cubiculum TAU | Wie ein Dieb in der Nacht

  • Das hatte ich mir gedacht. Wie schön, wenn man so was von sich behaupten konnte. Wenn man das Glück hatte, den Menschen zu treffen, den man so lieben konnte. Dumm lief es dann, wenn man ihn nicht lieben durfte.
    "Bei euch ist das Heiraten doch nur Mittel zum Zweck, oder? Ich meine, die die du heiratest, liebst du doch nicht wirklich. Eure Hochzeiten sind doch arrangiert. Ihr heiratet nicht aus Liebe. Früher, als meine Leute noch anders gelebt haben, war das bei uns auch anders. Da durfte sogar die Frau mitbestimmen, wen sie heiratet. Und sie konnte sogar einen Mann erwählen, der einem niedigeren Stand angehörte, als sie selbst. Heute ist das ja nicht mehr so." Ja, heute ging das alles zivilisiert, romanisiert über die Bühne und Frauen hatten nix mehr zu melden!
    Aber was ich schön fand, war seine Erwiederung meiner Umarmung. Sonst war er immer gleich in Abwehrhaltung gegangen. Jetzt aber tat er es mir gleich und er streichelte mich sanft. So gut es eben bei den Lichtverhältnissen ging, versuchte ich ihm in die Augen zu schauen.
    "Ich hab dich auch vermisst. Tagsüber hab ich dich verflucht, aber abends.. Ich hab mir mehr als einmal überlegt, zu dir zu gehen. Aber ich hab´s immer wieder verworfen. Weil ich vielleicht auch nicht mutig genug war." Ich fühlte mich so wohl in seinen Armen. So was hatte mir die ganze Zeit gefehlt und ich hätte gerne noch mehr genommen, hätte er es mir gegeben.

  • Ursus schloß einen Moment die Augen. Es fühlte sich wirklich gut an, hier zu sitzen, sie im Arm zu halten und wenigstens mit ihr wieder im Reinen zu sein. "Ja, wir heiraten aus politischen Gründen, nicht aus Liebe. Das heißt aber nicht, daß wir eine schlechte Ehe führen müssen. Ich möchte meiner Frau kein Leid zufügen. Und mir selbst auch nicht. Wenn... wenn wir uns Mühe geben... dann wird es schon gehen." Aber hatte eine Ehe eine Chance, wenn von vornherein eine Sklavin da war, von der die Herrin wußte, daß sie das Herz ihres Mannes besaß? Mal vorausgesetzt, daß Corvinus Cadhla herausrücken würde. Nein, das hatte alles keinen Sinn. Es war wie es war. Er war als Patrizier geboren und genoß dafür eine ganze Reihe von Privilegien. Dies war eben der Preis dafür.


    "Bei euch durfte früher die Frau den Mann erwählen? Was hatte das für einen Sinn? Die Frau ist doch meistens viel jünger als der Mann, wenn sie heiraten. Wie kann sie da beurteilen, wer der Richtige für sie ist? Ich muß sagen, daß ich es schon schwer finde, die richtige Frau zu finden. Die Tradition, daß die Eltern die Ehe arrangieren, finde ich nicht falsch. Sie haben den richtigen Überblick und kennen die Leute, mit denen man dann zu tun bekommt, viel besser."


    Als sie zugab, ihn auch vermißt zu haben, lächelte Ursus. Als sie sagte, daß sie ihn aber auch verflucht hatte, wurde sein Lächeln noch intensiver. "Verflucht habe ich Dich auch, Caelyn. Aber ich glaube, das Vermissen überwog." Seine Hand fuhr über die Haare und sanft ihren Rücken hinunter. "Die Versöhnung ist das, was mir bis jetzt am besten gefällt."

  • Na, das hörte sich nach richtig viel Stress an. Was machte er denn, wenn er an einen Hausdrachen geriet. Und vor allen Dingen, was machte ich da? Frauen konnten da ja richtig zickig sein. Das wusste ich, weil ich ja selbst eine war- eine Frau!
    Ja, ja, die guten alten keltischen Zeiten! Insgeheim hatte sich natürlich der eine oder andere Brauch in die Gegenwart hinüber retten können. Besonders auf dem Land war das so.
    "Ja, klar! Ich finde, das war auch gar nicht schlecht! Stell dir vor, du müsstest einen heiraten, den du gar nicht magst! Ausserdem kennt man sich ja auch meistens vorher schon. Natürlich hatte der Vater der Braut auch was zu sagen. Bei uns war es auch durchaus Gang und Gebe, dass Frauen auch ein Mitspracherecht hatten, wenn es um wichtige Ding ging. Und wenn es hart auf hart ging, standen sie auch ihren Mann im Kampf."


    Irgendwie hatte ich den Eindruck, Ursus war heilfroh, dass sich wieder alles eingerenkt hatte. Fragte sich nur, wie lange das anhielt. Jetzt war er ja ganz verträglich, wahrscheinlich weil ihn sonst niemand sah. Aber morgen? Morgen würde er garantiert wieder den Patrizier raushängen lassen.
    "Warum kann es nicht immer so sein? Ich meine, so wie jetzt. Wir reden, wie zwei normale Menschen miteinander." Und sitzen freundschaftlich zusammen. Außerdem mochte ich es, wie er mit seiner Hand durch mein Haar strich. Das hätte er stundenlang machen können.

  • Ja, wenn er an einen Hausdrachen geriet, dann hatte er schlicht schlechte Karten. Deshalb war es ihm ja auch so wichtig, mögliche Kandidatinnen persönlich kennenzulernen. Und genau das war gar nicht so einfach. "In der Praxis ist das alles ohnehin normalerweise nicht so hart, wie es klingt. Welcher Vater würde schon seine Tochter an einen Mann geben, bei dessen Anblick sie einen Weinkrampf bekommt? So etwas ist die absolute Ausnahme. Ich würde auch nicht wollen, daß ein Mädchen an meine Seite gezwungen wird, das mich nicht ausstehen kann. Naja, bisher steht das alles ohnehin noch in den Sternen." Jetzt war erst einmal Corivnus' Hochzeit dran. Darüber schwieg er natürlich, denn er hatte ja versprochen, seinen Mund zu halten, bis Corvinus selbst es den einzelenen Familienmitgliedern erzählt hatte.


    "Warum es nicht immer so sein kann? Weil wir nicht auf der gleichen Stufe stehen, Caelyn. So ist das Leben. Hier und jetzt können wir uns auf der gleichen Ebene unterhalten, deswegen geht das so gut. Aber sonst befindet sich eine Art Graben zwischen uns, verstehst Du? Wir müssen beide die Formen wahren, denn wir leben nicht isoliert, sondern innerhalb einer Gesellschaft. Und man muß sich an die Regeln der Gesellschaft halten, wenn man nicht außerhalb von ihr stehen möchte. Und glaube mir, ich möchte ganz und gar nicht außerhalb der Gesellschaft stehen. - Würdest Du das wollen?" Er streichelte ihr eine vorwitzige Strähne aus der Stirn und lächelte. "Ich habe Dich sehr gern, Caelyn. Glaubst Du, sonst hätte ich Louan suchen lassen? Auch wenn wir beide uns immer mal wieder über den anderen ärgern... Das ändert doch nichts an den eigentlichen Gefühlen, oder?"

  • Na wenn er meinte! Ich jedenfalls wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. So wie er es jetzt sagte, klang das ja jetzt fast schon witzig. Was war aber,wenn…
    "Was ist eigentlich, wenn sie mich nicht mag? Wirst du mich dann weggeben?" So wie´n Haustier,wenn man ihm übertrüssig geworden war. Naja, deswegen würde er ja wohl kaum seine Frau in die Wüste schicken. Wie schon gesagt, ich wusste, wie Frauen sein konnten, ich war ja selbst eine. Wenn mich seine Frau als ihre Rivalin betrachtete, auch wenn es dazu keinen Grund gab, dann war´s ja wohl klar, wer den Kürzeren zog.
    Überhaupt machte es mich traurig, was er mir dann sagte. Klar, für eine wie mich würde er niemals mit den Konventionen brechen wollen. Das kam gar nicht in die Tüte. Das war auch ein Punkt, der mir sofort an den Leuten hier aufgefallen war, seit ich in Rom war. Alle waren peinlichst darauf bemüht, ihr Ansehen zu wahren und mit ihrer Fassade nach außen zu glänzen. Keiner interessierte sich dafür, wie´s in einem Menschen innen drin aussah. Sowas konnte ich auf die Dauer nicht aushalten. Würde er das vielleicht für Cadhla tun? Hätte er es getan, wenn sie nicht fort gegangen wäre? Ich schüttelte traurig den Kopf. Wahrscheinlich bemerkte er das gar nicht in der Dunkelheit.
    Es war zwar schön zu hören, dass er mich sehr gern hatte und ich war ihm ja auch ewig dankbar dafür, dass er mir meinen Bruder wieder gegeben hatte. Aber war´s nicht so, wie man auch ´ne Katze oder ´nen Hund gern hatte. Mit dem ärgern war das ja auch so ´ne Sache. Wenn er sich mal zu viel über mich ärgerte, dann konnte das auch schlimme Folgen für mich haben. "Was hättest du getan, wenn ich nicht klein bei gegeben hätte und zu dir gekommen wäre?" Das interessierte mich jetzt brennend.

  • Das war eine Frage, über die sich Ursus noch nicht die geringsten Gedanken gemacht hatte. Dementsprechend perplex war er erst einmal. Während er darüber nachdachte, ahnte er schon, daß diese wohl zu den Fragen gehört, die man gar nicht richtig beantworten konnte. "Caelyn... ich weiß nicht, was ich dann tun würde. Aber eines weiß ich ganz gewiß. Daß ich Dich niemals einfach weggeben würde. Es sei denn, Du selbst bittest mich darum. Ich hoffe, daß ich niemals vor diese Entscheidung gestellt werde. Doch sollte es so kommen, dann werden wir beide zusammen überlegen, wie wir das Problem lösen." Für ihn war sie keine Sache. Sie war ein Mensch. Noch dazu einer, den er gern hatte. Sicher hätte er das Recht, sie einfach zu verkaufen. Doch übers Herz bringen würde er das nicht.


    Und da kam schon die nächste schwierige Frage. Sie brachte ihn wirklich in die Zwickmühle. Er atmete tief durch. "Vermutlich hätte ich Deinen Bruder gebeten, mit Dir zu sprechen. Und wenn das ohne Erfolg geblieben wäre, dann hätte ich Siv oder Fhionn darum gebeten. Wenn auch das nichts gebracht hätte, dann hätte ich Dich wohl Brix unterstellt, bis Du hoffentlich doch irgendwann gekommen wärst."


    Ursus drückte sie nochmal etwas fester an sich. "Hast Du denn wirklich noch nicht verstanden, daß ich Dir kein Leid zufügen möchte? Glaubst Du ernsthaft, ich würde Dich auspeitschen? Oder in ein dunkles Kellerloch sperren? Oder aus einer Laune heraus an irgendwen verkaufen? Hast Du so ein Bild von mir?"

  • Einerseits hörte sich das ja alles total beruhigend an. Aber vielleicht lag´s einfach da dran, weil ich im Leben schon so oft enttäuscht worden war, so dass ich mir schwer tat, daran zu glauben. Was konnte ich da noch sagen? Eigentlich nicht viel. Nee, ich lächelte gütlich.
    Offenbar brachte ich ihn mit meiner Fragerei so richtig in Bedrängnis. Aber wenn wir schon mal dabei waren... Er musste erst mal tief durchatmen, dann fing er an zu sprechen.
    "Ach warst du das nicht?" Ich hatte eigentlich gedacht, dass er es war, der Siv und Fhionn auf mich angesetzt hatte. Na, dann konnt´s ja nur mein Bruder gewesen sein! Naja, deswegen war ich ihm jetzt auch nicht böse.
    "Weißt du, es ist schwer für mich, daran zu glauben. Ich bin so oft fallen gelassen worden in meinem Leben. Das kann man nicht einfach so ablegen. Ja, ich tu mir immer noch schwer damit, Leuten zu vertrauen, die´s eigentlich gut mit mir meinen. Das muss ich noch lernen. Aber das ist auch nicht so ohne! Ich trau mich einfach nicht, mich völlig loszulassen und darauf zu vertrauen, dass mich einer auffängt. Früher musste ich dann auch noch auf meinen Bruder aufpassen. Das hat alles noch schwieriger gemacht."
    Logisch, ich hatte gemerkt, dass er mich fester drückte. Das war auch gut so. Jetzt konnte ich nicht mehr anders. Die ganze Zeit hatte ich es mir verkniffen. Jetzt traute ich mich. Ich küsste ihn.

  • Naja, irgendwie war er es ja doch gewesen, der Louan auf die Idee gebracht hatte, sich mal an Siv und Fhionn zu wenden. Aber so genau brauchte sie das ja wirklich nicht zu wissen. Und den Hauptanteil an dieser Aktion hatte ja doch Louan gehabt. Also sollte sie ruhig glauben, daß diese Idee ganz auf dem Mist ihres Bruders gewachsen war. War ja schließlich auch nichts schlimmes, ganz im Gegenteil.


    Es fiel ihr also schwer, zu vertrauen? Immer noch? Nach all der Zeit? Ursus seufzte unwillkürlich. "Niemand kann Vertrauen erzwingen", stellte er sachlich fest. Denn viel mehr dafür tun, als er schon getan hatte, konnte man eigentlich kaum. Zumindest fiel ihm nichts mehr ein, was er tun könnte, damit sie ihm mehr vertraute. Er hatte schon weit mehr für sie getan und war weit nachsichtiger mit ihr gewesen, als es allgemein gegenüber Sklaven üblich war. Was natürlich größtenteils daran lag, daß er zum Thema Sklaven seine ganz eigene Ansicht hatte. Aber es lag auch daran, daß er dieses Mädchen inzwischen wirklich liebgewonnen hatte.


    Gerade wollte er etwas diesbezügliches sagen, als sie seinen Mund mit ihren Lippen verschloß und ihn küßte. Das kam so unerwartet, daß er auf eine Weise reagierte, wie er es sonst niemals getan hätte: Er erwiderte den Kuß, sanft und liebevoll. - Bis in seinen Verstand eintröpfelte, was er da tat. Ganz vorsichtig faßte er sie bei den Schultern und drückte sie leicht zurück, so daß ihre Lippen sich wieder voneinander lösen mußten. "Nein", sagte er leise, "das macht alles nur noch schwerer. Ich habe Dich wirklich gern, Caelyn, aber diesen Fehler dürfen wir nicht machen..." Seine Stimme klang alles andere als bestimmt. Es war kein Befehl, eher eine Bitte.

  • Wie er das sagte, niemand kann Vertrauen erzwingen, das klang so sachlich so kalt. Naja gut, Ursus war wirklich kein Partybrüller. Aber warum musste er immer nur so seine Gefühle verstecken? Er machte immer so einen auf unantastbar. Warum sagte er nicht, dass ihn das enttäuschte? Dass ich ihn enttäuschte. Aber im Prinzip war es das Gleiche, wie mit diesem blöden Patriziergehabe. Mann, Ursus kochte doch auch nur mit Wasser!
    "Bitte gib mir noch etwas Zeit!" Vielleicht war ja doch was dran, an dem Spruch, die Zeit heilt alle Wunden. Vielleicht sogar die, die ganz tief nach unten gingen. Klar, er hatte mir mehr als einmal gezeigt, dass ich ihm vertrauen konnte. Ich aber war noch immer nicht bereit dazu, mich einfach fallen zu lassen. Die Angst, eben dieses eine Mal nicht aufgefangen zu werden, steckte mir zu tief in den Knochen.
    Und dieser Kuss? War das nichts anderes, als sich fallen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass man aufgefangen wurde?
    Auf jeden Fall hatte er seine Wirkung nicht verfehlt. Er war erst überrascht, erwiderte ihn dann doch. Es war so schön, ihn zu schmecken. Aber dann drückte er mich doch wieder weg. Ich war noch total benebelt, als er davon redete, es würde alles nur noch schwerer machen und es wäre ein Fehler. Verdammt, es war schon schwer genug, schrie es in mir.Da kam es auf das bisschen jetzt auch nicht drauf an. Ich wusste jetzt echt nicht, was ich machen sollte. Sollte ich abhauen? Aber das machte dann alles wieder zunichte, was wir in dieser Nacht wieder mühsam aufgebaut hatten. Sollte ich bleiben? Verdammt, ich konnte mir mein Herz nicht rausreißen. Meine Gefühle abstellen, so wie er es immer machte, konnte ich nicht.
    Ich blieb! Aber ich sagte nichts. Ich konnte nichts mehr sagen.

  • Ursus biß sich auf die Unterlippe. Er war auch verwirrt. Verwirrt davon, daß der Kuß sehr schön gewesen war. Verwirrt davon, daß dieses Mädchen ihn auf ihre Weise zu lieben schien, obwohl er ihr immer und immer wieder die kalte Schulter gezeigt hatte. Jetzt sah sie so verletzt aus, daß er hätte schreien mögen, so weh tat ihm dieser Anblick schon. Doch er schrie nicht. Und er küßte sie auch nicht, wie es sein erster Impuls war. Das durfte er nicht. Auch nicht, wenn er sie liebte. Nein, er liebte sie nicht, wie er Cadhla liebte. Aber das hieß doch nicht, daß er sie gar nicht liebte. Ach, war das wieder alles kompliziert! Warum mußte immer alles so kompliziert werden, wenn Gefühle im Spiel waren?


    Diesen Anblick jedenfalls konnte er so nicht ertragen, sie sah so schmerzvoll aus, daß er sie in seine Arme ziehen mußte. Er mußte sie an sich drücken und ihr einen Kuß auf den Scheitel drücken. Sie streicheln und trösten. "Jetzt habe ich Dir schon wieder wehgetan. Bitte verzeih mir, Caelyn. Ich möchte doch nur... uns beide vor weiterem Schmerz schützen." Wenn er nur wüßte, was richtig war? Sie rigeros von sich zu stoßen? Oder ihr zeigen, daß er sie gern hatte? Irgendwas dazwischen? Aber das wäre ja auch nichts Halbes und nichts Ganzes und konnte doch eigentlich nicht gut sein...

  • Wenn kleine Mädchen zum ersten mal verliebt waren, dann pflückten sie ein Gänseblümchen und zupften die Blütenblätter ab. Dabei sagten sie, er liebt mich, erliebt mich nicht, er liebt mich, er liebt mich nicht. Ich hatte gerade das letzte Blütenblättchen abgezupft. Er liebt mich nicht! Tja, das musste ich jetzt einfach akzeptieren. Es wäre ja auch zu vermessen von mir gewesen, wenn ich hätte glauben dürfen, er würde mich lieben. Ich gehörte einfach nicht zu denen, die so einfach geliebt wurden. Vielleicht lag´s an meiner Art, so wie ich eben war, oder an meiner Nase, oder an sonst was. Warum saß ich jetzt eigentlich noch hier? Keine Ahnung! Alles was ich anpackte, war zum scheitern verurteilt. Darin war ich wirklich gut! Wenn es mal irgendwann ´nen Wettbewerb darin geben sollte, dann belegte ich garantiert den ersten Platz. Na, wenigstens in irgendwas gut sein!


    Dann zog er mich an sich heran und drückte mich ganz fest. Einerseits fand ich das schön . Es gab mir so ein Gefühl von Sicherheit. Aber irgendwas tief in mir drin wehrte sich dagegen, weil es weh tat.
    "Klar kein Problem", sagte ich ganz locker, als wenn überhaupt nichts passiert wäre. Ich war wieder auf Abstand gegangen. "Besser, wenn ich jetzt schlafen gehe, morgen ist wieder ´n langer Tag!" Ich musste einfach lernen, meine Gefühle zu unterdrücken. Irgendwann würden sie abstumpfen. Gefühle machten nur Ärger und den konnte ich nicht gebrauchen. Mein Leben war schon schlimm genug!

  • Der kurze Moment der barrierefreien Nähe war vorbei. Es war geradezu greifbar, wie sich zwischen ihnen wieder ein Graben auftat. Natürlich war er schuld daran. Ursus wußte es. Doch er wußte nicht, was er hätte anders machen können oder sollen. Vielleicht war er einfach unfähig, mit Frauen so umzugehen, daß sie sich bei ihm wohlfühlten? Das waren keine guten Aussichten für eine zukünftige Ehe.


    Caelyns Worte klangen so - unpersönlich. Natürlich ließ er sie los, wenn auch bedauernd - und zögernd. Doch er streichelte ihr noch einmal über die Haare. Blickte sie an. Diese schöne junge Frau, die in allem von ihm abhängig war. Sie liebte ihn, er hatte es gewußt. Schon lange gewußt. Warum konnte er sie nicht einfach wiederlieben? Vielleicht würde das alles für sie beide einfacher machen?


    "Manchmal bin ich eben ein Idiot", sagte er schließlich leise und verlegen. "Schlaf gut, Caelyn... - Du... Du könntest aber auch hier bleiben, diese Nacht." Allein, sie neben sich zu wissen, würde irgendwie gut tun. Doch er rechnete nicht damit, daß sie auf den Vorschlag einging. Und im Grunde war das auch verständlich. Er wußte selbst nicht, warum er ihr diesen Vorschlag überhaupt machte. Es war eigensüchtig, denn sie wollte sicher nichts als weg von ihm. Weil er ihr schon wieder mal Schmerz zugefügt hatte.

  • Ich stand vom Boden auf und wollte eigentlich nur noch weg. Das war echt´ne Schnapsidee gewesen, her zukommen. Aber jetzt war ich hier. Ein Gutes hatte es ja, morgen musste ich nicht mehr nähen. Aber ansonsten sah´s in mir aus wie auf ´nem Trümmerfeld.
    Natürlich hatte ich gehört was er da so leise daher gesagt hatte, aber ich sagte nichts drauf. Was sollte ich denn sagen? Ja, Ursus! Das stimmt! Nee, das stand mir nicht zu und das hätte ich auch nie gesagt. Gedacht hätte ich mir´s vielleicht. Mehr aber nicht.
    Was er aber dann sagte, das erschütterte mich in meinen Grundfesten. Hierbleiben, ich? Vor wenigen Minuten hätte ich noch liebend ja gesagt. Jetzt fand ich diese Frage einfach nur schäbig! Er liebte mich zwar nicht, aber meinen Körper wollte er haben. Er gehörte ihm doch schon. Er musste es einfach nur befehlen.
    Ich ging und schloß die Tür hinter mir.


    Draußen vor der Tür löste ich mich in meine einzelnen Bestandteile auf. Ich konnte echt nicht mehr. Alles, was in dieser Nacht vorgefallen war, ging mir noch einmal durch den Kopf. Alles was ich gesagt, gedacht und gefühlt hatte. Was, wenn er jetzt er selbst gewesen war? Wenn er das wirklich wollte?
    Dann tat ich etwas, was ich wahrscheinlich später noch bereuen würde. Aber tat ich so was nicht die ganze Zeit? Ich dreht doch nur solche Dinger!
    Ich öffnete wieder die Tür und trat ein.

  • Natürlich. Es war die einzige Reaktion gewesen, die zu erwarten gewesen war. Das konnte er ihr nicht übel nehmen. Enttäuschung stieg natürlich doch in ihm auf, auch wenn er dazu eigentlich gar kein Recht hatte. Aber übel nahm er es ihr nicht. Als sie die Tür hinter sich schloß, stand Ursus auf und trat an das Fenster. Ein leichter Wind wehte ihm ins Gesicht und ließ die leichten Vorhänge sanft aufbauschen. Was war er nur für ein Dummkopf! Vielleicht hätte er sagen sollen, daß er sie einfach nur gerne bei sich gehabt hätte. Daß er gar nicht mehr gewollt hatte, als sie im Arm zu halten, ihren ruhigen Atem zu hören, wenn sie schlief... Zu spät.


    Ob es so auch sein würde, wenn er einmal eine Frau hatte? Würde er dauernd das falsche sagen? Ihr ständig weh tun? Würde er seine Nächte einsam verbringen, weil er nicht in der Lage war, Cadhla loszulassen und sein Herz einer anderen zu öffnen? Caelyn liebte ihn. Einfach so. Obwohl er eigentlich nie sonderlich nett zu ihr gewesen war. War das wirklich so falsch?


    Seine Gedanken drehten sich. Alles in ihm schrie, daß er ein Patrizier war und es daher undenkbar war, mit einer Sklavin eine Beziehung zu beginnen, die über die reine körperliche Vereinigung hinausging. Doch etwas in ihm sehnte sich danach, einen lieben Menschen in seinen Armen zu halten, der ihn einfach so nahm, wie er war. Der ihn liebte, weil er er war. Und den er einfach und schlicht wiederlieben konnte...


    Als die Tür sich wieder öffnete, verstärkte sich der Windzug und Ursus drehte sich unwillkürlich um. Und erkannte Caelyn. Sie war zurückgekommen! Warum? Warum? Wie konnte sie zurückkommen, obwohl er sie so schlecht behandelt hatte? Unwillkürlich hielt er den Atem an. Kein Wort kam über seine Lippen.

  • Ich trat ein und blieb stehen, die Tür in meinem Rücken. Ich ging nicht weiter, damit ich im Notfall auch gleich wieder draußen war. So unsicher wie jetzt, war ich noch nie gewesen. Nicht mal damals, als sie mich beim Klauen erwischt hatten und ich dann Tage später an diesen blöden, vertrottelten Sklavenhändler verhökert worden war, der mich dann zu ´nem völlig überzogenen Preis an Ursus verschacherte.


    Ursus stand jetzt am Fenster, als ich wieder rein gekommen war und hatte er sich zu mir umgedreht. Er sagte auch nichts. Naja, wenn jetzt keiner was von uns sagte, dann war das auch ganz schön doof. Fragte sich nur, wie lange wir das aushielten oder wer von uns als erstes vor Erschöpfung zusammenbrach. Aber ich wollte ja nicht so sein. Schließlich war das ja mein Job, ihm das Leben so angenehm, wie möglich zu machen.
    "Ich, öhm, es tut, öhm, ich bin jetzt da. Wenn du es willst, bleibe ich." Dass ich tierisch aufgeregt war und mein Herz wie wild pochte, hörte man sofort! Ich trat etwas näher, war aber immer noch weit genug von ihm weg, um noch schnell abhauen zu können, falls es erforderlich wurde. So, und jetzt? Was jetzt? Ja, war doch sonnenklar, was jetzt kam!
    Ich begann langsam meine Tunika abzustreifen und ließ sie dann vor mir auf den Boden fallen.
    Wie ich da so stand, begann ich zu zittern, aber nicht weil ich fror, auch nicht aus Angst. Es war immer noch diese dämliche Unsicherheit, nicht zu wissen was jetzt passierte. Sollte ich jetzt so stehen bleiben oder mich irgendwo hinsetzen. Ich hatte keine Ahnung, wie das so ablief. Naja, Ursus würde mir bestimmt sagen, was ich tun sollte. Das war ja so einer der Vorteile des Sklaveseins, man musste nicht mehr zwingend selbst denken. Man musste einfach das machen, was einem gesagt wurde.

  • Da standen sie also beide und keiner sagte etwas. Bis sie schließlich das Schweigen brach. Und nicht nur das, sie zog ihre Tunika aus und stand nun in aller Blöße vor ihm. Wunderschön, unglaublich unschuldig, - und zitternd wie Espenlaub. Natürlich dachte er, es wäre Angst, wie sollte er auch auf etwas anderes kommen? Langsam streckte er die Hand aus. Nein, nicht nach ihr. Sondern nach der Decke auf dem Bett. Ganz sanft legte er die Decke um ihre Schultern. "Du bist wunderschön, Caelyn. Und ja, ich möchte gerne, daß Du bei mir bleibst. Aber... aber das hier... das solltest Du nur tun, wenn Du es selbst wirklich willst." Es wäre gelogen gewesen, wenn er behauptet hätte, daß er es nicht wollte. Es war eine Qual, sie so zu sehen und nicht ihre Bereitwilligkeit auszunutzen. Doch dann würde sie ihn bestimmt hassen. Und er wollte nicht, daß sie ihn haßte.


    Sie wirkte so unsicher, so scheu. Ursus blickte sie weiter an, hielt ihren Blick gefangen. Dann nahm er sie einfach auf seine Arme und trug sie zum Bett herüber, um sie dort abzulegen. Er setzte sich auf den Bettrand, beugte sich über sie und streichelte ihr sanft die Haare aus der Stirn. "Hast Du Angst vor mir? Zitterst Du, weil Du Dich fürchtest?" Glaubte sie vielleicht, er würde über sie herfallen wie ein Tier?

  • Ich musste nicht lange warten, bis etwas passierte. Er kam gleich auf mich zu, aber bevor er bei mir war, nahm er die Decke von seinem Bett und legte sie mir dann um die Schultern. Deswegen hörte ich aber nicht auf zu zittern.
    Anscheinend gefiel ich ihm. Ich sah an mir herunter. Er sagte, ich sei wunderschön. Na wenigstens etwas! Aber wie jetzt? Ich sollte das nur tun, wenn ich es wollt?. Aha?! Aber hatte er nicht gesagt,...? Ach, das war alles so kompliziert!
    Ich zog die Decke eng um mich herum. Das war mir jetzt doch lieber, als so völlig ohne da zu stehen. Ich hatte so überhaupt keinen Plan, was ich jetzt tun oder sagen sollte. Am besten gar nichts! Aber ich beobachtete ihn die ganze Zeit ziemlich skeptisch, so als wäre er ein Fremder für mich. Das hier war fremdes Terrain für mich, da hieß es wachsam sein!
    Dann nahm er mich und trug mich zu seinem Bett. Dort legte er mich ab und setzte sich neben mich. Ich lag ganz bewegungslos da und sah ihn immer noch an.
    Nee, Furcht war das nicht, was ich fühlte. Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein ich hab keine Angst! Ich glaub, das ist die Aufregung. Ich weiß nicht, was jetzt passiert. Ich hab noch nie, öhm, ich meine, ich war noch nie.." Ich war ein blutiger Anfänger. Ja, das war ich!

  • Er schüttelte den Kopf, lächelte aber. "Es wird gar nichts passieren, wenn Du es nicht möchtest." Aufregung, die sie zittern ließ? Er war sich nicht sicher, was das bedeuten sollte. Wollte sie etwa, daß es mehr wurde, als reines Beieinanderliegen? Aber das hatte sie so nicht gesagt. Wieder wurde es kompliziert. Oder machte er es sich nur kompliziert? Betrog er sie, wenn er ihre Bereitwilligkeit ausnutzte, obwohl er sie nicht liebte? Betrog er Cadhla, wenn er es tat? Er wußte es nicht. Er wußte es schlicht nicht. Er blickte sie einfach nur an. Eine ganze Weile war er sich unsicher, was er nun tun sollte. Und folgte dann einfach seinem Gefühl. Dieses mal war er es, der seine Lippen auf die ihren legte. Sanft und leicht. Wenn sie sich dagegen wehrte, würde er sofort aufhören damit. Doch er hoffte natürlich, daß es ihr gefallen würde.

  • Das verwirrte mich jetzt wieder total. Erst sagte er, es würde nichts passieren, was ich nicht wollte und im nächsten Moment küsste mich Ursus. Das hatte er doch noch nie gemacht. Ich war´s doch immer, die mit dem Küssen anfing und wenn ich ihn dann geküsst hatte, wehrte er mich immer gleich ab, so als hatte ich ´ne ansteckende Krankheit. Er liebte mich nicht, also wollte er einfach seinen Spaß haben, oder sah ich das jetzt falsch? Das verstand ich einfach nicht. Aber der Kuss, den er mir auf die Lippen drückte, war so sanft und gefühlvoll. So hatte mich noch nie einer geküsst. Naja, ehrlich gesagt hatte mich bisher auch nur einer geküsst, der nicht zu meiner Familie gehörte.
    Ich sträubte mich nicht dagegen, dafür war ´s einfach zu schön. Vielleicht war´s das dann auch, was mich ein bisschen ruhiger werden ließ. Wenigstens zitterte ich nicht mehr so.
    Dann legte ich sachte meine Arme um ihn und umschloss sie.

  • Sie sträubte sich nicht. Er hatte es gehofft, doch nicht damit gerechnet. Schon gar nicht damit, daß sie ihre Arme um ihn legte. Der Kuß dauerte lange. Und dieses mal brach er ihn nicht einfach so ab, sondern löste nach einer Weile ganz sanft seine Lippen von ihr. Er blickte ihr in die Augen, während seine Fingerspitzen ganz leicht über ihr Gesicht fuhren und ihre Züge nachzeichneten. "Willst Du es wirklich, Caelyn? Du mußt nicht..." Es war ihm wichtig, daß sie das wußte. Er wollte sie nicht zwingen. Und auch nicht, daß sie es nur anbot, weil sie glaubte, er hätte das Recht dazu, es zu tun, ob sie wollte oder nicht. Zumal sie ja keine Ahnung zu haben schien, was überhaupt auf sie zukam. Anscheinend hatte nie jemand richtig mit ihr darüber gesprochen. Konnte sie überhaupt darüber entscheiden, ob sie wollte oder nicht?

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