Licinus machte einen Vermerk auf seiner imaginären tabula:
Diesen Mann niemals und unter keinen Umständen mit Führungsaufgaben betrauen. Bis so einer den Befehl zur Reiterabwehr gab waren die cataphractes schon wieder auf dem Rückzug und die eigene Einheit stand Schlange bei Charon.
"Dann weiter!" sprach Licinus und erlaubte sich eine kleine Gemeinheit:
"Corporaaa preeemitte!"
Im ersten Moment war Titus schon etwas verwirrt. Sollten sie tatsächlich gleich zusammenrücken oder hatte er sich verhört? Dann blickte er nach vorn und auf das Gesicht Licinus'.
"Grinst der Centurio?" fragte er sich "Oder bilde ich mir das nur ein?" Von so weit hinten waren jegliche Gefühlsregungen tatsächlich schwer zu erkennen - und nun stand er auch noch vor einem Zwiespalt. Sollte er blind dem Befehl gehorchen oder selbst denken und entweder zur Mitte rücken oder - was letztendlich auch eine Möglichkeit war - gar nichts machen?
Ein relativ einfacher Grund führte dazu, dass er sich nicht mehr lange mit dieser Frage quälen musste: Er wurde einfach nach vorne gedrückt, denn einige seiner Hintermänner hatten sich anscheinend dazu entschieden, denn Befehl genau auszuführen.
"Gut, mach ich halt mal mit." sagte er zu sich selbst und erfuhr gleichzeitig, was es bedeutete, von einem scutum verdrängt zu werden.
Während er da so nach vorn tippelte, spürte er, dass sich sein Nebenmann immer weiter an ihn herandrückte. Das waren dann wohl die, die die Schilde doch erst schließen wollten. Ein Pedant war er auch noch; der, der neben ihm stand, denn peinlich genau legte er sein Schild Kante an Kante mit dem des jungen Decimers.
Der beste Anblick allerdings bot sich ihm, als er zwei Reihen weiter nach vorn spähte. Einer der probati schien es mit den Befehlen noch genauer zu nehmen, denn während der nach vorn stampfte, ließ er sein Schild über den Boden schleifen. Titus überlegte kurz, dann fiel es ihm ein "Natürlich." dachte er. "Immerhin wurde der Befehl zum Anheben diesmal nicht erwähnt."
Licinus grinßte nich, zumindest nicht mehr, als er sah, was die probati da anstellten:
"Haaalt! Sofort aufhören!!!"
brüllte er aus Leibeskräften
"Hat hier irgendwer "scuta premitte" befohlen?! Und warum macht ihr es dann?!
Und vor allem: Wer hat euch befohlen das denken einzustellen?! Natürlich hebt ihr das Schild hoch, wenn ihr euch bewegt, Befehl hin oder her! Geht ja anders auch nur schlecht, oder?!"
"Zwanzig Liegestütze! Jeder! Sofort!"
Ein Desaster war das, waren seine Befehle etwa so undeutlich?
"So ein Mist." dachte Titus. Er legte sein Schild beiseite und begann mit seinen 20 Liegestütze.
Ärgerlich begaben sich auch die zu Boden, die alles richtig gemacht hatten.
"Aber so ist das, hier in der Legion." dachte er weiterhin. "Wenn welche Mist bauen, dann sind alle dran. Eigentlich ein interessantes System. Ob da wohl irgendwann Groll entsteht?"
Nach einiger Zeit erhoben sich einige Köpfe, so auch seiner. Geduldig standen sie auf ihrem Platz und warteten darauf, dass alle Kameraden fertig wurden.
Nachdem Licinus zwanzig Liegestütze gezählt hatte und die probati wieder aufgestanden waren schallten wieder neue Befehle über die probati hinweg:
"Probati! Cooonvenite!"
"Scuuuta sursum!"
"Scuuuta preeemitte!"
"Corpora preeemitte!"
Wie ein Adler beobachtete Licinus seine Männer, wenn er gewusst hätte, über was der Decimer nachsann hätte er sich gefreut, dass anscheinend mindestens einer der probati clever genug war, hinter die Fassade der Gruppenbestrafung zu blicken. Denn wenn ein Vorgesetzter einem Mann grollte, dann war das eines. Wenn demselben Mann jedoch seine eigenen Kameraden grollten war es etwas ganz anderes und der Mann würde sich sicherlich mehr mühen, die Anforderungen zu erfüllen.
Zumindest war das der Sinn den man Licinus beigebracht hatte und den er seinerseits für völlig logisch hielt.
Ja! Doch! Diesmal wirkte alles weitaus geordneter. Ob es daran lag, dass niemand weitere 20 Liegestütze machen wollte oder daran, dass die Befehle diesmal in der richtigen Reihenfolge kamen, würde wohl auf ewig offen bleiben.
Fakt war, dass sich dieses Mal jeder bemühte, sich nicht daneben zu benehmen und im Gegensatz zum Ereignis vor einigen Minuten war das schon ein gewaltiger Fortschritt.
Irgendwie redete auch keiner mehr, obwohl bis vor Kurzem zumindest ein beständiges Flüstern zwischen sich anfreundenden probati über dem campus hing.
Sie waren gerade dabei, zusammenzurücken, als Titus bemerkte, dass noch immer der junge Mann mit Hang zum peinlich Genauen neben ihm stand. Erneut versuchte er, sein Schild Kante an Kante mit seinem eigenen zu legen. Da es diesmal jedoch richtig war, tat Titus es mit einem Lächeln ab. Es störte ihn ja nicht.
Wenig später standen sie dann auch dicht an dicht mit ihren Vordermännern.
Licinus war schon zufriedener, mit dem was er nun zu sehen bekam, als nächstes galt es die Reihen und Rotten wieder zu öffnen.
"Selbstverständlich muss man gelegentlich die Formation wieder weiten.
Dafür gibt die Befehle "corpora aperite" und "scuta aperite". Die Ausführung erfolgt entsprechend entgegengesetzt."*
"Corporaaa apeeerite!"
"Scuuuta apeeerite!"
*Bitte keine Nachfragen zur Ausführung, ich kann es mir selbst nicht genau vorstellen ohne Rückwärtslaufen, was aber auch nicht geht. Wenn ich ne Idee habe schieb ich es per PN nach
Auf Befehl gingen sie wieder auseinander. Da Titus vermeiden wollte, jemanden anzurempeln, drehte er seinen Körper während des Öffnens einige Male nach hinten, um zu schauen, wo genau der Hintermann stand. Er hoffte, dass das nicht verboten war - und wenn doch, dann bekäme er es mit Sicherheit zu hören.
Nach kurzem Getrappel war alles wieder ruhig und sie standen wie sie vor dem Schließen der Formation gestanden hatten.
Ich hab mal mein Latein-Wörterbuch bemüht, da steht, dass "aperio" einfach nur öffnen heißt und ich kann mir vorstellen, dass das nach hinten laufen bei "corpora aperite" inbegriffen ist. Obwohl es vielleicht praktischer wäre, in dem Fall zuerst die Schilde zu öffnen. Wer weiß.
Edit: Verzeihung für das längere Ausbleiben. Die Woche war etwas stressig. Ich war eben selbst überrascht, dass ich das letzte Mal letzte Woche Samstag hier war.
Nach einigen weiteren Trainingseinheiten war auch dieses Manöver hinreichend gut gelungen und Licinus wechselte Licinus zu dem Teil der scutumausbildung, die für die probati wahrscheinlich die spannendste war, für ihn selbst jedoch sicherlich die anstrengste.
"Wie wir eingangs erwähnt hatten kann man das Schild auch als Stoßwaffe einsetzen. Um dies zu üben werdet ihr nun zunächst einmal Zweiergruppen bilden.
ABZÄHLEN!"
"Eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei." ertönte es. "Eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei" und so weiter. Das klappte mal ohne Probleme und wäre dem nicht so gewesen, dann hätten wohl alle noch heute packen dürfen. "Eins, zwei, eins, zwei." schallte es weiter. "Zwei." sagte schließlich Vestinus und wartete "Eins, zwei, eins, zwei, eins." dass die Worte "Zwei, eins, zwei." verklangen. "Eins, zwei."
"Ihr bildet jetzt eure Paarungen. Immer der einser und der nächste zweier.
Wir werden und beim Üben vorerst auf das Drücken mit dem Schild beschränken. Stemmt dazu eure Schilde gegeneinander und versucht eure "Gegner" nach hinten zu drücken."
Passt auf, dass ihr an der gebogenen Schildkante nicht abrutscht, sonstlandet ihr auf der Nase. Im Gefecht würdet ihr dann wohl ziemlich schnell Charon begegnen.
Fragen?"
Licinus sah über die probati hinweg ob sich irgend ein probatus rührte.
Titus drehte sich zu dem Mann neben ihm und grüßte ihn. Nachdem dieser den Gruß erwiderte, suchten sich beide einen freien Platz ganz in der Nähe, von dem sie meinten, dass dieser genügend Bewegungsfreiraum böte. Nach und nach fanden sich die Paare und stellten sich schon einmal gegenüber.
Fragen schien es keine zu geben. Zumindest wurde keine gestellt.
"Dann zeigt mal was ihr könnt:"
"Anfangen!" rief Licinus und beobachtete die Männer, die nun probierten sich gegenseitig umzuwerfen.
Und das taten sie auch. Sie zeigten, was sie konnten - oder was sie nicht konnten, aber darüber zu urteilen, das oblag allein dem Centurio.
"Alles klar." sagte Titus zu seinem Trainingspartner. "Ich bin dann bereit, legen wir los?"
"Ja." antwortet dieser knapp und begab sich in Stellung.
Sie drückten ihre Schilde gegeneinander und versuchten, sich gegenseitig wegzuschieben. Keiner zeigte einen Punkt Schwäche und keiner war gewillt, es dem anderen auch nur im Geringsten leicht zu machen. Mal nett, so ein Wettkampf zwischendurch. Es war anders, als Formationen oder das Laufen zu üben. Hier konnte richtig viel Muskelkraft eingesetzt werden und wenn man einen gescheiten Trainingspartner hatte, dann machte das Ganze, bis zu einem gewissen Grade, auch noch Spaß.
Titus fing nun an, die Zähne aufeinanderzubeißen. Ganz schön viel Kraft hatte er, der ihm da gegenüberstand. Doch auch an diesem gingen die Spuren der Anstrengungen nicht vorüber, ohne sich auf dem Gesicht abzuzeichnen. Verbissen drückte er sein Schild gegen das des jungen Decimers.
Sie bewegten sich mal nach hier, mal nach da, mal gewann der eine die Oberhand, mal der andere, aber nie kamen sie weit vom Fleck, denn kaum spürte Titus, dass er zu sehr nach hinten gedrückt wurde, stemmte er sich noch energischer gegen sein scutum und andersrum war es genauso.
Sie waren so vertieft bei der Sache, dass er nicht einmal Zeit hatt, zu schauen, wie sich die anderen anstellten und das war schon ein gutes Zeichen. Den Decimer so beschäftigen zu können, dass er sich ganz für seine Aufgabe interessierte, das gelang nicht alle Tage. Zumindest hatte sein Lehrer damit immer Probleme gehabt.
Licinus lief durch die Reihen der milites, von denen es einige schafften, dass sie auf den Beinen blieben, während andere von der Wucht ihres Gegenübers zu Boden geworfen wurden.
Lange liegen blieb jedoch niemand, alle rappelten sich schon nach einem kurzen Moment wieder auf die Beine und gingen ihren Gegner von vorne an.
In einigen Fällen schritt Licinus jedoch auch ein, und bildete neue Paare. Das war immer dann der Fall, wenn einer der Trainingspartner deutlich öfter zu Boden ging, als der andere.
Auf seinem Weg durch die kämpfenden milites kam er auch an dem Decimer und seinem Trainingspartner vorbei.
Die beiden kämpften nun schon eine Weile miteinander und noch war keiner der beiden zu Boden gegangen. Das wollte er sich einmal genauer ansehen.
Sie waren noch immer so in ihren Zweikampf versunken, dass sie gar nicht merkten, dass Licinus innehielt, um seine Aufmerksamkeit speziell ihnen zu widmen.
Nur leicht nahm Titus das Stöhnen seiner Kameraden wahr, hier und da einen Seufzer und ab und an das Scheppern der Schilde, deren Träger zu Boden fielen. Mit Sicherheit hätte er auch bemerkt, wenn plötzlich jemand auf sie zugestürmt wäre, womit auf dem campus, jetzt gerade, jedoch nicht unbedingt zu rechnen war.
Es gab kein Vor und kein Zurück. Noch immer wurde nicht deutlich, wer den anderen zuerst weit zurückdrängen oder gar zu Boden stoßen würde. Langsam aber allmählich beschlich Titus das Gefühl, dass sie ewig so weiter machen könnten. "An den Griechischen Kalenden." dachte er verzweifelt. "Erst dann werde ich ihn zurückdrängen." Er seufzte leicht. "Nie." - und kämpfte weiter gegen die Kraft seines Gegenübers an.
Die beiden Männer schienen seine Anwesenheit nicht zu bemerken. Eigentlich mochte man meinen, es sei gut, dass sie sich so auf den Kampf konzentrierten. Jedoch...
Licinus drehte noch eine kleine Runde und als er zurückkam stellte er sich dicht zu den beiden Kämpfenden.
Und einen kurzen Moment später stieß er einem der beiden die vitis sanft in die Seite*, er wollte testen wie sie reagierten.
* Wen Licinus gestoßen hat darfst du entscheiden
Erschrocken bäumte sich der Decimer nach oben auf. Irgendwas hatte ihn da in die Seite gepiekst und nun wusste er nicht gleich, ob er sich schnell in Richtung des Angreifers oder des Schildschiebers richten sollte. Nach blitzschnellem Überlegen, machte er einen Schritt zurück und rief "Stop!"
Dann schaute er nach links und erblickte nun auch die Quelle des Übels: eine vitis mitsamt ihrem Träger.
Ihm war schon klar, dass er das im Gefecht nicht mit Erfolg hätte betreiben können, doch hier und jetzt war sein Partner so erstaunt, dass er innehielt und sein Schild auf dem Boden abstellte. Aber Moment - vielleicht klappte es auch im Gefecht, wenn man nur laut genug schrie, resolut genug schaute und den Gegner überzeugend genug erstaunte? - "Obwohl, lieber nicht probieren." dachte er sich. "Es könnte der erste und letzte Versuch sein."
Fragend schaute er den Centurio an.
Licinus war verblüfft von der Reaktionfähigkeit des probatus. Instinktiv hätte erwartet, dass der probatus sich erschrecken und sein Gegenüber ihn niederwerfen würde.
"Gut Vestinus. Wirklich gute Reaktionfähigkeit. Nur im Gefecht wäre sie zu spät gekommen. Wenn das hier..."
dabei tippte er mit der vitis in seine Hand
"... eine Stichwaffe statt eines Holzstockes gewesen wäre, dann hättest du mindestens einen capsarius nötig. Und selbst wenn nicht, ich hoffe du denkst nicht, dass irgendein Barbar ebeso innehalten würde, wie dein Kamerad hier.
Merke dir eines: Man darf sich im Kampf nicht auf sein direktes Gegenüber fixieren. Zu schnell kommt mal ein Hieb von der Seite.
Das gilt für euch alle! Passt immer auf, was um euch herum passiert" rief er nun etwas lauter, so dass auch die Umstehenden klar verstanden, was er sagte.
"Und jetzt weitermachen, ihr werdet doch nicht pro Stunde bezahlt!"
"Ja, centurio." antwortete er in einem Ton, der auf der einen Seite versuchen sollte, Licinus zu zeigen, dass er verstanden hatte, auf der anderen aber, den Stolz ob des Lobes nicht zu deutlich zu Tage treten zu lassen.
Auch wenn er theoretisch tot gewesen wäre, freute er sich dennoch, dass wenigstens seine Reaktionsfähigkeit wohlwollende Erwähnung fand.
Gleichzeitig aber hatte der Centurio die ohnehin schon wacklige Hoffnung des Decimers zerstört, die versuchte, ihm einzureden, dass vielleicht auch ein Feind innehalten würde.
"Ich danke dir, dass du ebenfalls so schnell reagiert und den Angriff gestoppt hast." sagte er zu seinem Kameraden, der nicht minder überrascht gewesen und nun irgendwie erfreut war, dass es nicht ihn getroffen hatte.
"Ich wäre wohl auch zurückgetreten." erwiderte der in gedämpften Ton. "Aber wer weiß, ob ich nicht vor Schreck weggerutscht wäre. - Das wär mir dann schon peinlich gewesen."
Titus nickte verständnisvoll und brachte sich sogleich wieder in Stellung. "Na dann. Machen wir mal weiter."
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