bibliotheca | Tacitus und seiner Germania

  • Er hatte nicht lange überlegen müssen, wo er das Konzept der Interpretatio Romana auf die Germanen hin ausgelegt finden konnte. In dem jüngst erschienenen Buch “De origine et situ Germanorum” des Tacitus. Jetzt hoffte er nur noch, dass es in der 'bescheidenen' Hausbibbliothek auch vorhanden war. Er konnte es sich kaum anders vorstellen, aber man wusste ja nie.


    So ging er in die Bibliothek und fand auch schnell die Abschrift, die er gesucht hatte. Er begann zu lesen:



    De origine et situ Germanorum
    Germanien insgesamt ist von den Galliern, von den Rätern und Pannoniern durch Rhein und Donau, von den Sarmaten und Dakern durch wechselseitiges Mißtrauen oder Gebirgszüge geschieden. ...


    Ja das war der Anfang. Nun erinnerte er sich recht am Anfang des Buches gab es doch zwei Abschnitte über die Religion: "Ah da ist es ja", sagte er zu sich selbst:


    Von den Göttern verehren sie am meisten den Merkur; sie halten es für geboten, ihm an bestimmten Tagen auch Menschenopfer darzubringen. Herkules und Mars stimmen sie durch bestimmte Tiere gnädig. Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis. Worin der fremde Kult seinen Grund und Ursprung hat, ist mir nicht recht bekannt geworden; immerhin beweist das Zeichen der Göttin – es sieht wie eine Barke aus –, daß der Kult auf dem Seewege gekommen ist. Im übrigen glauben die Germanen, daß es der Hoheit der Himmlischen nicht gemäß sei, Götter in Wände einzuschließen oder irgendwie der menschlichen Gestalt nachzubilden. Sie weihen ihnen Lichtungen und Haine, und mit göttlichen Namen benennen sie jenes geheimnisvolle Wesen, das sie nur in frommer Verehrung erblicken.Auf Vorzeichen und Losorakel achtet niemand so viel wie sie. Das Verfahren beim Losen ist einfach. Sie schneiden von einem fruchttragenden Baum einen Zweig ab und zerteilen ihn in kleine Stücke; diese machen sie durch Zeichen kenntlich und streuen sie planlos und wie es der Zufall will auf ein weißes Laken. Dann betet bei einer öffentlichen Befragung der Stammespriester, bei einer privaten der Hausvater zu den Göttern, hebt, gegen den Himmel blickend, nacheinander drei Zweigstücke auf und deutet sie nach den vorher eingeritzten Zeichen. Lautet das Ergebnis ungünstig, so findet am gleichen Tage keine Befragung mehr über denselben Gegenstand statt; lautet es jedoch günstig, so muß es noch durch Vorzeichen bestätigt werden. Und der verbreitete Brauch, Stimme und Flug von Vögeln zu befragen, ist auch hier bekannt; hingegen ist es eine germanische Besonderheit, auch auf Vorzeichen und Hinweise von Pferden zu achten. Auf Kosten der Allgemeinheit hält man in den erwähnten Hainen und Lichtungen Schimmel, die durch keinerlei Dienst für Sterbliche entweiht sind. Man spannt sie vor den heiligen Wagen; der Priester und der König oder das Oberhaupt des Stammes gehen neben ihnen und beobachten ihr Wiehern und Schnauben. Und keinem Zeichen schenkt man mehr Glauben, nicht etwa nur beim Volke: auch bei den Vornehmen, bei den Priestern; sich selbst halten sie nämlich nur für Diener der Götter, die Pferde hingegen für deren Vertraute. Sie beachten noch eine andere Art von Vorzeichen; hiermit suchen sie den Ausgang schwerer Kriege zu erkunden. Sie bringen auf irgendeine Weise einen Angehörigen des Stammes, mit dem sie Krieg führen, in ihre Gewalt und lassen ihn mit einem ausgewählten Manne des eigenen Volkes, jeden in den Waffen seiner Heimat, kämpfen. Der Sieg des einen oder anderen gilt als Vorentscheidung....


    "Sehr gut, mal sehen was er dazu sagt.". Beim weiteren Stöbern schließlich fiel ihm noch eine dritte Stelle auf:


    An die Markomannen und Quaden schließen sich weiter rückwärts die Marsigner, Kotiner, Oser und Burer an. Von ihnen geben sich die Marsigner und Burer durch Sprache und Lebensweise als Sueben zu erkennen. Bei den Kotinern beweist die gallische, bei den Osern die pannonische Mundart, daß sie keine Germanen sind, und überdies ertragen sie Abgaben: sie müssen sie als landfremde Stämme teils an die Sarmaten, teils an die Quaden entrichten. Die Kotiner fördern sogar Eisen, was sie noch verächtlicher macht. Alle diese Stämme haben nur wenig ebenes Gebiet; meist wohnen sie auf bewaldeten Höhen. Denn der Kamm einer fortlaufenden Gebirgskette teilt und durchschneidet das Suebenland. Jenseits des Kammes hausen noch zahlreiche Völkerschaften. Von ihnen haben sich die Lugier am weitesten ausgebreitet; sie gliedern sich in mehrere Einzelstämme. Es genügt, die bedeutendsten zu nennen: die Harier, Helvekonen, Manimer, Helisier und Naharnavaler. Bei den Naharnavalern zeigt man einen Hain, eine uralte Kultstätte. Vorsteher ist ein Priester in Frauentracht; die Gottheiten, so wird berichtet, könnte man in der Interpretatio Romana Kastor und Pollux nennen. Ihnen entsprechen sie in ihrem Wesen; sie heißen Alken. Es gibt keine Bildnisse; keine Spur weist auf einen fremden Ursprung des Kultes; gleichwohl verehrt man sie als Brüder, als Jünglinge. Im übrigen sind die Harier den soeben genannten Summen an Kräften überlegen. Ohnehin von schrecklichem Aussehen, kommen sie der angeborenen Wildheit durch Kunst und Ausnutzung der Zeit zu Hilfe. Schwarz sind die Schilde, gefärbt die Leiber; dunkle Nächte wählen sie zum Kampf, und schon das Grauenvolle und Schattenhafte ihres Totenheeres jagt Schrecken ein: kein Feind hält dem ungewohnten und gleichsam höllischen Anblick stand. Denn in jeder Schlacht erliegen ja zuerst die Augen.


    Jetzt hatte er nur ein Problem: Er wollte diese Stellen seinem Schüler zum Lesen geben und von ihm erfahren, was er von der Beschreibung und von der Vorgehensweise der Interpretatio Romana denkt. Aber er würde ihm gewiss nicht das ganze Buch mitgeben. Also müsste man die entsprechenden Stellen abschreiben. Aber die Zeit hatte er nun wirklich nicht. Gerade als er dies gedacht hatte, fiel ihm ein, dass er nicht mehr in Aegyptus war, wo er alles selber machen musste. Es würde hier im Haus ja wohl einen Sklaven geben, der schreiben konnte. Ja – die stumme Sklavin Tilla kommunizierte ja immer schriftlich.


    Also legte er die Schriftrolle auf einen Tisch in der Bibliothek und begann Tilla zu suchen. Er tat auf diese unnachahmlich liebenswürdige Weise, wie man einen Sklaven zu suchen pflegt. Er ging auf den Gang raus und sagte zu dem nächsten Sklaven, den er finden konnte: " Eheu, sorge dafür, dass Tilla zu mir in die Bibliothek kommt, sie soll auch gleich etwas zu schreiben mitbringen.". Und der Sklave tat, wie ihm befohlen.

  • Tilla lachte erleichtert auf, als sie die Nachricht bekam, dass sie mal wieder von einem der Erwachsenen gebraucht wurde und gab ihre derzeitige Aufgabe, nämlich das Ausschrubben eines Weinflecks aus einem Kleidungsstück an Dina ab. Viel Spass damit... neckte sie die ältere Sklavin und entwischte ihr, bevor Dina ihr noch etwas ärgerliches hinterher rufen konnte. Endlich weg vom Wasserbottich. Wäsche waschen zu müssen war einfach nicht ihr Metier. Da machte sie sich doch lieber etwas was sie schon längst konnte und den Herrschaften zur Verfügung stellen konnte. Tilla huschte noch schnell in die Räume der weiblichen Sklaven, holte ihre Klapptafel und eilte dann zu den Räumen zu denen sie kommen sollte.


    War sie schon mal hier gewesen? Sie zog die Stupsnase kraus. Nein.. noch nie! Sie klopfte an, wartet auf den Wink des Eintretens und stand dann auch schon sich neugierig umsehend in der Bibliothek, ein paar Schritte von Manius Aurelius Orestes entfernt. Ihre Augen wurden ganz groß. Ach du Schande.. soviele Rollen an einem Ort! Das war reichlich Lesefutter. Unbedingt musste sie Duccia Clara von diesem Ort erzählen. Dich nun sollte sie besser die Aufmerksamkeit auf den Mann richten, der nach ihr gerufen hatte. Da bin ich... gebärdete sie langsam, stampfte kurz mit dem Fuß auf, um ihrer Anwesenheit Nachdruck zu verleihen. Die mitgebrachte Tafel presste sie eng an ihre Brust, sah den Mann neugierig an.

  • Kaum hatte sich Orestes wieder hingesetzt, und sich wieder in den Tacitus vertieft, da erschien Tilla auch schon. Er blickte - er mochte diesen gelehrtenhaften Gestus aus der Schriftrolle heraus - " Ah, da bist Du ja auch schon. Das ist gut. Ich habe eine wichtige Aufgabe für Dich, eigentlich zwei. Die eine ist relativ dringend. Du kannst ja schreiben." Er wartete einen Moment ab, wohl um eine Geste der Zustimmung von Tilla zu erwarten.


    Dann fuhr er fort: "Zum einen: Ich brauche von einigen Abschnitten dieses Buches über die Germanen eine Abschrift. Irgendwo hier in der Bibliothek müssten eigentlich die Schreibutensilien zu finden sein. Naja, Du wirst sie schon finden. Und dann sind wir schon beim zweiten - hier müsste mal wieder etwas Ordnung gemacht werden, einige Schriftrollen sind schon etwas eingestaubt, staube sie bitte ab. Aber die Abschrift ist wichtiger. Hast Du verstanden?"


    Er stand auf, um Tilla die Schriftrolle zu zeigen und vor allem die drei Abschnitte, die sie kopieren sollte. "Es sind drei Abschnitte. Hier der allererste Satz.". Er öffnete die Rolle und zeigte auf den Titulus und den ersten Satz; dann rollte er weiter bis zur nächsten Stelle:Dann hier die beiden Absätzr über die Religion. Beginnend mit 'Von den Göttern verehren sie am meisten...' bis zu 'gilt als Vorentscheidung hier'. Du kannst Dir ruhig aufschreiben welche Stellen ich meine. Und dann noch weiter hinten. - wieder rollte der Aurelier weiter - ah ja hier ist es von 'An die Markomannen'... bis 'erliegen zuerst die Augen'. Alles klar?"


    Da er nicht wusste, ob er die junge Sklavin überforderte schaute er sie mutmachend an, als wollte er sagen, du schaffst das schon, sagte es aber nicht.

  • Tilla nickte immer dann, wenn sie meinte, dass es angebracht war. Etwas abschreiben sollte sie? Das war ja mal etwas ganz neues und eine ganz spezielle Aufgabe für sie und ihre flinken Hände. Ja, ich kann schreiben. Dies muss ich können, um mich zu verständigen. Schreibutensilien in diesem Rollenchaos wiederfinden. Och, das war sicher einfach zu bewerkstelligen genauso wie das Abstauben. Ich verstehe. bestätigte Tilla mit einem weiteren Nicken.


    Das stumme Mädchen ging um den wuchtigen Tisch herum zu Orestes Stuhl, blickte auf die Rollen die er ihr derweil vorzeigte und welche sie abschreiben sollte. In Ordnung. fügte sie eifrig hinzu, lächelte ihn scheu an, dankbar für die Aufmunterung, die er ihr mit seinem stummen Blick schenkte. So behutsam sie konnte nahm sie die Rollen an sich und trug sie zu einem nahe liegenden Tisch rüber, legte alles ab. Dann wanderte Tilla durch den Raum, auf der Suche nach den erwähnten Schreibutensilien. Sie rumorte ein wenig herum und tauchte strahlend wieder auf. Ich hab sie!!


    Sie präsentierte Orestes ihre Beute und holte einer Eingebung folgend ihre Schreibtafel zu sich. Soll ich alles auf meine Klapptafel und die Wachstafeln schreiben oder auf papyrus? Ich kenne nur den Griffel. Die Gänsekielfeder leider noch nicht, weil es früher immer zu teuer war, um mit diesen Ding und auf Rollen schreiben zu üben. Fragend, mit leicht schief gelegtem Kopf, sah sie den Mann an, hoffte auf seine Unterstützung bezüglich Tintenkleckse und Eselsohren.

  • Sie konnte noch nicht mit dem Calamus* schreiben. Das war natürlich nicht so gut. So stand Orestes jetzt vor der Entscheidung, sich auf eine Übungsstunde im Schönschreiben mit der jungen Sklavin einzulassen, oder den Text nur auf Wachstafeln zu bekommen. Das letztere wäre sehr unpraktisch.


    Also entschied er sich für die erste Variante. "Ich glaube Du solltest lernen mit dem Schreibrohr auf Papyrus zu schreiben. Es ist eigentlich ganz einfach. Am Anfang musst Du nur aufpassen, dass Du nicht zu viel Tinte aufnimmst, denn dann machst Du Flecke. Vielleicht übst Du erstmal mit einem kurzen, leichten Text. Und schreibst meinen schwierigen, langen. Wenn Du den leichten ohne Fehler und Kleckse abgeschrieben hast, bene?". Dann ging er wieder um den Tisch herum und suchte in den Schriftrollen, diejenige, die die Fabeln des Phaedrus enthielt. "Ah da sind sie ja. Hier Tilla. Das ist ein guter Text** zum üben:"



    Qui se laudari gaudet verbis subdolis,
    Fere dat poenas turpes poenitentia.


    Cum de fenestra corvus raptum caseum
    Comesse vellet, celsa residens arbore,
    Vulpes hunc vidit, deinde sic coepit loqui:
    O qui tuarum, corve, pennarum est nitor!
    Quantum decoris corpore et vultu geris!
    Si vocem haberes, nulla prior ales foret.
    At ille stultus, dum vult vocem ostendere,
    Emisit ore caseum, quem celeriter
    Dolosa vulpes avidis rapuit dentibus.
    Tum demum ingemuit corvi deceptus stupor.


    Er ging zurück an den Tisch und zeigte ihr die Fabel. "Vielleicht zeige ich Dir mal kurz wie Du das Rohr am besten hälst.", sagte er, nahm einen Papyrus von einfacher Qualität, legte ihn vor sich hin, nahm das Schreibrohr in die Hand, tunkte es in die Tinte, ließ die Tinte etwas abtropfen und begann dann zu schreiben.


    qui se laud


    "Siehst Du geht ganz einfach. Probier'es doch gleich mal aus.", sagte er lächelnd und hielt Tilla das Schreibrohr hin.

    Sim-Off:

    *Calamus - Schreibrohr. Wenn ich richtig informiert bin wird der Gänsekiel erst in der Spätantike benutzt. Zu unserer Zeit schrieb man mit einem "Calamus" genannten Schilfrohr...


    ** Eine poetische Übersetzung der Fabel:
    Wer sich durch eines Heuchlers Lob geschmeichelt fühlt,
    Wird in zu später Reue seine Strafe finden.


    Von einem Fenster stahl ein Rabe einen Käse
    Und setzte sich damit auf einen hohen Baum.
    Der Fuchs, der ihn erblickte, fing zu reden an:
    »Welch hoher Glanz entstrahlt, o Rabe, deinen Federn!
    Und welche Anmut trägst du im Gesicht und Körper.
    Hättest du auch Stimme, überträfst du selbst den Adler.«
    Und während er die Stimme hören lassen will,
    Entfällt der Käse seinem Schnabel, den jetzt schnell
    Der list’ge Fuchs mit seinen gier’gen Zähnen raubte.
    Jetzt endlich sah der Rabe seine Dummheit ein.

  • Tilla nickte immer wieder und lächelte ihm scheu zu. Es war unglaublich, dass der Mann sich mit ihr beschäftigen wollte, ihr sogar beibringen wollte, wie sie mit dem Schreibgerät umgehen sollte. Wie immer eigentlich wollte sie alles richtig machen, um ja keinen Ärger zu bekommen. Sie mochte keinen Ärger bekommen, hatte sie doch am eigenen Leib erfahren, was es bedeuten konnte Fehler zu machen. In Ordnung. schrieb sie mit dem Griffel auf die Tafel, dass sie ihn verstanden hatte. Sie war neugierig auf den Übungstext, den sie gleich bekommen sollte. Es waren zehn Zeilen und sie enthielten eine Geschichte. Da hatte Orestes aber voll ins Schwarze getroffen. Tilla mochte Geschichten. Sie konnte die Geschichte nicht sofort lesen, da sie genau hinschauen musste, wie er das Rohr hielt. Tilla nahm das Rohr entgegen, setzte die Finger richtig aufs Rohr und tunkte in die Tinte.


    Variatio delectat mi. Variatio delectat mi. Variatio delectat mi.*


    Naja.. 'r' und 'i' sahen aus wie ein 'n', das 'o' sah aus wie ein Tintenklecks und das 'c' schien mit dem 't' verschmelzen zu wollen. Tilla probierte es noch einmal. Nun sah es schon besser aus... quasi etwas mehr Abstand zwischen den einzelnen Buchstaben halten, nicht so eng wie auf der Tafel setzen, dann floss die Tinte, also die Buchstaben nicht ineinander über. Sie schrieb den Satz ein drittes Mal nieder. Jetzt konnte Orestes an ihren gleich drei Schreibversuchen sehen, wie sehr sie sich bemühte. Sie schob ihm das papyrus hin. Es war ein ganz gänzlich anderes Material als die Wachstafel.. man blieb nicht im Wachs stecken, wenn man zu fest aufdrückte. Das Calamus-Rohr glitt flüssig über die glatte Fläche hinweg. Tilla betrachtete es eingehender, beobachtete Orestes aus den Augenwinkeln. Was er wohl sagen würde?


    Sim-Off:

    Danke für die Information bezüglich des Schreibgerätes! Wieder etwas neues gelernt... =) *Abwechslung erfreut mich. (Cicero)

  • Zuerst kritisch, doch dann mit sich aufhellendem Blick, betrachtete Orestes die Schreibversuche Tillas. Nach dem ersten Satz, hätte er sich am liebsten selbst verflucht, er hatte schließlich anderes zu tun als einer Sklavin das Schreiben mit dem Calamus beizubringen. Aber dann Wort für Wort, Satz für Satz war eine Entwicklung zu erkennen, die ihm Hoffnung machte, dass es doch keine so schlechte Idee gewesen war, sie rufen zu lassen, damit sie ihm die Stellen aus der Germania abschreibe. So kam er nicht umhin sie zu loben: Tilla ich muss sagen, Du lernst wirklich schnell. Hier der dritte Versuch sieht schon richtig gut aus.. Er zeigte auf den dritten Versuch. Ich bin wirklich zufrieden mir Dir, schau beim weiteren üben mal genau auf das 'r' und das 'm' und das 'n'. Die schauen noch nicht so schön aus. Und wenn sie vielleicht mit einem 'i' zusammentreffen, kann man es auch noch nicht so gut lesen. Bene? Er nickte ihr aufmunternd zu und fuhr dann fort: "Probiere es jetzt mal mit der kleinen Geschichte, die ich Dir gegeben habe. Du kannst sie so oft abschreiben wie Du möchtest - bis Du meinst, dass sie jetzt schön geschrieben ist. Ja? Dann kommst Du zu mir und zeigst sie mir.

  • Sie strahlte über das unerwartete Lob aus seinem Mund, lächelte sogar breiter als zuvor. Naja.. sie lernte eigentlich nicht schnell, sondern bemühte sich redlich alles Verlangte und Geforderte richtig zu machen. Tilla nahm rasch ihre eigene Tafel zu sich, wischte alles vorherige weg und schrieb etwas kurzes darauf. Ja, die Tinte scheint noch zu fliessen, wenn man das papyrus sofort nach dem Schreiben bewegt. teilte sie Orestes mit. Danke! fügte sie hinzu und nahm alles mit an den Tisch zurück, den sie sich zum Abschreiben ausgesucht hatte.


    Mit dem Zeigefinger jede Zeile entlang auf- und abfahrend las sie die Fabel durch und lachte stumm auf. Oh ihr Raben.. deshalb könnt ihr nicht singen wie der Kuckuck und der Esel! Warum hast du nicht vorher schon des Käse gegessen? sprach Tilla gebärdend zu sich selbst, griff nach dem calamus und begann endlich mit dem Abschreiben. Die ersten Zeilen sahen ziemlich verwackelt und unbeholfen aus, doch mit jeder neuen Zeile wurde ihr Schriftbild immer besser. Sie merkte, dass sie aufpassen musste die noch feuchte Tinte nicht zu verwischen.


    Skeptisch betrachtete sie die abgeschriebene Fabel, blickte zu Orestes rüber und beschloß das Abschreiben noch einmal zu wiederholen. Die Schreibhand begann zu schmerzen von dem ungewohnten Schreib-Griff.. doch Tilla sagte sich, dass wenn sie stetig weiter übte, ihre Hand sich hoffentlich daran gewöhnen würde. Die zweite Kopie sah schon besser aus und die 'i'-Punkte waren da wo sie hingehörten. Das 'Q' war ein Buchstabe den sie nicht oft verwendete, aber er sah lustig aus mit dem 'Zipfelchen' unten dran. Tilla lächelte still in sich hinein, baumelte mit den Beinen vom Stuhl. Spontan stiess sie ihr Glöckchen an, um Orestes zu bedeuten, dass sie fertig sei und ob sie zu ihm an den Tisch treten dürfe. Klingklungklingklongkling.

  • Nach all den überaus ernsten und wichtigen Tätigkeiten der letzten Tage war diese kleine Übungsstunde im Schönschreiben mit der jungen Sklavin doch eine echt erfrischende Abwechslung. Sie schien fröhlich, fast kindlich bei der Arbeit zu sein, so dass sich Orest wahllos eine Schriftrolle und stöberte etwas in ihr. So verging die Zeit wie im Flug und er hatte keine Idee wieviel Zeit schon verstrichen war, als er ein Glöckchen erklingen hörte.


    Er blickte auf und sah dass Tilla dieses Glöckchen benutzt hatte - achja das hatte er ja vergessen, mit diesem Glöckchen machte sie ja auf sich aufmerksam. Eigentlich nicht die schlechteste Idee. " Ja, Tilla bist Du soweit, möchtest Du mir zeigen, was Du schon geschrieben hast? Dann komm doch einfach her." Er war richtig gespannt, wie sie sich machte.

  • Auf seine Aufforderung hin nahm Tilla die Sachen an sich und trug sie zu seinem Tisch rüber. Sie merkte, dass sie aufgeregt war und armete tief durch. Ganz behutsam strich sie das papyrus glatt, zeigte somit die zwei Schreibproben der Fabel vor. Herjeh! Die Tinte!! Ein kurzer Blick auf ihre Hände.. die Tinte war schon getrocknet. Was für ein Glück! Eine Schule hatte sie nie besucht und der Schreib- und Lese-Unterricht bei dem alten Sklaven ihres ehemaligen Herrn war schon Ewigkeiten her.


    Tillas Füße wollten vor Aufregung nicht still halten, doch sie riss sich erneut zusammen. Die eigene Tafel hatte sie ebenfalls mitgenommen, um ihm sogleich antworten zu können. Ganz gespannt sah sie Orestes an, suchte in seiner Mimik zu erkennen was er nun sagen würde. Die Texte die er ganz am Anfang gleich nach ihrem allerersten Eintreten in den hauseigenen Bibliotheksraum erwähnt hatte, schienen von einer ganz anderen Geschichte zu handeln. Tilla glaubte nicht daran, dass diese ebenso aus einer Fabel bestanden.

  • Die junge Sklavin kam zu seinem Tisch herüber. Sie riss sich zusammen - aber Orestes war ihre Aufregung nicht entgangen. Als sie ihm den Papyrus zeigte, strich sie ihn zuerst glatt, was Orestes für sehr aufmerksam hielt. Er nahm den Papyrus in die Hand und schaute sich die Abschrift an. Die Schrift war zu Beginn noch sehr wackelig, aber von Zeile zu Zeile wurde sie sicherer. Das quittierte Orestes mit einem anerkennenden Nicken. Schau mal, Tilla, hier hast Du Dich einmal verschrieben, es heißt 'coepit' und nicht 'cepit'. Aber das macht jetzt nichts. Ich würde vorschlagen: du machst jetzt erstmal eine Pause. Die neue Schreibhaltung hat Dich doch sicher angestrengt. Du kannst dir gerne von Niki etwas leckeres zu essen geben lassen, das hast Du Dir verdient." Er gab ihr den Papyrus zurück und schaute sie zufrieden an. "Und was den schwierigeren Text anbelangt, den Du für mich abschreiben sollst -" - er suchte wieder die Schriftrolle mit dem Text von Tacitus hervor - den kannst Du Dir schon mal auf Deinen Arbeitstisch legen. Ob Du die drei Abschnitte dann noch heute oder erst morgen oder teils heute, teils morgen abschreibst, kannst Du selber entscheiden. Du bringst sie mir dann bitte ins Capitolium. Bene?. Er wollte gerade aufstehen, da fiel ihm noch etwas ein. Achja. Da es einige schwere Wörter im Text gibt, würde ic Dir raten, diese zuerst einmal zu üben. Noch Fragen? Er hörte sich dabei an wie ein - Lehrer.

  • Hurraaa.. sie hatte sich nur einmal verschrieben! Das wollte schon was heissen.. nur ein Fehler!! Tilla lächelte Orestes fröhlich und sichtlich erleichtert an. Sie notierte sich den Fehler auf der eigenen Tafel und nahm sich vor, die Rabe & Wolf Fabel nochmals abzuschreiben, damit sie dann wirklich komplett richtig war. Vielleicht schenkte sie ihm dann die Fabel... aber dazu dann besser einen Rahmen drumherum basteln! Sie hatte schon wieder eine Idee, wie sie den Mann neben ihr erfreuen konnte. Tilla lächelte verschmitzt in sich hinein und nickte zu seinen Worten. Ja sicher war es anstrengend so 'anders' zu schreiben mit dem calamus, aber sie hatte Zeit bekommen, um sich noch mehr mit dem neuen Schreibgerät anzufreunden.


    Danke, mir eine Pause und die Erlaubnis zum essen gehen zu geben. Das ist echt nett von dir! Das calamus ist so anders als der Griffel.. es geht ganz gut, finde ich. schrieb sie als Antwort für ihn nieder. Tilla nahm sich die Rolle mit der sie weiterarbeiten sollte und trug alles zu ihrem Platz zurück. In Ordnung.. ich gucke mir die Texte an und übe vorher die schweren Worte bevor sie aufs papyrus dürfen. Sie dachte über mögliche Fragen nach, schrieb eine auf ihre Tafel nieder. Doch.. eine Frage habe ich. Bis wann morgen sollen sie, die Rollen und Abschriften bei Euch sein? Ich meine, die Tage sind derzeit so unendlich lang und der Morgen kann ewig dauern. Tilla fand nicht, dass Orestes wie ein Lehrer klang.. sie war einfach nur froh, dass ihr jemand etwas Neues beibrachte und half sich in ihren Talenten zu verbessern.

  • Tilla war wirklich noch ein Kind, aber das machte nichts, im Gegenteil - so war sie noch formbar und konnte noch viele verschiedene Dienste in der Familie übernehmen. Sie schrieb etwas auf ihre Tafel - natürlich schneller als mit dem Calamus, aber das würde sich noch ändern, und Orestes las es. Bene. Bring es mir einfach wenn Du fertig bist. Falls Du es vor dem Prandium schaffen solltest wäre das natürlich großartig. Wenn nicht ist es aber auch nicht so schlimm.. Die Art und Weise wie Tilla sich ausdrückte war schon fast poetisch. In dem Bewusstsein, dass beide - Tilla und er - etwas von diesem Auftrag hatten, nickte er noch einmal. "Bene, Tilla, das wäre dann alles. Ich gehe dann in mein Cubiculum. Wenn Du noch Fragen hast, kannst Du sie aber jetzt schnell noch stellen. Ansonsten..

  • Tilla nickte und notierte sich die Zeit, die er sich für das Bringen der Abschriften wünschte. Hm... ob sie es bis dahin schaffen würde, würde sie sicher erst beim Abschreiben der Rollen herausfinden. Jedenfalls musste sie sich richtig Mühe geben und sich anstrengen keine Buchstaben zuviel oder zu wenig aufs papyrus zu schicken. Schon gar keine Tintenkleckse... oder Eselsohren.


    Nein, ich habe keine Fragen mehr. Meine Hand wird sich ganz bestimmt gewöhnen und es wird alles gut werden. Bene? erwiderte sie per Wachstafel und lächelte Orestes an. Sie liess die Tafel liegen und eilte zur Tür, um für ihn diese zu öffnen und aufzuhalten. Tilla hatte nach seinem Hinausgehen vor, die Küche zu besuchen und sogleich wieder hierher zurück zu kehren. Ja, so würde sie es halten... außerdem hatte sie nicht nur das Abschreiben als Aufgabe bekommen sondern auch das Abstauben der Rollen. Und dieser Raum hier war einfach zu interessant um diesem allzu schnell wieder den Rücken zuzukehren. Ja, Tilla hatte also gute Gründe sich hier aufzuhalten... und sie freute sich darauf.

  • Irgendwie freute sich Orestes über die Tatsache, dass er von den Sklavenmassen hier im Haus anscheinend gerade die richtige für die Schreibarbeit ausgesucht hatte. Bene., sagte er also abschließend zu Tilla, stand auf und verließ die Bibliothek.

  • Der Besuch in der Küche dauerte nicht lange. Tilla holte sich worauf sie Hunger hatte und kehrte mit einem großen Becher Traubensaft zurück in die hauseigene Bibliothek. Sie setzte sich an den Tisch und aß erst einmal ihren Imbiß. Gleichzeitig überflog sie die Texte die sie abschreiben sollte, pickte sich einige Wörter heraus, die schwer abzuschreiben waren. Dass war ein seltsamer Text, aber irgendwie interessant, da es um germanien geht, dem Land wo dominus Ursus hingereist ist, dachte Tilla, wer weiß wofür Orestes ihn braucht. Nun war sie satt und stillte ihren Durst. Den halbvollen Becher stellte sie beiseite, breitete alles schreibfertig aus.


    Bevor sie die erste Zeile anfing, übte sie die schwierigen Worte und setzte dies bei jeder neuen Zeile fort. Daher waren die Buchstaben auch nicht so wackelig. Tilla schaffte den ersten Text ganz ordentlich. Im Zimmer war es schon dunkel geworden, nur die Lichter noch spendeten ausreichend Licht. Sie war mit Eifer bei der ihr zugewiesenen Arbeit, nur ihre Konzentration liess langsam nach und die Müdigkeit gewann die Überhand. Irgendwann legte sie den calamus zur Seite und wollte ein kurzes Nickerchen einlegen. Danach würde sie sofort weiterschreiben... aus dem Nickerchen wurde ein längeres Nickerchen. Tilla hatte vor dem Rufen Orestes schon viel gearbeitet, war entsprechend fix und foxi. Ihr Kopf ruhte auf den angewinkelten Armen und ihre langen Haare wärmten den Nacken.

  • Wieder einmal streifte Orestes nachts durchs Haus, weil es ihn dürstete. Er brauchte dringend einen Sklaven oder eine Sklavin, die ihm zum Beispiel Wasser für die Nacht bereitstellte. Als er also durch das Haus ging sah er, das noch Licht aus der Bibliothek drang. In seinem nicht ganz wachen Geisteszustand fielen ihm zwar einige Möglichkeiten ein, wer der Urheber dieses Lichtes sein könnte, aber dass es die kleine Tilla war, die über der Arbeit eingeschlafen war, hätte er sich nicht denken können.


    Er begriff dies aber schnell, als er die Bibliothek betreten hatte. Da lag sie - schlafend - an ihrem Arbeitsplatz, über die Germania gebeugt. Also hatte er sie doch überfordert. Er näherte sich ihr vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken. Wirklich sie war noch ein Kind. Und auch wenn er noch nicht so weit von diesem Zwischenzustand des Adolecenten entfernt war - schließlich zählte auch er erst 21 Lenze - so dachte er doch wehmütig an die Zeit des unbeschwerten Daseins zurück - so frei wie damals war er seitdem nicht mehr gewesen. Frei. Bei diesem Wort überkam ihn ein Mitleid mit der kleinen Tilla, die dieses Gefühl wohl nie erleben würde können - selbst wenn ihr die Freiheit geschenkt werden würde.


    Diesen Gedanken verscheuchend, trat er von der Seite an sie heran, berührte sanft ihre Schulter und rüttelte sanft. "Tilla, Tilla - am besten schläft man im Bett."

  • Tilla träumte alles was sie derzeitig beschäftigte durcheinander, nämlich von Waschkübeln, von Schreibgeräten, von Sklaven die nicht mehr lachen konnten, von Germanien, von Hasenkindern, von den Menschen in diesem Hause die sie mochte und gern gewonnen hatte. Nur das Rütteln an ihrer Schulter und die leisen Worte, die an ihr Ohr drangen schienen nicht zum wirren Traum zu passen.


    Schlaftrunken hob sie den Kopf, blinzelte Orestes ganz verschlafen an. *Ich habe fertig.* gebärdete sie und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Tilla schob dem jungen Mann die erste Abschrift hin und bettete den Kopf auf die Arme und die nun papyrusfreie Fläche. Irgendwie fiel es ihr schwer ganz wach zu werden. *Ich schreib gleich weiter..* fügte sie müde drein schauend hinzu, griff nach dem calamus..

  • Es dauerte etwas bis Tilla wach wurde. Hatte er ihre verschlafenen Gebärden richtig verstanden? Sie wollte jetzt weiter machen? Anscheinend schon, denn sie griff zum Calamus. Da sie aber noch nicht ganz wach war. Orestes hingegen schon, war seine Reaktion schneller, als ihre Aktion, so dass er sich den Calamus griff. In einem nicht zu sehr tadelnden Ton sagte er: "Nein, Tilla, Du schreibst jetzt nicht weiter. Du gehst jetzt schlafen. Die zweite Nachtwache ist sicherlich schon rum. Du brauchst Deinen Schlaf für den morgigen Arbeitstag. Außerdem: Du hast ja schon einiges geschafft. Den Rest kannst Du morgen ohne Probleme auch noch erledigen."


    Er machte sich etwas sorgen. Hatte er so scharf geklungen, dass sie glaubte alles sofort erledigen zu müssen, oder war sie einfach nur so begeistert vom Schreiben, dass sie nicht aufhören wollte. Was es auch war, man würde darüber reden müssen. Aber nicht zu diesem Zeitpunkt mitten in der Nacht.

  • Orestes nahm ihr das Schreibgerät ab. Tilla blinzelte verdutzt ihre leere Hand an. Nach dem zweiten Gähnen hinter vorgehalener Hand kam sie endlich in die Gänge. Na gut.. dann gehe ich eben schlafen und mache den Rest morgen. Danke fürs Wecken.. hätt ich gewusst, dass ich einschlafe, hätte ich mich sicher darauf eingerichtet. lenkte sie mit geschriebenen Zeilen auf ihrer Wachstafel ein und rutschte vom Stuhl.


    Mit ihren letzten Worten meinte Tilla, dass sie auch mit einer Decke auf dem Boden in der Hausbibliothek geschlafen hätte. Sie hob die Hand, winkte Orestes einen stummen Nachtgruß zu und tapste zur Tür. Diesmal würde sie schnurstracks und ohne Aufenthalt in die Sklavenunterkunft gehen und weiterschlafen. Tilla liess die Tür offenstehen. Man hörte ihre Schritte sowie das leise klingelnde Glöckchen, welches sie ständig begleitete.

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