Die Villa des Lucius Licinius Calenus

  • Die Villa des Consulars Licinius Calenus lag in einer der besten Gegenden der Ewigen Stadt am Tiber. Der gewesene Consul konnte es sich auch leisten, trat er doch in der Geschichte nicht nur als Politiker auf, sondern auch durch seinen unermesslichen Reichtum, welchen er durch öffentliche Bauten quasi in seine Reputation investierte.


    Sein Prunkstück war eine Villa, ganz in weiß gehalten. Er hatte sie auf einer Anhöhe errichten lassen, auf der sie beeindruckend thronte. Aus Marmor erbaut, die Fassade von zahlreichen Säulen dominiert, sah man sich hier einem Monument gegenüber, das ohne Zweifel für die Ewigkeit gemacht war. Zwei Vorbauten an den Seiten rahmten das Hauptgebäude, weitere Nebengebäude wurden von immergrünen Mauern aus hochgewachsenen Zypressen verdeckt, Pinien taten ihr Möglichstes an anderen Stellen, wohl um ein gewisses Gefühl von Abgeschiedenheit und Intimität zu geben. Ein gepflegter Garten in der Größe eines mittelgroßen Parks umgab das Gebäude und beschloss so die imposante Erscheinung dieses Wohnobjektes.

  • Schon des öfteren haben sich Hungi und der alte Consular außerhalb der Curia Iulia getroffen, doch erst in letzter Zeit konnte man ein solches Treffen gehäuft wahrnehmen. Die Verbundenheit zum verstorbenen Kaiser war etwas, was beide Männer einander sympathisch erscheinen ließ, in manchen politischen Agenden waren sie auch komplett einer Meinung, in anderen hingegen verstand der eine den anderen nicht. Doch schätzte Hungi generell die Konfrontation auf verbaler Ebene, je älter er wurde, umso mehr verspürte er Lust daran (was ihn von den meisten seiner Mitsenatoren unterschied) und fand im Licinier einen pointierten Gegner, ganz nach seinem Geschmack. Mit Wehmut erinnerte sich Hungi dabei an Scribonius Curio, mit dem er oft Streitgespräche führte, zuerst gegeneinander, dann miteinander gegen gewisse Personen.


    Am heutigen Abend war Hungi zu einem kleinen Abendessen eingeladen, persönlich bestand dabei der Consular auf seine Anwesenheit und Hungi war selbstverständlich weit davon entfernt, diese Einladung abzuschlagen und dem Consular damit einen Korb zu geben. Zudem faselte der alte Licinier, der ja auch schon die 60 überschritten hatte, etwas von einer grandiosen Neuerwerbung, die sich sein Kollege unbedingt ansehen sollte. Hungi ahnte schon, worauf es hinauslief.


    Ordentlich gekleidet, wie es sich für einen Senator gehörte, befand er sich zur anvisierten Stunde in gutsitzender Toga mit einigen seiner Sklaven vor der Villa und ließ anklopfen.

  • Der Ianitor ließ den Senator nicht lange warten und führte Vinicius in das Innere des Hauses und bat diesen dort zu warten. Ein Sklave von hoher Statur und dunkler Hautfarbe, offensichtlich ein Nubier, stand etwas abseits, vor sich ein schmaler Beistelltisch mit zwei Karaffen und zwei Bechern sowie einer kleinen Obstschale mit Pflaumen und - hübsch drapiert - Himbeeren.


    Die Abendsonne beleuchtete die Mosaiken an der Wand zur Hälfte und offenbarte diverse Motive, die bunt zusammengewürfelt waren, so als ob sich der Consular aufgrund von Freude? oder aus künstlerischer Brutalität? nicht an einen stringenten Leitfaden halten wollte. Ein rustikales Erntebild fand sich gleich neben einem Abbild der Laokoon-Gruppe, dieses wiederum in nächster Nachbarschaft gesellte sich ein überdimensionales Frauenportrait hinzu. Nur eines einte diese Bilder und ließ den Betrachter gleichsam nicht von einer Welt in die andere stürzen, nämlich den kühnen Einsatz der Farbe Violett in allen Mosaiken.


    Aus einem steinernen Löwenmaul ergoss sich ein Strahl klaren Wassers in das obligatorische impluvium und verbreitete ein hart klingendes Plätschern, welche begleitet wurde durch sanfte Musik von ein paar Sklaven, die sich in einer Kammer - fast konnte man sagen - versteckten, doch nicht aus Scham über ihre mangelnden Fähigkeiten, so war dies nicht, es würde zu einem Manne wie Licinius auch nicht passen, untalentierte Musiker zu kaufen, nein, es war der schlichte Grund des Hausherrn, zweifelsohne exzentrisch, der einmal meinte, dass Musik dann seine Wirkung am besten entfalte, wenn die Musiker dabei im Hintergrund blieben oder noch besser erst gar nicht zu sehen seien. Da er allerdings nicht auf die Idee kam, einfach dabei die Augen zu schließen, was auch schon wegen seiner Geschäftigkeit kaum möglich war, mussten eben die Sklaven ihren Rückzug antreten.

  • Hungi war den Anblick des Atriums schon gewohnt, war er doch schon mehrmals hier zu Gast gewesen, wie auch der Licinier manchesmal seine - im Vergleich zu Licinius - bescheidene Villa Vinicia besucht hatte. Der erste Weg war hierbei immer der gleiche, nämlich zu dem Sklaven, der auch sogleich verstand und ihm seinen Spritzer einschenkte, der Jahreszeit gemäß sommerlich leicht, also mit spürbar mehr Wasser als Wein. Eine Himbeere, von angenehmer Säure und mit dem für diese Beeren eigenen ganz dezenten und feinen Geschmack, fand den Weg in Hungis Mund und gleich darauf verbreitete sich der Duft (im metaphorischen Sinne, denn Geruchsnerven befinden sich ja bekanntlich nicht auf der Zunge) im vorderen Rachenraum. Und wie an den Besuchen zuvor ließ sich sein Blick durch die Mosaike fesseln, und da er ohnehin auf Licinius warten mußte und daher Muße hatte, gab er dem Begehren seiner Augen nur zu gerne nach.


    Allerdings, und das war eine seiner von seiner Bildung her gesehen größten Fehlplätze, war er nicht wirklich mit einem großen Sinn für bildende Kunst gesegnet, noch konnte er den Wert eines solchen auch nur abschätzen. Wenn ihm ein Bild oder eine Skulptur gefiel, dann gefiel sie ihm und das langte ihm. Stundenlang vor einem Mosaik zu sitzen und jedes einzelne Steinchen zu begutachten, langweilte ihn. Vielmehr war er von der Kunst des Wortes fasziniert, die als Dichtung, Prosa oder Theaterstück überliefert wird, ein gut gewählter Spruch, ein genial plaziertes Eigenschaftswort lockte ihn mehr aus der Reserve als die schönsten architektonischen Gebilde. Es mag sein, daß er deswegen so gerne Jurist war, denn hier wie dort feilte der Künstler (wobei er sich eher als Handwerker sah) an Worten, drehte an Formulierungen, überlegte die Wirkung des Geschriebenen so lange, bis er zufrieden war mit seinem Werk und dies der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Sein Blick blieb am Frauenportrait hängen. Er kannte die Abgebildete nicht, hatte aber auch noch nie gefragt, wer diese sei. Er vermutete eine nähere Verwandte, vielleicht die Mutter oder Schwester, obwohl es ihn auch nicht wundern würde, wenn es eine frühere Geliebte des Licinius wäre. Bei diesem Gedanken schmunzelte Hungi. Seine verstorbene Frau Livia hätte ihn in diesem Falle wohl sofort verlassen und die Scheidung verlangt.
    Und zuvor sämtliches Mobiliar mit ihren eigenen Händen zerstört.

  • Licinius war ein Mann, dem man ansah, daß er früher wenn schon nicht athletisch gebaut, so zumindest sportlich war. Doch mit Zunahme des Alters und der dafür typischen Gebrechen zeigte sich auch ein gewisser Bauchansatz, der das ansonsten würdige Erscheinungsbild des Consulars ein wenig zu nachhaltig prägte. Die Stirn (und deren Geheimratsecken) von weißem Haar umrankt, das Gesicht nach römischer Art bartlos, also rasiert, die Nase spitz und die Augen nicht zu weit voneinander entfernt bewiesen die Harmonie und zeugten von hoher Abstammung, nur die Lippen waren zu schmal und berichteten von einer Härte, die der Consular in seinem bisherigen Leben aufweisen musste.


    "Vinicius! Wie immer findest du dich zur vereinbarten Stunde ein!" begrüßte Licinius seinen Kollegen herzlich.

  • Als er angesprochen wurde, wandte Hungi seinen Blick von den Mosaiken ab und stellte den Becher, den er noch immer in der Hand hielt, auf dem Tablett vor dem nubischen Sklaven ab.


    Ich fürchte, das ist ein Relikt aus meiner Militärzeit, das ich einfach nicht ablegen kann. Hungi schmunzelte, war dies doch nur die halbe Wahrheit. Denn die Küche von Licinius war nachgewiesen eine der besten in ganz Rom und nur ein Idiot würde zu spät kommen wollen und dadurch einen oder gar zwei Gänge verpassen.


    So als ob er jemanden suchen würde, sah er sich um, doch außer ihm, Licinius und den wenigen Sklaven war niemand im Atrium. So wie es aussieht, bin ich auch der erste Gast.

  • Licinius verzog ein wenig das Gesicht, denn gerade in diesem Augenblick hatte sich ein Flötist verspielt, was dem Consular einen Schauer über den Rücken laufen ließ. In seinem Innersten nahm er sich vor, den Flötisten dafür mit mindestens zehn Peitschenhiebe zu bestrafen. Ja, solche Fehler konnten die Laune des Licinius gehörig verschlechtern. Fünfzehn Peitschenhiebe wären dabei sicher noch abschreckender, vermutete Licinius, bevor er sich auch gedanklich wieder seinem Gast zuwandte.


    "Das verwundert nicht, denn du bist der einzige, den ich eingeladen habe." Licinius lächelte und offenbarte dabei eine Reihe sichtbar gelb gefärbter Zähne. "Komm, mein Freund, ich muss dir etwas zeigen. Ich hoffe doch, dein Hunger ist noch nicht allzu groß?" Bei diesen Worten ergriff er mit seiner Rechten die Schulter von Hungaricus und führte diesen - er erwartete auch keinerlei Widerworte zu seinem Gesagten - aus dem Atrium hinaus, das Ziel war eines jener Peristylien, die von der Straße weiter gelegen waren. Auf dem Weg dorthin erkundigte sich Licinius über den Gesundheitszustand und Entwicklung der vinicischen Tochter und lamentierte ein wenig über die neuesten Streitgespräche im Senat. Der Spaziergang dauerte jedoch nicht lange genug für ein tiefgründiges Erörtern der neuesten politischen Entwicklungen (für ein solches Gespräch ist auch das Grundstück des Licinius nicht weitläufig genug), so kamen die beiden Männer nach wenigen Augenblicken in einem kleinen, beschaulichen Garten an.


    "Hier. Das ist meine neueste Errungenschaft."


    Licinius wies mit seiner Linken auf eine Bronzeskulptur, eine stehenden Frau im Waidgewand. Zu ihren Füßen ein kleiner Rehbock, in der Rechten ein Bogen und zwei Pfeile. Der Blick halb zum Reh gewandt, schien das Antlitz ein Wohlwollen auszustrahlen, das auf den Bock überging, denn dieser schien wie auf einem fröhlichen Sprung, den Blick der Frau erwidernd. Offensichtlich ein Motiv der Göttin Diana.


    "Na? Was sagst du?"

  • Ja, da war sie wieder, die Sache mit der bildenden Kunst, von der Hungi kaum eine Ahnung hatte. Doch allein schon um den Gastgeber nicht zu verärgern, trat er näher, um das Werk besser begutachten zu können. Zuerst konzentrierte er sich auf die technischen Details, der Feinheit der Arbeit, die der Künstler walten ließ, den eleganten Sprung des Bocks, die Faltentiefe des Gewandes der Göttin bis hin zum Ausdruck, den die Göttin im Gesicht trug. Dann stutzte er. Dieses Gesicht kam ihm nämlich bekannt vor und nicht einmal einen Wimpernschlag später fiel bei ihm der Sesterz. Sie war ihm schon mal vorgestellt worden, vor einiger Zeit bei irgendeinem Fest zu Ehren irgendeinen Gottes, der ohnehin nur als Aufhänger für ein herrliches Gelage herhalten mußte, und waren sich danach auch noch ein paar Mal über den Weg gelaufen, doch viel zu tun hatten sie miteinander nicht. Hungi verglich seine Erinnerungen mit dem Abbild vor sich und zollte dem Künstler Respekt. Nur ein winziges Detail war anders, aber Hungi hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, welches Detail genau das war.


    Anerkennend nickend wandte er sich wieder Licinius zu. Die Technik war raffiniert, die Skulptur schön herausgearbeitet, ja, die Plastik gefiel ihm. Und er merkte schon, wie sein Interesse wieder nachließ. Aber vorher mußte er ja noch dem Hausherrn beteuern, wie gelungen er sie fand. Sehr hübsch. begann er also. Wirklich sehr hübsch. Ein griechischer Künstler?

  • Zufrieden beobachtete Licinus, wie sein Gast die Skulptur betrachtete. Er schöpfte einen Gutteil seines Selbstbewusstseins aus der Anerkennung anderer, selbst wenn er - außer dem pekuniären Anteil natürlich - nichts zur Entstehung an sich beigetragen hatte. Eine durchaus menschliche Angewohnheit, die in allen Gesellschaftsschichten verbreitet war und ist.


    "Ja, aus irgendeinem Nest auf dem Peloponnes, ich habe den Namen schon wieder vergessen." Das hatte Licinius freilich nicht, aber so hielt er sich mögliche Konkurrenten elegant vom Hals. "Aber ich denke, sie wird nicht mehr lange hierbleiben, ich habe bald auch keinen Platz mehr." Eine eher zu relativierende Aussage, denn überfüllt mit Statuen oder Büsten oder sonstigen Dekorationen war das Anwesen des Licinius derzeit noch nicht.


    "Ja, vielleicht sollte ich sie weggeben, nach einiger Zeit. Erst gestern hat ein Kollege von uns sein Interesse an ihr bekundet." bemerkte er wie beiläufig, konnte aber ein Verziehen seines Gesichtes nicht verhindern. "Besser gesagt, hat er mich bestürmt. Das war schon fast peinlich anzusehen." Zur Bestätigung seiner Worte schüttelte er mit genervter Miene den Kopf. "Außerdem kenne ich sein Anwesen, das wäre wie Perlen vor Säue werfen."


    Sein Blick ruhte wieder auf der Skulptur. "In deinem Haushalt hingegen würde sie sehr gut zur Geltung kommen, Vinicius."

  • Er hatte geahnt, daß es auf so etwas hinausläuft. Schmunzelnd wanderte sein Blick abwechselnd vom Hausherrn zur Statue und wieder zurück. Findest du? fragte er nicht so scherzhaft, wie es den Anschein hatte, denn er hatte selber schon länger überlegt, daß sein Haus einen gehörigen Aufputz brauchte. Allerdings hatte er bisher noch nicht wirklich Gelegenheit, sich ordentlich umzusehen. Da kam ihm so ein Angebot eigentlich gerade recht.


    Er schaute wieder die Skulptur an. Hübsch war sie ja, und passen würde sie tatsächlich in sein Haus. Zudem war es eine enorme Gunstbezeugung von Licinius, etwas, das man nicht hoch genug einschätzen konnte.


    Och ja, ich würd sie schon nehmen. In betont lässiger und salopper Manier sprach er die Worte, noch mit einem Schmunzeln auf seinem Gesicht, doch sonst ließ er sonst keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Aussage aufkommen.

  • "Wunderbar. Dann wäre dies abgemacht." Auch Licinius lächelte nun wieder. Im nächsten Augenblick winkte er einen Sklaven herbei. "Einen Caecuber für mich und meinen Freund." erklärte Licinius, und dies mit mehr Worten als er sonst einem Sklaven zukommen ließ. Er war daher guter Laune, tatsächlich sehr guter Laune.


    "Über die näheren Konditionen können wir ja noch später sprechen, jetzt lass uns auf diesen Tag anstoßen." Sprach er und ließ sich von den Sklaven einen Becher geben, der danach dem Gast den zweiten Becher reichte.


    "Willkommen in meiner Familie, Vinicius."

  • So schnell konnte es gehen. Und Hungi war eigentlich gar nicht unglücklich darüber. Die Tochter des Licinius war eine ausnehmend hübsche junge Frau, zwar nicht mehr ganz taufrisch, aber mit ihren nicht viel mehr als 20 Jahren definitiv noch im besten gebärfähigen Alter (den Wunsch nach einem Sohn und Erben hatte Hungi noch immer nicht aufgegeben). Sicher war da zwischen ihr und Hungi ein gewisser Altersunterschied vorhanden, aber was sollte er auch mit einer vertrockneten Schachtel in seinem Alter, da konnte er gleich Junggeselle bleiben. Zudem war er sich sicher, daß Licinius sicher mit ihr schon über die Möglichkeit einer Vermählung mit ihm gesprochen hatte, und wenn sie sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte, hätte dieses Gespräch sicher nicht stattgefunden.


    Dennoch war sein Hals jetzt trocken und er daher dankbar für den Caecuber. Immerhin einigte man sich nicht jeden Tag über seine Vermählung. Er stieß mit seinem zukünftigen Schwiegervater an.
    Willkommen in meiner Familie, Licinius.

  • Licinius lachte und legte seine Hand auf die Schulter seines zukünftigen Schwiegersohnes. "Oder in dieser Art." kommentierte er die Bemerkung seines Senatskollegen und wies mit der anderen, mit der, in der er den Becher hielt, in die Wohnräume. "Komm, du hast sicher Hunger. Lass uns einen Happen essen."


    Er führte Vinicius in eines der Triclinien, in welchem sie das Abendmahl zu sich nahmen und noch länger über die bevorstehende Hochzeit zwischen dem licinischen und vinicischem Haus sprachen.

  • Es gab ein großes Hallo, als Hungi mit seiner Familie in der Villa seines Schwiegervaters eintrag. Licinius war sichtbar gealtert, das fiel Hungi sofort auf. Vor der Abreise von Tochter und Schwiegersohn nach Sala trug Licinius sein weißes Haar nach römischer Art nach vorne gebürstet, um seine Geheimratsecken so gut wie möglich zu verdecken, nun waren seine Haare kurz geschoren und offenbarten so seine schütter werdende Haarpracht. Das Gesicht wies mit vermehrter Runzligkeit auch den Verfall durch das Alter auf. An sich ganz normale sichtbare Zeichen des Älterwerdens, doch trotz dem Lachen und der Wiedersehensfreude entging dem Schwiegersohn nicht die langsamen Bewegungen und der müde Ausdruck in den Augen des alten Mannes. Er konnte jedoch nicht sagen, ob diese Erscheinungen nun wirklich rein altersbedingt waren oder ob das Regime des Vesculariers nicht auch mitschuld an der körperlichen Verfassung des Liciniers war. So wie Hungi seinen Schwiegervater kannte, würde dieser jedoch gar nichts zugeben.


    Falls seine Frau seine Beobachtungen teilte, so ließ sie sich nichts anmerken. Die Veränderungen in der Villa sprach sie hingegen sogleich an.
    "Du hast schon wieder ein Mosaik verlegen lassen." tadelte sie ihn.
    "Und ein besonders teures noch dazu." entgegnete Licinius fröhlich, fast singend.
    Während die Kinder ganz unfein und mit lautem Getöse in alle Richtungen stoben um die großväterliche Villa (wieder) zu entdecken, zogen sich die Erwachsenen in ein Triclinium zurück, das neben dem großen Garten lag (man konnte ohne schlechtes Gewissen auch Park dazu sagen und wäre wohl auch der angemessenere Ausdruck dafür gewesen), somit fiel durch das Fenster genügend Licht, die unangenehme sommerliche Hitze verblieb hingegen draußen und störte nur die Sklaven. Nach den obligatorischen Fragen nach der Gesundheit und dem Lamentieren über das viel zu heiße Wetter, kamen sie auf Hungis Rückkehr zu sprechen. Er erfuhr dabei, was mit sienem eingezogenen Vermögen passiert war: seine Güter wurden unter Salinators Klienten und Günstlingen verteilt und nur die Götter wussten, warum die vinicische Stadtvilla davon verschont blieb. Sein Schwiegervater wies ihn darauf hin, daß er Hungi zwar seine Bürgerrechte per kaiserlichem Dekret wieder erlangt hätte, von seinem Vermögen stand jedoch nichts dabei. Hungi musste fast schmunzeln, dass Licinius sich solche Sorgen um das vinicische Vermögen machte, aber so war der alte Mann. Er versprach, sich gleich am nächsten Tag darum zu kümmern. Doch vorher, an diesem Abend nämlich, genoss er mit seiner wiedervereinten Familie die sagenhaften Künste des licinischen Koches.

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