Eine einzelne Briese strich um Phoebes Nacken und spielte mit der Strähne, die immer wieder in ihre Stirn fiel. Die junge Frau mit den aufmerksamen Augen, hielt sich vorerst dicht an den Hausmauern und folgte dem Menschenstrom Richtung Forum. Die Straßen von Alexandria waren um diese Zeit nur allzu meist überfüllt und wenn man nur etwas Übung darin hatte, konnte man sich mit den Passanten treiben lassen, so dicht, dass sie für einen kurzen Moment deinen Atem auf der Haut spürten, es aber sofort für Einbildung hielten, wenn sie sich umdrehten und ihre Augen dem gewohnten Treiben begegneten, du aber längst woanders warst. Phoebe hatte viel Übung.
Fast genießerisch beobachtete sie die Menschen, die mal schneller, mal langsamer vorüber eilten, während sie selbst gemeinsam mit ihnen, dem Kern des Platzes unmerklich immer näher kam. Es war beinahe etwas wie eine Kunst, etwas wie ein Spiel zwischen Raubtier und Beute und trotzdem war sie sanft wie ein Windhauch dabei. Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ sich das Mädchen von einer auf die andere Seite schieben und geduldig herumschubsen, wenn sie etwas besaß, dann war es Zeit, unsagbar viel davon.
Als ein Mann sie hart gegen die Schulter stieß, konnte sie nicht anders als dies als eine Art Startaufforderunge zu nehmen. Zum Teufel mit der Geduld!
Mit einer raschen, aber fast tänzerischen Bewegung griff sie nach dessen Geldbeutel, fuhr herum und verschwand in der nächsten Menschenansammlung, um auch dort einen Bewohner Alexandriens um ein paar Münzen leichter zu machen. Im Gehen verstaute sie die beiden Beutel schnell zwischen dem Tuch, das sie um die Hüfte trug und ihrem eigenen Körper und zog sich in den Schatten eines großen Vordaches zurück. Sie hatte Glück, offenbar hatten ihre beiden Opfer noch nicht einmal das Verschwinden ihres Geldes bemerkt. Zufrieden mit sich hielt sie nach einigen weiteren unaufmerksamen Leuten Ausschau, die eisblauen Augen tasteten alles in ihrer Umgebung ab, gewohnt, niemals die Übersicht zu verlieren.
...Oh wen hatte sie denn da? Ein Hüne mittleren Alters, der dem Aussehen nach zu urteilen, wichtig und ihre Augen blitzten bei diesem Gedanken förmlich auf- dementsprechend wohlhabend war lief direkt an ihr vorbei. Mit einer schnellen Bewegung reihte Phoebe sich hinter ihm ein. Der Kerl unterhielt sich angeregt mit einem anderen, trug sein Geld allerdings in einem samtenen Säckchen hinten an seinem Gürtel. Das war beinahe zu einfach. Wie naiv waren manche Menschen? Phoebe schob ihre Rechte unter den Stoff an ihrer Taille und zog ihren Dolch hervor, den sie unmerklich zwischen Handfläche und -gelenk hielt, so dass nur Daumen und Zeigefinger die Kontrolle über die Klinge hatten. Um sicherzugehen suchten ihre Augen bereits nach einem Fluchtweg, während sie sich scheinbar völlig unbeabsichtigt dichter an die beiden Herren drängen ließ. Nur ein paar Sekunden...
Gerade als sie in einer einzelnen Bewegung das Band des Säckchens von dem Gürtel seines Besitzers trennen wollte, wurde dieser selbst con irgendjemandem zurückgestoßen und stieß unsanft an Phoebe, noch ehe sie irgendetwas erbeuten konnte. Mit einem persischen Fluch auf den Lippen zog sie ihre Hand zurück, als die kalte Klinge sich durch die Erschütterung in ihre Haut vertiefte. Der Hüne hatte sich inzwischen überrascht umgedreht, verstand aber spätestens, was vor sich gegangen war, als Phoebe sich durch die Menge schlängelte, um in eine Seitengasse zu rennen. Ein Blick über die Schulter verriet Phoebe, dass er sich die Sache offenbar zu Herzen nahm oder sich selbst etwas beweisen wollte, denn er blieb ihr dicht auf den Fersen. Was bei allen Gottheiten wollte dieser Schrank von einem Menschen noch von ihr? Sie hatte doch noch nicht einmal etwas von ihm mit sich nehmen können! Ihr Herz begann schneller zu schlagen, was sich allerdings nicht nur in der Tatsache begründete, dass sie rannte, sondern viel mehr darin, dass ihr Verfolger offenbar ein guter Athlet war und laut zum Ausdruck brachte, dass er ihr, dem "verfluchten Miststück", der "Tochter einer pathischen Hure" alle Knochen brechen wolle, denn von diesem "höllernen Diebespack" habe er ja nun endgültig die Nase voll. Was wollte der Typ eigentlich? Hatte der irgendein Trauma erlitten oder warum sprang er auf diese kleine Bewegung so an? Was es auch war, Phoebe wollte sicher nicht noch mehr davon kennen lernen und nun doch von so etwas wie Panik ergriffen, rannte sie so schnell ihre Füße sie trugen, was normalerweise ohne Zweifel schnell genug war. Die Seitengasse führte zu einem anderen Teil des Forums, der allerdings nicht ganz so gut besucht war. Hier und da standen Menschentrauben beisammen, aber die Fleckchen waren nur für ein kurzes Verwirrspiel nicht als endgültiger Fluchtort brauchbar und der Kerl war nach wie vor nur wenige Meter hinter ihr. So schnell wie möglich, schlängelte sie sich zwischen den Männern und Frauen, die hier zusammenstanden hindurch und sah sich nach einem Ausweg um. Das einzige was ihr ins Auge fiel, war ein junger Mann, der an einer Hauswand lehnte und das allgemeine Trauben beobachtete, vielleicht in Gedanken war. Dieses Bild löste eine zwar völlig unmögliche, dafür jedoch rettende Idee in ihr aus, eine Idee wie sie nur von Phoebe kommen konnte. Mit einer geschmeidigen Bewegung kam sie neben ihrem potentiellen Retter zum stehen, legte ihre Arme ohne Vorwarnung, um den Hals des Mannes und drückte ihre Lippen in einem innigen Kuss auf seine, genau darauf bedacht, ihn gleichzeitig so an sich zu ziehen, dass er sie vor dem Rest der Straße abschirmte. Wie erhofft, erwiderte der junge Mann, völlig überrumpelt den Kuss und legte zögernd seine Arme um sie.
Wenn jemand sich als "Retter" angesprochen fühlt... nur zu