• Eiligst zog Timos die Arme ein und hielt die Hände in die Luft, um seinen Unwillen irgendetwas unschickliches zu tun zu beweisen. Er deutete mit dem Zeigefinger in die Ecke hinter der Wohnungstür, wo ein mittlerweile trockenes Stück Stoff lag, das man für eine Tunika halten könnte.
    "Da." brachte er mit einem riesigen Kloß im Hals heraus. Er räusperte sich und rückte mit dem Stuhl noch ein Stück näher an die Wand, um Axilla bloß nicht zu nahe zu kommen. Am Ende fühlte sie sich noch angegriffen und das wollte er auf keinen Fall.

  • Da Ànthimos noch stand, holte er Axillas Tunika und reichte sie ihr. "Falls sie schmutzig ist, kannst du dir sicher gerne etwas von meiner Verlobten zum anziehen borgen.", meinte er sanft. Das arme Mädchen tat ihm unendlich leid.


    Da musste er an Penelope denken. Hoffentlich hatte sein Wutausbruch und der fliegende Topf sie nicht geweckt. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass sie bei diesem Krach nicht aufgewacht sein könnte.

  • Kein Hund bellte am Morgen, und Penelope schlief so lange und so tief wie die letzten Jahre schon nicht mehr. Nicht einmal die Striemen auf ihrem Rücken störten ihren friedlichen Schlummer. So war die Sonne schon einige Finger über den Horizont geklettert, als sie ganz sanft und langsam erwachte. Etwas hatte sie geweckt, aber sie wusste noch nicht genau, was. Sie blinzelte verschlafen und stellte fest, dass sie nicht in ihrem Zimmer war. Es dauerte einen Augenblick, bis sie wieder alles erinnerte, und sie musste lächeln. Und es dauerte einen weiteren Augenblick, bis sie registrierte, was sie geweckt hatte. Im Nebenraum stritten Ánthimos und Thimótheos miteinander. Und plötzlich flog etwas laut und scheppernd gegen die Wand und Anthi brüllte.
    Penelope ruckte bei dem Geräusch so erschrocken hoch, dass sie ihren Rücken vollkommen vergessen hatte. Schmerzhaft zog sie zischend die Luft ein, als es ihr wie ein Dolchstoß in den Rücken fuhr. Was war da draußen denn nur los?
    Ganz langsam schlüpfte sie vorsichtig aus dem Bett und angelte nach einem Chiton. Heute gingen die Bewegungen schon besser als gestern, aber wirklich bewegen konnte sie sich noch nicht. Es dauerte also, bis sie den Chiton endlich hatte, um ihn ganz langsam und bedächtig anzuziehen.

  • Sie nahm die Tunika mit einem Ruck entgegen und hielt sie erstmal nur an sich. Ihre nackten Fußsohlen waren irgendwie auf die Sitzfläche des Stuhls gewandert, so dass sie mit angewinkelten Knien ganz klein nun dasaß und ihre grüne Tunika wie eine Decke über ihre Beine fiel. Sie zitterte noch immer.
    Gegen einen Angriff auf sie konnte sie sich wehren, aber gegen einen Angriff auf ihre Ehre war sie machtlos. Und wahrscheinlich hatten die beiden ja auch recht. Sie war keine Jungfrau mehr gewesen, und auch, wenn sie sich nicht erinnern konnte, glaubte sie zumindest, dass es durchaus so gewesen sein könnte, dass sie freiwillig mit Timos mitgegangen war und in sein Bett gestiegen war. Vielleicht war sie ja wirklich nicht besser als eine lupa vom Straßenrand. Vielleicht war sie auch deshalb jetzt allein.
    Sie war gestern losgezogen, um ein Amulett gegen Liebeskummer zu kaufen, das wusste sie noch. Aber eigentlich wollte sie sich nur nicht mehr so allein fühlen. Alle waren sie gegangen, alle hatten sie allein gelassen. Jeder, den sie liebte, war auf die ein oder andere weise aus ihrem Leben wieder verschwunden.
    Sie fühlte sich ganz furchtbar allein, und jetzt noch mehr als sonst. Wenn sie mit Timos mitgegangen war, musste sie ihn gemocht haben. Aber so, wie er redete, war sie für ihn definitiv nur eine lupa.
    Sie schluchzte.
    Silanus war gegangen, ohne auch nur ein liebes Wort noch zu sagen. Er hatte sich an dem Tag in ihrem Zimmer nur noch umgedreht, und war gegangen. Er hatte noch nichtmal gesagt, er würde sie vermissen, er hatte den Satz abgebrochen. Aber wer würde sie auch schon vermissen? Sie war vorlaut und nicht besonders tugendhaft. Ja, sie war hübsch, aber welche sonstigen weiblichen Tugenden konnte sie schon für sich verbuchen?
    Tränen flossen.
    Ihre Eltern waren tot, und der einzige Mensch, von dem sie glaubte, dass er sie noch liebte, war ihr Lehrer. Und dieser war tausend Meilen weit weg bei seiner Familie und begann dort vermutlich schon, sie zu vergessen. Er hatte dort ja auch ein schönes Leben, nachdem sie ihm die Freiheit und das restliche Geld, das vom Hauskauf übrig war, geschenkt hatte. Warum sollte er sich da an die vorlaute, kleine Axilla erinnern, die ihn mit ihrer Unaufmerksamkeit und ihrem ständigen Abhauen-und-auf-Bäume-klettern-oder-sonstigen-Blödsinn-anstellen geärgert hatte?
    Sie war allein. Definitiv allein. Es gab keinen Menschen, der sie auch nur annähernd liebte. Ihr Herz brach fast bei dem Gedanken. Und jetzt saß sie hier in der Küche von drei Griechen, die sie so angefahren hatte, dass zumindest zwei von ihnen genauso elendig dreinschauten wie sie. Und sie heulte auch noch! Als wäre ersteres nicht schon schlimm genug. Wahrscheinlich hatte sie es nicht anders verdient, als allein zu sein. Sie war wirklich eine furchtbare Person, wahrscheinlich verdiente sie diese Behandlung.
    Axilla verbarg den Kopf hinter ihren Knien, damit die drei ihre Tränen nicht sehen konnten. Sie fühlte sich ja so schrecklich einsam und verlassen.

  • Bei den Göttern, jetzt brach die Kleine auch noch in Tränen aus! Das war zuviel, jetzt war auch Anthi überfordert. Aber ihm kam eine Idee: Hier konnte nur noch eine Frau helfen. Mit einem "Wehe einer von euch beiden rührt sich!" zu seinen Brüdern, stürmte er in sein Zimmer um Penelope zu holen.


    Diese hatte sich gerade angezogen und war wohl gerade auf dem Weg zur Tür gewesen. Zum Glück hatte Anti die Tür nicht zu schnell aufgestoßen.
    "Schatz, ein Glück das du wach bist. Wir brauchen jetzt unbedingt etwas weibliches Einfühlungsvermögen. Da draußen sitzt Timos...äh Betgenossin von gestern Abend und weint bitterlich. Die zwei Holzköpfe da draußen haben sich ziemlich daneben benommen." Sagte er so leise zu ihr, dass es nach draußen nicht hörbar war. Er war schon wieder auf dem Weg nach draußen, als er sich auf dem Absatz umdrehte, Penelope sanft in den Arm nahm, ihr einen Kuss aufdrückte und ihr ein "Entschuldige, dass ich dich schon am frühen Morgen mit so etwas belaste. Ich versprechs, ich machs nachher wieder gut.", ins Ohr hauchte.

  • Timos gab einen Dreck auf die Worte seines Bruders, als er plötzlich Axillas Schluchzen vernahm. Kurz zögerte er, dann fasste er einen Entschluss. Er war schuld an dieser ganzen Misere und er würde es wieder gut machen. Timos rückte mit seinem Stuhl ganz nah an Axilla heran und legte zögerlich einen Arm um sie.
    Seine Lippen waren nur einen halben Fingerbreit von Axillas Ohr entfernt, als er ihr liebevoll zuflüsterte:"Weine nicht, meine süße Skioura. Es ist doch alles gut."

  • Als Ánthimos so plötzlich hereingestürmt kam, erschrak Penelope ziemlich. Und schon wieder fuhr ihr der Schmerz in den Rücken. Sie biss leicht die Zähne zusammen und lächelte entschuldigend. Sie hätte auch besser aufpassen können.
    Ein bisschen verwirrt folgte sie Anthis Ausführungen. Sie hatte nur so halb mitbekommen, was da draußen passiert war. Seit dem lauten Scheppern war es ziemlich still geworden, und sie konnte nicht hören, was gesagt worden war.
    Also nickte sie ihrem Mann zu und trat in den Hauptraum der Wohnung. Da saß ein dunkelhaariges Mädchen ziemlich zusammengezogen auf einem Stuhl und weinte offenbar, und Timos saß direkt neben ihr mit dem Arm um ihre Schulter und versuchte wohl, zu trösten. Ein bisschen verwirrt schaute Penelope zu Anthimos. Wenn sein Bruder schon gerade am Trösten war, konnte sie auch nicht viel mehr tun. Zwei waren bei so etwas manchmal einer zuviel, und so, wie das Mädchen da saß, kapselte es sich gerade ziemlich ab.
    Sie ging ganz langsam auf die andere Seite des Mädchens, so dass diese sie sehen konnte. Falls Timos doch irgendwie gemein war, war sie so zur Stelle und konnte das Mädchen ihm abnehmen. Aber erst einmal ließ sie die Situation weiter laufen.

  • Axilla ließ sich den Arm auflegen, ohne sich zu wehren. Sie zuckte zwar ein wenig zusammen, aber mehr, weil es sie überraschte. Sie fühlte sich grade so dreckig und widerlich und schlichtweg nicht umarmenswert, dass sie damit nicht gerechnet hatte.
    Timos war ganz nahe bei ihr und flüsterte etwas ganz leise in ihr Ohr. Zunächst verstand sie es nicht richtig. Sie musste sich verhört haben. Woher wusste er davon? Hatte sie ihm das gestern erzählt? Wenn sie sich ihm wirklich soweit anvertraut hatte, musste sie ihn schon sehr gerne gehabt haben. Dieser Name war etwas, dass ihr mehr das Gefühl von Heimat und Geborgenheit gab, als alles andere, und wenn sie ihm das anvertraut hatte, musste sie ihn wirklich gern gehabt haben. Nur konnte sie sich leider nicht daran erinnern.
    Ganz verstohlen und vorsichtig sah sie aus den Augenwinkeln zu Timos hoch. Sie bemerkte noch eine Frau, die sich ihr von der anderen Seite leise und vorsichtig näherte, aber ihre Aufmerksamkeit war erst einmal bei Timos. Die Tränen rannen zwar noch, aber langsamer als eben, und sie sah ganz vorsichtig zu ihm hoch und suchte seine Augen. Grau waren sie, wie sie jetzt wieder bemerkte. Graue Sturmwolken.
    “Ich bin keine lupa.“
    Ganz leise flüsterte sie es ihm zu, so dass nur er es hören konnte. Es war ihr irgendwie wichtig, dass er das wusste. Sie wollte, dass er wusste, dass sie das nicht immer so machte. Was immer sie auch getan hatte. Er kannte ihren Namen, da war es ihr einfach wichtig.

  • Timos lächelte leicht, als Axilla ihn so traurig ansah. Ihre nächsten Worte waren ein Stich in sein Herz. Hatte er wirklich so abfällig von ihr gesprochen? Was war er nur für ein schlechter Mensch? Er schaute Axilla eindringlich in ihre verweinten Augen - der selbe eindringliche Blick wie bereits beim Stand des Seidenhändlers am Hafen - und flüsterte behutsam zurück:
    "Nein. Für mich bist du etwas ganz besonderes."
    Bedurfte es weiterer Worte? Timos streichelte sanft mit seiner freien Hand über ihr Schienbein und lächelte gutmütig.

  • ”Wirklich?”
    Sie sah ihm in die Augen und er schaute so durchdringend zurück. Die Frage stand zwar noch im Raum, aber sein Blick beantwortete es Axilla. Sie sah keine Lüge in seinen Augen, und sie wollte ihm ja auch so gerne glauben. Aber warum war sie etwas Besonderes für ihn? Sie fühlte sich im Moment nicht irgendwie besonders. Höchstens besonders dämlich und besonders verweint. Besonders schwach vielleicht auch noch.
    Und du sagst das nicht nur, weil du Angst vor Urgulania hast?
    Vergessen hatte sie die Worte des Großen sicherlich nicht. Wenn er tatsächlich für Urgulania arbeitete, dann war Timos nun zweifach in der Klemme. Zum einen konnte er wirklich schlimm bestraft werden, eine Römerin verführt zu haben – denn wie sollte er beweisen, dass Axilla keine Jungfrau mehr war? Silanus würde sicher nicht zu seinen Gunsten eingestehen, dass er der erste war. Und zum anderen konnte ein böses Wort von Axilla dafür sorgen, das er ganz schnell nicht mehr bei Urgulania arbeitete.
    Axilla wollte einfach gerne wissen, warum er sie für besonders hielt, bevor sie sich dazu entschied, ob sie ihm verzeihen wollte oder nicht. Und wo sich ihr Verstand langsam wieder einschaltete und die Kontrolle übernahm, versiegten auch nach und nach die Tränen.

  • Bei Axillas letzter Frage konnte sich Timos ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
    "Niemals! Ich mag dich wirklich sehr, egal was du gesagt oder getan hast. Und Urgulania wird dem auch keinen Abbruch tun."
    Oh ja, er war sich durchaus über die möglichen Konsequenzen dieser ganzen Aktion im Klaren. Wenn er Glück hatte, würde man ihn einfach nur nach Nubien verbannen, alles andere wollte er sich gar nicht erst vorstellen. Hoffentlich würde ein Prozess gegen ihn nicht auch negative Folgen auf seine Familie haben. Würde Axilla gegen ihn aussagen? Er wusste es nicht. Gerade war sie noch so ungeheuer wütend gewesen, jetzt schien sie völlig verängstigt zu sein, dann brach sie in Tränen aus. Timos war sich absolut nicht sicher, wie Axilla reagieren würde, wenn man sie über die letzte Nacht auspresste.
    Er wischte mit dem Daumen über Axillas Wange und wurde wieder etwas ernster. Was hatte er nur wieder angerichtet?

  • Bei der Berührung seiner Hand ließ Axilla wieder leicht den Kopf sinken. Sie musste nachdenken und da war diese Berührung nicht sehr hilfreich. Vor allem, wenn sie noch böse auf ihn war – was sie noch nicht entschieden hatte. Noch ein Punkt auf der Liste – durfte er sie gar nicht trösten.
    Ihre Gedanken wirbelten alle so wild durcheinander. Konnte sie ihm glauben? Oder versuchte er nur, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Wenn er sie wirklich gern hatte, dann wäre sie hier nicht mehr so allein. Nungut, er war Grieche, und damit durften sie sich zumindest nicht auf die eine Art „gern“ haben. Aber es wäre schön, jemanden zu haben, der sie wirklich gern hatte. Auch auf diese Weise. Aber wenn er sie jetzt anlog? Konnte sie ihm denn glauben? Sie war sich so unsicher.

  • Die beiden tuschelten miteinander, und offenbar hörte das Mädchen auch auf zu weinen. Als sie aber wieder den Kopf sinken ließ, wusste Penelope: Jetzt war der Zeitpunkt, wo sie sie am besten mal in Ruhe entführte. Das arme Ding saß ziemlich zusammengekauert da und war noch immer halb nackt. Bestimmt war sie durcheinander.
    Penelope ging vorsichtig vor ihr in die Hocke und unterdrückte dabei kurz einen Schmerzlaut, als sich die Haut in ihrem Rücken spannte. Ganz vorsichtig berührte sie den Unterarm des Mädchens, den sie um ihre Knie geschlungen hatte, mit der Hand, bis diese zu ihr sah.
    Hatten die Brüder sich ihr wohl richtig vorgestellt? Wahrscheinlich nicht, nach dem Krach vorhin zu vermuten.
    "Chaire. Ich bin Penelope. Thimótheos kennst du ja schon. Und das dort sind seine Brüder, Ánthimos und Ilías"
    Penelope deutete dabei mit ihrer freien Hand immer in einer kleinen Geste auf den jeweiligen Bruder. Ihre stimme war ganz sanft und leise. Sie wusste, sie sprach zwar nicht mit einem Kind, dafür war das Mädchen schon zu alt, aber sie sah gerade so verloren aus, da half ein wenig Ruhe und Einfühlsamkeit vielleicht.

  • Axilla hob ganz leicht den Kopf bei der neuen Berührung. Da war ein griechisches Mädchen, vielleicht ein bisschen älter als sie, vor ihr in der Hocke. Ganz leise sprach sie mit ihr. Kurz wallte Zorn dabei in Axilla hoch. Sie war doch kein Kind! Man konnte mit ihr ruhig ganz normal sprechen!
    Aber der Moment war nur kurz. Sie hatte heute schon genug Wut gehabt, und Penelope wollte vermutlich nur nett sein. Auch sie hatte graue Augen, wie Axilla feststellte.
    Axilla“, sagte sie nur halblaut und schaute auch einmal kurz zu den beiden anderen Griechen. Jetzt hatten wenigstens alle Namen, und sie wusste, dass die drei Brüder waren und keine Verbrecherbande. Das gab ihr schon mal ein Stückweit mehr Sicherheit als noch vor ein paar Minuten. Ihre Schultern strafften sich auch gleich ein bisschen, so dass sie nicht mehr ganz so zusammengesunken da saß. Über Timos Arm in ihrem Rücken war sie trotzdem irgendwie froh.

  • Penelope schenkte Axilla ein aufmunterndes Lächeln. Ihr Blick fiel auf die grüne Tunika. Sie war nicht neidisch auf das rhomäische Mädchen, aber doch musste sie gleich bemerken, dass diese Tunika feiner war als alles, was Penelope hatte. Offenbar stammte sie aus einem etwas wohlhabenderen Haus. Was die ganze Sache vermutlich nicht einfacher machte.
    "Wenn du magst, können wir kurz in ein Zimmer verschwinden, damit du dich herrichten und anziehen kannst. Diese Tunika ist dir ja viel zu groß."
    Vorsichtig zupfte Penelope einmal an der Männertunika, die Axilla mehr schlecht als recht verhüllte. Noch dazu, wo sie die Füße auf den Stuhl hochgezogen hatte und man so ihre Beine bewundern konnte. Aber Penelope ging es langsam an und überließ Axilla die Entscheidung. Je mehr sie den Eindruck hatte, Kontrolle zu haben, umso einfacher würde sie vermutlich zu lenken sein und umso weniger wahrscheinlich war ein erneuter Heulausbruch.

  • Kurz überlegte Axilla. Ihr war durchaus klar, dass ihr Gegenüber vermutlich wollte, dass sie mit ihr erstmal mitkam, und es nicht so ganz ihre Entscheidung war. Aber Penelope hatte ja recht. Sie saß hier halbnackt unter Halbnackten, und sich richtig anzuziehen und das Gesicht zu waschen wäre vermutlich wirklich nicht verkehrt. Außerdem konnte sie dann ruhiger überlegen, was sie nun von Timos halten wollte und ob sie ihm verzieh. Seinem kleinen Bruder verzieh sie noch nicht so leicht, der hatte schließlich nicht die Wahrheit über sie gesagt und sie damit doppelt beleidigt. Auch wenn sie es sehr gut kannte, wie es war, wenn einem etwas rausrutschte. Aber erstmal einen Schritt nach dem anderen. Jetzt waren wieder kleine Schritte zu gehen, da konnte Axilla dann eines nach dem anderen entscheiden.
    Also nickte sie nach kurzem Grübeln Penelope zu und ließ ihre Füße wieder auf den Boden. Sie wartete noch, bis sämtliche Hände entfernt waren, und stand dann auf. Sie straffte die Schultern, wenn sie auch sonst noch nicht ganz stolz wieder dastand. Aber zumindest war sie kein Häuflein Elend mehr. Viel ging ihr im Kopf herum, über das sie auch erst einmal nachdenken musste. Und so folgte sie der Griechin schweigsam.

  • Penelope ging neben der unsicher wirkenden Axilla her und führte sie in Anthis Zimmer. Da wusste sie jetzt nach dem Aufstehen, wo was stand und konnte der Rhomäerin zur Hand gehen. Zumindest soweit ihr Rücken das zuließ. Und die Brüder konnten jetzt erstmal miteinander reden, denn so wie die drei dreinschauten, gab es wohl ein bisschen Gesprächsbedarf.
    Im Vorbeigehen lächelte sie Ánthimos einmal zu. Später würde er es wieder gutmachen, hatte er gesagt. Na, da war sie aber mal gespannt. Als Axilla nicht hersah, machte Penelope noch eine Geste. Sie hielt ihre Hand etwa auf Augenhöhe und ruckte sie dann in zwei Schritten herunter, erst auf Kinnhöhe, dann auf Brusthöhe. Sie hoffte, die drei verstanden. Sie wollte jetzt nicht die Türe schließen und hinter sich Geschrei hören. Das Mädchen war vermutlich so schon verwirrt genug, und die Wände waren so dick nun auch wieder nicht. Hoffentlich waren die drei nun ruhig genug, normal zu reden, und machten es Penelope dadurch etwas leichter.
    Sie bemerkte noch einen Topf und etwas Gemüse in der Ecke liegen, bevor sie mit Axilla im Zimmer verschwunden war. Mit drei Männern im Haus musste man vermutlich etwas mehr putzen als bei nur einem.

  • Sobald die Tür geschlossen war setzte sich Anthi zu seinen Brüdern. Er schaute sie kritisch an, und fing an den Kopf zu schütteln.


    "Sagt mal, wie geht ihr denn mit dem armen Mädchen um? Ihr habt ja so ein Feingefühl bei Frauen wie Herakles beim Häkeln. So kann man vielleicht mit einer lupa umgehen, wenn überhaupt. Ich muss mich für euch schämen und bin froh dass Mutter das nicht mehr erleben muss. So etwas hat sie uns sicher nicht gelehrt und wäre darüber sicher zutiefst enttäuscht was für grobe Tölpel sie offenbar großgezogen hat..." Meinte er bitter.

  • Timos verengte die Augen zu dünnen schlitzen und antwortete mit ruhiger aber belegter Stimme:
    "Nun hör mir mal genau zu Ánthimos.


    Wäre ich ein schlechter Mensch, so hätte ich sie abgefüllt, im kapeleion mit ihr geschlafen und hätte sie dann sturztrunken und auf Opium dort liegen gelassen." Er machte eine Pause, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schaute seinen Bruder dann ernst an.


    "Das habe ich aber nicht. Ich mag Axilla sehr und würde nicht zulassen, dass ihr Leid angetan wird. Was gestern Nacht zwischen uns passiert ist, geschah in unser beider Einverständnis. Sie ist keine Lupa, dass das mal klar ist!"
    Er hatte seine Linke unter dem Tisch zur Faust geballt und wollte gerade noch etwas bissiges hinzufügen, als die Erinnerung an seine Mutter ihn überkam. Seine Augen wurden feucht.


    "Sprich nicht so über unsere Mutter!" forderte er mit bebender Stimme. "Ich habe Axilla nichts angetan, was ich bereuen würde."
    Sein Blick war nun starr auf die Wand gerichtet, als er leise hinzufügte:
    "Ich schäme mich einzig für meine grässlichen Worte..."

  • "Also. ich bin mir sicher, das Mutter sich schämen wurde. Und mir geht es nicht darum, was du mit ihr gemacht hast, wobei ich mich schon wundern muss, dass unser Familienoberhaupt nicht weiter denkt als eine junge Dame und sich und somit uns alle in Schwierigkeiten bringt. Ihre Familie ist reich und mächtig, aber auch das ist es nicht, was mich so ärgert." Meinte er verächtlich.


    "Aber was ihr beide da eben abgezogen hat, spottet jeder Beschreibung. Das arme Mädchen wacht auf, ist verwirrt, hat keine richtige Kleidung und als sie aus dem Zimmer kommt, wird sie von euch beiden Holzköpfen aufs tiefste gedemütigt und beleidigt. Könnt ihr euch vorstellen, wie das arme Ding sich jetzt fühlen muss? Es hat mich gewundert, dass sie nicht gleich zusammengebrochen ist."


    Er erhob sich, sammelte den Kopf und das Gemüse ein und stellte alles auf den Tisch. "Da, jetzt machen wir aber erstmal was zu Essen. Ich möchte nicht, dass man uns auch noch mangelnde Gastfreundschaft nachsagt."

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