Die letzte Nacht vor dem großen Ereignis! Oder: Ein Römer und ein Parther machen die Stadt unsicher?

  • Marcus staunte nicht schlecht als er die Antwort von Cassim vernahm, Donnerwetter, der Mann ließ wirklich nichts anbrennen; gut, anscheinend war er auch zur Ehe teilweise genötigt worden, die er lieber nicht einging, aber er hatte sich wohl auch noch einige Ehefrauen dazu erwählt. In diesem entspannten und durchaus zwanglosen Moment kümmerte sich Marcus nicht darum, daß Cassim sein Sklave war und er eigentlich sonst nicht wirklich etwas von dem Leben als freier Mann von diesem wißen wollte - das machte alles nur sehr viel komplizierter. Doch heute an jenem Abend...an dem war alles ein klein wenig anders. Jetzt, wo der Abend schon ein klein wenig älter geworden war, strömten auch bereits mehr Gäste in die Lokalität, Marcus beobachtete einen Herzschlag lang eine Gruppe von Männern, die lachend und scherzend einige Tische weiter von ihnen Platz nahmen. Ein Sohn...zwei Mädchen...zwei Söhne und noch eine Tochter? Doch schon erntete Cassim erneut einen verdutzten Blick, das war ein ordentlicher Stall an Kindern; ja, Kinder hatte Marcus auch immer gern gehabt und das war etwas, was der größte Vorteil einer Ehe war, er würde hoffentlich wieder bald ein paar Eigene haben. Ein wenig versonnen lächelte Marcus, ehe ein Stich von einem schlechten Gewißen durch Marcus ging und das Lächeln von seinen Lippen vertrieb, aber Marcus wollte lieber nicht daran denken, daß er womöglich mit daran Schuld war, daß jene Kinder nun vaterlos und vielleicht auf der Straße aufwachsen mußten - wer wußte schon, wer sich um den großen Familienhaufen von Cassim kümmern würde.


    Seine Augenbrauen zogen sich ein klein wenig zusammen und er winkte einen der Sklaven heran, die hier sie bedienten.
    "Bring' uns etwas zum Rauchen...und ach, wenn die Flötenspielerin fertig ist, dann bitte sie doch, mal bei uns vorbei zu schaun!"
    Eine Münze wanderte zu dem Sklaven, der daraufhin noch etwas eifriger wirkte. Marcus wandte sich daraufhin wieder dem Essen und nach einigen Bißen auch wieder Cassim zu.
    „Viele Frauen sind ein Zeichen des Wohlstandes? Haha, ja, das kann ich mir denken, Frauen geben das Geld auch gerne mit vollen Händen aus, egal ob man es hat oder nicht!“
    So war es zumindest bei seiner ersten Ehefrau gewesen und alle andere Frauen, die er in seinem Leben kennen gelernt hatte, verspürten selbigen Drang – mal von seiner Mutter abgesehen, aber die war außerhalb jeden Maßstabes. Einen Augenblick lang drang der Impuls in Marcus hoch, noch etwas mehr zu den Frauen zu fragen, den er jedoch gleich wieder herunter kämpfte. Nein, besser nicht, am Ende fing er an, sich zu sehr auch noch dafür verantwortlich zu fühlen.


    „Freuen? Hm!“
    Marcus störte sich nicht an der Frage, er dachte nur einen Augenblick länger nach, denn sie war nicht einfach zu beantworten und ganz besonders nicht mit dem in seinem Hinterstüblein hockendem kleinen Nervenbündel, der sich immer wieder über den nächsten Tag beschwerte.
    „Mein Verlobte ist eine bildschöne, reizende und fröhliche junge Frau! Ich könnte es also schlimmer haben…aber…“
    Marcus zögerte einen Herzschlag lang und trank einen Schluck Wein.
    „…am Liebsten würde ich nicht heiraten, ganz gewiß nicht! Ich glaub, bei euch Parthern ist das alles viel einfacher mit den Frauen, aber unsere Römerinnen, die sind eigen!“
    Marcus grinste breit, halb gequält, aber auch, weil er dann doch in seinem Herzen ein wenig froh darum war, daß die Frauen waren wie sie waren, wie seine Mutter zum Beispiel.
    „Deswegen reicht mir auch eine Römerin als Ehefrau, mehrere…ich sag’ Dir, ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden.“
    Das würde wirklich die Hölle auf Erden werden.
    „Aber sind Deine Frauen nicht eifersüchtig aufeinander? Gibt es keinen Zank und Hader?“

  • Jene Augenblicke waren es, die Cassims Sehnsucht ins unermessliche trieben. Das fröhliche Kinderlachen, wenn der Vater nach Hause kam, der freudige Aufschrei Merals und ihre strahlenden Augen, wenn sie ihn erblickte, die sanften Hände Yasminas, all das misste er so sehr, dass es ihn beinahe seine Augen feucht werden ließ.
    Der Römer staunte nicht schlecht, als er von der großen Familie des Parthers hörte. Er wusste, die Römer gaben sich nur mit einer Frau zufrieden. Allenfalls hatten sie noch einige Sklavinnen, die ihnen zu Willen sein mussten. Eine grausame Vorstellung, dachte Cassim. Er hatte es auch schon selbst miterlebt, diese römischen Frauen waren ganz anders, als er es von zu Hause gewohnt war. Es waren schamlose Weiber, die sich einfach so in der Öffentlichkeit zeigten, meistens nur in Begleitung ihres Sklaven. Solch ein Treiben hätte Cassim niemals zugelassen. Seine Frauen waren allesamt sittsame Eheweiber, die es niemals gewagt hätten, ihre Stimme gegen ihn zu erheben. Andere Länder, andere Sitten. So waren doch eigentlich die Römer zu bedauern!


    Der Römer wusste, was zu einem guten entspannenden Abend gehörte. Er bestellte etwas zu rauchen. Eine Shishe war genau noch das, was zu einer gemütlichen Runde fehlte. Doch damit nicht genug, die Flötenspielerin orderte er gleich mit, sobald sie mit ihrem Spiel fertig war, sollte sie zu ihm kommen.


    Allmählich wollte sich ein kurzweiliger Plausch unter Männern einstellen. Die Frauen waren doch immer wieder ein Thema, worum man sich austauschen konnte. Vermutlich war es der Wein, der Cassims Zunge locker werden ließ. "Ja, du glaubst nicht, welche Vorteile es mit sich bringt, mit den Töchtern einflussreicher Männern verheiratet zu sein. Dadurch wird dir so manche Tür geöffnet." Cassim nahm noch einen Schluck Wein und nahm sich von den Speisen. "Allerdings sind unsere Frauen nicht so, wie eure Römerinnen. Meine Frauen zum Beispiel, sie leben zusammen in einem separaten Teil meines Hauses, abgeschirmt von jeglichen Blicken fremder Männer. Das Geldausgeben ist dann eher meine Sache," fügte er noch grinsend hinzu.
    Als der Römer von seiner Verlobten sprach, merkte Cassim, wie sehr er hin und hergerissen sein musste. Der Parther sah das eher gelassener. Er hatte das alles bereits mehrfach hinter sich und für ihn war es einfach eine Frage des Blickwinkels. Womöglich sollte er dem Römer noch einige Tipps mit auf den Weg geben. Erst zögerte er noch, doch dann sprach er aus, was er dachte.
    "Na, dann freu dich doch, wenn du die schönste Blume des Gartens gefunden hast! Das Wichtigste ist, dass du ihr von vorne herein klarmachst, wer Herr im Hause ist. Frauen brauchen das! Du wirst sehen, dann wird sie dich anbeten!" Dies traf auf die parthischen Frauen zu, wie es mit den Römerinnen stand, da hatte Cassim nur wenig Erfahrung. Aber Frau war doch Frau!
    "In meinem Harem gibt es eine besondere Rangordnung. Es gibt eine erste Frau, das ist diejenige, die mir den ersten Sohn geboren hat. Sie hat, wenn du so willst, im Harem das Sagen. Doch dann gibt es auch die Lieblingsfrau, die in meiner Gunst steht. Sie ist die eigentliche Königin des Harems. In meinem Fall sind das zwei verschiedene Frauen. Natürlich gibt es da auch Reibereien untereinander. Doch damit sie sich nicht gegenseitig die Augen auskratzen gibt es auch einen Haremswächter. Der einzige Mann, der sich in meinem Harem aufhalten darf. Wie du dir wahrscheinlich vorstellen kannst, ist das ein Eunuch. Er trägt dafür Sorge, damit niemand zu Schaden kommt und schlichtet auch aufkommenden
    Streit."
    Cassim wusste, dieser arme Kerl war nicht zu beneiden!

  • Auf einem silbernen Tablett trug der Sklave eine lange und schlanke Pfeife heran, die aus dunklem Ebenholz und Silber hergestellt war. Ihre Spitze hatte die Form einer Antilope, deren schmales Maul sich zur Mundöffnung der Pfeife auftat. Es war eine Pfeife, wie sie auch in Ägypten zu finden war. Der Sklave trug sie auf und legte sie auf den Tisch, sich noch einmal verbeugend und dann davon eilend. Allzu oft hatte sich Marcus schon diesem kleinen Laster hingegeben, darum mußte er nicht rätseln, was es womit auf sich hatte. Er griff nach dem Beibesteck und fing an, die Pfeife mit dem Opium- und Katgemisch zu stopfen. Nachdenklich sah Marcus auf, ja, da würde seine Mutter wohl beipflichten, eine Ehe war immer eine gute Möglichkeit Bündniße zu schmieden, aber die Ehe mit Epicharis würde ihm wohl nicht viel bringen, außer die schöne Epicharis, was wohl in diesem Fall ein größerer Gewinn war als einen Drachen zu heiraten und dafür weiter zu kommen, zudem war eine schöne und kluge Ehefrau mitunter nützlicher als nur gute Verbindungen.
    „Da würde Dir meine Mutter mit Sicherheit Recht geben, Cassim. Und das ist auch für viele meiner Mitrömer ähnlich, darum werden die Ehen bei uns auch oftmals deswegen geschloßen!“
    Die braunschwarze, klebrige Masse hatte Marcus mittlerweile in den Pfeifenkopf gelegt, der die Form eines Tropfens hatte. Marcus beugte sich vor und hielt einen Zunderspan in eine Öllampe, eine kleine Flamme leckte hervor, die er an den Pfeifenkopf führte und ganz langsam an der Pfeife sog, behutsam, als ob ein zu fester Windhauch den Glimmspan zum Verlöschen bringen konnte. Ganz langsam entzündete sich die dunkle Maße in der Pfeife und fing an zu glühen. Währenddessen lauschte Marcus erneut mit wachsendem Staunen; die Frauen wurden eingesperrt? In einem gesonderten Bereich? Irritiert blinzelte Marcus den Parther über die Pfeife hinweg an. Eine feine Rauchsäule stieg aus Marcus' Nase hervor, als er den ersten Zug von der Pfeife in seine Lungen so und wieder entließ. Noch ein zweites Mal ließ er den Rauch auf seiner Zunge zergehen, ehe er die Pfeife vom Mund zog und etwas erstaunt den Kopf schüttelte. Nein, die Römerinnen würden sich so was unter Garantie nicht gefallen laßen, außerdem war das doch langweilig, schließlich waren auch die verheirateten Frauen – oder gerade die – sehr interessant. Die schöne Lucilla – z.b.- wegzuschließen wäre wirklich ein Verlust.
    „Und gehen sie nie einkaufen oder ins Theater, mal zu den Spielen? Ist das bei euch wie bei den Griechen etwa?“
    Marcus reichte die Pfeife an Casssim weiter, wobei er die Spitze voran hielt
    „Nein, für unsere Römerinnen wäre so was nichts. Unsere Frauen wißen, wo sie im Leben stehen und würden sich so etwas bestimmt nicht gefallen laßen.“
    Was er, in mancher Hinsicht, bedauerlich fand, aber andererseits eben auch nicht.
    „ Was nicht so schlimm ist! Ich meine, wenn ich ins lupanar will, dann möchte ich gewiss meine Frau nicht dabei haben, aber zu den anderen Gelegenheiten ist es nicht schlecht, von ihr begleitet zu werden.“
    Oder? Marcus dachte kurz nach und zuckte mit der Schulter.


    Das Flötenspiel wurde in dem Augenblick unterbrochen, der Sklave hatte sich zu der Flötenspielerin herunter gebeugt und flüsterte ihr leise etwas ins Ohr. Die junge Frau hob den Kopf an und sah in die Richtung von sowohl Cassim, als auch Aristides. Ihre mit bunten Tonperlen durch flochtenen, langen schwarzen Haare wogten sanft als sie sich erhob und mit wiegendem Schritt auf den Tisch zu trat. Ihre fast schwarzen Augen richteten sich erst auf Cassim, dann auf Aristides. In ihrer Haltung war etwas laszives, aber durchaus auch stolzes und widerwilliges.
    „Setz' Dich zu uns und spiel' etwas Schönes!“
    , meinte Marcus; während die junge Frau sich geschmeidig in den Schneidersitz begab und die Flöte an ihre Lippen ansetzte, wandte sich Marcus wieder an Cassim.
    „Du hast sicherlich Recht, ich kann froh um Epicharis sein...aber...ach...das mit dem Herr im Haus, was als Folge hat, daß sie mich anbeten wird?“
    Marcus ' Schultern zuckten belustigt und er schüttelte andeutungsweise den Kopf.
    „Nein, Cassim, so laufen die Angelegenheiten bei uns nicht, sicherlich, die Frauen verhalten sich zurückhaltend in der Öffentlichkeit, aber in den eigenen vier Wänden scheuen sie sich bestimmt nicht, auch das eine oder andere scharfe Wort uns gegenüber zu erheben, insbesondere wenn man sie reizt, römische Frauen sind nun mal wie Rosen, die Schönsten aller Blumen, aber mit scharfen Dornen.“


    Marcus sah zu der Flötenspielerin und ließ seine Hand an ihrem Rücken hoch wandern, seine Fingerspitzen suchten ihre Schultern ab und fuhren durch die dichte Haarmähne, während er die Erklärung bezüglich des Harems lauschte, Marcus kam an dem Abend nicht aus dem Staunen heraus, sicherlich, er war einige Zeit in Parthien gewesen, aber von all diesen Feinheiten hatte er nicht erfahren, es war doch eine ganz andere und sehr exotische, vielleicht auch etwas barbarische Welt für ihn, die sich mit der Erzählung von Cassim auftat.
    „Harem, ein Eunuch, der auf Deine Frauen aufpaßt? Das ist...wirklich sehr exotisch, muss ich sagen, aber gut, die Ägypter haben auch so ihre Eigenheiten.“
    Sanft erklang die Flöte, gespielt von den geschickten Händen jener Frau.
    „Wie ist Dein Name, Mädchen?“
    „Rhea!“
    Eine dunkle Altstimme besaß die junge Frau, die ihre Flöte absetzte und unter ihren dunklen, langen Wimpern die beiden Männer ansah.
    „Rhea...ah, wie die Titanin? Nun, Rhea, sag' hast Du vielleicht noch eine so schöne Freundin hier im Haus, die uns Gesellschaft leisten könnte?“
    Marcus hatte ein Auge auf die Flötenspielerin geworfen, was nicht hieß, daß er alleine zu feiern gedachte, warum sollte der Sklave nicht auch sein Vergnügen finden können. Ein laszives Lächeln erschien auf den Lippen von Rhea, die ihre Wimpern noch etwas anhob und das Kinn in einer eigenwilligen Gestik zu ihnen herüber drehte.
    „Warum eine Freundin holen? Wenn ich euch Beide doch glücklich machen kann und ihr mich?“
    Verblüfft blinzelte Marcus die Frau an und wußte nicht, ob er wütend werden sollte oder in schallendes Lachen ausbrechen.

  • Die erhoffte Shishe stellte sich als Pfeife heraus, so wie man sie in Ägypten benutzte. Ein Sklave brachte sie und vergaß auch nicht die notwendigen Utensilien mitzubringen, die benötigt wurden, um die Pfeife für den Gebrauch zu präparieren. Das Präparieren überließ er dem Römer, während Cassim sich am Fleisch bediente. Er musste es zugeben, so gut wie an diesem Abend hatte er schon lange nicht mehr gespeist und auch der Wein war vorzüglich. Dann kam noch das angenehm klingende Flötenspiel des Mädchens hinzu und nicht zu vergessen, sie selbst war ein optischer Leckerbissen. Zu schade, dass der Römer sie für sich selbst wollte.
    Cassims Blick wurde wieder von der exotischen Schönheit abgelenkt. Er staunte nicht schlecht als der Flavier ihm von den Ansichten seiner Mutter berichtete. Sollte er dies als Kompliment auffassen? Es wäre interessant, die alte Dame einmal kennenzulernen. "Deine Mutter? Lebt sie auch hier?" Bisher war es ihm sehr gut gelungen, den anderen in der Villa lebenden Römern aus dem Weg zu gehen. Nicht dass er sich vor ihnen gefürchtet hätte, ganz im Gegenteil. Es war eher sein Stolz, der ihn dazu verleitete, immer einen großen Bogen und jene Römer zu machen. Es bereitete ihm einfach Schwierigkeiten, sich als Sklave zu bezeichnen und das würde sich auch so schnell nicht ändern.


    Inzwischen hatte der Römer die Pfeife entzündet und genoss den ersten Zug. Der Geruch des Rauches zog in Cassims Nase und weckte auch in ihm das Verlangen, in den Genuss der Pfeife zu kommen. Er besah sich das aufwendig angefertigte Utensil, welches sich in der Hand des Römers befand. Erneut führte er es an seinen Mund und nahm einen weiteren Zug. Dabei entging Cassim nicht jener irritierte Blick des Römers. Der Parther hatte keine Vorstellung davon, was diesen Blick hervor gerufen hatte. Doch er musste nicht allzu lange auf eine Antwort warten. Es war seine Bemerkung über seinen Harem, was den Römer so ungläubig aufblicken ließ.
    "Der Platz einer Frau ist ihr Heim! Nein, das Einkaufen übernehmen die Sklaven. Theater und Spiele ist reine Männersache. Eine Frau stört da nur. Nur Häteren zeigen sich in der Öffentlichkeit. Eine Frau von Ehre hat unsichtbar zu sein. Einige meiner Frauen haben schon seit Jahren nicht mehr das Haus verlassen und wenn sie es verlassen, dann nur in einer Blickgeschützen Sänfte. Wenn du so willst, ja, unsere Gesellschaft ist der der Griechen sehr ähnlich.." Das hatte durchaus seine Vorteile. Inwiefern sich seine Frauen in ihrem Harem wohlfühlten, war Cassim nicht bekannt. Seiner Meinung nach mussten sie sich wie in einem Paradies fühlen. Dort hatten sie alles, was ihr Herz begehrte und dort waren sie vor den Blicken fremder Männer geschützt. Nur die wenigsten Frauen wehrten sich gegen ihr Schicksal. Sie waren so erzogen worden. Meist waren es fremde Weiber, die ein solches Leben vorher nicht kannten.


    Cassim nahm dankend die Pfeife entgegen und inhalierte den Rauch der Pfeife. Lange war es her, seit er in solch einen Genuss gekommen war. Gleich verspürte er die Wirkung des Rauches. Noch einmal zog er daran und er fühlte sich gleich leichter und ungehemmter, als er es zuvor gewesen war. Er sah auf, als die Flötenspielerin ihre Weise unterbrach. Jetzt sah sie zu ihm herüber. Sie war wunderschön und bei jeder ihrer Bewegungen gewann sie noch an Anmut. Schon war sie an den Tisch der beiden Männer herangetreten und schenkte ihren ersten Blick Cassim. Ihre schwarzen Augen und ihr ganzes Auftreten wirkten äußert anregend auf den Parther. Sie setze sich vor sie und begann, wieder zu spielen. Er konnte seine Augen einfach nicht von ihr lassen und es fiel ihm schwer, sich auf die Worte des Römers zu konzentrieren.
    "Was? Sie kommandieren euch zu Hause herum? Nein?! Und ihr lasst das zu?" Cassim schüttelte den Kopf. Er musste zugeben, die Römer waren wirklich nicht zu beneiden. Dergleichen würde er sich niemals von einer seiner Frauen gefallen lassen. Das wusste er. "Unsere Frauen sind auch wie die Rosen. Wenn aber ihre Dornen uns stechen, dann entfernen wir einfach die schärfsten."
    Cassims Blick ging wieder zu dem Mädchen vor ihnen. Ihm war nicht die Hand des Römers entgangen, die sich zärtlich an ihrem Rücken zu schaffen machte.
    Eigenheiten? Cassim sah auf. Er bezeichnete den Harem als Eigenheit. Das war er ganz und gar nicht! Es bot ihm die Möglichkeit, im eigenen Haus auch einmal Abstand von der Familie zu haben und seinen Frauen bot es den Schutz, den sie bedurften. Aber der Römer würde das nicht verstehen. In diesem Punkt waren ihre Völker und deren Ansichten einfach zu verschieden.
    Das Mädchen gewann wieder seine Aufmerksamkeit, als sie ihren Namen preisgab. Rhea! Ihre Stimme passte, zu dem, was Cassims Augen bereits gesehen hatten. In ihm entstand der Drang, sie berühren zu wollen. Da kam die Frage des Römers nach einer Freundin, die noch zu den beiden Männern gesellen konnte, wie gerufen. Wobei es bei genauer Überlegung wohl eher so gelagert war, dass jene Freundin für den Sklaven bestimmt sein sollte, während der Herr sich das Prachtstück unter den Nagel zu reißen gedachte. Also doch, lieber keine Freundin! Cassim hatte es auf sie abgesehen und in seiner Lendengegend pulsierte es bereits. Das Mädchen indes, war von dieser Idee auch nicht ganz so überzeugt und den Vorschlag den sie nun machte, hatte etwas leicht Frivoles, was den Parther dazu veranlasste, laut los zu prusten. Die Kleine hatte es wirklich in sich!

  • Kräuselnde Schlangen bildeten sich als der Rauch der Pfeife himmelwärts strebte, dabei noch das Aroma des Pfeifengemischs mit sich trug, Marcus verfolgte einen Augenblick lang den Rauch und spürte bereits das wohlige Gefühl, was sich immer nach dem ersten Zug bei ihm einstellte. Probleme rückten in die Ferne, die weltlichen Belange wurden von einem weichen Licht überdeckt und die Welt schien schon viel leichter zu sein. Es war vielleicht das ansteckende Lachen des Parthers, was den Zorn aus Marcus vertrieb. Gemischt mit dem Wein und dem opium kitzelte es das kollernde Lachen aus Marcus heraus, mit dem er sich dem von Cassim anschloß. Doch es war nicht das lange und ausgelassene Lachen, das ihm das Blut ins Gesicht und die Tränen in die Augen trieb, denn im Grunde war Marcus noch immer ein wenig irritiert. Für den Moment verschob er jedoch eine Antwort auf den dreisten Vorschlag der Flötenspielerin und auch seine Hand unterließ die Wanderung.


    „Meine Mutter? Nein, sie lebt in Baiae. Das ist eine Stadt im Süden von Italia, wo ich auch aufgewachsen bin.“
    Es war schon zu lange her gewesen, daß er seine Mutter gesehen hatte und just in dem Augenblick verspürte er auch eine tiefe Sehnsucht, sie wieder zu sehen. Schließlich war sie die Frau in seinem Leben, die er am meisten liebte und bewunderte. Keine andere Frau würde jemals an ihre Stellung in Marcus' Leben heran reichen. Und gerade wenn er seine Mutter vor Augen hatte, wußte er, daß die Römerinnen ganz anders waren als die Frauen, die Cassim wohl in seinem Leben erlebt hatte. Und anders wollte Marcus seine Mutter bestimmt nicht haben, sie hatte ihm in seinem Leben oft den Weg gewiesen und er immer auf sie gehört, schließlich war sie ungemein klug.
    „Hm, naja, jedem nach seinem Gusto oder wie das auch heißt...ich bin froh um unsere Römerinnen und hätte kein Verlange nach einem Harum. Haras? Wie hieß das gleich noch mal?“
    Marcus betrachtete den wohl geschwungenen Rücken von Rhea, der in weichen Rundungen an der Hüfte endete, sie war kein schmales Knochengestell, sondern hatte durchaus Fleisch auf den Hüften und wohlgestaltete, üppige Rundungen, ganz wie es Marcus gefiel.
    „Hm? Kommandieren? Nein, so kann man das nicht sagen, aber sie haben nun mal auch ihren Willen und manchmal ist das ganz gut so, sie halten uns schon von der einen oder anderen Dummheit ab.“
    , erwiderte Marcus grinsend und leerte in einem Zug den nächsten Becher. Er ließ sich zudem noch was von der Pfeife munden und von den Speisen, seine Laune hob sich immer mehr, die kurze Irritation Rhea wegen war schon längst verflogen und seine Züge offenbarten eine leichte Heiterkeit und Sorglosigkeit, etwas, was ihm doch näher lag als Sorge und Gram. Rhea verstaute ihre honiggoldene Flöte in einer Tasche an ihrem Gürtel, der aus bunden Bändern geflochten war.
    „Ihr redet zu viel, kommt lieber mit!“


    Geschmeidig erhob sich Rhea und griff dabei nach der Hand von Cassim und auch Marcus, um sie beide sanft, aber bestimmend in die Höhe zu dirigieren. Ein wenig mißtrauisch, aber auch neugierig richtete sich Marcus auf, aber oho, es drehte sich schon gehörig um Marcus als er auf die Beine kam, scheinbar hatte er dem Wein schon ordentlich zu gesprochen, zudem auch einiges an opium geraucht, so daß seine Gedanken kamen und gingen, sich zerfaserten wie der Nebel, der dem Spiel des Windes ausgesetzt war. Barfuß trat Rhea über den kalten Boden hinweg und führte die beiden Männer zwischen weichen Tüchern zu einer Treppe, die nach oben führte. Alte und verblaßte Fresken zierten die Wände, eine künstlerisch begabte Hand hatte sie wohl mal gemalt, doch all die Jahre hatten es nicht gut gemeint mit den Bildern. Niedrig gebaute Gänge folgten der Treppe und dann ein Raum, der mit Kissen und dicken Teppichen der gleichen abgenutzten Art gefüllt waren. Die einschlägigen Fresken, die mit zahlreichen Rissen durchzogen waren, verrieten den Zweck der Räumlichkeiten. Ein unauffälliger Sklave brachte bereits auch hier Wein und trug die noch glühende Pfeife hinter her, doch Marcus bemerkte den Jungen mit den krausen Haaren nicht, der sich auch schweigend wieder zurück zog. Da schon der Weg hinauf einer Fahrt auf einer Galeere geglichen hatte, ließ sich Marcus auf die weichen Kissen nieder sinken.
    „Hier ist es doch gleich viel gemütlicher...die Andere kommt sicherlich gleich, aber wir können es uns doch schon mal schön machen...“
    Die beiden Becher wurden gefüllt, die Pfeife weiter herum gereicht. Nach einem weiteren Zug von der Pfeife rollte sich Marcus auf den Rücken und betrachtete die Fresken an der Decke, die an vielen Stellen schon sich gelöst haben und die karge Mauer dahinter zeigten. Mit geschickten Handbewegungen öffnete Rhea die Fibeln an der Schulter und ließ die Tunika über ihren Rücken gleiten. Ihre Haare streiften Marcus Gesicht als sie sich zu ihm herunter beugte und zuerst ihn küßte. Doch ehe Marcus mit seinen Händen nach ihr greifen konnte, richtete sie sich bereits auf und beugte sich zu Cassim, um ihm ebenfalls einen Kuß zu schenken.

  • Cassims Blicke wichen nicht mehr von dem Mädchen. Ihre Frivolität hatte auf ihn etwas Anziehendes. Der Wein und das Opium taten ihr Ihriges dazu, dass er sich mehr und mehr ausgelassen fühlte. Er wollte dieses Mädchen für sich haben und es möglichst mit niemandem teilen müssen. Am Besten hier gleich. Sie brachte sein Blut zum kochen und beraubte ihm all seiner Sinne. Nur mit halben Ohr nahm er die Antwort des Römers war. "Mhm, ahja!" Im Augenblick interessierte es ihn recht wenig, wo Baiae lag oder wer dort aufgewachsen war. Nur sie stand in seinem Mittelpunkt. Sie ganz alleine. Ihr ganze Erscheinung verzauberte ihn und ihr keckes Auftreten hatte ihn wahrhaft hungrig gemacht. Er verfolgte jede ihrer Bewegungen und er stellte sich vor, wie es war, sie in Besitz zu nehmen und sich an ihr zu erfreuen. Einzig daran störte ihn, wie der Römer sie betrachtete. Dem Parther kam es so vor, als habe auch er ein verlangen nach ihr. Sie entsprach augenscheinlich auch seiner Wunschvorstellung seines bevorzugten Frauentypus. Welch seltsamer Zufall! Hatten die beiden Männer doch mehr gemein, als ihnen lieb sein konnte. Das machte ihn missmutig. Er hatte sich aber noch in der Gewalt, nichts gegen die aufreizenden Blicke seines "Rivalen" zu unternehmen.
    Der Römer erzählte weiter, doch alles, was gesagt wurde, ging an Cassim mehr oder minder vorbei. Fast alles. "Hm, was? Harum? Haras? Nein, nein, es heißt Harem!" Er sah kurz verstört zu ihm hinüber, obwohl dies bedeuten musste, dass er seinen Blick von ihr lösen musste. Offenbar war der Genuss des Alkohols und des Opiums auch nicht spurlos an dem Flavier vorüber gegangen. Der Römer, wie zufrieden er da lag, das Mädchen beäugend, während er trank, rauchte und aß. Cassim ergriff darauf entschlossen seinen Becher, der sobald er leer war, stets wieder gefüllt wurde. "Sie halten euch von der einen oder anderen Dummheit ab? Aha…!" Er sah etwas konsterniert drein und fragte sich, wie die Römerinnen das wohl schaffen konnten. Er hätte ein solches Verhalten bei seinen Frauen nicht zugelassen. Jedoch dieser Gedankengang verlor auch wieder ganz schnell an Bedeutung, als sich die Flötenspielerin erhob, ihm ihre Hand entgegen streckte und sie beide aufforderte, sie zu begleiten. Der Parther ließ sich nicht zweimal bitten und trotz seiner leichten Angetrunkenheit und der zunehmenden Benebelung seiner Sinne, gelang es ihm, recht schnell in die Höhe zu kommen.
    Er hatte nur noch Augen für sie und wäre ihr überall hin gefolgt. Es hatte etwas Surreales an sich und Cassim konnte es kaum erwarten, sich diesem Traum vollkommen hingeben zu können. Auf dem Weg dorthin, sah er flüchtig zu den verblassten Fresken auf, die einem Unbedarften wie eine Art Anleitung erscheinen mussten. Der Raum, in den das Mädchen sie führte, erinnerte Cassim eine kurze Spur an sein eigenes Zuhause, hätte nur die Ausstattung nicht einen derartigen abgegriffenen Charakter gehabt. Schnell verwarf er diese Erinnerung wieder.
    Er tat es dem Römer gleich und ließ sich auch in die weichen Kissen einsinken, allerdings ohne dass dabei sein Blick von dem Mädchen wich. Eine Andere? Wozu eine Andere, wenn ich dich haben kann, dachte er leise für sich. Er nahm die Pfeife entgegen und nahm einen Zug davon. Das Opium entfaltete vollends seine Wirkung. Es ließ ihn sich frei und unbeschwert fühlen und es löste alle Spannungen seines Körpers. Seine Augen lagen auf ihr und verfolgten sie, als ihre Tunika zu Boden ging. Gänzlich nackt stand sie vor ihnen und trat näher. Dieser Anblick förderte noch mehr seine Begierde. Dass sie sich erst dem Römer näherte, war für Cassim mit leichten Irritationen verbunden. Sie küsste den Flavier, zog sich aber sogleich wieder von ihm zurück und kam zu Cassim. Der Parther wollte sie keineswegs so einfach entwischen lassen, wie es bei dem Römer der Fall gewesen war und griff bereits nach ihr, als sie sich ihm näherte, um ihn ebenfalls zu küssen. Er zog sie zu sich her und erwiderte ihr Küssen. Seine Lippen gruben sich in ihre zarte Haut und er flüsterte ihr etwas Unmissverständliches in seiner Muttersprache zu. Die gutturalen Laute mussten brefremdlich auf fremde Ohren wirken. Aber der Parther hatte Hoffnung, sie könne ihn verstehen.
    Cassim hatte alles um sich vergessen, wo er war, was er war und mit wem er war…

  • Schlangen, würgende Schlangen wanden sich in einem Knäuel um Marcus herum, schuppige, lange Leiber raschelten aneinander als ihre Häute sich berührten, streiften und liebkosten. Immer tiefer wurde er unter den Leibern begraben; blitzende Lichter tanzten vor seinen geschlossenen Augenliedern, mal fiel er, dann flog er wieder empor, verließ das Nest der windenden Leiber, um sich mit einem Jauchzen wieder dahin hinein fallen zu laßen. Die Schlange glitt über seinen Arm, fasziniert beobachtete Marcus ihre Bewegungen, die langsam bis zu seinem Hals hoch wanderten und dort zudrückte. Der Atem wollte nicht mehr über seine Lippen gehen, Marcus seufzte zufrieden, dann war die Schlange wieder hinfort und Marcus spähte in einen Nachthimmel, an denen sich Satyren und Nymphen tummelten, gebadet in goldenem Sternenlicht. Sanft weht der Odem des Himmels über sein Gesicht und liebkoste seine Augenlider, die sich wieder geschloßen hatten. In einem harmonischen Reigen bettete ihn die Musik einer hypnotischen tibia in Wogen des Behagens, die ihn immer tiefer in das Reich der Seligkeit hinfort trugen. Ganz langsam versank Marcus in einer tiefen, dunklen Schwärze, das Flüstern einer dunklen Frauenstimme folgte ihm, dann die Stille...


    ...bitter schmeckte es auf Marcus' Zunge und pelzig fühlte sie sich an, ganz ausgedörrt, als ob er einen langen und anstrengenden Marsch durch die sengende Wüste im Orient hinter sich gebracht hatte. Der Kopf dröhnte und er war ganz benommen. Mühsam versuchte er die Augen zu öffnen, doch es gelang ihm nur teilweise. Durch den schmalen Schlitz seiner Fensteraugen drang das blaugräuliche Dämmerlicht, der erste Vorbote, der anzeigte, daß die Nacht nun langsam, aber sicher vertrieben wurde. Durch hohe und enge Fenster drang das bläuliche Schimmern in den düsteren Raum, in dem nun schon seit einer Weile kaum noch Licht vorherrschte. Nur noch eine einzelne Öllampe brannte, doch ihre Flamme war mehr kläglich und flackerte immer wieder. Mit einem Knistern erlosch sie und eine letzte Rauchfahne stieg an die dunkle Decke, die schon viel Ruß abbekommen hatte. Poch! Poch! Es klopfte an Marcus' Schläfen und in seinem Schädel brummte es immer noch gehörig. Er öffnete etwas weiter die Augen und regte sich wie ein Scheintoter, der gerade erst in seinem Sark erwacht war, sein Körper fühlte sich völlig ausgelaugt an, seine Glieder erstarrt und verkrampft. Es fröstelte ihn als die kühle Brise des Morgens über seine bloße Haut hinweg strich. Nur an manchen Stellen schien ein warmer Körper die Kälte abzuhalten...Einer?


    Ganz langsam registrierte Marcus ein Arm, der über seine Taille geschlungen war, selber seine Hand auch auf etwas Warmen ruhte...oder mehrerem Warmen? Irritiert hob Marcus den Kopf und sah in das Gesicht der schlafenden Rhea, ein Lächeln huschte über sein Gesicht, gleichwohl er keine Ahnung mehr hatte, was nach dem letzten Zug an der Pfeife in der Nacht geschehen war. Ein Kuß? Oder doch nicht, mehr, ja oder nein...? Oh, dachte sich Marcus, dann blinzelte er als er seinen Sklaven erkannte, den Parther. In einem seltsamen Knäuel waren die Drei verhakt, mit Armen und Beinen, den ganzen Gliedmaßen. Marcus gerötete Augen weiteten sich verdutzt. Himmel und alle Götter, was war nur geschehen? Marcus hatte nicht mehr den blaßesten Schimmer und eine völlige Leere in seinem Kopf. Das Knäuel aus menschlichen Leibern, römisch, parthisch und syrisch, schien für Marcus undurchschaubar zu sein; nur bemerkte er plötzlich, wo sich seine eigene eine Hand hin verirrt hatte, nämlich auf den Hintern des Parthers. Schnell zog Marcus die Hand hinfort und wußte nicht recht, was er davon halten sollte. Nein, lieber nicht darüber nachdenken. Ach herrje, und die Beine waren auch verknotet...Marcus versuchte ganz langsam sein eines Bein weg zu ziehen, während er merkte, daß die Verlegenheit in seinem Nacken hoch krabelte. Hoffentlich wachte der Parther jetzt nicht auf und...oh bei den Göttern, wahrscheinlich wußte Cassim noch alles, oder nicht? Und die junge Frau? Ganz langsam bewegte Marcus sein Bein aus dem Knäuel...

  • Das Mädchen hatte er für sich gewonnen. Er hatte sie zu sich gezogen und erkundete ihren Körper mit seinen fordernden Küssen. Das Mädchen ihrerseits scheute sich auch nicht und begann ihn mit all ihren Künsten zu verwöhnen. Cassim ließ sich verwöhnen, bis er in schließlich in schillernder Ekstase verschmelzen wollte. Das Opium und der Wein erreichten bald ihre volle Wirkung. Der Parther schwebte auf einer bunten Wolke hinfort, um ihn herum pralle Leiber, die sich an ihn schmiegten und ihn küssten und liebkosten und auch er kostete lustvoll diese Leiber um ihn herum. Schon lange nicht mehr hatte er eine solche Befriedigung seiner Bedürfnisse erfahren. Yasmina, du Schöne komm.. Meral, meine Königin lass mich von deinen Lippen kosten. Er spürte, wie sich beide seiner liebsten Gefährtinnen zu ihm gesellten. Nach so langer zeit des Entsagens waren sie ihm ganz nah. Er konnte sie fühlen, sie riechen, sie schmecken und er gab auch ihnen, was er zu geben vermochte, bis er ganz erschöpft in die weiche Wolke zurück fiel, die in diesem Moment in allen Farben zu leuchten begann. Dort blieb er liegen, mit einem zufriedenen Lächeln auf seinen Lippen und schlief friedlich ein. Er war nicht alleine. Meral und Yasmina waren ihm immer noch ganz nah. Ihre Leiber wärmten ihn und er wärmte sie. Meral hielt er in seinen Armen, so wie er es gewohnt war, ihr schmaler schöner Körper an seinem Körper eng aneinander geschmiegt. Yasmina wärmte seinen Rücken mit ihrem Körper. Cassims Atem ging gleichmäßig. Seine Liebste regte sich in seinen Armen. War es denn schon morgen? "Bleib noch liegen, Liebste!" murmelte er verschlafen. Seine Augen öffneten sich einen Spalt weit. Es war noch dunkel. Noch hatten sie Zeit. Er strich Meral zärtlich über ihren Körper. Eigenartig, ihre Haut war so anders! Sie war doch immer so zart gewesen. Cassim öffnete nun seine Augen zur Gänze. Im Schein der Öllampe erkannte er schrittweise, dass es nicht Meral war, die er umschlungen hielt. Es war ein Bein, ein männliches Bein, das Bein des Römers! Erschrocken sprang er auf. Meral und Yasmina waren im Nichts verschwunden. Stattdessen lag der Römer bei ihm. So nah, wie er dem Römer freiwillig nie kommen wollte. Wie widerlich, dachte er und verzog sein Gesicht. Doch dann erkannte er einen weiteren Körper, der neben und unter ihm gelegen hatte. Es war das syrische Mädchen, die Flötenspielerin, die nun stöhnte, weil er sie versehentlich getreten hatte. "Meral.. Yasmina..bei Ahura Mazda, was ist hier passiert?" zischte er leise. Zum Glück schlief der Römer noch! Cassim atmete erleichtert auf. Aber im nächsten Moment begann er sich bereits zu fragen, wie lange der Römer denn schon schlief und was er noch alles über die Vorgänge der letzten Nacht wusste. Er selbst hätte nur wenige Angaben dazu machen können. Dunkle, vage Erinnerungen gepaart mit nebulösen Vorstellungen von dem, was er erlebt hatte hatte, waren übrig geblieben. Wenn er sich anstrengte und nachdachte, kamen nur bruchstückhaft einige Erinnerungfetzen an die Oberfläche und sanken gleich wieder ab. Er wußte nur, er hatte bei seiner Frau und seiner Lieblingssklavin gelegen, die sich allerdings als der Römer und das Mädchen entpuppt hatten. Nur Gott alleine wusste, was er in der letzten Nacht getan hatte oder was man mit ihm getan hatte. Und was war mit dem Römer und dem Mädchen? Grübelnd sah er zu ihrem nackten Körper, der noch halb verschlungen mit dem des Römers war. Auch sah er den Flavier, wie er ebenfalls, so wie Cassim natürlich auch, völlig entblößt da lag. Es war besser, sich wieder schlafend zu stellen, dachte Cassim, doch diesmal außerhalb der Reichweite des Römers. Nicht dass er bei seinem Erwachen einen falschen Eindruck bekam, was Cassim hinterher mehr als peinlich gewesen wäre. Hätte er nur ahnen können, dass es dafür bereits zu spät war!

  • Noch lange war kein Leben in die Taverne zurück gekehrt, die in der Nacht so munter war, voller lachender Stimmen, Menschen, die ihren Gelüsten nachgingen, doch im Morgengrauen waren nur wenige auf den Beinen. Es drang somit kein Lärmen bis zum Fenster. Nur wenige Mondsüchtige warteten den heran nahenden Sonnenaufgang ab. Die Wägen, die die Nacht befuhren, und laut polternd über die Straßen ratterten, waren mittlerweile auch verschwunden. Die Stadt erwachte schon und manche waren schon eifrig am Arbeiten, während Marcus immer noch die Folgen einer berauschten Nacht zu glätten versuchte. Erfolglos! Mitten in der Bewegung, die eine Schnecke in Eiltempo hätte überbieten können, stockte Marcus, denn gerade als er versuchte, sich aus dem Knäuel heraus zu winden und sich dezent – und hoffentlich unbemerkt – von der ganzen Szenerie davon zu machen, kam Regung in die Körper. Die junge Sklavin bewegte sich versonnen im Schlaf, aber der Parther schien leider zu Erwachen. Ertappt – so fühlte sich Marcus – blieb er ganz still, halb im Schatten eines Fensterladens. Bleib noch, meine Liebste? Oh...bei den Göttern!, schoß es Marcus durch den Kopf als er unschwer erspüren konnte, daß das sich jemand an seinem Bein zu schaffen machte. Die Verlegenheit, die seinem Gesicht eine tiefe Rötung verpaßte und die gnädigerweise durch die Dämmrigkeit noch verborgen wurde, ließ ihn wie eine Maus erstarren, die eine Schlange erblickt hatte. Gerade spürte er noch die Hand an seinem Bein und langsam machte sich in seinem Kopf der Wille breit, dem Ganzen schnell und radikal ein Ende zu setzen, denn das behagte ihm gar nicht, im Gegenteil, da bemerkte er, daß Cassim aufsprang. Ah je, was nun? Schimpfen und den Sklaven verfluchen? Marcus folgte jedoch seinem Instinkt, den er in seiner Kindheit schon hatte: Ganz fest die Augen schließen und so tun, als ob die Welt um ihn herum nicht bestand hatte sobald die Augenlider geschloßen waren. Ach herrje!


    Für den Moment rühte sich Marcus dann nicht mehr und es wurde wieder still im Raum. So still und dann nur noch erfüllt mit den Atemzügen dreier Menschen, daß er vorsichtig wieder seine Augen öffnete. Nein, Cassim stand nicht mehr. Marcus hob vorsichtig seinen Kopf an und erkannte, daß der Parther etwas weiter entfernt wohl wieder schlief. Hatte sich Marcus nur getäuscht und der Parther hatte nur seine Schlafposition gewechselt? Aber da sein Knie ungünstig auf dem harten Boden lag, die Kissen waren irgendwie verrutscht, hatte Marcus das dringende Bedürfnis sich zu erheben. Zudem schlugen die Nachwirkungen der Nacht gnadenlos zu: Marcus wurde übel und der Schädel brummte nicht minder. Außerdem schien Cassim zu schlafen. Vorsichtig richtete sich Marcus auf seine Ellbogen auf, spähte zu dem Parther und seufzte still in sich hinein, vielleicht sollte er in Zukunft doch die Finger von Rauchpfeifen lassen. Auch seine Knochen schienen laut schreien zu wollen, daß Marcus einfach älter wurde und die Eskapaden nicht mehr so gut weg steckte wie noch vor zwanzig Jahren. Mit einem gepressten Stöhnen auf den Lippen erhob er sich und warf der Syrerin einen ärgerlichen Blick zu, er war sich sicher, daß sie das so arrangiert hatte und wohl ihre Freude an ihrem Spiel gehabt hat. Als er sich auf die Beine kämpfte, ergriff er schon die Tunika, die zerknautscht neben den durcheinander geworfenen Kissen lag. Barfuss trat er an das Fenster und zog sich das etwas klamme Kleidungsstück über den Körper. Blau war der Himmel, wie er nur am frühen Morgen war, wenn sich die Sonne langsam hinter den Horizont hervor quälen wollte, um die Welt einen weiteren Tag mit ihren Strahlen zu erhellen.


    Marcus schob den Festerladen zur Seite. Etwas mehr von dem Dämmerlicht fiel in die Räumlichkeiten hinein und erhellte das wilde Durcheinander. Es war der nächste Tag, heute würde er heiraten, mit einem Schlag kam die wuchtige Erkenntnis über Marcus und zugleich eine Welle abscheulicher Übelkeit. Marcus unterdrückte mühsam ein Würgen und streckte den Kopf hinaus, um ein wenig frische Luft in seine Lungen einzusaugen. Nur noch wenige Stunden, dann würde die Sonne ihrem Zenit entgegen streben und die Gäste würden in dem Garten am Aventin erscheinen, und dann lag es nur noch in den Händen der Götter, wie sein weiteres Leben aussah. Da draußen nur die üblichen üblen Schwaden der subura einzuatmen waren, zog Marcus seinen Kopf schnell wieder in das Zimmer. Einen tiefen Seufzer ausstoßend rieb er sich die Schläfen, seine Haare standen wild in alle Richtungen ab und er spürte schon das Kratzen der dicken und harten Bartstoppeln an seinem Kinn und Wangen. Er gab der Sklavin einen Stoß mit der Fußspitze.
    „Wach auf, Mädchen!“
    Die Syrierin bewegte sich stöhnend und schlug die Augen auf.
    „Bring' mir was zu Trinken. Und beeil' Dich etwas.“
    , wies er sie mit barschem und kaltem Tonfall an. Die junge Frau sah ihn aus verengten Augen an und erhob sich müde, sie wußte schon, daß die meisten Kunden am nächsten Morgen nicht mehr säuselten oder guter Laune waren. Sie ergriff ihr Gewand und trat aufrechter Haltung in den Gang hinaus. Marcus sah ihr nicht nach, sondern zu dem Parther.
    „Cassim, wach' auf!“

  • Der Parther war sich gewiss, von all dem, was letzte Nacht vorgefallen war und im Besonderen, die Position, in der er sich am Morgen danach vorgefunden hatte, hatte der Römer keinen Schimmer. Glücklicherweise war ihm dies alles entgangen. Er verschwendete auch nicht einen Gedanken daran, dass auch im Gedächtnis des Römers einige Fetzen des Geschehenen sich hätten verfangen können. Nicht auszudenken, wenn er geahnt hätte, was Cassim mit seinem Bein angestellt hatte! Der Parther hätte glatt sein Gesicht verloren! Er hasste es, vor einem Fremden, einem Feind sogar, sein Innerstes zu entblättern.
    Den Römer wähnte er noch schlafend. Er schlummerte noch einem Baby gleich, dort, wo er ihn gefunden hatte. Cassim selbst blieb noch einige Zeit dort liegen, wohin er sich sozusagen in einer unverfänglicheren Situation abgelegt hatte. Er hatte sich schlafend gestellt, doch seine Sinne waren hellwach. Im Geiste ging er noch einmal durch, woran er sich noch erinnern konnte und wo seine Erinnerungen lückenhaft wurden. Er kam zum Schluss etwas zu viel über den Durst getrunken zu haben. Ahura sei dank, seine Kopfschmerzen hielten sich in Grenzen. Auch den Rausch der Pfeife hatte er einigermaßen nebenwirkungsfrei überstanden. Das lag womöglich daran, weil sein Körper daran gewöhnt gewesen war, von Zeit zu Zeit mit der Droge in Kontakt zu kommen.
    Die Augen des Parthers waren nur einen engen Spalt weit geöffnet. Eng genug, um ihn noch für schlafend zu halten, weit genug, damit er sich einen Überblick über die weiteren Geschehnisse machen konnte.
    Es war unschwer zu erkennen, als der Römer sich erhob. Cassim vermochte zwar nicht genau sagen zu können, in Welche Richtung seine Blicke gingen, doch wuchs in ihm die Erkenntnis, noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. Rechtzeitig, wie sich für ihn nun herausstellte, war er erwacht und hatte sich aus einer Peinlichkeit gerettet, die im mit Sicherheit Schimpf und Schande eingebracht hätte.
    Alsbald wurde der Raum mit Licht geflutet, nachdem der Römer ans Fenster getreten war und den Fensterladen aufgestoßen hatte. Die sich ändernden Lichtverhältnisse blendeten Cassim, so dass er nichts sehen konnte. Doch das musste er auch nicht, denn er konnte hören, was sich weiter abspielte.
    Das Mädchen wurde geweckt. Allerdings nicht auf die liebevoll zuvorkommende Art, so wie man am Morgen danach seine Liebste weckte. Der Ton, den der Römer anschlug, glich eher dem unfreundlichen Bellen eines Hundes. Cassim konnte auch das darauf folgende Stöhnen der erwachenden Flötenspielerin vernehmen. Sie war es gewohnt, am nächsten Morgen von ihren Kunden so behandelt zu werden. Indessen verschwendete der Parther keinen Augenblick mehr an sie. Womöglich hätte er sie besser behandelt, wäre er an Stelle des Römers gewesen. Letztlich war sie nichts weiter, als eine Hure gewesen, die ihren Körper für Geld darbot. Auch wenn dies in ihrem Fall nicht ganz freiwillig geschah, so hatte doch auch sie letzte Nacht ihren Spaß gehabt!
    Unmittelbar nachdem er das Mädchen fortgeschickt hatte, wandte sich der Römer Cassim zu und forderte ihn, in ungefähr dem gleichen Ton auf, zu erwachen.
    Der Parther bot nun gekonnt seine schauspielerischen Fähigkeiten dar, reckte und streckte sich und öffnete schlussendlich blinzelnd seine Augen. Gähnend erhob er sich, während seine Augen nach seiner Tunika suchten, die er dann unter einem der Kissen fand. Erst dann, nachdem er sie sich übergestreift hatte, wanderten seine Augen zu dem Römer. Ein vages Lächeln ging von ihm aus. Er wusste etwas, wovon der Römer keine Ahnung hatte. Das glaubte jedenfalls der Parther, zu wissen.

  • Morpheus war an diesem Morgen wohl der Verbündete von Marcus gewesen, so dünkte es ihm, als er sah, wie der Parther aus dem Schlaf erwachte, der ihn fest in seinen Händen gehabt hatte; ein wenig erleichtert entwich der warme Atem aus Marcus' Hals und glitt über seine trockenen Lippen hinweg. Womöglich mußte er dann doch nicht immer im Boden versinken vor Verlegenheit, wenn er den Parther sah, beziehungsweise umgekehrt. Wer wußte schon, ob so etwas den Parthern nicht sogar gefiel, man sagte ihnen doch ähnliches wie den Hellenen nach. Marcus lehnte sich gegen den Fenstersims und starrte nach draußen, auf das Treiben der Menschen inmitten des Viertels. Bettler, die sich auf den Weg machten zu den großen Plätzen, teils mit sehr abenteuerlicher Verkleidung als Kranke oder Krüppel, um den Römern doch noch eine Münze abzuschwatzen. Aber auch die hart arbeitenden Menschen eilten vorbei, die keine Augen für all jene hatten, die sich solche Dekadenzen wie Marcus in der letzten Nacht leisten konnten. Marcus war immer noch speiübel und er hatte das Gefühl, es wurde mit jedem Atemzug schlimmer, genauso das stete Pochen in seinen Schläfen, was untermalt wurde von einem dumpfen Schmerz hinter seiner Stirn. Es ging ihm hundeelend und dementsprechend sah er auch aus, blass bis grünlich mit tiefen Augenringen. Die Sonne kroch immer weiter in die Höhe und zeigte schon ihre ersten Ausläufer, erhellte den Himmel jetzt in ein zartes Orange bis hin zu einem silbrigen Blau. Viel Zeit hatte Marcus nicht, er mußte sich ja noch in Schale werfen, einer toga, und etwas vor den Gästen dasein, dennoch konnte er sich in dem Moment nicht vom Anblick der schiefen insulaedächern lösen, der Färbung des Himmels und der dunklen Vogelschemen am Firmament. Doch das Knarren einer Tür und dann die Schritte von Rhea, die ihnen einen Krug und Becher brachte, lösten den Bann. Marcus drehte sich um und griff nach einem der bereits gefüllten Becher. Es war stark verdünnter Wein, den er sich mit einem Zug herunter kippte, um diesen ekelhaften Nachgeschmack von seiner Zunge zu vertreiben. Seine Augen streiften dabei einige Herzschläge lang sowohl Sklaven als auch Sklavin.


    Die Sklavin musterte er einige Herzschläge länger, etwas nachdenklich und mit geschürzten Lippen, doch dann schüttelte er den Kopf und griff nach dem ledernen Beutel, in denen er sein Geld aufbewahrte, dreist war das Mädchen, aber wohl keine Diebin, sie hätte ihn leicht in der Nacht von all seinem Geld erleichtern können. Doch so griff er nach einigen Münzen und legte diese auf den flachen Tisch, es war mehr als genug an Sersterzen für alles zusammen, sowohl das Essen, Getränke, Rauchpfeife und das Mädchen selber. Marcus verstaute den Beutel wieder und griff nach seinem Überwurf, den er auf seinen Unterarm legte.
    „Wir gehen.“
    , bestimmte Marcus mit etwas heiserer Stimme, der Sklavin schenkte Marcus keine weitere Aufmerksamkeit mehr, sondern ging auf die Tür zu, aber oh je, irgendwie tat ihm auch der ganze Körper weh, als ob er Stunden auf dem campus trainiert hatte; Marcus verzog kurz das Gesicht und öffnete dann die Tür, um hinaus zu treten. Im Angesicht der aufkommenden Dämmerung wirkten die Bilder und Fresken noch schäbiger als in der Nacht, wo noch Wein und Rausch die Makel überdeckt hatten. Marcus steuerte die Treppen hinunter und in den großen Tavernenraum, wo nur noch wenige Gestalten, Mondsüchtige, die letzten Stunden der Nacht genutzt hatten und wohl noch nicht ganz wahr haben wollten, daß es jetzt doch vorbei war und sie sich nach Hause trollen sollten. Marcus marschierte an diesen vorbei und hinaus auf die Straße.


    Das Lärmen auf der Straße, Bellen von Hunden, das Arbeiten der Menschen, all das tat empfindlich in Marcus' Kopf weh. Am liebsten würde er alle Menschen von den Straßen verbannen und seinen Kopf in weiche, dämpfende Stoffe hüllen. Er seufzte leise als er geschlaucht den Weg antreten wollte, doch dann blieb er stehen und wandte sich seinem Sklaven zu.
    „Cassim, das, was wir am Abend und in der Nacht getan haben, also der Besuch von diesem Haus, das wirst Du niemandem erzählen, verstanden?“

  • Die Tür ging auf. Der Parther war gerade damit beschäftigt, seine Sandalen anzuziehen. Er sah das Mädchen hereinkommen, mit einem Krug und Bechern in Händen. Mit seinem Blick verfolgte er sie, wie sie alles abstellte. Der Römer würdigte sie keines Blickes mehr, was sie aber weitaus weniger zu belasten schien. Wenigstens Cassim schenkte ihr noch ein kleines Stück Aufmerksamkeit, als auch er nach dem anderen Becher griff. Das Mädchen würde er vermutlich nicht wieder sehen. Wenn schon, in Rom gab es tausende von ihrer Sorte und mit einem gefüllten Geldbeutel konnte man sich auch ein paar nette Stunden zu zweit erkaufen.
    Die vergange Nacht hatte ihn gefühlsmäßig wieder ein Stück näher an seine Heimat gebracht, indem er über die gesprochen und gedacht hatte, die daheim auf ihn warteten. Mit einem kräftigen Schluck verdünnten Wein versuchte er, sein Heimweh hinunter zu schlucken. Das was er in den nächsten Tagen brauchte, war ein klarer Kopf. Es brachte ihm nichts, sich sinnlos von Gefühlen leiten zu lassen. Der Plan, um wieder nach Parthia zu gelangen, musste kühl durchdacht sein.
    Er stellte den Becher auf den Tischchen ab, nachdem der Römer ihn zum Gehen aufgefordert hatte. Stumm nickend folgte er ihm, allerdings nicht ohne dem Mädchen beim Gehen noch einen flüchtigen Blick zuzuwerfen.
    Beim Hinaustreten auf die Straße, blendete ihn das Sonnenlicht etwas. Er hob seine Hand, um seine Augen damit zu schützen. Auf den Straßen war bereits wieder allerhand los. Es war höchste Zeit, den Rückweg anzutreten, denn heute war doch der große Tag des Römers. In wenigen Stunden würde er heiraten. Doch so eilig schien er es nun auch nicht zu haben, denn nach den ersten Schritten blieb er erst einmal wieder stehen. Einen besonders frischen Eindruck machte er nicht gerade, was ja auch nicht groß verwunderlich war. Der Wein und das Opium hatten ihm ordentlich zugesetzt und ihren Tribut gefordert. Was er ihm aber jetzt sagte, gab ihm zu denken! Wusste er doch noch alles, was geschehen war? Dafür hatte er aber keine Ahnung, was Cassim noch alles in Erinnerung geblieben war!
    Er sah ihn erst etwas irritiert an, nickte aber dann. "Nein, dein Geheimnis ist bei mir sicher!" antwortete er schließlich mit einem geheimnisvollen Lächeln.

  • Der Ausdruck, die Miene des Sklaven, irgend etwas daran gefiel Marcus nicht, ach herrje! Scheinbar wußte der Parther mehr als Marcus lieb war, womöglich erinnerte er sich noch an alles!! Im Gegensatz zu ihm! Herrje, doch daran war im Moment nichts zu ändern, oder doch? Marcus' Gesicht wurde einen Augenblick lang finster und sehr mißmutig, während er nachdachte, was er tun könnte, doch dann verwarf er alle Optionen sofort. Mögen die Götter Cassim gnädig sein, sollte er doch jemanden davon erzählen, denn selbst wenn Marcus oft recht gutmütig, manchmal vielleicht auch zu gnädig wirkte – auf manche – so war er durchaus auch bereit, andere Seiten aufzuziehen. Doch er wollte gewiß in dem Augenblick nicht die Rebellion anstacheln in dem Parther, indem er ihm drohte, das würde nur zum Gegenteil führen, die Erfahrung hatte Marcus mittlerweile gemacht.
    „Also gut!“
    Marcus nickte knapp, warf dem Parther noch mal einen schnellen Seitenblick zu und setzte den Fußweg weiter fort, wobei immer noch der Wein nach hallte, und er nicht in einer ganz geraden Linie lief, zudem blieb er immer mal wieder stehen, um die Luft einzuatmen und die Übelkeit nieder zu kämpfen. In der villa würde er sich was zusammen mischen laßen, was das Leiden nach einer durchzechten Nacht etwas zu lindern vermochte. Schweigend, denn Marcus war immer noch zu verlegen in der Gegenwart des anderen Mannes, setzte Marcus den Heimweg bis in die villa Flavia fort, wo er gegen die Tür pochte und sich nach dem Öffnen dann hinein begab. Im atrium blieb Marcus noch mal stehen, schweifte mit den Augen über die Seerosen im impluvium, dann sah er zu dem Parther.
    „Cassim!“
    Marcus nickte ihm noch mal – etwas reserviert – zu, dann drehte er sich um und schlurfte in Richtung seines Zimmers, wo schon die strahlend weiße toga bereit lag, die er am heutigen Tage tragen sollte.

  • Das Spiel seiner Miene war recht schwer zu deuten für den Parther. Auf den Römer mochte er vielleicht den Eindruck gemacht haben, noch einiges von dem zu wissen, was in jenem Haus in der subura letzte Nacht geschehen war. Jedoch war es auch für ihn diffus, welche Erinnerungen bei dem Römer haften geblieben waren. Im Gegensatz zu ihm, hätte Cassim sein Wissen ohne Weiteres gegen den Römer verwenden können. Doch er hatte ihm sein Wort gegeben. Daran wollte er sich halten, auch wenn der Römer das war, was er war.
    Ohne noch viele Worte zu verlieren, folgte er Aristides durch die erwachte Stadt, dem man es unschwer ansehen konnte, dass noch einiges an Restalkohol in seinem Blut sein musste.
    An diesem Morgen war auch er froh gewesen, zur Vila zurückzukehren. Cassim fühlte sich sehr unwohl in seiner Haut. Das lag weitaus weniger daran, dass er sich die letzte Nacht mit einer lupa vergnügt hatte, denn dem Umstand, dass er sich unrein fühlte. Sobald er die Schwelle zu Villa überschritten hätte, würde er ein erfrischendes Bad nehmen und spätestens nach einer Rasur würde er sich wieder wie ein Mensch fühlen.


    Letztendlich erschien die Villa vor ihnen, deren Fassade von der einfallenden Morgensonne rötlich-golden wirkte. Cassim folgte dem Römer bis hin zum Atrium. Dort trennten sich ihre Wege. Etwas nachdenklich sah er ihm noch nach, bevor er selbst im serviticiuum verschwand.

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