Jetzt heißt es warten...

  • Während Meridius die beiden Briefe aufsetzte, die womöglich Tiberius' Zukunft bedeuteten, wollte der junge Decimus nicht in der Casa weilen, sondern sich ein wenig durch die Straßen von Rom bewegen. Der junge Crassus tappte im Dunkeln, was seine zukünftige Arbeit anging. Wenn alles glatt ging, dann würde ihn sein Weg entweder nach Tarraco, ins warme Hispania führen, oder nach Mantua, im Norden Italia's, wo er weiterhin eine enge Verbindung zu Rom hätte und die Stadt auch des öfteren aufsuchen könnte. Tiberius würde zweiteres vorziehen, zumal er so immer noch Möglichkeiten hätte, seinen Vater in Misenum zu besuchen. Ständige Reisen von Hispania nach Italia wären für Tiberius' Geldbeutel wohl eher nicht vorteilhaft, obschon er vielleicht bald ein Amt in der Stadtverwaltung bekleiden könnte und dort ein einigermaßen stattliches Geld verdienen würde. Zudem hätte er bei einem solchem Amt gewisse Verpflichtungen, die er nicht einfach so abschieben könnte.


    So war es gut, dass Tiberius sich noch einmal Zeit nehmen konnte, über alles nachzudenken, während er gemächlich durch die Straßen schlenderte. An Leute und Unterhaltung mangelte es hier wohl kaum, wenn er sich so umsah. Derartiges kannte er nicht einmal aus der Metropole Athen, wo er aufwuchs. Überall Stände, Mercatores, die lauthals ihre Angebote kundgaben, Frauen, die ihren Einkauf in Körben transportierten, oder reiche Adlige, die auf Sänften getragen das Geschenk des Sol genossen, dem Gott der Sonne.


    Völlig in Gedanken verloren genoss Tiberius den Trubel. Er liebte es, wenn Leute um ihn herum waren. So fühlte er Geborgenheit, die er so lange nicht fühlen durfte. Doch dieses Glücksgefühl, diese innere Ruhe, wurde schlagartig beendet, als er bemerkte, dass er eine junge Frau angerempelt hatte. Ihr ganzer Einkauf, war nun am Boden verstreut.


    "Oh..oh entschuldige."


    Um einem möglichen Disput aus dem Wege zu gehen, reagierte Crassus schnell und bückte sich zu Boden, so wie es sich gehörte. Zwar war der junge Decimus nicht von adliger Herkunft, dennoch wusste er wie man sich zu benehmen hatte, er kannte die römischen Sitten.


    Sim-Off:

    Reserviert :)

  • Ein sonniger Tag. Ein warmer Tag. Ein grauenhafter Tag. Minervina hatte schon am Morgen eine gewisse Mattigkeit verspürt, hatte sich allerdings dennoch aus dem Bett gequält. So schwer es ihr auch fiel, sich das einzugestehen, doch allmählich begann sie der Alltag derart anzuöden, dass sie am liebsten etwas Aufregendes erleben könnte. Bis zu diesen Tagen hatte sie sich immer nach einem sittlichen römischen Leben gesehnt und abgesehen von einer Ausnahme immer alles von ihrem Leben ferngehalten, was damit nur sehr wenig zu tun hatte. Und so erlitt ihre gute Laune täglich schwere Niederschläge, die sie kaum mehr auszugleichen wusste. Sie stand auf, frühstückte, hing irgendwo im Garten herum oder ließ sich durch die Gegend tragen, wartete bis die schlimmste Hitze vorbei war und ernährte sich von Obst. Die Langeweile ließ sich nicht einmal mehr wegessen. Zum Einen weil sie nicht soviel essen wollte, bis sie rund wurde, zum anderen weil auch jenes auf Dauer sehr langweilig wurde. Auch heute hatte sie den Mittag mit trägem im Schatten warten verbracht. Selbst zum Lernen war es ihr zu warm. Sie kannte ja die Hitze, aber an sie gewöhnen konnte sie sich nicht richtig. Aber warum sollte sie, in ihrer Position, auch Arbeit verrichten. Dafür hatte sie Sklaven und Dienstmenschen.


    Letztlich hatte sie sich ein Abenteuer zugestanden. Sie hatte sich aus der Villa ihrer Familie, der Tiberia, gewagt. Die Rediviva akzeptierte sie als solche nicht. Sie mochte weder ihre Mutter noch ihre restliche Verwandtschaft. Das einzig wahre war für sie die väterliche Seite. So schritt sie nun also die Straße entlang, oihne Sklaven und ohne Sänfte. Dies war das Abenteuer. Bitter blickte sie die Stola an, die sie verständlicherweise ebenfalls trug. Auch dafür war es eigentlich zu warm, aber Sitte war Sitte. Kurz tastete sie nach ihrem Geldbeutel und zurrte ihn ein wenig fester, als sie feststellte, dass er recht locker saß. Dann wagte sie sich schneller Richtung Märkte. Auf diesen hatte sie eine ganze Weile zugebracht, was sie selbst nicht vermutet hätte. Selbst die Hitze hielt sie nicht davon ab. Im Gegenteil ließ diese Beschäftigung sie dies vergessen. Sonst ließ sie die Sklavenschaft die Ware betrachten und ihr vorschlagen, denn sie wussten schließlich auch, was standesgemäß war. Und Minervina war nun einmal verwöhnt, schon immer gewesen. Das gestand sie sich sogar ein und empfand es als eine Art Genugtuung, denn sie konnte es sich schließlich auch erlauben. Sie hatte den Stand, nach welchem sie sich benahm.


    So also machte sie, mit einer fein verarbeiteten Tunika einen Rückwärtsschritt, um sich die Arbeit des Händlers etwas genauer zu betrachten. Ihr Arm schmerzte schon ein wenig, denn über diesem hingen bereits andere Waren, die sie beabsichtigte, zu kaufen. Da auf einmal spürte sie einen heftigen Ruck und stolperte seitlich. Mit der linken Hand suchte sie nach Halt und fand diesen schließlich auch am Übeltäter. Mit erst noch entsetzter Miene, die anschließend durchaus von ihrem Temperament überspielt wurde, wandte sie sich zu dem 'Frevler' um, uhm ihm verbal ordentlich eine zu geben. Doch er hatte sich bereits unter ihrer Hand weggebückt, um die zu Boden gefallenen Stoffe aufzuheben, die in teuren Rottönen und Blautönen danieder gefallen sind. Also beließ sie es bei einem Schnauben, ehe sie die Stimme erhob. Sie klang aufgebracht und ein wenig schnippisch, schien es gewohnt zu sein, Befehle auszustoßen.


    "Entschuldigung? Du weißt wohl nicht, was sich gehört! Halt doch mal die Augen offen wenn du irgendwo hin läufst, oder schläfst du?" Sie bückte sich nicht, um ein Kleidungsstück aufzuheben, das sollte ruhig er übernehmen. Sie vergaß selbst - und ließ nicht nur ihn vergessen - das sie selbst eigentlich rückwärts gegangen war. Das braune Haar lugte dezent unter den Stoffen hervor und die großen dunklen Augen musterten den gebückten Decimus. Dafür hatte man Sklaven, warum war sie ohne raus gegangen?

  • Als Tiberius all die Stoffe wieder ordnungsgemäß in Minerva's Korb verfrachtet hatte, erhob er sich langsam. Mit aufrechter Haltung und beinahe ausdrucksloser Miene zeigte er Stolz und keineswegs Furcht oder Schüchternheit. Er blickte den Tatsachen immer direkt ins Auge und versuchte nur selten, sie zu umgehen oder sie abzuschieben. Trotz der anfänglichen Ausdruckslosigkeit, war tief in seinen Augen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zu erkennen. Tiberius war kein hinterlistiger Feigling, ganz im Gegenteil, er war ein stets hilfsbereiter Freund. So stand er vor der jungen Dame und erkannte erst jetzt ihre geradezu unglaubliche Schönheit. Dreist wie er war setzte er ein leicht arrogantes Lächeln auf.


    "Verzeiht mir."


    Crassus deutete eine leichte Verbeugung an und musterte Minerva daraufhin eindringlich.


    "Hochnäsig..hübsch..temperamentvoll..verzogen. Ohne Zweifel, du bist von adliger Abstammung."


    Auch wenn dies bisher nicht den Anschein machte, war der junge Decimus kein Mann, der den Bogen gern überspannte. Er wusste wann etwas zu weit ging und er wusste auch, dass dies der Zeitpunkt war, wieder einzulenken und sich von seiner sympathischen Seite zu zeigen.


    "Doch ich bin nicht hier um dich in deiner Wut zu bestätigen. Ich möchte meine vielleicht vorerst letzten Tage in Rom, in dieser wundervollen Stadt genießen. Es bleibt dir überlassen, was du nun tun willst. Entweder du bestätigst meine bisherigen Erfahrungen, indem du mich einfach abschiebst und schnellstens verschwindest..."


    Tiberius blickte nun wieder auf und tief in die Augen der schönen Frau. Er war kein Mann, der sich wie Dreck behandeln ließ, zumal er sehr wohl Sitten aufweisen konnte und wohl das wichtigste, sich stets eine eigene Meinung bilden konnte, die er auch immer vertrat, egal was kam, egal wer ihn beeinflusste. Das war aus seinen tiefbraunen Augen herauzlesen. Zudem hielt er nicht viel vom Adel, der sich nur durch Verwandtschaft Adel nennen durfte und womöglich noch nie in seinem Leben etwas lobenswertes geleistet hatte. Die Männer, die sich solch einen Titel erkämpften, die für Rom, für jeden einzelnen Römer sterben würden, die waren wahrlich Ehrenmänner und hatten es verdient so bezeichnet zu werden. So hasste der junge Crassus Menschen, die mit Vorurteilen lebten, weil die Masse so lebte, ohne das Ganze zu betrachten und sich eine eigene, objektive Meinung zu bilden.


    Auch Minervina schien bisher eine solche zu sein. Doch Tiberius wollte es versuchen. Er wollte versuchen, etwas aus ihr herauszuholen. Solch eine Kälte, solch eine unglaubliche Arroganz und eiliges urteilen über jeden Menschen, demonstrierte nur, dass derjenige Mensch tief im Inneren unglücklich war. Unglücklich mit seinem Leben. Weiter konnte Crassus nicht mehr philosophieren, da er nicht dazu in der Lage war. Er konnte nur ahnen, wie es war, einer von ihnen zu sein. Vielleicht hatten diejenigen die Lust am Leben verloren? Vielleicht tut es einem Menschen nicht gut, nur bedient zu werden, was eng verbunden war mit einem niederen Selbstwertgefühl. Diese Menschen konnten sich nicht beweisen, ihr inneres ich befriedigen. Wie auch? Doch dies waren alles nur Vermutungen. Nun wollte Tiberius Minervina eine Alternative vorstellen, um vielleicht diese Fragen beantwortet zu bekommen.


    "...oder ich stelle meine guten Sitten unter Beweis, indem ich dich nach Hause begleite und dir diese Last hier abnehme.", er hob leicht den Korb hervor und setzte dann fort. "Vielleicht willst du auch ein wenig reden. Es tut immer gut zu reden."


    Tiberius bevorzugte natürlich zweiteres, er wollte mehr über die Frau herausfinden, ob vielleicht die Vorurteile des einfachen Volkes gegenüber dem Adel berechtigt waren.


    "Ganz ehrlich. Ich denke nicht, dass du so kaltherzig bist, wie du dich gerade eben gezeigt hast, deshalb würde ich die zweite Möglichkeit bevorzugen. Es liegt in deiner Hand. Sich einmal fallen zu lassen und Gefühle zu zeigen, bedeutet nicht eine Niederlage einzubüßen, sondern neues zu erleben und zu erfahren."


    Der junge Decimus sagte dies voller Ernst und Überzeugung. Er wollte nicht wahrhaben, dass eine solch junge Frau schon so "verunstaltet" sein könnte. Alle Gefühle verdorben und unterdrückt...

  • Minervina hielt den Blick starr auf das Gesicht des jungen Decimus, als dieser wieder anhub zu sprechen. Sie hatte ihn genau beobachtet, als er ihre Stoffe wieder in den Korb gelegt hatte, damit ja kein Chaos entstand. Und vielleicht auch um einen weiteren Verhaltensfehler zu entdecken, für den sie ihn zurechtweisen konnte. Als sich ihre Blicke trafen und sie realisierte, wie genau er sie zu taxieren schien, verengte sie leicht die Augenbrauen und ebenso auch ihre Augen. Minervina war wirklich ihrem Alter entsprechend schön. Sie hatte eine helle, ebene Haut, feine und ruhige Gesichtszüge und ein sehr schön geschnittenes Gesicht. Das dunkle Haar zeigte sich strähnchenhaft unter ihrer Kopfbedeckung und ihre dunklen Augen wollten ihr mehr Sanftmut anlasten als sie tatsächlich besaß.


    Natürlich konnte auch Minervina liebevolle und sanfte Seiten aufzeigen, aber im Laufe der Jahre und mit Zunahme der Lebenserfahrungen hatte sie diese weit hinein verbannt, wo sie gut und sicher aufgehoben waren. Als er sich dann entschuldigte, lockerten sich ihre Züge wieder und beinahe etwas wohlwollendes machte sich in ihrer Mimik breit. Dieses Wohlwollen wurde allerdings binnen weniger Sekunden absolut zerschlagen, als er sie als hochnäsig und temperamentvoll bezeichnete. Hübsch und adlig, das hörte sie durchaus gerne, was wohl auch der einzige Grund war, dass sie an sich hielt und ihrer Wut über die plebejischen Anmaßungen nicht nachgab. Sie schnappte dennoch kurz – und hörbar – nach Luft und verschloss ihr Gesicht wieder, um ihm ihre Gedanken nicht zu deutlich zu präsentieren. Sie räusperte sich dezent und schien etwas sagen zu wollen, schluckte ihre potentiellen Worte dann allerdings rasch wieder hinunter. Entweder käme nur Gestammel heraus oder eine vor Wut bebende Stimme und beides war unangebracht für Rang und Namen. Also schwieg sie würdevoll und überließ ihm die weitere Konversation, mit leicht gerecktem Kinn und beinahe herablassendem Blick.


    Und diese Gelegenheit nahm er schon sehr bald wahr. Bisher schien er ein Machtspielchen mit ihr spielen zu wollen, denn er hatte scheinbar versucht, sie in ihren Zügen nachzuahmen. Und sie mochte Spielchen, trugen sie doch sehr zu ihrer Fertigkeitenerweiterung bei. Außerdem machte es Bekanntschaften auf diese Art und Weise viel interessanter als diese allzu lieben Wesen denen man schlichtweg nichts nachtragen konnte. Langweilig. Und auch wenn dieser zwar nicht schlecht hergerichtet wirkte, machte er noch nur den Eindruck des einfachen Volkes. Frech, aber doch nicht plump genug um zur Unterschicht zu gehören. Ein leichter Glanz legte sich auf ihre Augen und sie hatte ihm tatsächlich schon fast den Frevel verziehen, sie anzurempeln. Aufmerksam lauschte sie seinen Worten.
    Er schien eine gewisse Art Frauenheld zu sein. Er sprach in nahezu bemitleidenswertem Tonfall davon, dass er schon viele Abweisungen ertragen musste und scheint es nicht ganz zu verkraften. Minervina kam an den Punkt, da sie den Charakter ihres Gegenübers zu analysieren begann. Und er schien ebenso das Gleiche bei ihr versuchen. Seine Aussage von zuvor war nicht nur aus dem Nichts gegriffen, er hielt sie wirklich für arrogant. Und er hielt Adel allgemein für Arrogant. Das mochte auch sein, aber viele adlige konnten auf eine lange Kette von Honoratoren zurückblicken und so auch sie. Tribunen, gar ein Proconsul in Hispania hatte einmal der Familie angehört. Aber das war weit vor ihrer Zeit gewesen. Und doch war sie stolz auf ihre gute Herkunft, auf den gehobenen Lebensstil und auf die noch immer gute Verwandtschaft. Sie erahnte schließlich nicht, dass es, abgesehen vom Stand, bei ihrem Gegenüber ein Ähnliches war, er allerdings anders darüber dachte.


    Mit leichtem Amusement und einem kurzen Überraschungsmoment nahm sie sein Angebot zur Kenntnis und ein Schmunzeln huschte über ihr noch so strenges Gesicht. Aber ein aufrichtiges Lächeln brachte sie noch nicht zu Stande, so eine gute Schauspielerin sie auch sein konnte. Dann wartete sie noch kurz ab, sollte er noch etwas sagen wollen und siehe da, ihr Verdacht wurde bestätigt. Er hatte schon jetzt den Eindruck, dass sie hart und kalt war und mochte es doch nicht recht glauben. Genauso sollte es sein, wenn sie ihre Familie in der Öffentlichkeit vertrat. Nun hob auch sie wieder mit ihrer recht hellen Stimme an zu sprechen, allerdings verdunkelt und mit leiserem Tonfall, der deutlich zeigte, dass sie imstande war, sich vollkommen zu verstellen. „Ob ich mich gleich fallen lassen, wenn ich ein Gespräch beginne, wage ich zu bezweifeln. Und Gefühle zeigen und ähnliches hat ohnehin nichts damit zu tun, ob ich mich ein Stück des Weges geleiten lasse.“ Hiermit lächelte sie nun doch einmal kurz und bot ihm ihren Korb dar. So recht zurück wollte sie noch gar nicht einmal, aber vielleicht konnte man sich ja sittlich im Atrium oder auch im Garten weiter unterhalten.


    „Aber dein Angebot zum Geleit nehme ich sehr gerne an. Auch reden können wir gerne.“ – Aber dass ich auch nur eine meiner inneren Seiten demonstriere, das kannst du vergessen, schob sie direkt an ihre Worte in Gedanken an. Sie öffnete sich ja nicht einmal den ihr sehr nahestehenden Personen wie zum Beispiel ihrer Mutter oder der Leibsklavin. Es folgte ein knapper, durchaus gekonnter Augenaufschlag. Es wurde Zeit, dass dieser Mann sich einmal vorstellte, so wie es sich gehörte. Das Volk stellte sich dem Adel vor und die Erlaubnis hatte sie ihm dezent erteilt, indem sie auf ihn einging. Und der Mann stellte sich ohnehin der Frau vor, das stand ohnehin kein bisschen zum Zweifeln an.

  • Während Tiberius sprach musterte er die ganze Zeit Minervina's Mimik. Er versuchte sie zu deuten. Ihrer Gestik war leider nichts zu entnehmen, da sie eigentlich die ganze Zeit regungslos auf den jungen Decimus blickte und immer noch die arrogante Haltung wie zu Beginn eingenommen hatte. Auch wenn Crassus es nicht so recht zugeben wollte, diese junge Frau faszinierte ihn in irgendeiner Weise. Obschon sie sich wie der Großteil des Adels verhielt, war sie anders. Vielleicht lag es an ihrer unscheinbaren Ausstrahlung, die im Kontrast zu ihrem harten Äußeren stand. Dafür musste Tiberius Minervina erst noch genauer kennenlernen, ehe er sich darüber eine Meinung bilden könnte.


    Der junge Decimus ahnte schon, dass sie seine Äußerungen nicht einfach so stehen lassen und hinnehmen würde. Wie es Tiberius wahrscheinlich in ihrer Situation auch machen würde, musste sie das letzte Wort haben, um nicht zu denken, dass sie als Verliererin dasteht. Damit das noch etwas biedere Gespräch nicht in einer Konfrontation ausarten würde, beließ Tiberius es bei den Worten der Rediviva.


    Als die junge Adelige seinem Vorschlag sie zurück nach Hause zu geleiten einwilligte, erhellte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Vielleicht würde er in ihr doch noch eine nette Unterhaltung finden und der Tag nicht so enden, wie er angefangen hatte. Eintönig und langweilig. Schließlich hatte Crassus seinen Platz im Leben Rom's noch nicht gefunden, es blieb abzwarten für was er sich in den nächsten Tagen entscheiden würde. Eins stand fest, er hatte dir richtige Entscheidung getroffen, indem er nach Rom gezogen war, um seinen Vater kennenzulernen. In Rom schien alles so geregelt abzulaufen. Alles schien prächtig und reich an Freude. Obwohl er auch in Athen ein gutes Leben hatte, vermisste er bei dieser Metropole das gewisse etwas.


    Als Minervina dem jungen Mann mit einer geschickten Augenbewegung deutete, dass der Zeitpunkt gekommen war sich vorzustellen, wollte der Decimus keine Zeit verlieren, schließlich gehörte es sich für einen Mann, sich einer Frau vorzustellen.


    "Oh, wie unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen. Mein Name ist Tiberius Decimus Crassus, Sohn des Titus Decimus Verus."


    Tiberius ließ seine Worte einen Moment lang einwirken, bis er schließlich seiner hübschen Gegenüber eine Gegenfrage stellte.


    "Darf ich auch deinen Namen erfahren, junge Frau?"


    Crassus war wegen dem Gespräch so abgelenkt, dass er gar nicht bemerkte, dass die beiden sich bereits in Bewegung setzten. Tiberius schien nicht mehr so fixiert wie anfangs, es schien als ob man bei ihm noch immer ein leichtes Lächeln vernehmen konnte, zumindest einen erhellten Gesichtsausdruck. Ohne zu wissen wo es hinging, bahnte sich der Decimus zusammen mit seiner Gesprächspartnerin einen Weg durch die Menschenmengen. Doch da es die Aufgabe eines Mannes war, die Frau durch die Straßen Rom's zu führen und nicht umgekehrt, wollte er wissen wohin ihr Weg wohl führen würde.


    "Wo geht es denn hin?"

  • Die junge Rediviva betrachtete die Umgebung. Der Himmel war blau, die Sonne war hell und der Tag war noch immer genauso unerträglich in seinen Ausmaßen, dass sie am Liebsten weglaufen würde. Es war heiß. Aber wenigstens hatte sie bei ihrem kleinen Abenteuer tatsächlich eine willkommene Abwechslung gefunden, ein Gespräch. Wie auch immer es verlaufen würde. Auf jeden Fall schien ihr Gesprächspartner sich ein wenig zu entspannen, ob das gut oder schlecht war, das würde sich noch zeigen. Aber immerhin fand er endlich den Weg zu einer Vorstellung seiner Person. Ein Decimus. Keine allzu schlechte Partie, dachte sie mit einem gewissen Lächeln auf den Lippen und einem weiteren Gedanken an ein paar Menschen dieser Familie, deren Namen sie kannte. Und sogar die Personen höchstpersönlich, auch wenn ihre Erinnerungen ein wenig matt sind. Sie war noch ziemlich klein. Zwar Plebejer, aber honorative Plebejer mit gewissem Stand und gutem Ruf.


    Dann entschloss sie sich, seine Frage ebenfalls nicht unbeantwortet zu lachen. „Rediviva Minervina, Tochter des Senators Tiberius Maximus und der Eques Rediviva Helena. Zur Zeit allerdings bin ich im Hause meines Onkels anzutreffen, Tiberius Vitamalacus... Und genau dahin geht auch die Reise, wenngleich er leider noch im Castellum ist.“ Erklärte sie ihre Herkunft. Sie wäre gerne noch auf weitere Ämter und Ränge eingegangen, aber das wäre ein wenig zu aufreißerisch gewesen und hatte sich in ihre Worte nicht geschickt einbinden lassen. Und so plump dass sie nun sämtliche Honoratoren der Familie aufzählte, um Eindruck zu schinden, war sie nun doch nicht. Eltern mit Rang und Namen waren höflich und formell korrekt.


    Wieder schenkte sie ihm ein knappes Lächeln. Sie wollte das Gespräch allerdings auch nicht ermüden lassen, also rang sie sich zu weiteren Worten durch. „Decimus Maximian habe ich als kleines Kind kennenlernen dürfen, aber ansonsten ... wirklich persönlich kenne ich deine weitere Verwandtschaft dann auch wieder nicht. Ich hoffe du siehst es mir nach.“ Erklärte sie mit freundlicher, aber noch immer sehr disziplinierter Stimme und einer kontrollierten Tonlage. Ihr schienen die gesellschaftlichen Regeln sehr deutlich erklärt worden zu sein und das nicht erst seit gestern. Auch ihre korrekt gelegte Kleidung, die in der Sonne gewiss sehr warm war, zeugte davon dass sie eine recht strenge Erziehung erhalten hatte. Tante Claudia war immer sehr streng mit ihr gewesen und doch vermisste sie diese unsäglich. Sie war nun schon eine ganze Weile im Elysium. Aber daran dachte sie in diesem Moment nicht. Minervina selbst konzentrierte sich nachwievor genau auf ihre Schritte und ihre Haltung.


    „Ich lebe schon eine ganze Weile bei meiner väterlichen Seite hier in Rom. Geboren wurde ich in Tarraco, aber als Vater starb hat es mich dort nicht sehr lange gehalten.“ Die genaueren Gründe verschwieg sie. Sie verschwieg, dass sie ihre Mutter regelrecht hasste, dass sie ihre Art hasste und dass sie es hasste, dass sie sich kurz nach Vaters Tod einen neuen, sehr viel jüngeren Mann gesucht hatte. Als sie noch im Kindesalter war, hatte sie es nicht so schlimm gefunden, sie war lediglich traurig. Aber je älter sie wurde, je egoistischer empfand sie jede Handlung ihrer Mutter. Sie hatte niemals im Sinne ihrer Tochter, ihr, Minervina, gehandelt. Also hatte sie den Anschluss an ihre Tante gesucht und hatte ihre Kindheit endgültig hinter sich gelassen und war nach Rom gekommen, um ihrer wahren Familie zur Seite zu stehen. Sie würde bald einmal ihren Onkel Vitamalacus besuchen, das hatte sie sich fest vorgenommen.

  • Tiberius lauschte der hübschen Rediviva weiterhin mit einem freundlichen Gesichtsausdruck. Als Minervina ihre Eltern vorstellte war Crassus nicht mehr erstaunt, dass der Vater ein Patrizier war. Von Anfang an ahnte der Decimus dies. Auch wenn er erst vor einigen Wochen Griechenland hinter sich gelassen hatte und nach Rom gezogen war, hatte er sich bereits einen Einblick in die Gesellschaftsordnung Rom's verschafft um allen Eventualitäten aus dem Weg zu gehen. So kam ihm auch die ehrenvolle Gens Tiberia zu Ohren, von der Minervina's Vater entstammte. Sie war einflussreich, sehr einflussreich. Ihr Einfluss erstreckte sich bis weit über die Grenzen Italia's hinaus und sie besetzten in sämtlichen Provinzen hohe Ämter. Auch wenn der junge Decimus von einigen Patrizierfamilien nicht viel hielt, war es doch etwas besonderes eine Tiberia kennenzulernen.


    Als die junge Frau versuchte, sich an Mitglieder der Gens Decima zu erinnern, breitete sich ein knappes Lächeln auf Crassus' Gesicht aus, schließlich war ihm selbst ein Großteil seiner Familie noch unbekannt.


    "Ich kann es dir nicht verübeln, selbst ich habe einen Großteil meiner Verwandtschaft noch nicht kennengelernt. Lediglich Senator Decimus Meridius und meinen Vater, Titus Decimus Verus. Ich lebte bis vor einigen Monaten bei meiner Mutter in Athen."


    Bei Tiberius' letzten Worten senkte sich sein Blick ein wenig. Er musste wieder an seine Mutter denken, die kürzlich verstorben war. Auch wenn er dies nach außen nicht zeigte und ihm bewusst war, dass der Tod ein natürlicher Bestandteil des Lebens war, hing ihm ihr Tod noch sehr nach. Der Sohn des Verus war kein Mensch, der gerne bemitleidet werden wollte, so erwähnte er den Tod seiner Mutter auch nicht gegenüber Minervina. Er wollte sich immer stark zeigen und solchen Dingen erhaben sein. Nicht einmal gegenüber seiner Schwester, Decima Serrana, erwähnte er seither wie schmerzvoll für ihn der Tod der Mutter noch war.


    So blieb seine Mimik weiterhin ernst, als Minervina berichtete, dass ihr Vater ebenfalls bereits verstorben war. An ihrer Art wie sie sich bei diesen Worten verhielt, an ihrem Tonfall, konnte Tiberius ablesen, dass auch sie den Tod ihres Vaters noch nicht vollkommen verarbeitet hatte. Darüber war Crassus erleichtert. Es war ein schönes Gefühl, wenn jemand das gleiche durchmachen musste und den anderen verstehen konnte. Auch wenn er der Rediviva gerne mehr geholfen hätte, konnte er in diese Moment nur sein Beileid aussprechen.


    "Das...das mit deinem Vater tut mir Leid."

    Nach einem kurzen Moment der Stille und des Gedenkens an die Verstorbenen wollte der Decimus diese traurigen Themen ruhen lassen und sich über etwas anderes unterhalten.


    "Es muss sicher ein Genuss sein, in Prunk zu leben und schon allein wegen der Herkunft überall bekannt zu sein."

    Dies war wohl mehr eine Feststellung, als eine Frage. Auch wenn Crassus dies bezweifeln mochte, interessierte es ihn brennend wie die Rediviva zu diesem Thema stand.

  • Minervina warf noch einen knappen, bösen Blick gen Sonne. Es war warm. Wie sollte sie sich hierbei auf ein Gespräch konzentrieren können? Aber sie hielt den Kampf durch und behielt ihre Besinnung und ihre Konzentration in einem ausreichenden Maß bei. Ihr Gesicht wies nachwievor höfliche Züge auf und zeigte gar Interesse an seinen Worten. Sie hörte ihm zu, als er von Achaia erzählte. Sie hatte eine sehr ähnliche Geschichte oft von ihrer Mutter gehört und beinahe wäre ihr ein unpassender Kommentar entglitten. Ihre Großmutter war damals verstorben, woraufhin sie selbst nach Rom zu ihrem Adoptivvater zurückkehrte. Ihre Mutter hatte damals noch nicht recht geahnt, dass sie keine Octavia war. Und dann begann das ganze Elend. Kurz zogen Wolken über das Gesicht der jungen Frau, aber sie beherrschte sich und sorgte für eine rasche Aufheiterung der strengen Gesichtszüge. So ging sie nur knapp auf die ganze Thematik ein.
    „Es braucht dir nicht leidtun, immerhin verschuldest du nicht seinen Tod. Er gab sein Leben für das Reich und somit sollte ich stolz auf ihn sein, nicht traurig. Er starb ehrenhaft. Und Beleidbekundungen lindern die wahre Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen niemals. Andere können es niemals wett machen. Es liegt an einem selbst, die Trauer zu überwinden.“ Erklärte sie zwar recht ausführlich, aber mit militärischer Präzision und mit einer Stimme, die eindeutig zeigte, dass sie selbst sich diesen Standpunkt immer und immer wieder klar gemacht hatte um auch dazu stehen zu können. Um die innere Stärke zu entdecken und zu Tage zu fördern.


    Letztlich unterbrach aber auch sie ihre tristen Gedanken und lauschte mit gewissem Amusement seinen Worten. In Prunk leben. Er wollte es wirklich auf ein nicht ungefährlches Thema ausweiten, dieses Gespräch. Dass er schon mehrmals andeutete, was er von dem ‚besseren Lebensstil‘ hielt, hatte sie nicht vergessen. Ebensowenig, was ihr über ihren Stand beigebracht wurde. Sie fuhr sich kurz in einer nicht definierbaren Geste über den Nasenrücken, ehe sie zu einer prompten Antwort ansetzte. „Natürlich ist es ein Genuss, sonst wäre ich nicht in Rom. Hier habe ich alles was das Herz begehrt und sogar an Tagen da ich mal ohne Sklaven durch Rom schlendere, findet sich jemand, der einem beim Tragen behilflich ist.“
    Es war eindeutig zu spüren, dass Minervina mit ihren Worten eher versöhnlich wurde, weniger provokativ. Mit einem breiten Schmunzeln wandte sie ihr Gesicht dem jungen Decima zu und nickte. Dann fuhr sie mit leiserer, aber noch immer freundlicher Stimme fort. „Aber mal im Ernst. Natürlich zieht es seine Vorteile mit sich, aber wo Licht ist, da ist auch Schatten. Das gilt nicht nur für unsere Umwelt, sondern auch für die Gesellschaft, für Räume, für Gedanken. Letztendlich kommt es nur darauf an, was man aus seiner Lage macht. Und ich denke ich habe meine ‚Leiden‘ recht gut einschränken können und genieße das Leben, wie es für mich ist.“ Sie hatte schon länger nicht mehr eine so tiefsinnige und lange Rede schwingen können und leicht versonnen blinzelte sie in den Himmel hinauf. Die Sonne schien ihr ins Gesicht. Sie sollte nicht zu lange draußen bleiben, ehe sich ein Sonnenbrand auf ihrer Haut ausbreitete und das konnte sie nun gar nicht gebrauchen. Die sich pellende Rötung war ein definitiver Schönheitsmakel.


    „Na, erfülle ich deine Erwartungen oder bist du nun doch einigermaßen überrascht, dass Adel nicht nur aus Schmuck, Gold, Rang und Ehre besteht?“ Sie versuchte ihre ernste Miene zu bewahren, aber eine gewisse durch ihr Alter bedingte Schalkhaftigkeit und auch durch ihr früheres Leben herrührende Offenheit ließen sich nun doch nicht völlig verbergen. Aber jetzt überwachte sie ja niemand, was ja auch der Grund dafür war, dass sie das Haus alleine verlassen hatte. Sie brauchte nicht immer einen Aufpasser. Das wurde langweilig.

  • Natürlich sprach Tiberius sein Beileid nur aus Höflichkeit aus. Das gehörte sich so. Er wusste wohl am besten, dass dadurch keine Verstorbenen wiederbelebt werden konnten oder das unendliche Leid, das man beim Tod einer nahestehenden Person ertragen musste, einfahch vergessen werden konnte. So konnte er Minervina nur mit einem ernsten Nicken zustimmen. Sie hatte mit all ihren Worten vollkommen recht. Es war doch verwunderlich, dass die junge Rediviva für ihr Alter schon so reif war.


    Der Decimus war erfreut, dass die Provokation in Minervina's Stimme allmählich schwand. Es beruhigte ihn. So sah er sich wenigstens ansatzweise auf einer gleichen Ebene mit der hübschen Frau. Ihre nächsten Worte machten den gebürtigen Römer noch etwas stutziger, schließlich zeigte sich seine Gegenüber urplötzlich mit einer gewissen Offenheit.


    "Das freut mich für dich. Ich kann mir gut vorstellen, dass man als Adelige unter Druck steht, da man ja gewisse Pflichten zu erfüllen hat. Druck kann selbst die schönsten Dinge unerträglich machen."


    Crassus lächelte leicht zu Minervina rüber, die anscheinend noch immer mit der unglaublichen Hitze am heutigen Tage zu kämpfen hatte. Tiberius konnte es ihr in keinster Weise verübeln, die Sonne war heute wirklich unerträglich. Sol, der Gott der Sonne, war heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden. Diesen Gedanken verworf Crassus schnell wieder, man sollte ja nicht über die Götter spotten. Auch wenn der junge Mann kein Priester war, war er gläubig. Er achtete die Götter.


    "Die Sonne ist heute wirklich unerträglich. Wenn du noch ein wenig Zeit hast könnten wir uns auch ein schönes schattiges Plätzchen im Atrium suchen und eine kleine Pause einlegen. Was sagst du?"


    Noch dazu, für Tiberius unerklärlich, trug Minervina eine für den heutigen Tage eindeutig zu warme Kleidung. Den Decimus traf fast ein Hitzeschlag, als er sie nur anschaute. Natürlich bot er ihr nicht nur deshalb einen Aufenthalt im Atrium an. Er genoss das Gespräch und wollte dieses auch noch möglichst lange weiterführen, ehe der Ernst des Lebens ihn wieder einholen würde. Noch dazu hatte er während Meridius sich um die Arbeitsbeschaffung kümmerte sowieso nichts zu tun und würde sich nur langweilen.


    Bei den letzten Worten der Rediviva entwich Tiberius ein kurzes Lachen und darauffolgend ein breites Grinsen.


    "Ich bin wahrlich überrascht, du faszinierst mich."


    Kein Unterton von Spott oder dergleichen war Crassus' Stimme bei diesen Worten zu entnehmen. Nur purer Ernst und Ehrlichkeit. So hoffte er dass er nun auch der hübschen Frau ein herzliches Lächeln entlocken konnte.

  • Minervina zog ganz kurz eine leichte Grimasse. Ja Pflichten. Besonders was Benehmen und Anstand anging, eine grobe Umstellung von der vorherigen Erziehung durch ihre Mutter. Da hatte sie noch ausnahmslos alles tun können, was auch dazu geführt hatte, dass sie mit einem jungen Peregrinus durch die Gegend zog. Und dass sie zugelassen hatte, dass er sich einen Platz in ihrem Herzen eroberte. Aber Marcus war verschwunden, er hatte nie wieder etwas von sich hören lassen. Entweder er hatte sie vergessen, oder aber ihm war wirklich etwas zugestoßen und er hatte es, im Gegensatz zu ihr, nicht geschafft vor den Verbrechern zu entkommen. Sie schien für den Moment dieser Gedanken kurz abwesend, als er dann erneut die Stimme erhob. Nur unmerklich zuckte sie zusammen und wandte ihren Blick wieder ihrem jungen, aber durchaus freundlichen Begleiter zu.


    Das war ein sehr indiskreter Versuch sie zu einer Verabredung zu überreden. Sie kam nicht umhin leicht zu grinsen. Es war aber auch manchmal zu interessant, die Vorzüge einer im heiratsfähigen, aber unverheirateten ungen Frau genießen zu können. Langweilig wurde einem eigentlich nie. Auch wenn Ihr Onkel es inzwischen vermutlich lieber sehen würde, wenn sich der Zustand 'unverheiratet' änderte. Immerhin war jeder Tag mehr ein Tag, an dem er für sie verantwortlich war und ein Tag der sie älter machte. Sie selbst hatte es da noch nicht allzu eilig. "Zeit habe ich zur Zeit frei zur Verfügung. Die nächsten Tage werde ich zwar aufbrechen, um meinen Onkel zu besuchen, aber das Gepäck werden ohnehin die Sklaven richten. Die Zeit dafür hätte ich also und vielleicht ja sogar auch das Interesse an einem Gespräch." Sie schmunzelte ihm zu. Ein kleiner Tritt auf seine voreiligen Füße konnte nicht schaden. Sie versuchte zu schätzen wie alt er war, aber er schien noch nicht in einem sehr erfahrenen Alter zu sein. Weder von seinem Aussehen her, noch von seinem Taktgefühl. Vielleicht war er sogar ungefähr in ihrem Alter. Und hatte ebensoviele Erfahrungen gesammelt wie sie - also beinahe keine. Ihre Lehren hatte sie von der Verwandtschaft bezogen.


    "Soso, faszinierend also." meinte sie langgezogen. Also, jetzt endlich kam die Zeit der aufrichtigen Komplimente und die Zeit der provokativen Herausforderungen endete. Und so wandelte sich ihr Schmunzeln nach einer kurzen Zeit tatsächlich in ein leichtes Lächeln, aber auch dieses wirkte nicht völlig aus dem Affekt kommen. Der leichte Glanz in den Augen bewies allerdings, dass auch ein wenig ehrliche Freude in dem Lächeln lag. "Will ich dir das mal glauben. Ich betrachte es von der Seite. Ich habe viele Verpflichtungen, aber nicht sehr viele Aufgaben und darum ist es auch so, dass ich recht viel Zeit habe über alles Mögliche nachzudenken. Und was sonst soll ich in dieser Zeit sonst tun, als lernen?" Sie zuckte mit den Schultern. Langsam schmälerte sich die Dichte der Menschenmassen um sie beide herum und Minervina musste nicht mehr bei jedem Anrempeln bedauern, dass sie ihre Sklaven daheim gelassen hatte.


    "Aber sag doch, was hast du nun vor, nun, da du in Rom bist? Hast du schon Pläne, wie es weitergehen soll? Oder lässt du erst einmal doch die Gewalt der starken Unterschiede auf dich einwirken?" Sie hatte ein beinahe schelmisches Schmunzeln aufgesetzt und ihre Stimme wirkte aufrichtig interessiert. Natürlich tat sie das. Sie hatte auch dann interessiert zu klingen, wenn es sie eigentlich kein Stückchen interessierte, was ihr Gegenüber so alles erzähllte. Wobei das in diesem Fall zum Glück nicht der Fall war, denn sonst hätte sie sich auch sehr leicht vom Ort des Geschehens entfernen können. Sie hatte da so ihre Methoden.

  • Tiberius lächelte erfreut, als Minervina seinem vielleicht indiskreten, aber offenbar erfolgreichen Vorschlag einwilligte. Es war schön mal wieder in Kontakt mit Frauen zu stehen, da er seit er Griechenland verlassen hatte keine Zeit mehr dazu fand. Er war zu beschäftigt. Er musste seinen Vater in Misenum aufsuchen, was mehrere Tage in Anspruch nahm. Zudem musste er sich nun Arbeit beschaffen, da er nicht ewig auf Meridius und seinem Vater angewiesen sein sollte und auf eigene Beine stehen wollte.


    Als die junge Rediviva ihre Sklaven erwähnte, musste Tiberius kurz grübeln. Sklaven. Ja, früher oder später würden sie sich sicher bezahlt machen. Wenn er erstmal Arbeit hatte würde ihn ein Sklave sicher entlasten und Arbeit abnehmen. Wobei...was hatte Crassus bisher schon zu tun. Außer einige Reisen musste der Decimus in Rom bisher keinerlei körperliche Arbeit verrichten. Das war in Griechenland noch anders, wo er wo es ging helfen musste, schließlich war kein weiterer Mann im Haus.


    "Vielleicht Interesse?"


    Tiberius zwinkerte ihr leicht zu. Es war Zeit das Gespräch mal etwas anzuheizen und in die Offensive zu gehen, schließlich wollte er nicht ewig so weiter vor sich hinreden müssen. Überdies sollte man ja seinen Spaß haben, wenn man schon mal einige Minuten Freizeit zur Verfügung hat.


    "Ja...Verpflichtungen. Die hab ich zur Zeit...noch nicht."


    Crassus war sich uneins ob er dazwischen entweder ein 'leider' oder ein 'glücklicherweise' einfügen sollte. Zwar bedeuteten Verpflichtungen meist Beschäftigung und es wurde nicht so schnell langweilig, auf der anderen Seite konnten Verpflichtungen mit der Zeit einen sehr unter Druck setzen, was bei seiner Gegenüber möglicherweise der Fall war.


    Als Minervina ihre Zukunft ansprach, musste Tiberius erst einmal grübeln. Naja, an erster Stelle stand natürlich die Suche nach Arbeit, aber dann? Der weitere Weg des jungen Römer stand wohl in den Sternen. Ob man dies als positiv oder negativ empfinden sollte, hing wohl von der Sicht des Betrachters ab. Tiberius sah dies aber durchaus positiv. Wenn jeder neue Tag Abwechslung bot und man nie wusste, was auf einen zukommt, konnte man zumindest überrascht werden.


    "Ich werde wohl eine Laufbahn als Magistrat einschlagen. Eigentlich wollte ich ins Militär, doch ich denke das ich dafür noch ein wenig mehr Erfahrung benötige."


    Der junge Decimus wollte es bei diese formellen Antwort natürlich nicht belassen.


    "Aber erst einmal genieß ich meine wohl vorerst letzten freien Minuten. Bisher hat es sich ja durchaus ausgezahlt dich anzurempeln."


    Die beiden kamen dem Atrium immer näher, wobei Tiberius dies gar nicht wahrnahm. Er war zu vertieft in das Gespräch mit der hübschen Frau, sodass er seine Umgebung völlig in den Hintergrund stellte.

  • Minervina runzelte kurz verwirrt die Stirn, als er nach Interesse fragte. Meinte er damit, ob sie Interesse an seiner Person hatte oder ob er sie aus Interesse begleitete? Oder bezog er sich - was natürlich die llogischere Alternative wäre - auf ihre spitze Bemerkung, dass sie wohlmöglich nicht einmal Interesse haben könnte, ihn einzuladen? Als sie sich entschloss, dass er wohl dies gemeint hatte, verzog sich ihre Miene zu einem Schmunzeln. Er war plump, aber bei alledem dennoch nicht unintelligent. Also setzte auch sie zu einer recht spitzen Antwort an. "Na, ich habe mal gelernt, dass man Einladungen nicht unbedingt rückgängig machen kann, und da Du dich schon recht glorreich selbst eingeladen hast, werd ich dem wohl oder übel als Gastgeber nachkommen müssen." Sie sah kurz zu ihm. Sie würden nicht mehr lange unterwegs sein, die Villa näherte sich zunehmend. Ein kurzes Stück würde es bergauf gehen und die ersten Steigungen zeigten sich bereits. Das war der Moment, wo sie eine Sänfte deutlich bevorzugen würde.


    Als er erwähnte, dass er noch nichts zu tun hatte, beschlich sie erst der Verdacht, dass er auch nicht vorhatte etwas zu tun und nur das 'noch' anhängte, um sie nicht durch mangelnden Interesse an einer körperlichen Tätigkeit abzuschrecken, was tatsächlich der Fall gewesen wäre. Aber die Decima waren ehrgeizig, sie konnte sich nicht vorstellen dass sie absolutes Nichtstun befürworten würden. Auch wenn sie dies nur vom Hörensagen her einschätzen konnte. Als er erwähnte, dass er durchaus Pläne hatte, ließ sie ein theatralisches und neckisch gemeintes Seufzen der Erleichterung erklingen, ehe sie etwas ersnter auf ihn einging. "Das klingt doch gut. Aber unterschätze die Tätigkeiten eines Magistraten nicht. Der Unterschied liegt vornehmlich in der körperlichen Ertüchtigung. Aber du bist schließlich noch jung. Allerdings würde ich dennoch zu einem Beginn im Militär raten, denn das ist eine gute Pflicht am Reich und würde deine Laufbahn auch nicht weiter als nötig unterbrechen." Sie schien als habe sie ihre Worte recht gut überdacht. Aber den Eindruck erweckte auch ihr Lächeln, erweckte ihre Gestik. Nichts schien sie dem Zufall oder der Intuition überlassen zu wollen.


    Da richtete sie ihren Blick wieder nach vorne und bemerkte, wie sich ihnen Leute näherten. Würden sie ausweichen? Decimus hatte sich sehr ihrem gemeinsamen Gespräch gewidmet, was sie natürlich auch nicht als störend empfand. Aber wenn er nicht auf seine Füße achtete, könnte es einen Zusammenprall geben. Aber wie warnte sie ihn dezent davor? Wegreißen, das war unter ihrer Würde und ein gesprochene Hinweis konnte plump und zurechtweisend wirken. Also wandte sie sich nur mit einem Grinsen zu ihm. Er schien spielen zu wollen und ihr machte es nichts aus. Warum sollte sie nicht darauf eingehen? Worte verursachten keine Ehe, genausowenig wie Lächeln. Darüber entschied ohnehin nicht die junge, von Geburt her Adelige. "Ich fühl mich geehrt, dass du jedes Opfer eingehst um dich völlig mir zu widmen." Mit diesen Worten nickte sie nun die Straße empor. Es wurde knapp, hoffentlich verstand er ihren Wink. Und wenn ja, ob er dem Spiel mit dem Feuer nicht gar unterliegen würde? Er wäre nicht der Erste..

  • Tiberius ahnte, dass Minervina bei seiner etwas direkten Frage den Drang verspüren würde entsprechend zu kontern. Wahrlich, sie war eine Frau mit Temperament, was der junge Decimus eher als Herausforderung anstatt als Hindernis ansah. Dennoch wollte er die Situation nicht weiter zuspitzen, er genoss dieses Gespräch zu sehr um das Risiko einzugehen, es in einer Diskussion ausarten zu lassen. Um trotzdem nicht wie ein Idiot, oder als Mann ohne Stimme dazustehen, entschied er sich dafür neutral aber dennoch gewählt zu antworten. Schließlich sollte sie nicht das Gefühl haben, das Gespräch zu kontrollieren. Es war Pflicht des Mannes die Frau zu schützen und nicht andersherum.


    “Ich hindere dich nicht daran mich jetzt einfach so stehen zu lassen, Minervina. Doch ich denke, dass du das nicht willst.“


    Es war vielleicht etwas wage und arrogant, dies zu behaupten, was ohne Zweifel mehr Feststellung als Kommentar war, an dem es anscheinend nach Crassus‘ Meinung nichts mehr zu rütteln gab. Schließlich ging die Rediviva schon zu Beginn auf seine Annäherung ein, was nicht gerade von Desinteresse zeugte. Wenn sie trotzdem seine Bemerkung in Frage stellen würde, dann würde sie nur zeigen, dass sie nicht gerne zu ihrer Meinung stand – oder einfach wirklich kein Interesse am Gespräch hatte.


    Es folgte ein leichter Anstieg, den Tiberius, als er seine Aufmerksamkeit kurz der Umgebung widmete, bemerkte. Minervina schien dabei leicht angestrengt und ihr Lächeln schwand plötzlich, mochte der Decimus zumindest in ihrem zarten Gesicht deuten. So etwas Belangloses wollte er allerdings nicht weiter kommentieren, eine pingelige Frau wie seine Gegenüber würde daraus womöglich falsche Schlüsse ziehen. Nicht dass sie denkt, er würde jede noch so kleine und gleichzeitig belanglose Tatsache kommentieren und diese in den Mittelpunkt rücken. So lauschte er ihr weiterhin, als sie ihn anscheinend einen Ratschlag gab – oder es zumindest versuchte. Tiberius grinste leicht.


    “Ja…leider hat mein Vater da noch ein Wörtchen mitzureden. Er will dass ich Magistrat werde. Doch bin ich ihm nicht böse, denn dann hätte ich nicht die Chance so bildhübsche und gleichzeitig nette Frauen wie dich zufällig auf der Straße kennenzulernen.“


    Crassus schenkte ihr wieder ein schelmisches Lächeln, das allerdings nicht allzu lange anhielt, schließlich wollte er mit seinen schmeichelhaften Worten nicht als Schleimer dastehen.


    “Aber genug der Schmeicheleien…Wie weit ist es denn noch zur Villa?“


    Weiter ging es bergauf, was den jungen Decimus allerdings nicht einschüchterte. Er war sowohl körperlich als auch geistlich fit. Dennoch war er nicht fähig den Trubel um sich zu bemerken, er war voll und ganz auf Minervina konzentriert. Ihre indirekte, aber dennoch effektive Bemerkung wies ihn darauf hin, dass er nahe dran war die nächste Person anzurempeln. Im letzten Moment wich er nach links aus, wodurch er eine Art Kettenreaktion in Bewegung setzte. Wieder rempelte er seine junge Gesprächspartnerin an, die daraufhin Probleme mit ihrer Balance hatte und fast zu Boden fiel. Doch diesmal konnte er in letzter Sekunde Vorsicht walten lassen und sie sanft auffangen. Er setzte ein Lächeln auf, als er sie in seinen Armen widerfand.


    “Bitte verpass mir jetzt keine Spitznamen…“


    Was natürlich mit einem amüsierten, aber dennoch nicht arroganten Unterton auf sein ähnliches Malheure zu Beginn des Treffens erinnern sollte. Einen kurzen Moment starrte er noch immer mit einem Grinsen auf dem Gesicht tief in ihre Augen, ehe er sie losließ und hoffte, dass er nun kein Donnerwetter, sondern selbiges von ihr zu erwarten hatte.

  • Sie warf ihm bei seiner Bemerkung einen wachen Seitenblick zu. Er war ziemlich aufgeweckt. Auf seine Worte hin konnte sie nicht wirklich wiedersprechen , denn damit würde sie sich selbst in Frage stellen, da sie schon lange Gelegenheit gehabt hätte, ihn abzuweisen. Gleichzeitig aber fühlte sie sich auch leicht in die Enge getrieben und empfand es beinahe so, als habe man ihr kurzerhand eine Meinung aufgedrückt, die sie so nicht hatte. Dennoch köchelte sie wacker und ließ seine Worte einf ach unkommentiert. Sie wusste nicht recht, was sie darauf denn antworten konnt.e und bevor sie anfing, belangloses Zeug zu erzählen, war Schweigen besser.


    Dieser Anstieg, dem sie folgten, war die Steigung des Mons Esquilinus, an welchem Hang die Villa Tiberia lag. Sie befand sich nicht sehr weit vom Portus Liviae entfernt. Sie fragte sich einen Moment, was sie ihrer Familie sagen sollte, wen sie da warum mitbrachte. Aber sie würde das schon richtig drehen können, immerhin machte sich Decimus auch dadurch nützlich, dass er ihr Gepäck trug. Vermutlich käme dann der Vorwurf, wie naiv sie eigentlich wäre, aber auch darauf würde sie eine passende Antwort finden. Um Antworten war sie noch nie in ihrem Leben verlegen gewesen.


    „Ah, immerhin hörst du auf deinen Vater gehört, das ist doch ein gutes Zeichen.“ Meinte sie mit leichtem Schmunzeln, nicht ohne allerdings danach zu einem kurzen Seitenhieb anzusetzem. Wie beiläufig fügte sie hintenan: „Wahrscheinlich hat er dich auch gelehrt, dass man keine Gelegenheit verpassen sollte, Frauen zu schmeicheln, oder wie darf ich dein Benehmen deuten?“ Sie sah aus den Augenwinkeln zu ihm, wobei die Lider leicht gesenkt waren. Mnervina hatte recht volle Wimpern, das fiel aus dieser Sicht ziemlich deutlich auf. Aber ihrer Art war anzusehen, dass der in ihren Worten enthaltene Vorwurf nur von geringer Größe war. Vornehmlich wollte sie ihn offenkundig damit necken, dass er ihr fortlaufend Komplimente machte, die sie zwar gerne, aber auch häufig hörte.
    „Oh, es ist nicht mehr allzuweit. Wir wohnen noch ein Stückchen weiter den Esquilin hinauf. Sag nicht, dass dich der Weg anstrengt?“ Sie grinste leicht. Sie jedenfalls strengte es nur minimal an. Sie war derartige Bewegung einfach nicht mehr gewohnt, aber immerhin trug sie nicht viel Gewicht mit sich herum. Genug Leute die hier hinauf gehen, hatten ein wenig mehr auf den Rippen. Und sie schnauften wie Maschínen, das hatte sie von ihrer Sänfte aus oft beobachten können. Sie selbst empfand sich beinahe als richtig anmutig dahinschreitend. Aber doch, anstrengend war der Aufstieg dennoch. Sie musste mit ihren Schritten ein wenig mehr als normal ausholen.


    Minervina hatte sich also voll und ganz auf den Aufstieg zu konzentrieren. Sie bließ sich eine dünne Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr zwischen den Augen baumelte. Sie schmunzelte, als sie sah, dass er ihren Wink verstanden hatte, aber das Schmunzeln wich eine Sekunde später wieder, als sie begann zu straucheln. Er war etwas zu ruckartig ausgewichen, sodass sie keine Gelegenheit mehr hatte, ihre Balance vernünftig zu wahren. Mit ihrer Hand suchte sie halt, aber der ‚Rüpel‘ war dieses Mal schneller und gab ihr von sich aus raschen Halt. Als sie sich plötzlich in seinen Armen wiederfand, erhob sie ihre Augenbrauen. Grinsen tat sie dieses Mal nicht. Stattdessen lag ein leichter Vorwurf in ihrem Blick.


    Mit seiner Bemerkung allerdings nahm er ihr den Wind aus den Segeln und sie gab nur ein „Rüpel“ von sich, das jeder Schärfe beraubt war, die diesem Wort eigentlich anhängen sollte. Sie versuchte sich dann aus seiner Umarmung zu befreien, eher dezent, aber ehe jemand sie so sah und die Gerüchteküche wieder zu brodeln begann, versuchte sie dennoch sich freundlich aus der ungewollten Nähe zu lösen. Als sie dann endlich wieder auf die eigenen Beine kam, wankte sie noch einmal kurz und schüttelte amüsiert den Kopf. „Wenn man alles zusammenzählt könnte man fast glauben, dass deine Eskapaden Absicht sind und absolut im Detail berechnet.“ Sie lächelte und wandte den Blick wieder ab um weiterzugehen, ohne ihm seinen erhofften tiefen Blick zu schenken. So leicht war sie dann auch wieder nicht zu haben.

  • Der junge Decimus bemerkte, dass Minervina mit seiner Bemerkung nicht ganz zufrieden war, vor allem weil sie anscheinend keine Antwort wusste. Keine Antwort war auch eine Antwort. Doch Tiberius war nicht der Typ, der es bei einem Schweigen lassen würde, lieber würde er die Lage wieder etwas auflockern und so die Rediviva nicht als Verliererin dastehen lassen.


    “…Aber…ehrlich gesagt wäre ich auch sehr enttäuscht, wenn du mich einfach so stehen lassen würdest“, fügte er mit einem leichten Lächeln hinzu.


    Dies sollte die junge Frau wohl aus ihrer Sackgasse befreien und wieder eine Basis für das weitere Gespräch errichten. Tiberius musste bei der nächsten Bemerkung seiner Gegenüber schmunzeln. Doch wollte er nicht weiter nachhaken, er hatte einfach keine Lust auf solch belanglose Themen einzugehen. Vor allem wenn es doch viel Wichtigeres zum Reden gab. Als sie ihn auf seine Schmeicheleien ansprach, blieb sein Gesichtsausdruck allerdings wider Erwarten ernst. Er fühlte sich irgendwie bedrängt. Doch so wollte er es natürlich nicht stehen lassen. Immerhin hätte sie langsam mitbekommen sollen, dass er seinen Vater erst vor kurzen kennengelernt hatte und so noch nicht viel von ihm lernen hätte können.


    “Nein. Nur bestimmte Frauen“, sagte der Decimus direkt und monoton.


    Angestrengt war Tiberius nicht. Wenn er nur an die Hügel und Steppen von Griechenland dachte, war das ein Kinderspiel. Er musste wieder an die alten Zeiten denken. Seine Familie hatte eine mittelgroße Schafherde, die Crassus immer auf die Steppen hinausführen musste. An warmen Tagen ließ er sich ins Gras fallen, das durch die Sonne bereits ein gelb-braun angenommen hatte und beobachtete den klaren, blauen Himmel. Er hatte ein recht schönes Leben in Athen und hoffte, dass sein zukünftiges in Rom genauso werden würde.


    “Ich bin völlig erschöpft. Ich kann mich kaum mehr halten…Willst du mich stützen?“


    In Crassus‘ Worten konnte man eindeutig heraushören, dass er das Stilmittel der Ironie benutzte. Dies wurde unterstrichen, indem er der jungen Frau abermals ein freundliches Lächeln schenkte. Ein noch breiteres Lächeln entfaltete sich auf Tiberius‘ Gesicht, als ihn Minervina als ‚Rüpel‘ bezeichnete und sich aus seiner Umarmung befreien wollte. Trotz allem konnte der junge Decimus nicht behaupten, dass er die Umarmung nicht genoss. Im Gegenteil, es war ein schönes Gefühl…das Gefühl der Nähe zur hübschen Rediviva. Jedoch konnte er ihre Reaktion, sich möglichst schnell zu befreien, nicht Übel nehmen. Es war wohl doch ein wenig zu viel des Guten – immerhin kannten sie sich erst ein paar Minuten.


    “Ja…das wäre eine Überlegung wert. Doch ich würde es einfach als…unglückliche Zusammenreihung von unglücklichen Situationen bezeichnen.“


    Mit diesen Worten wollte Crassus Minervina in keinster Weise provozieren. Ganz im Gegenteil. Er versuchte zumindest einen Hauch von Sympathie und ein wenig Vertrauen zu erlangen.

  • Minervina registrierte seine Bemühung durchaus und belohnte sie auch durch ein freundliches Lächeln. Aber sie erwiderte dennoch nichts. Es gab Passagen, da war es gerade für eine Frau besser, einmal kurz zu schweigen, anstatt zuviel zu sagen. Und es konnte sehr schnell zu viel gesagt werden, das wurde ihr schon immer beigebracht und sie hatte es auch schon oftmals selbst so empfunden. Geplapper war, wenn man zuvor eine angenehme Unterhaltung geführt hatte, ein Gut, das schnellstens unterbunden gehörte.
    "Soso, bestimmte Frauen.." ging sie dann mit einem recht breiten Schmunzeln auf seine Worte ein. Sie sog kurz die Luft ein. Schwitzen tat sie noch lang nicht, aber sie spürte doch tatsächlich eine gewisse Anstrengung in ihren Beinen. Das bei der sanften Steigung und bei ihrer Figur. Unerhört, sie musste dringend wieder etwas tun, um ihren Körper und ihre Kondition auf Vordermann zu bringen. Sie räusperte sich dezent. Oder wurde sie krank? Nein, das war völlig ausgeschlossen, sie wurde eigentlich nie krank. "Und wie genau definierst du diese Frauen?" Innerlich schalt sie sich beinahe. Sie begann zu schäken. Nun war sie nie die besonders zurückhaltende gewesen, aber sie hatte doch gehofft, wenigstens bei diesen Versuchen sich auf das Umfeld zu konzentrieren, das ihre Familie wünschte. Wobei ihr dieses auch nicht immer unbedingt gut gefiel und ihr gute Worte in den Mund legte...
    Sie verzog leicht die Miene, als er gestützt werden wollte. Aber um das Thema zu wechseln, ging sie dann doch recht schnell und etwas plump auf seine Worte ein. "Dich stützen? Völlig unter meiner Würde und unter meinen Möglichkeiten!" Sie versuchte dabei möglichst schnippisch zu wirken, aber empfand ihre Wortwahl selbst als einen dezenten Fehltritt, denn auf dieser Basis hatte ihr Gespräch begonnen. Sie wandte schnell den Blick von ihm ab. Erröten, das tat sie schon lange nicht mehr, aber sie wollte auch keine Nachlässigkeit zeigen. Also sprang sie möglichst rasch wieder zum nächsten Thema.
    "Bist du dir sicher, dass du die Zufälle als unglücklich bezeichnen würdest? Gerade du?" Sie zwang sich wieder zu einem Schmunzeln, doch innerlich ärgerte sie sich immer noch über ihren Ausspruch. Nun war es nicht so, dass sie unbedingt auf seine gute Meinung angewiesen war, allerdings hätte es ihr auch bei einer relevanten Person passieren können, am Besten noch in Beisein der Familie. Sie schüttelte leicht den Kopf.

  • Tiberius bewältigte weiterhin ohne Probleme den leichten Aufstieg. Er musste keinerlei Anstrengung aufwenden, er war sehr sportlich. Für sein Alter hatte er eine außerordentlich kräftige Statur, was wohl auf seine Zeit in Athen bei seiner Mutter zurückzuführen ist. So ärgerte er sich teilweise auch über seine dumme Bemerkung, ob die Rediviva ihn stützen würde. Welch Fehltritt. Mit solchen faden Aussagen konnte er Minervina sicher nicht beeindrucken - ganz im Gegenteil. Manchmal gab es leider Situationen, in denen der junge Decimus unbeholfen wirkte, was er eigentlich gar nicht war. Er tat sich nur manchmal schwer sich völlig zu kontrollieren und reagierte oftmals viel zu hektisch.


    Als seine Gesprächspartnerin auf das Thema mit den Frauen zu sprechen war, breitete sich in Crassus ein sanftes Lächeln aus. Es war wie ein Spiel. Beide Seiten redeteten genau genommen um den heißen Brei. Mit Anspielungen versuchten die beiden sich immer näher aneinander heranzupirschen. Schnellstmöglich loswerden wollten die beiden den jeweils anderen jetzt wohl nicht mehr. Es war unverkennbar für Tiberius, dass nun auch bei Rediviva Interesse am Gespräch bestand und auch sie versuchte, langsam mehr über den Decimus herauzufinden - wenn auch noch auf recht defensiver Ebene. Als Crassus sich eine angebrachte Antwort überlegte, wurde sein Gesichtsausdruck ernster. Er blickte gen Himmel, als ob er dort eine Antwort erwartete. Schließlich sollte man solche Dinge nicht unüberlegt beantworten. Eine Frau wie Minervina konnte derartiges schnell in den falschen Hals bekommen.


    "Sie müssen selbstbewusst und nett sein, aber auch bescheiden und zuvorkommend. Sie müssen hinter dem Mann stehen, ihm vertrauen schenken. Zu guter Letzt müssen sie natürlich auch Sitten zu schätzen wissen. Alles andere ist entweder zweitrangig oder eine Gefahr für die Beziehung. Selbstverständlich ist nicht jeder perfekt - was auch gut so ist. So bilden die genannten Eigenschaften nur das Fundament. Vieles muss man sich erst aneignen. Neues entdecken."


    Sowohl an seiner Stimme, als auch an seiner Mimik und Gestik, konnte man eindeutig erkennen, dass er die Wahrheit sprach. Einzig und allein die Wahrheit. Er sagte dies mit vollem Ernst und mit voller Aufmerksamkeit.


    Noch immer waren die beiden jungen Erwachsenen auf dem Weg zur Villa Tiberia. Zum ersten Mal machte Tiberius sich darüber Gedanken, wohin er jetzt eigentlich ging. Minervina und sein Begleiter befanden sich auf dem Weg zur Villa einer der angesehensten Patrizierfamilien des Imperiums. Auch wenn er manchen Adeligen nur wenig Ehre zusprach, waren sie doch Römer, denen man besonders viel Respekt entgegenbringen sollte. Von adeliger Abstammung zu sein hatte schließlich nicht nur Vorteile. Man hatte jederlei Pflichten und Crassus wusste, dass - wenn man es auch nicht für Wahr haben wollte - auch die Patrizier viele Zugeständnisse machen mussten. Die junge Rediviva war dafür wohl ein sehr gutes Beispiel, wie Tiberius im Laufe des Gespräches herausfinden durfte. Doch der Decimus verworf seinen Gedankengang für den Moment, um auf Minervina's nächste Bemerkung einzugehen. Tiberius grinste.


    "Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es Schicksal. Ich weiß jedenfalls eines. Es ist keinesfalls unglücklich - zumindest für mich."


    Ob Minervina dem vielleicht noch etwas hinzuzufügen hatte, war wohl ihre Entscheidung. Jedenfalls war es wohl die ehrlichste Antwort, die Tiberius liefern konnte. Auch wenn er es für nahezu unmöglich hielt, hoffte er, dass die Rediviva noch etwas ergänzte und auch ihre Freude über diese Situation bekundete.


    Dann erreichten sie die prächtige Villa. Auch wenn die Casa seiner Familie keinesfalls schäbig oder dergleichen war, war die Villa Tiberia noch um einige Stücke prächtiger und größer. Wieder erfüllte den Decimus Unsicherheit, als Minervina dem Vestibulum des Hauses immer näher kam. Tiberius blieb stehen.


    "Minervina...ich weiß nicht. Ich weiß nicht ob es so gut ist, dass ich mitkomme. Wir kennen uns kaum und ich bin kein Patrizier. Deine Familie wird dies sicherlich nicht gutheißen. Ich will nicht, dass du wegen mir Ärger bekommst."


    Crassus klang leicht besorgt, was man ihm wohl nicht verübeln konnte. Er sorgte sich wohl mehr um Minervina. Zwar ahnte er, dass die Rediviva versuchen würde, seine Gefühle schnell zu umgehen, um selbst keine Gefühle zeigen zu müssen. Doch konnte sie der junge Decimus im Anblick der Villa nicht mehr unterdrücken.

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