Atrium - Ein Aurelier zu Besuch

  • Der Ianitor führte den Aurelier ins Atrium, in welchem wie üblich der Brunnen vor sich hinplätscherte und leise der Wind durchging.


    Bitte wartet hier. Ich verständige den Herrn sogleich.

  • Erfreulicherweise schien der Senator zuhause zu sein. Ursus folgte dem Sklaven ins Atrium. Als dieser ankündigte, den Senator zu verständigen, nickte Ursus. "Danke."


    Während der Sklave verschwand, blickte sich Ursus neugierig im Atrium um. Immerhin war dieser Raum so etwas wie ein Aushängeschild für jedes Haus und Ursus war bisher noch nicht in diesem Haus gewesen. Das Plätschern des Brunnens und den leichten Windhauch, der hier zu spüren war, empfand er als ausgesprochen angenehm.

  • Es waren in letzter Zeit derer Besucher viele, und Hungi hatte meistens Ahnung, warum die kamen. In diesem Falle jedoch nicht. Nichts desto trotz ließ er sich wieder in seine Toga hüllen, auf daß er den Besucher standesgemäß - laut seinem Sklaven war der Gast ein Patrizier - empfangen konnte.


    Aurelius Ursus, nicht wahr? Sei gegrüßt in meinem Hause. sprach er, als er das Atrium betrat und gleichsam mit einer Hand auf eine der Sitzgelegenheiten wies, als Aufforderung, der Gast möge es dem Hausherrn gleichtun und sich setzen, denn Hungi ahnte schon, daß der Besuch sicherlich kein kurzer sein wollte.

  • Es dauerte eine Weile, bis der Senator erschien, doch mit nichts anderem als einer gewissen Wartezeit hatte Ursus gerechnet. Schließlich erschien er unangemeldet und da hatte er schon Glück, daß der Vinicier nicht nur anwesend war, sondern auch noch Zeit für ihn hatte. Und da kam er auch schon, eine würdevolle Erscheinung, ein Senator wie aus dem Bilderbuch.


    "Salve, Senator Vinicius. Ja, das ist richtig." Gerne kam er der Aufforderung nach und setzte sich, als ihm Platz angeboten wurde. War es nun richtig, gleich zur Sache zu kommen oder sollte dem eine lockere Plauderei vorausgehen? Ursus war sich nicht sicher, er kannte Hungaricus noch nicht. Mancher mochte es lieber, gleich zu erfahren, um was es ging, andere bevorzugten einen gewissen Vorlauf. Ursus selbst war eher praktisch veranlagt. Daher entschloß er sich recht rasch, einfach zur Sache zu kommen. "Ich komme zu Dir als Klient Deines Bruders Vinicius Lucianus. Er hat mir ans Herz gelegt, sollte ich je etwas benötigen, könnte ich mich auch an Dich wenden, da er selbst ja nicht in Rom weilt. Und so komme ich, um eine Bitte auszusprechen."


    Hier allerdings hielt er erst einmal inne, sprach dann aber nach einer kurzen Pause weiter. "Ich möchte zur kommenden Wahl als Quästor kandidieren und bitte Dich hierfür um Deine Unterstützung."

  • Hungi hatte richtig geahnt. Da saß ein junger Mann vor ihm und wollte seine Unterstützung für die Wahl.


    Mein Bruder ist dein Patron? fragte er sicherheitshalber nach, wobei die Frage eigentlich tatsächlich eher rhetorischer Natur war. Nun ja, das mag schon so sein. Immerhin konnte hier jeder alles mögliche behaupten. Irgendwie kam ein altes Berufsleiden wieder zum Vorschein, das Mißtrauen. Allerdings müsste ich da schon etwas mehr über dich wissen, sonst leidet auch meine Glaubwürdigkeit. Und dabei konnte er auch sehen, ob der Aurelius vor ihm die Wahrheit sprach.

  • Das war jetzt natürlich für Ursus ein wenig peinlich, daß Hungaricus gar nichts davon wußte, doch wirklich erschüttern ließ er sich davon auch nicht. Zwar konnte man ihm ansehen, daß er damit nicht gerechnet hatte, doch er zögerte nicht, von sich zu berichten. "Mein Vater war Decimus Aurelius Maxentius, vielleicht ist Dir sein Name ja bekannt durch seine Tätigkeit in der Curia Provincialis Italia? Nun, ich habe einige Jahre in Athen studiert, bevor ich die politische Laufbahn einschlug. Vor drei Jahren wurde mir das Amt des Decemvir litibus iucandis anvertraut und ich habe für die Amtsausübung auch eine Auszeichnung erhalten. Ich kann es nur vermuten, aber ich denke, die Auszeichnung hatte etwas mit dem Leitfaden zu tun, den ich für meine Nachfolger verfaßte, damit sie es mit der Einarbeitung in die Materie ein wenig einfacher haben. Direkt nach dem Vigintivirat trat ich mein Tribunat an. Zwar bin ich als Patrizier nicht zum Militärdienst verpflichtet, doch ich wollte auf diese Erfahrungen nicht verzichten. Ich wurde in Germanien eingesetzt, bei der Legio II in Mogontiacum. Dein Bruder übertrug mir das Kommando über die Reiterei und die Leitung der Bauarbeiten am Limes. Und gegen Ende meines Tribunats nahm er mich als Klienten an. Er betonte, daß ich mich an Dich und auch an seinen Freund Caecilius Crassus wenden kann, sollte ich etwas benötigen. Doch natürlich möchte ich dieses Angebot nicht über Gebühr beanspruchen und sollte es etwas geben, das ich im Gegenzug tun kann, so ist es selbstverständlich, daß Du auf mich zählen kannst."

  • Aufmerksam lauschte Hungi den Worten des Aureliers vor ihm und nickte gelegentlich.


    Aurelius Maxentius... ja, der Name sagt mir etwas, wenn auch dunkel. Meine Zeit in der Curia provincialis ist ja auch schon eine Zeit lang her. Er überlegte noch ein wenig, aber ad hoc wollte ihm kein Gesicht dazu einfallen. Er hätte natürlich Aurelius fragen können, aber das wär dann doch etwas merkwürdig angekommen, und vermutlich noch merkwürdiger, wenn Aurelius dann seinen Vater beschreiben müsste. Naja, alles braucht man auch nicht erörtern.


    Mein Bruder hat gut daran getan, daß er dir geraten hat, dich an uns zu wenden. Caecilius Crassus wird allerdings mangels Senatorensitz dir bei diesem Anliegen eher weniger helfen können. Er taxierte den jungen Mann. Es war klar, daß Aurelius das Prinzip "Do, ut des" ansprechen würde, das war eines der tragenden Säulen der römischen Politik und Gesellschaft.

  • Daß sich der Senator nicht gleich und genau an seinen Vater erinnerte, wunderte Ursus nicht sonderlich. Sein Vater war ja nun schon recht lange tot und so lange hatte er in der Curia provincialis auch nicht gearbeitet. Er war eben auch noch in anderen öffentlichen Ämtern tätig gewesen. Und einige außerhalb Roms.


    Ein klein wenig verlegen antwortete Ursus auf den Hinweis des Vinicius bezüglich Crassus: "Nun, das ist mir natürlich bekannt, daß Caecilius Crassus mir bei meinem jetzigen Anliegen nicht weiterhelfen kann. Ich erwähnte ihn auch nur, um die Worte Deines Bruders zu wiederzugeben. Auf den Rat Deines Bruders hin, und weil Du zudem der Patron meines Onkels Aurelius Corvinus bist, wagte ich es, Dir meine Bitte um Unterstützung bei der Wahl vorzutragen." Es war gar nicht so leicht, zu einem Fremden zu gehen und um Unterstützung zu bitten. Doch wer Erfolg haben wollte, der brauchte die Unterstützung derjenigen, die es schon weit gebracht hatten.

  • Jetzt war es Hungi, aufzuschauen.


    Du bist mit Corvinus verwandt? Warum sagst du das nicht gleich? Schon fast vorwurfsvoll sagte er diese Worte. Das erleichtert natürlich einiges. Selbstverständlich unterstütze ich dich.

  • "Ja, er ist der jüngere Bruder meines Vaters", erklärte Ursus sichtlich verlegen wegen der leicht vorwurfsvollen Frage, ging auf diese aber lieber nicht ein. Immerhin stand es mit seinem Verhältnis zu Corvinus nicht zum besten. Doch das war etwas, was innerhalb der Familie bleiben sollte, zumal das ja auch kein Dauerzustand sein mußte. "Ich danke Dir sehr für die Unterstützung. Und stehe Dir, wie schon erwähnt, gerne zur Verfügung, wenn es etwas gibt, das ich für Dich tun kann." Es mochte der Tag kommen, an dem er sogar einem Mann wie Vinicius Hungaricus nützlich sein konnte.

  • Offensichtlich war Corvinus der jüngere Bruder von Maxentius, war Corvinus auch noch ziemlich jung und Maxentius doch schon ein älterer Semester gewesen, zumindest glaubte Hungi das, auch wenn er sich nicht mehr wirklich an Maxentius erinnern konnte.


    Ich bin mir ziemlich sicher, daß irgendwann einmal der Tag kommen werde, sofern die Götter das wollen. sagte er, diesmal sogar ohne Hintergedanken, sondern rein aus der Erfahrung heraus. Etwas Wein? fragte Hungi, weil er sich jetzt ohnehin einen Becher genehmigen wollte.

  • Die Erleichterung darüber, daß sein Besuch hier von Erfolg gekrönt war, ließ sich kaum beschreiben. Er hatte es natürlich gehofft, doch jetzt, wo er die Zusage hatte, merkte er erst, daß er doch ziemlich daran gezweifelt hatte. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt, das hatte sich hier mal wieder bewiesen.


    Als Senator Vinicius ihm nun Wein anbot, nickte er. "Ja, sehr gerne, danke." Einen guten Schluck konnte er nun wirklich gebrauchen. Jetzt, wo die Aufregung langsam nachließ.

  • Ein Wink mit dem rechten Zeigefinger später setzte sich ein Sklave, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, in Bewegung und goss in zwei Becher Wein und dann Wasser ein. Dann reichte besagter Sklave die Becher dem Hausherrn und dem Gast.


    Zum Wohl. prostete Hungi dem Aurelier zu und trank hernach einen Schluck. Dann setzte er den Becher ab. Welches der vier Quästuren würdest du am ehesten vorziehen, so du gewählt wirst?

  • Hier erlebte Ursus mal wieder ein sehr anschauliches Beispiel ausgezeichnet ausgebildeten Personals. Nicht, daß die Sklaven in der Villa Aurelia schlecht ausgebildet wären, ganz sicher nicht, doch Ursus war sich nicht sicher, ob so etwas bei jedem von ihnen so klappen würde. Bei Caelyn gewiß nicht. Er mußte unbedingt mal mit ihr intensiv arbeiten.


    Dankbar nahm er den Becher entgegen und prostete zurück. "Zum Wohl." Auch er trank erst einmal in aller Ruhe von dem verdünnten Wein. Genüßlich ließ er ihn über die Zunge rollen. "Nun, abgeneigt bin ich keiner der vier Quästuren, wertvolle Erfahrungen kann ich in jedem der Ämter machen und eigentlich hatte ich vorgehabt, dem Senat die Entscheidung zu überlassen. Doch als ich beim Consul meine Kandidatur bekannt gab, haben wir uns über seine damalige Amtszeit unterhalten. Seine Worte haben mich davon überzeugt, daß es besonders erstrebenswert wäre, als Quästor Consulum tätig zu sein."

  • Als Quaestor Consulum also. Etwas, wo Hungi nicht wirklich mitreden konnte, denn er war damals Quaestor Urbanus gewesen, ob es also mehr oder weniger Arbeit war, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Zudem war er froh gewesen, als er die Quaestur hinter sich gebracht hatte, da hatte ihn der Arbeitsaufwand der anderen Posten überhaupt nicht interessiert.


    Dann wirst du wohl, so du gewählt wirst, wovon ich allerdings ausgehe, dem Senator Quarto zugeteilt. bemerkte er, denn daß Quarto gewählt werden würde, das stand für ihn fest.

  • Da hatte Senator Vinicius wesentlich mehr Vertrauen in Ursus, als er in sich selbst. Denn er war sich keineswegs sicher, ob er wirklich genug Stimmen würde auf sich vereinen können. Natürlich hoffte er es. Und die Worte des Senators machten ihm auch Mut zu glauben, daß es so kommen könnte. Mit seiner Unterstützung jedenfalls war er diesem Ziel ein gewaltiges Stück näher gekommen.


    Daß Senator Aelius Quarto gewählt werden würde, daran zweifelte er allerdings auch nicht im geringsten. Bei ihm konnte man sich die Wahl geradezu sparen. Wer würde schon gegen ihn stimmen und den Zorn des Kaisers riskieren? "Ich hatte noch nicht die Ehre, Senator Aelius Quarto persönlich kennenzulernen. Doch nach allem, was ich hörte," ohja, natürlich hatte Ursus sich umgehört, denn wenn er gewählt würde, dann würde er sehr eng mit diesem Mann zusammenarbeiten müssen, "ist er dem Kaiser und Rom treu ergeben. Und sein erstes Consulat hat ihm gleich eine ganze Reihe von Auszeichnungen eingebracht. Mit einem solchen Mann zusammenzuarbeiten, stelle ich mir eigentlich sehr interessant vor." Natürlich wußte er, daß jeder auch so seine Nachteile und Eigenheiten hatte, das war mit Sicherheit auch bei Aelius Quarto nicht anders. Doch da er ihn noch nicht kannte und auch über Umwege noch nichts mit ihm zu tun gehabt hatte, konnte er nur wiedergeben, was öffentlich geredet wurde. Was nicht viel war. Und da hatte er auch nichts wirklich negatives gehört. "Kennst Du ihn näher?" Davon war wohl auszugehen. Vielleicht hatte er ja das Glück, jetzt ein bißchen mehr zu erfahren über diesen Mann.

  • Hungi mußte lachen. Na ich nehme mal an, daß er dem Kaiser treu ergeben ist. Immerhin sind sie Brüder. Obwohl es natürlich auch genug Geschehnisse in der Geschichte gab, in welcher Brüder die erbittertsten Kontrahenten waren. Doch soweit Hungi Einblick hatte, waren der Kaiser und Quarto sich doch ziemlich nahe.


    Natürlich kenne ich ihn näher. Wir haben sehr oft miteinander im Senat zu tun. Er hätte jetzt auch anbringen können, daß Quarto seine Ex-Frau geheiratet hatte, aber das gehörte eher in die Rubrik "Klatsch & Tratsch". Und die "Schnuffelchen-Episode" auch. :D Und wir stehen - meistens jedenfalls - politisch auf der gleichen Seite.

  • Ursus lachte unwillkürlich mit. "Nun, zumindest ist das wünschenswert. Nicht alle Brüder sind sich grün. Doch bei diesen beiden scheint es zum Glück so zu sein." Über den Klatsch und Tratsch wußte er nicht so gut Bescheid. Dafür war er zu lange nicht in Rom gewesen.


    "Nun, wenn ihr euch politisch im Großen und Ganzen einig seid, dann brauche ich mir ja auch keine Sorgen machen, in Gewissenskonflikte zu geraten." Das war eine sehr gute Nachricht. Nichts war schlimmer, als zwei Menschen verpflichtet zu sein, die gegeneinander arbeiteten.


    Ursus trank einen weiteren Schluck und stellte fest, daß sein Becher so gut wie leer war. Vermutlich war dies bei Senator Vinicius auch nicht anders und bedeutete damit auch so langsam das Ende des Gespräches.

  • Hungi selbst nahm einen größeren letzten Schluck aus seinem Becher und stellte diesen auf dem Tisch ab. Das würde ich so nicht sagen. Gewissenskonflikte wirst du garantiert bekommen, das ist einer der Nachteile der hohen Politik. Zwischen Quarto und mir vermutlich weniger, aber unmöglich ist es nicht. sinnierte der Hausherr ein wenig. Da bemerkte er den Ianitor, der sich geräuspert hatte. Offensichtlich war ein anderer Besuch gekommen.


    Der Consular stand auf. Du entschuldigst, die Wahlen stehen vor der Türe.

  • Damit mochte er Recht haben. Doch wäre es noch schlimmer, wenn er schon vor Amtsantritt mit derlei Schwierigkeiten würde rechnen müssen. Ursus erhob sich ebenfalls. "Selbstverständlich. Ich danke Dir für die Zeit, die Du für mich geopfert hast. Und vor allem für Deine Unterstützung." Ohnehin hatte sich Hungaricus weit mehr Zeit für ihn genommen, als Ursus je zu hoffen gewagt hätte.


    "Wann immer ich Dir nützlich sein kann, werde ich Dir gerne zur Verfügung stehen", versicherte er Hungaricus nochmals und verabschiedete sich schließlich. "Mögen die Götter Dir stets zur Seite stehen. Vale."

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