerus Equitum Singularium Augusti entsprach in Stärke und Gliederung einer ala miliaria des Feldheeres. Das Kommando führte ein ritterlicher Tribun, der anschließend häufig Praefect der Praetorianergarde wurde und damit in die Führungsschicht des Reiches aufstieg. Unter Septimius Severus scheint die Truppe in zwei Abteilungen von je 500, wahrscheinlicher aber gelichfalls zu 1000 Mann Stärke aufgespalten worden zu sei, die in zwei getrennten, doch nah benachbarten Kasernen unweit des Campus caeliomontanus lagen.
    Hauptaufgabe der Einheit war es, dem Kaiser im Kriegsfall als Begleit- und Eingreiftruppe zu dienen und im Frieden wie im Krieg zusammen mit den Praetorianern, über seine persönliche Sicherheit zu wachen. Die zweite Aufgabe war die einer Kriegsschule für die Kavallerie des Feldheeres. Viele Gardereiter wurden später als Decurionen zu den Alen zurückversetzt, um diesen das in Rom Gelernte zu vermitteln. So wollte man dafür sorgen, dass die vorherrschende taktische Doktirn an die Fronttruppen weitergegeben wurde. Die zentrale Bedeutung als Gefechtsschule der Kavallerie, vergleichbar derer der Praetorianer für das Heer, zeigt sich deutlich an der Menge von Exerziermeistern, Manöverspezialisten und anderen Dienstgraden besonderer Art.


    Meines Erachtens schließt da das eine das andere nicht aus, also die Existenz von Cohortes Equitatae parallel zu den Equites Singulares. Andererseits sind zwei parallele Reitereinheiten innerhalb der Garde kaum sinnvoll oder besonders vorteilhaft.


    Allgemein gillt bei den Prätis wohl in der Forschung immer noch "nichts genaues weiß man nicht"...


    Zitat

    insofern fällt sogar auf, dass sich die Aussagen der Grundvorlesung und der Wiki zwar nicht widersprechen, aber immerhin irgendwie nicht vollständig ergänzen


    Das langfristige Ziel ist schon seit einiger Zeit, die Grundvorlesung als eigenen Text durch entsprechend ausführliche und gut verlinkte Wiki-Texte überflüssig zu machen und das Examen dann wie andere schon jetzt auf Basis des Wiki durchzuführen. Es ist nur leider nicht so einfach, eine Überblicksvorlesung passend in eine Lexikonstruktur zu übertragen. Für die Lagerbauvorlesung war das einfacher, weil das keine Überblicksvorlesung ist, sondern ein eng abgeschlossenes Thema behandelt wird.

  • Zitat

    Die zweite Aufgabe war die einer Kriegsschule für die Kavallerie des Feldheeres. Viele Gardereiter wurden später als Decurionen zu den Alen zurückversetzt, um diesen das in Rom Gelernte zu vermitteln. So wollte man dafür sorgen, dass die vorherrschende taktische Doktirn an die Fronttruppen weitergegeben wurde. Die zentrale Bedeutung als Gefechtsschule der Kavallerie, vergleichbar derer der Praetorianer für das Heer, zeigt sich deutlich an der Menge von Exerziermeistern, Manöverspezialisten und anderen Dienstgraden besonderer Art.


    Das war ja auch das, was die Praetorianer zur sogenannten "Elite" machte. Ein Legionär wird sie sicherlich nicht als kampfstärker oder disziplinierter gehalten haben, als den eigenen Verein. Vielmehr hat man das Gefühl, wenn man über die Garde liest, dass man an der Kampfstärke der Garde eher zweifelte, bis sie sich von Zeit zu Zeit im Feld bewies (und damit gerade mal bewies, ebenso gut wie die Legionen zu sein, nicht mehr, nicht weniger). Aber die Primi Ordines in den Legionen wurden laut Domaszewski überwiegend mit ehemaligen Angehörigen der Praetorianer besetzt. So konnten eben diese die höheren Ränge erreichen, während für einen Centurio, der in der Legion groß geworden war, beim Rang Centurio dann auch Schluß war. Der Grund war, wie Macer schon sagte dass die vorherrschende taktische Doktirn an die Fronttruppen weitergegeben wurde und dass die höheren Ränge nicht durch Provinziale "unterwandert" wurden, da die Garde bis Sept. Sev. mit Italikern besetzt war.



    Eine weitere Frage habe ich noch:


    Die beiden Threads, die jeweils "Torwache" (CP und CU) heißen, sind die aus "spieltechnischen Gründen" parallel angelegt? Ich frage deswegen, weil es mir seltsam vorkommt, da es in der Castra doch nur eine Porta Praetoria gab (hab mal irgendwo gelesen, es konnten Nicht-Soldaten nur über diese ein Militär-Lager betreten). Wurde also die Wache von Angehörigen der CP und Angehörigen der CU am selben Tor gleichzeitig gehalten? Oder wie kann man sich das vorstellen?

  • Ich habe auch mal bei Rankov, The Praetorian Guard nachgeschaut und das auf Seite 8 gefunden:


    Schon zu Augustus Zeiten konnten Prätorianer nach 5 Jahren bei der Infanterie zur Kavallerie wechseln. Sie blieben aber bei ihren Centurien registriert.


    Sie waren ebenfalls in turmae je 30 Mann organsiert und von einem optio kommandiert.


    Rankov gibt das Verhältnis von turma zu centuria mit 1:2 an.


    Neben dieser Reitertruppe gab es noch die speculatores Augusti, die an ihren Reitstiefeln (caliga speculatoria) erkennbar waren und die "cavalry bodyguards" waren. Auch diese blieben bei ihren Zenturien registriert, bildeten aber eine eigene Einheit.


    Soweit von mir, hoffe ich habe ein wenig Klarheit gebracht.

  • Zitat

    Original von Lucius Artorius Avitus
    Die beiden Threads, die jeweils "Torwache" (CP und CU) heißen, sind die aus "spieltechnischen Gründen" parallel angelegt? Ich frage deswegen, weil es mir seltsam vorkommt, da es in der Castra doch nur eine Porta Praetoria gab (hab mal irgendwo gelesen, es konnten Nicht-Soldaten nur über diese ein Militär-Lager betreten). Wurde also die Wache von Angehörigen der CP und Angehörigen der CU am selben Tor gleichzeitig gehalten? Oder wie kann man sich das vorstellen?


    Das hat hauptsächlich spieltechnische Gründe. Allerdings würde ich auch annehmen, dass die beiden Einheiten auch innerhalb ihres Lagers ihre Bereiche getrennt bewacht haben, so dass in jedem Fall ein Soldat der CP darüber entschied, wer den Lagerbereich der CP betrat und einer der CU, wer den Bereich der CU betrat. Wie auch immer diese Lagerbereiche überhaupt aufgeteilt waren... Das Haupttor war da vielleicht nicht der entscheidende Ort, aber parallele Wachen wird es wohl gegeben haben.

  • Ich habe eine Frage; eine historische Frage. Ich entnehme dem Buch "The Roman Army: A Social and Institutional History", dass der Trecenarius rangtechnisch über dem Praefectus Castrorum rangierte und diesem mittelbar vorgesetzt war? Oder war er diesen gleichrangig, weil die Prätorianer eine recht flache Hierachie hatten? Es waren ja alle Centurionen bis auf den Trecenarius gleichrangig und nur der Posten entschied über die Führung. Der Trecenarius wurde ja auch mit einigen Sonderaufgaben beliehen, die ihn innerhalb der Garde recht "federführend" gemacht haben. Die Prätorianer scheinen zwischen stationären Verwaltungsaufgaben und eigentlicher Diensttätigkeit stark getrennt zu haben.

  • Das scheint mir das übliche Problem mit dem Kommandostab zu sein, nur jetzt noch auf den trecenarius ergänzt, oder?


    Ich meine, schon über die Rangfolge zwischen Laticlavtribunen und Lagerpräfekt herrscht ja allgemeine Uneinigkeit. Es gibt wohl auch Publikationen, die den Präfekten noch unter den angusticlavii sieht.
    Von daher kann ich mir vorstellen, dass das auch vom jeweiligen Prätorianerpräfekten abhing.


    LeBohec schreibt allerdings, dass zum Erreichen Lagerpräfektur das heranziehen der primipilares nur eine option war. Die andere bestand in Rittern, die schon drei Tribunate abgeleistet hatten.


    Von daher denke ich, dass man es durchaus mit der IR-Historie halten und den Präfekten über dem Trecenarius halten kann. Dann stellt sich aber wieder die Frage, warum unser princeps praetorii als einziger Prätorianer weniger verdient als seine Äquivalente bei den Provinzialarmeen.

  • Zitat

    Aulus Tiberius Verus
    Oder war er diesen gleichrangig, weil die Prätorianer eine recht flache Hierachie hatten?


    Eine flache Hierarchie (im Vergleich zu heutigen Armeen) hatte die römische Armee ja eigentlich überall, von daher würde es sehr verwundern, wenn die Prätorianer da eine Ausnahme machen würden.


    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    Dann stellt sich aber wieder die Frage, warum unser princeps praetorii als einziger Prätorianer weniger verdient als seine Äquivalente bei den Provinzialarmeen.


    Das hatten wir damals so gemacht, weil der Princeps Praetorii nach allen von uns damals gesichteten Quellen nicht allzu direkt als Äquivalent zum Praefectus Castrorum gesehen wurde. Von den Aufgaben her schon, von der Bedeutung aber nicht. Je nach Quelle findet man den Praefectus Castrorum bei den Legionen ja sogar als stellvertretenden Kommandeur (der bei Abwesenheit des Legatus Legionis zumindest innerhalb des Lagers auch de facto das Kommando führte), was beim Princeps Praetorii so eher nicht angenommen werden kann - schon deshalb, weil es ja zwei Prätorianerpräfekten und damit zwei gleichrangige gegenseitige Stellvertreter gibt. Auch die Tatsache, dass es eben noch den Trecenarius gibt, dürfte die Aufgabenvielfalt und damit auch die Bedeutung des Princeps Praetorii eher schmälern als stärken. Weitere Quellen dazu müsste ich aber auch erst wieder recherchieren.

  • Hm. Also muss ich annehmen, dass der Trecenarius ein wichtiger (und hierachisch bedeutender) Offizier war? (Nein, das ist kein Ego-Frage, sondern wirklich aus historischem Interesse. :D) Ich denke seine Bezeichnung bezieht sich nicht nur auf die Führung von drei Centurien, sondern auch auf die Besoldung? Er wurde ja - nach den Quellen, die mir vorliegen - als recht gut besoldet beschrieben und erfüllte neben diversen Funktionen auch entscheidende Aufgaben für die Augusti. Ich meine, dass die Trecenarii auch eine Besoldungsgruppe waren, die einige Präfekten und ProCuratoren umfasste, die dem Kaiser wichtige Aufgaben abnahmen oder übernahmen. Ich meine, dass Nero auf den Trecenarius baute und dieser im Sinne des Präfekten Tigellinus, jene Testamente erpresste, die Nero später unermesslich reich machten, nachdem jene Opfer in den Tod getrieben wurden oder entsprechend ermordet durch den Trecenarius mit seinen Männern. Der Trecenarius hatte ja direkten Zugang zum Kaiser und war sogar zeitweise mit der Anwerbung jener Söldner betraut, die den inneren Kern der Leibwache des Kaisers bildeten: batavi etc.


    Die Prätorianer scheinen also wirklich ganz konkret Verwaltungsaufgaben und jene "polizeilichen" Aufgaben zu trennen. Der Princeps Praetorii verwaltet die Kasse und das Lager sowie Ausrüstung und der Trecenarius führte die Statores und Speculatores, da ihm ja auch die Erste Kohorte untersteht. Ich würde sie also im IR-Bezug als gleichrangig erachten. Nur, dass ihre Aufgaben organisatorisch getrennt sind.

  • Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    Hm. Also muss ich annehmen, dass der Trecenarius ein wichtiger (und hierachisch bedeutender) Offizier war? (Nein, das ist kein Ego-Frage, sondern wirklich aus historischem Interesse. :D) Ich denke seine Bezeichnung bezieht sich nicht nur auf die Führung von drei Centurien, sondern auch auf die Besoldung? Er wurde ja - nach den Quellen, die mir vorliegen - als recht gut besoldet beschrieben


    Ja, würde ich auch so sehen. Und die Besoldung ist bei uns ja auch sehr gut. Genaugenommen genauso hoch wie die des Princeps Praetorii und von daher ist es sicher auch naheliegend, sie als gleichrangig zu betrachten.

  • Es gibt sogar eine interessante These, dass die Prätorianer durch ihre "Niedertracht" sogar in Teilen für den späteren Fall von Rom (Westrom) verantwortlich waren, weil sie jenes Klima der Angst geschaffen hatten und in Rom selbst eine Kultur der Abhängigkeiten bestand. Nicht ohne Grund löste Konstantin die Garde auf, auch weil sie Maxentius gestützt hatte. Jedoch fehlte ohne die Infrastruktur der Garde eine entsprechende Stabilität innerhalb der Urbs. Ein Machtvakuum entstand, welches Konstantin nur mäßig füllte, da er sich auf sein Byzantium stützte. Seine neue Kaiserstadt.

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