Subura | Licht und Schatten, Luxus und Elend: jede Stadt hat zwei Seiten

  • Weit, weit Weg von den Märkten führte Hannibal die rothaarige Keltin und Sklavin des claudischen Haushaltes. Zielstrebig hatte er auf eine Straße zugehalten und war durch das Viertel vom Aventin geschlendert. Eine Zeit lang hatte man den Tiber sehen können, der sich zwischen Insulae und verwinkelten Gassenlabyrinthen hindurch schlängelte. Doch die wirklich tiefen Anteile des Aventin, wo es durchaus schon schlimm zugehen konnte, die hatte Hannibal gemieden. Denn im Aventin hatte er immer noch den ein oder anderen Kontrahenten, dem er zufällig auf der Straße begegnen konnte. Und darauf war Hannibal an jenem Tag nicht sonderlich aus. An schönen Stadthäusern und noch hübschen Gartenanlagen lief Hannibal vorbei. Und auf der Höhe noch mit einem Ausblick auf die vielen Dächer. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Das Gesicht entspannt und mit einem freundlichen Ausdruck belegt. "Rom ist schön und prächtig." , meinte Hannibal mit einem Seitenblick zu Fiona. Nachdenklich betrachtete Hannibal die Sklavin. Wahrscheinlich hatte sie bisher nur die Villen gesehen, in denen Epicharis verkehrte. Dann noch die Märkte, in denen die Waren wie aus einem Füllhorn des Reichtums hervor quollen. Aber Rom kennen gelernt, das hatte die Sklavin bestimmt noch nicht. Eigentlich die Tempel im Sinne, änderte Hannibal seinen Plan. Schlendernd, aber erneut zielstrebig, hielt er auf das Kolosseum zu.


    Dem flavischen Theater, das zwischen einigen anderen Bauten hervor ragte, warf Hannibal nur einen schnellen Blick zu und strebte in der Straße weiter. Auf ein Viertel zu, in dem Hannibal lange gelebt hat. Ein Viertel, was eine Zeit lang einen wichtigen Schatz beherbergte und in dem er diesen auch verlor. Sein Gesicht wurde etwas verschlossener als er die ersten Bauten sah, die ihm doch so sehr bekannt waren. Eine große Hauptstraße schritt Hannibal entlang ehe er mit Fiona sich in eine Seitengasse schlug. Und es war als ob die Nacht auf den Tag folgte, Schatten dem Licht, denn der Prunk und die edlen Häuser waren hier nicht mehr zu sehen. Eng gebaute Insulae, schmutzige Straßen, die Gerüche von Müll, Fäkalien und Mensch und Tier stiegen in die Nase, zudem von den zahlreichen Handwerkerwerkstätten, die es auch hier gab, vom Gerber in Tiberrichtung bis zum Färber mit den riesigen und intensiv riechenden Bottichen, in denen sie die Tücher tauchten. Einige Hühner flatterten auf, eine Ratte wurde von einem Mahl verscheucht und sie huschte in eine Lücke zwischen den Mauern.


    Hannibal sah an einer Insulae hinauf. "Rom ist nicht überall schön. Komm'. Hier im Viertel sollte man nicht zu lange verweilen. Das ist die Subura." Ein Viertel, was für die Betuchten schön verrucht war. In dem sie sich manchmal schlichen, um sich zu vergnügen. Aber es war nun mal auch ein Viertel, was für viele Menschen bittere Realität war. Wie am Aventin in den Elendsvierteln. Die Augen einer rundlichen Frau in einer einfachen, knie langen Tunika verfolgte die Beiden. Ein mageres Kind lehnte gegen eine schmutzig graue Wand und kaute auf einem Zweig herum. Einige Männer, die aussahen als ob sie die harte Arbeit gewöhnt waren, schritten an Hannibal vorbei. Ohne ihn zu beachten. In einer Nebenstraße lag ein Mann, von dem der Dunst des Weines säuerlich bis zu Hannibal zu riechen war. "Rom ist nicht überall schön!" , wiederholte Hannibal. "Die meisten Römer leben schlimmer als wir es tun." Zynisch hob sich ein Mundwinkel von Hannibal. Er beneidete nicht den im Suff liegenden Mann, aber viele hier um die Möglichkeit zu Wählen, gleichwohl ihre Wahl auch begrenzt war. "Dafür umso lebendiger als manch eine Villa in Rom."

  • Fiona folgte dem flavischen Sklaven, der offensichtlich genau wußte, wohin er sie führen wollte. Dies war nicht der Weg, den sie sonst immer nahm, wenn sie Besorgungen zu machen hatte.
    Vorerst führte ihr Weg an schönen Stadthäusern und Gärten vorbei. Das war das Rom, welches Fiona in all der Zeit kennen gelernt hatte. Sie mochte es sogar, denn besonders die Gärten fand sie sehr schön. Fiona konnte Hannibal nur zustimmen. Ja, Rom war schön und prächtig. Die gewaltigen Bauten waren schon sehr beeindruckend, besonders das riesengroße Kollosseum, auf das sie nun zusteuerten. Sie folgte ihm weiter und genoß diesen überaus schönen Stadtrundgang. Doch alsbald schlug Hannibal in eine Seitengasse ein. Alles war plötzlich vollkommen anders. Es war, als seien sie in einer ganz anderen Stadt angekommen. Hier war nichts vom Glanz und der Schönheit Roms zu sehen. Hier standen sie Häuser eng aneinander, der Dreck lag auf den Straßen und es stank erbärmlich nach allerlei Unrat.
    In solch einer heruntergekommenen Gegend war sie nur einmal in all der Zeit gekommen, seitdem sie in Rom war. Damals, in den ersten Monaten ihrer Gefangenschaft, hatte sie und einige andere Sklaven ein Gift für Deandra besorgen müssen. Mit niemandem sollte sie darüber sprechen. Daran hielt sie sich auch jetzt. Damals waren sie allerdings bei Nacht losgezogen. Nun war es helllichter Tag und selbst wenn es die gleiche Gegend von damals gewesen wäre, hätte sie sie nicht wieder erkannt.
    Fiona blieb angewidert stehen, als sie eine Ratte sah. Sie mochte die kleinen Nager nicht. Auch jetzt mußte sie Hannibal zustimmen. Dieser Teil Roms gehörte nicht zu den Plätzen, an denen sie sich gerne aufhalten wollte. Sie sah sich die Menschen an, die ihr hier begegneten und allmählich begriff sie auch, was Hannibal ihr damit sagen wollte und weswegen er sie hierher geführt hatte. "Ja Hannibal, unser Leben ist im Vergleich zu diesen Menschen viel besser und ich wollte nicht hier leben müssen. Das kannst du mir glauben. Aber ich wollte auch nicht, daß man mich nach Rom bringt. Ich wollte nicht, daß man meine Familie tötet und mein Haus niederbrennt. Ich möchte wieder das haben, was man mir genommen hat. Verstehst du das? Es war Unrecht, was man mir angetan hat und das kann ich nicht vergessen."

  • Irgendwo über ihnen klapperten hölzerne Fensterläden und nur einige Schritte neben ihnen wurde ein Nachttopf vom obersten Geschoss auf die Straße entleert. Hannibal machte einige Schritte zur Seite und betrachtete nachdenklich das Gesicht der Keltin. Er nickte langsam. "Natürlich verstehe ich das. Du hast auch jedes Recht so zu empfinden. Die Römer sind im Krieg natürlich kein freundlicher Feind, der die Feinde verschont. Aber ich kenne kein Volk, das keine Sklaven nimmt, wo es in Krieg und Besatzung durch zieht!" Aber nur zu Demonstrationszwecken, wie gut es ihnen im Grunde in der Villa ging, hatte Hannibal Fiona nicht in die Subura geführt. Ein Viertel, was er verachtete. Aber gleichzeitig auch mochte. Einige Freunde hatte er hier, die in dem Stadtviertel lebten und arbeiteten. Und er mochte sie immer noch. Mit all ihren Eigenheiten und Fehlern. "Aber Du hast Recht, Fiona. Und ich wünsche Dir, dass Du eines Tages wieder in Deine Heimat zurück kehren kannst." Was Hannibal auch meinte. Er mochte die Keltin jetzt schon. Sie hatte etwas ehrliches und auch mutiges an sich, was ihm gefiel. Einen weiten Bogen um den Abfall machend, ging Hannibal langsam weiter und bis zu einem herunter gekommenen Haus in der Subura.


    Aber, werter Leser, wahrscheinlich ist dem einen oder anderen jenes Haus noch durchaus bekannt. Wir möchten die kurze Beschreibung von vor längerer Zeit in Erinnerung rufen:
    Die schwarzen und leeren Fensterhöhlen der heruntergekommenen Insula, mitten in der Subura, starrten jeden vorbeikommenden Passanten wie mit finsteren Augen an. Gedrungen und geduckt wirkte das baufällige Gebäude wie eine Raubkatze. Doch die Blumentöpfe auf einem der oberen Fensterbretter durchbrach diese bedrohliche Stimmung wieder. Auch die buntgefärbten Gewänder, die daneben leicht im lauen Wind flatterten und von der Sonne langsam getrocknet wurden, verrieten die Insula nicht als ein kleines Verbrecherhauptquartier. Doch das war es! Hier traf sich so manch eine zwielichtige Gestalt, Hochstapler, Mörder und Halunke. Um genau zu sein, eigentlich trafen sich hier nur eine kleine Gruppe, die schon den ein oder anderen Clou zusammen getätigt hatten, den ein oder anderen Römer hereingelegt oder die Freiheiten des Gesetzes sehr stark gebogen und oftmals gebrochen hatten.


    Damals Hauptquartier einer kleinen Verbrechergruppe und Ausgangspunkt von einigen Streifzügen, schien das Haus heute doch freundlicher zu sein. Irgendjemand hatte sich erbarmt, die Fassade mit roter Farbe anzumalen. Mehr schlecht, als Recht, und noch mehr Blumen hängen in den Fensterlöchern und nahmen ein wenig von der sonst bedrohlichen Ausstrahlung des Hauses. Die guten, alten Zeiten dieses Hauses schienen ein wenig vorbei zu sein. "Ein Freund von mir wohnt hier!", erklärte Hannibal und trat zu der hölzernen Tür. Er klopfte drei Mal kräftig, einmal kurz und dann sachte. Schritte erklangen und die Tür wurde aufgemacht. Eine wohlbeleibte Frau mit einem Tuch auf dem Kopf sah zu Hannibal und Fiona. "Verschwindet, Pack...! Hier wird sowas nicht mehr getrieben...neein, was sehen meine alten Augen! Hannibal! Dich gibt es ja noch! Junge, Du bist noch dürrer geworden als früher!" Sie pickste mit ihrem Finger in Hannibals Schulter und lächelte breit. Dann sah sie zu Fiona. "Salve, junge Frau. Ich bin Fabula. Wie ist denn Dein Name, Kindchen? Aber kommt, tretet ein, tretet ein. Ich habe gerade einen Kuchen gebacken. Apfelkuchen!" Hannibal lächelte leicht und trat in den herunter gekommenen Gang hinein, der vom Geruch nach gebackenem Apfel durchströmt war. "Ist Decius zuhause?" "Sicher, Hannibal, sicher! Ist das Deine Freundin? Ehefrau? Schön ist sie, Hannibal, da hast Du ja endlich mal eine gute Partie gemacht!" Sie lächelte auch Fiona zu. "Auf den musst Du aber aufpassen, Liebchen. Der ist nicht gerade einer der guten Jungs! Jaja...treibt sich zuviel rum und dreht wohl immer noch zu viele krumme Dinger! Tsts! Aber kommt doch!" Leise vor sich hin glucksend marschierte Fabula voran. Hannibal beugte sich zu Fiona. "Entschuldige bitte, Fabula ist immer ein wenig eigen!"

  • Fiona ließ sich nicht von den Geräuschen ihrer Umgebung ablenken. Der Blick war fest auf Hannibal gerichtet, der sie nachdenklich an sah. Er stimmte ihr zum einem zu, mit dem was sie gesagt hatte, gab aber auch zu bedenken, daß es Sklaven in jedem Volk gab. Sie nickte. "Ja, das stimmt. Auch wir kennen die Sklaverei und es sind zumeist die Bauern, die unfrei sind." Ihre eigene Familie war im Besitz solcher Sklaven gewesen. "Sie leben mit uns, arbeiten mit uns und essen mit uns." Ihrer Meinung nach, hatten es ihre Sklaven besser gehabt. Wobei sie sich früher, bevor sie selbst dieses Schicksal erlitten hatte, nur sehr selten Gedanken darüber gemacht hatte. Seine Wünsche bauten sie aber wieder auf und gerade seit dem Treffen mit dem Alten hatte sie wieder neue Hoffnung geschöpft. "Danke! Ja, das wünsche ich mir auch." Sie konnte wieder etwas lächeln.


    Immer tiefer gingen sie hinein in dieses Viertel. Eines wußte Fiona, wenn sie Hannibal nun verlieren würde, dann wäre auch sie verloren. Allein fand sie bestimmt nicht mehr zurück. Erstaunt blickte sie auf, als Hannibal stehen blieb und ihr verkündete, einer seiner Freude würde hier wohnen. Er schritt auf eine Tür zu und klopfte an. Fiona blieb einige Schritte hinter ihm zurück und wartete erst einmal ab, was passierte. Ihr war bei der ganzen Sache nicht wohl. Hier in diesem Viertel, in dem alles so fremd für sie war, fühlte sie sich nicht wirklich wohl.
    Kaum hatte Hannibal geklopft, schon öffnete sich die Tür und eine recht korpulente Frau trat heraus, die sie sofort fürchterlich zu beschimpfen begann. Aber dann erkannte sie Hannibal und sofort verschwand der Ärger aus ihrer Stimme. Sie lächelte und stellte sich vor. "Salve Fabula. Ich bin Fiona," antwortete sie schüchtern. Sie folgte Hannibal ins Innere des Hauses, in dem es verführerisch nach Apfelkuchen roch. Fabula begann gleich, sie ausufragen und Fiona wurde mit jeder Frage verlegener, mußte aber schließlich auch lachen, als Hannibal ihr eröffnete, Fabula sei immer ein wenig eigen. "Nein, nein, wir haben uns erst kennengelernt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden," antwortete sie schließlich, meinte es aber nicht ernst, mit dem was sie sagte.

  • Leise ächzten die Bohlen des Fussbodens unter Hannibals Füßen, als er Fabula in den düsteren und herunter gekommenen Gang folgte, der doch herrlich mit dem Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen gefüllt war. Aber Hannibal machte sich nicht viel aus süßen Speisen. Überhaupt war er eher ein Mensch, der aß, wenn er Hunger hatte und dabei keinen großen Wert darauf legte, ob das zu sich genommene auch kulinarisch deliziös war. Freundlichen Gesichtsausdrucks sah Hannibal zurück und knüpfte an dem Gespräch ihres Weges an. "Dennoch sind sie Sklaven, Fiona. Es gibt viele Sklaven hier in Rom, die genauso leben. Sie arbeiten und essen mit ihren Herrn, denn es sind bei weitem die Wenigsten dazu in der Lage, eigene Sklaventrakte zu stellen. Und Unfreiheit sind immer Ketten, die einen zwingen zu bleiben. Selbst wenn die einen es wollen, die Anderen aber nicht." Aber das war nun mal Realität. Und für Hannibal nie anders gewesen. "Vielleicht wird sich das alles eines Tages mal ändern." Was Hannibal nicht glaubte. Es würde immer die geben, die herrschten und die, die dienen mussten.


    Fabula derweil trat in einen großen Raum, der zwar liebevoll von ihr eingerichtet war, aber dennoch eher von bescheidener Art war. Einige bunte Tonperlen hingen an langen Lederbändern vor den Fenstern. Die Möbel waren aus dunklem und altem Holz, wirkten jedoch wie ein wahlloses Sammelsurium, da sie auch Stück für Stück von Fabula und Titus 'erworben' waren. An einem runden Tisch saß ein rundlicher Mann, mit Halbglatze und einem Doppelkinn, der gierig auf einen runden und dampfenden Apfelkuchen sah. "Sieh' mal, wer sich an die Tür verirrt hat." Fabula trat an den Tisch heran und Titus sah auf. Seine Augen weiteten sich überrascht. "Wenn das nicht Hannibal ist. Aha, zeigst Dich auch mal wieder...aber wer ist denn Deine hübsche Begleiterin!" Titus lächelte sofort als er Fiona sah und erhob sich. Fabulas Augen verengten sich und sie funkelte ihren Mann wütend und eifersüchtig an. "Das ist Fiona. Sie ist mit Hannibal zusammen!" War die Behauptung von Fabula, ein drohender Unterton schwang dabei mit. Titus schluckte und sah nervös zu seiner Frau. "Freut mich, Dich kennen zu lernen, Fiona. Seid ihr wegen den Wetten hier? Kommt, setzt euch, es gibt gleich Kuchen...nicht wahr, Liebchen?" Fabula grummelte leise und holte zwei weitere Tonteller. "Ihr habt Glück, wenn der Kuchen nicht wäre, wäre ich schon längst aufgebrochen. In einer Stunde fängt es an." Erwartungsvoll sah er Hannibal und Fiona an. Fragenden Ausdrucks nahm Hannibal Platz.

  • "Ja, das sind sie," mußte Fiona schließlich zugeben. Sie hatte niemals zuvor die Sklaven in ihrer Heimat mit denen verglichen, die es hier in Rom gab. Für sie waren das immer zwei Paar Schuhe gewesen. Aber wahrscheinlich nur deswegen, weil sie es früher aus einer anderen Perspektive betrachtet hatte. Nun war selbst in dieser, ihrer Ansicht nach, mißlichen Lage. Es war ihr bewußt, daß es sie jede Zeit hätte schlimmer treffen können. Trotzdem wehrte sich alles in ihr, jemals dieses Schicksal voll akzeptieren zu können. "Ja, vielleicht wird sich eines Tages etwas ändern." Sie lächelte etwas melancholisch, da sie doch genau wußte, daß sich niemals etwas ändern würde. Und falls doch, dann erst in vielen, vielen Jahren, wenn Fiona längst nicht mehr war.


    Derweil war sie auch kurz nach Fabula in den größeren Wohnraum eingetreten und sah sich erwartungsvoll um. Eigentlich mußten sie nur dem herrlichen Duft des Apfelkuchens folgen, der sie zielsicher dorthin führte. Sicher, dieser Raum konnte bei weitem nicht mit den feinen Zimmern und Sälen der Villa Claudia mithalten, doch sie fand ihn auf seine Weise ganz gemütlich. Ihr Blick fiel unweigerlich auf den kompakten Mann mit der Halbglatze, der am Tisch saß und förmlich den Kuchen hypnotisierte. Der Mann sah seinerseits auch auf, begrüßte Hannibal und erhob sich schließlich, als er Fiona sah. Fabula ließ es sich nicht nehmen, sie vorzustellen. Dadurch errötete etwas doch dann lächelte freundlich. Es gefiel ihr, wie freundlich man sie hier aufnahm und wehrte sich auch nicht gegen die Behauptung, sie sei mit Hannibal zusammen, obwohl sie ihn doch erst an diesem Tag kennengelernt hatte. Fiona kam der Aufforderung nach und nahm Platz. Verwundert sah sie zu Hannibal. "Wetten? Welche Wetten?" Sie verstand jetzt gar nichts mehr und wußte nicht, was sie sagen sollte. Verwirrt verfolgte sie Fabula, die noch zwei weitere Teller herbeiholte, um diese vor Fiona und Hannibal auf dem Tisch abzustellen. Wieder traf ihr fragender Blick den flavischen Sklaven. Der verführerische Duft des Apfelkuchens konnte sie im Augenblick gar nicht locken. Zuerst wollte sie Klarheit über den Sinn und Zweck ihres Besuches erfahren und was noch wichtiger war, was hatte es mit diesen Wetten auf sich! Von Hannibal erhoffte sie sich einige Antworten auf ihrer Frage.

  • Verschwörerisch beugte sich Decius vor und er lächelte vergnügt. "Wetten? Nun, eben Wetten...Du weißt schon, bei Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen, Hahnenkämpfe, solche Sachen halt. Ich bin nämlich ins ehrliche Geschäft eingestiegen." Decius nickte kräftig, wobei sich sein Doppelkinn etwas selbstständig machte und in die andere Richtung wackelte. "Ich war früher nämlich mal, wenn Hannibal Dir das noch nicht erzählt hat, ein...hm...wie würde ich das nennen..." Während Decius noch überlegte, warf Fabula mit säuerlicher Miene ein. "Trickbetrüger, sag es doch ruhig, mein Lieber. Und mit welchen Gestalten Du Dich da herum getrieben hast...nichts gegen Dich Hannibal...aber übles Gesock war das. Abschaum der Subura." Fabula nickte energisch und begann auch Fiona und Hannibal Kuchen aufzuschneiden und auf Teller zu legen. Mit einem freundlichen Lächeln schob sie Fiona das noch warme und duftende Stück entgegen.


    Decius schüttelte verärgert den Kopf. "Unsinn, meine Liebe, alles Männer mit einem Ehrenkodex. Mit anderen habe ich nie zusammengearbeitet. Nein." Er sah wieder zu Fiona und begann von dem Kuchen zu essen. "Also...*mampf*...ich...*schluckt* ...bin nun ins Wettgeschäft eingestiegen, die Verdienste da sind doch deutlich einträglicher und...ähm...sagen wir mal sicherer." Ein empörtes Schnauben von seiner Frau ignorierte er. "Und heute ist doch die Endrunde des Rattenbeißens. Ich dachte, ihr seid deswegen gekommen...etwa nicht?" Er sah fragend von Hannibal zu Fiona. Hannibal schüttelte den Kopf und betrachtete den Kuchen. Er mochte Süßigkeiten nicht sonderlich und tat nur der Höflichkeit wegen einen Bißen. "Aber egal...ihr müsst unbedingt mitkommen. Das wird ein Spaß werden und die Quoten stehen recht günstig für mich." Mit einer Handbewegung wischte er jegliche Einwände vom Tisch, noch ehe sie geäußert werden konnten. "Na, Fiona, was sagst Du? Kommst Du auch mit? Eine Glücksnymphe könnte ich noch gut gebrauchen." Oh! Decius' Augen weiteten sich, er hatte sich in seinem Vergnügen verplappert. Besorgt sah er zu seiner Frau auf, die ihn mit tödlichen Blicken strafte.

  • Fabulas Mann, dessen Namen sie noch nicht in Erfahrung bringen konnte, versuchte Fiona zu erklären, was es mit diesen Wetten auf sich hatte. Er machte dabei einen recht zwilichtigen Eindruck. Besonders als er erwähnte, er würde sich nun eher den ehrlichen Geschäften widmen und seine Frau ihm ins Wort fiel und meinte, er wäre einmal ein Trickbetrüger gewesen, wurde es Fiona heiß und kalt zugleich. Wo war sie hier bloß hingeraten? Was hatte das alles mit Hannibal zu tun? Sie wollte auf gar keinen Fall in irgendetwas hineingezogen werden. Sie wußte, wie so etwas lief. Sie waren schließlich Sklaven! Am Ende würde man sie für etwas beschuldigen, was sie gar nicht getan hatten.
    Fabula machte ja den Eindruck, eine herzensgute Frau zu sein. Aber ihr Mann schien es faustdick hinter den Ohren zu haben. Dieser begann nun gierig den Kuchen in sich hineinzuschaufeln, während er weiter erzählte. Fabula hatte ihnen beide auch einen Teller mit der Leckerei bereitet. Fiona allerdings kämpfte mit sich. Doch dann aß sie doch ein wenig davon. Der Apfelkuchen war einfach herrlich! Schade nur, daß sie ihn nicht richtig genießen konnte. Aber das ließ sie sich nicht anmerken. Sie nickte Fabula anerkennend zu, als sie in ein weiteres Stückchen ihres Kuchenstücks biß.
    Im Laufe seiner Erzählung, erfuhr sie, daß heute Rattenbeißen anstand. Alleine schon der Gedanke an die widerlichen Nager, ließ Fiona erschaudern. Ekelnd verzog sie ihr Gesicht und sah Hilfe suchend, fast schon bittend zu Hannibal, als wolle sie sagen, sag, dass das nicht wahr ist, bitte! Die Sklavin atmete erleichtert auf, als Hannibal mit dem Kopf schüttelte. Der Mann allerdings, ließ das nicht gelten und redete weiter auf sie ein. Als er schließlich Fiona fragte, ob sie nicht mitkommen wollte, schüttelte sie ebenfalls mit dem Kopf.
    "Oh, das klingt ja alles sehr verlockend, aber ich fürchte, so lange können Hannibal und ich nicht bleiben! Nicht wahr, Hannibal?" Sie sah den Sklaven mit einem bestimmten Blick an und hoffte, er würde ihr zustimmen. Wenn die beiden so lange weg blieben, dann war das sicher nicht gut. Ihr Verschwinden würde früher oder später bemerkt werden.

  • Finster war der Blick der eifersüchtigen Ehefrau, flehend und schmeichlerisch der von Decius und ein wenig gequält von Hannibal, Fiona bekam auch prompt ein schiefes Lächeln von ihm zu sehen als sie zu ihm blickte. Er zuckte leicht mit der Schulter. Gut, er war es gewöhnt. Dieses Milieu und wunderte sich schon seit langem über gar nichts mehr in der Subura. Das Rattenbeissen hatte Hannibal schon einige Male erlebt, es war immer wieder eine recht kurzweilige Unterhaltung, die die Menschen in diesem Viertel dann boten, sowohl mit der Veranstaltung an sich, dann aber auch der kindlichen Freude bis hin zu dem verbissenen Kampfwettgeist, der sie beherrschte. Doch ein Blick auf Fiona genügte, damit Hannibal weiss, dass das wohl nichts für die Sklavin war. Darum nickte er bei ihren Worten. "Das tut mir leid, Decius, aber wir müssen bald wieder zurück." Decius zog eine verstimmte Schnute und brummte leise etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Während wiederum Fabulas Augen den feindseligen Ausdruck verloren und ihre frühere 'Herzlichkeit' zurück kehrte. "Na, das macht doch nichts!" Das versicherte die Frau anstelle ihres Mannes. "Aber ich bin eigentlich wegen etwas anderem hier, Decius, hast Du vielleicht einen Moment?" Decius zögerte, nickte dann schließlich. "Wenn Du uns ganz kurz entschuldigst?" Hannibal lächelte zu Fiona und erhob sich. Beide Männer verschwanden. Fabula legte den Lappen weg, mit dem sie eben noch einen Teller geputzt hat und nahm am Tisch Platz. Lächelnd und mit unverhohlener Neugier sah die Römerin die keltische Sklavin an. Man sah ihr an, dass sie aus allen Nähten platzte, vor ungestellter Fragen. Doch es dauerte gar nicht mal so lange, da kehrten die beiden Männer zurück. Hannibal trug etwas in seinen Händen, was in Leinen eingepackt war. "Wir können gehen, Fiona. Damit wir nicht am Ende noch von den Vigilen gesucht werden." Hannibal klopfte Decius kurz auf die Schulter. "Ich danke Dir, Decius." Der nickte und lächelte noch mal Fiona freundlich zu, was bei Fabula wieder einen düsteren Blick erntete.


    Decius geleitete beide trotz der unsichtbaren Blitze aus den Ehefrauaugen bis zur Tür. "Vale, Fiona, mögen die Götter mit Dir sein.", verabschiedete sich Decius von der Keltin und wandte sich Hannibal zu. "Bis demnächst. Und übrigens, Hannibal, Du solltest was gegen die Gerüchte tun. Das tut Deinem Ruf gar nicht gut." Verwirrt runzelte Hannibal die Stirn. "Gerüchte?" Decius sah zu Fiona und räusperte sich verlegen. "Du weisst schon. Das wegen den [SIZE=7]Kleidern[/SIZE]." Die Irritation war noch kurz bei Hannibal zu sehen, wich dann jedoch einer erstaunten Verlegenheit. "Ah. Ja, das. Ja, danke, Decius. Vale." Jetzt hatte Hannibal es wohl eilig, hinaus zu kommen. Er trat über die Stufen hinunter auf die Strasse und an die frische Luft. Wenn man die Luft in der Subura frisch nennen konnte. Hannibals Nasenflügel erbebten als er die Luft in sich hinein sog. Er schlenderte die Strasse entlang. Wieder in die Richtung, die sie zu dem Park und somit den Herrschaften führen würde. "Ich habe etwas für Dich, Fiona. Decius ist in vielerlei Hinsicht begabt, auch an außergewöhnliche Gegenstände zu kommen. Vielleicht sagt Dir das hier etwas?" Hannibal wickelte den Gegenstand aus und reichte Fiona eine Statuette. Sie war etwas höher als eine Männerhand, aus einem dunklen Stein gemeisselt und von eher filigraner Natur. Eine ernst schauende Frau stellte sie dar. Sie trug einen Helm, Speer, Schild und Rüstung. Liebevoll war die Statue bemalt, sogar die Augen waren in einer bläulichen Färbung dar gestellt. Keltische Symbole waren in den Sockel gekratzt, die jedoch schon verblasst waren. Als ob oft Fingerspitzen über den Namen gerieben haben. Man konnte lediglich ein B R (Lücke) G A (Lücke) T (Lücke) A erkennen. "Kommt das aus Deinem Land?"

  • Fionas Erleichterung war wohl nicht zu übersehen. Sie war noch einmal diesem grässlichen Rattenbeißen entgangen, vor dem sie sich so ekelte. Obwohl sie nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatte, konnte sie doch getrost darauf verzichten. Ihre Abscheu, diesen Nagern gegenüber war einfach zu stark. Zu ihrer Freude lenkte dann auch noch Decius´ Frau ein, was die Sklavin doch sehr beruhigte, denn sie fand die beiden eigentlich ganz nett.
    Hannibals Worten folgend, machte sie sich bereit zum Gehen. Für nichts in der Welt wollte sie zu spät kommen und dadurch Epicharis beunruhigen. Doch der Sklave erbat sich noch einen Moment, um das zu erledigen, weswegen er eigentlich gekommen war, was immer das auch war. "Ja, natürlich! So viel Zeit werden wir noch haben!", erwiderte sie lächelnd.
    Er verschwand mit Decius und ließ Fiona bei Fabubla zurück. Sie setzte sich zu ihr an den Tisch, während Fiona ihrem Begleiter noch nach sah und sich unweigerlich fragte, um welche geheime Sache es denn dabei ging. Eine Antwort darauf bekam sie nicht. Selbst Fabula blieb schweigend bei ihr sitzen und musterte sie nur. Ein Königreich für ihre Gedanken! Fiona lächelte verlegen. Sie wußte nur eins, sobald sie dieses Haus verlassen hatten, gab es eine ganze Liste mit Fragen, die sie Hannibal stellen wollte.


    Es dauerte nicht lange, bis die beiden Männer zurückkamen. Natürlich entdeckte sie sofort das Päckchen, das Hannibal bei sich trug. Sie erhob sich, erwiderte das Nicken des Römers. Dann wandte sie sich noch einmal zu Fabula, bevor sie ging. Ihr finsterer Blick war unübersehbar. Trotzdem bedankte Fiona sich bei ihr. "Vielen Dank für den leckeren Kuchen!" Dann folgte sie Hannibal und Decius zur Tür. Sie verstand nicht, worüber Decius mit Hannibal sprach, als er sie hinaus ließ. Das war alles sehr mysteriös, dieser Besuch, das Päckchen und nun ..diese Gerüchte, von denen Decius gesprochen hatte.


    Sie nahmen den gleichen Weg wieder zurück, den sie gekommen waren. Eine Weile ging sie schweigend neben ihm her, krampfhaft überlegend, wie sie ihm ihre Fragen stellen könnte, die ihr auf der Zunge lagen. Doch bevor sie etwas sagen konnte, begann Hannibal. Als ob die offenen Fragen, die sie beschäftigte nicht schon ausreichend waren, gesellte sich nun noch eine weitere dazu. Sie sah überrascht auf das Päckche, das Hannibal nun aufzuwickeln begann. Eine Statuette kam zum Vorschein. Das Bildnis einer Frau in Rüstung mit Speer und Helm. Keine Frage, dieses Abbild der Göttin kam ihr bekannt vor. Es war eines von unzähligen, die es besonders oft in ihrer Heimat gegeben hatte. Hierzulande hatte sie Brigantias Bildnis noch nicht gesehen. Der römische Einfluß auf denjenigen, der diese Statuette erschaffen hatte, war unverkennbar, obschon der Künstler seine keltischen Wurzeln nicht verleugnete. Doch wäre es ein rein keltisches Kultobjekt gewesen, hätte er sich die lateinischen Lettern gespart, die zum Teil noch am Sockel noch erkennbar gewesen waren. "Ja, ich denke schon! Das ist die Göttin Brigantia. Sie wird besonders von einem Stamm im Norden verehrt, den Brigantes, aber natürlich auch von uns. Die Römer haben.. Sag mal, woher hast du das eigentlich und was sollte das gerade eben? Ich meine, was wolltest du von den beiden? Ich verstehe überhaupt nichts mehr! Du solltest mir jetzt mal einiges erklären!" Fiona blieb stehen und wartete auf eine Erklärung.

  • Einige Kinder spielten mit kirschgroßen Tonmurmeln, die sie über die Pflastersteine springen ließen und in einer Mulde am Rand versenken wollten, darin lag eine große, rot bemalte Tonmurmel, die alle Kinder zu treffen versuchten, um all die anderen Tonkleinode, die für die Kinder von großem Wert waren, zu gewinnen. Nur mit einem Blick streifte Hannibal all die Kinder und dachte für einen Moment daran, wie wohl die Zukunft von den Jungen und Mädchen aussehen würde. Würden sie eines Tages vielleicht als Soldaten dienen, weil man dort ein gutes Auskommen hatten? Endeten manche von ihnen als Wäscherinnen oder in den Färbegassen, aus den es immer intensiv nach der Färberei roch? Womöglich würde das eine oder andere Kind auch niemals die erwachsenen Jahre erleben. Hannibal schüttelte über den Gedanken den Kopf und sah wieder zu der Keltin. Fragen über Fragen schossen aus ihrem Mund und er war etwas überrascht über ihre Verwunderung ihres Ausfluges wegen. Hatte sie nur die Tempel oder irgendwelche pompösen Plätze sehen wollen? Dafür musste sie nur der Herrschaft hinter her laufen, diese bevorzugten eher die strahlenden Seiten der Stadt. Doch noch ehe er selber auf die Fragen antwortete, konterte er mit einer Eigenen. Wenn auch der harmlosen Sorte. "Hat die Göttin eine große Bedeutung in Deinem Land?"


    Hannibal blieb auch stehen, da Fiona wohl danach verlangte. Eine Murmel kullerte über den Boden, viel zu weit an der Mulde vorbei, und stieß gegen sein Schuhwerk. Sie war blau angemalt, aber an vielen Stellen schien schon der braungebrannte Ton hervor. Hannibal bückte sich und hob die kleine Murmel auf. Drehte sie dabei in zwischen seinen Fingern hin und her. Er zuckte mit der Schulter. Was sollte er da schon groß erklären? "Die Statue ist von Decius, er hat sie gekauft von einem... nun... hm..." Sollte er sagen, dass es sehr wahrscheinlich Diebesgut war? Lieber nicht, Fiona schien jetzt schon irritiert zu sein. "... Zwischenhändler. Decius hat einige Bereiche, womit er sein Auskommen verdient. Neben den Wetten." Fiona war ja nicht auf den Kopf gefallen, im Gegenteil. Sie schien ihm recht clever zu sein. Vielleicht würde sie auch selber zu den richtigen Schlüssen kommen. "Ich habe einige Zeit lang in diesem Viertel gelebt. In der Subura. Ich mag es irgendwie. Hier lebt zwar auch sehr viel Abschaum, aber auch viele Leute, denen man die Sympathie kaum entziehen kann. Aber sie sind ein eigenes Völkchen, das selten Aussenseiter an sich heran lässt. Vielleicht habe ich Dich deswegen mitgenommen. Die normalen Menschen der Stadt lernt man nicht so einfach kennen, wenn man nicht schon einen Fuss in ihrer Haustür hat."


    Ein Junge kam heran gerannt und starrte wortlos zu Hannibal hoch. Der reichte die Murmel an ihn weiter und sah noch zu, wie er wieder zu den Anderen stieß, ehe er sich abermals Fiona zu wandte. "Ich wollte Dir ein bisschen die Stadt zeigen, jene Seiten, die Du mit Sicherheit als Sklavin einer Patrizierin nicht so einfach kennen lernen wirst." Hannibal zuckte mit der Schulter. Er sah schon ein, dass es vielleicht keine so gute Idee gewesen war, dabei hatte er die Keltin doch anders eingeschätzt. Aber Hannibal war schon immer eher schlecht in seiner Menschenkenntnis gewesen, was oft in einem Fiasko geendet hat. Einen Daumen in den Ledergürtel verhakt, schlenderte Hannibal nun weiter, vorbei an den schäbigen Insulae und auf eine der großen Hauptstrassen zu, die sie wieder zurück zum Park führen würde. "Sollen wir zurück kehren?"

  • Die Keltin bewegte sich keinen Schritt mehr weiter. Auch Hannibal blieb zwangsläufig stehen. Für einen Moment schweifte ihr Blick zu den spielenden Kindern hinüber, die ganz hingebungsvoll in ihrem Murmelspiel vertieft waren. Wie sehr sich doch die Kinderspiele glichen, dachte Fiona. Eine der Murmeln rollte auf Hannibal zu und traf einen seiner Schuhe. Er hob sie auf und behielt sie.
    Statt einiger plausibler Antworten, auf die Fiona förmlich brannte, erntete sie nur eine Gegenfrage, die Göttin betreffend. "Wie bitte? Die Göttin, ach ja. Sie hat eine große Bedeutung für uns ja, nicht nur für die Brigantes im Norden. Mein Vater sagte immer, die große Boudicca sei der Göttin sehr ähnlich gewesen, obwohl sie eine Dienerin Andrastes war. Aber warum willst du das wissen?" Das ganze wurde immer verworrener. Zuerst hatte sie ja geglaubt, Hannibal wollte ihr nur einmal die Schattenseiten der Stadt aufzeigen und ihr damit sagen, daß es in Rom auch ganz normale Menschen gab, die fernab der großen begüterten Stadtvillen lebten.
    Endlich begann Hannibal zu reden und was er sagte, versetzte Fiona noch mehr ins grübeln. Zwischenhändler, ha! Fiona konnte sich gut vorstellen, was für eine Art Zwischenhändler das war! Die Keltin kam zum Schluß, daß dieser Decius einfach nur ein Gauner war, der sich zusätzlich mit krummen Geschäften über Wasser hielt.


    "Du hast einmal in der Suburba gelebt? Zusammen mit deinem Herrn?" Fiona konnte das kaum glauben. Dieser Flavier würde sich doch niemals herablassen und in einer solch schäbigen Gegend wohnen! Oder gab es da noch ein weiteres Geheimnis in Hannibals früherem Leben?
    Als der Sklave ihr schließlich den Sinn und Zweck ihres Besuches darlegte, fühlte sie sich mit einem Mal doch ziemlich schlecht, weil sie so mißtrauisch gegenüber Hannibal gewesen war
    "Ja, das habe ich mir schon gedacht! Ich fand es auch sehr aufschlußreich. Mit Epicharis wäre ich hier wahrscheinlich niemals hin gekommen." Sie lächelte wieder versöhnlich und war dem Sklaven auf eine Weise dankbar, daß er sie hatte diese Seite der Stadt sehen lassen.
    Nachdem sie diese andere Seite Roms zurückgelassen hatten und eine größere Straße erreicht hatten, sah sich Fiona noch einmal um. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie damals hier gelandet wäre, als Sklavin eines einfachen Händlers, Wirts oder Handwerkers, der in der Suburba lebte und arbeitete?
    Hannibals Frage kam unvermittelt. Natürlich mußten sie zurück, aber ob sie es wollten war eine andere Frage. "Ich weiß nicht…, eigentlich..., hätten wir noch etwas Zeit?"

  • Manchesmal in der Subura wurde ihm eine dubiose Aura nachgesagt, womöglich lag es daran, dass ihm die Leute eher misstrauten. Hannibal zuckte mit der Schulter. " Na, vielleicht möchtest Du die Statue behalten. Als Erinnerung an Deine Heimat." Was vielleicht dann doch keine so gute Idee war, aber Hannibal hatte die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen gerne an vertrauten Dingen fest hielten. Und was war dem am Nächsten als die eigene Religion? Als römischer Sklave und unfrei geboren war das für Hannibal anders. Der Cultus sah nichts für Sklaven vor, scherte sich nicht um den Besitz der Römer. Und Hannibal konnte sich weder den germanischen, dakischen, keltischen oder anderen Sklaven aus der Fremde in ihrem Glauben anschließen. Von je her waren er und die Sklaven seiner Linie davon mehr abgeschottet gewesen, mal von denen abgesehen, die zu ihren Eltern Kontakt hatten, die das frische Blut in die Linie geschwemmt hatten. Aber Hannibal hatte seine Mutter nie kennen gelernt. Hannibal trat etwas unruhig von einem Bein auf das Andere und war nicht unfroh, dass Fiona weiter ihrer Neugier freien Lauf ließ. Und ihn so von unliebsamen Gedanken ablenkte. Hannibal schüttelte den Kopf. " Nein, nicht mit meinem Herrn. Aber die Subura ist nicht zu verachten. Iulius Caesar, der Göttliche, hat schließlich hier gelebt."


    Langsam setzte Hannibal den Weg fort, weg von den spielenden Kindern. " Ich bin damals in einige Schwierigkeiten gekommen und bin abgetaucht, um die Flavier nicht damit zu belasten. Damals war noch Sica der Verwalter der Flavier, nicht Sciurus. Sciurus war Sicas Speichellecker. Diese widerliche kleine Ratte." Hannibal verzog das Gesicht. Oh, wie er Sciurus hasste. Besonders seitdem er das Vorbild von Dido war umso mehr. Er seufzte leise. " Sica wirst Du nicht mehr kennen lernen. Er ist bei Flavius Felix vor einigen Monaten verstorben. In der Zeit habe ich einige Monate in der Subura gelebt und dort gearbeitet, während mein Herr in Germanien und dann in Mantua in der Legion gedient hat." Während Hannibal darüber redete, befand er, dass es damals keine schlechte Zeit gewesen war. Er war so frei gewesen wie noch nie in seinem Leben. Was jetzt wohl wieder vorbei war. Es sei denn, seine Hoffnung würde sich noch wahr machen. Ahnte er doch nicht, wie bald sich das zerschlagen würde. Zerstreut sah er auf als er die Frage von Fiona vernahm. " Hm...ich weiß es nicht." , meinte er. " Es kommt natürlich darauf an, wie lange sie noch turteln. Die Beiden." Noch strahlte die Sonne, noch war das Wetter mild. " Was würdest Du denn noch gerne sehen wollen von Rom?"

  • "Du meinst, ich kann sie wirklich behalten?" Fiona sah sich noch einmal das Abbild der Göttin an. Wenn sie nicht das Gefühl beschlichen hätte, daß die Statuette gestohlen war, hätte sie sie ohne weiteres behalten. Aber vielleicht machte sie sich einfach wieder, wie zu oft, unnötige Gedanken. Schließlich sah sie ihn lächelnd an und bedankte sich für das Geschenk.


    Fiona fiel die Unruhe auf, die von Hannibal ausging. Etwas mußte ihm unangenehm sein. Vielleicht waren es Fionas Fragen, die kein Ende nehmen wollten. Sie hörte ihm aufmerksam zu, als er begann ihre Frage zu beantworten. Er hatte hier ohne seinen Herrn gelebt? Wie war das nur möglich? Die Antwort darauf folgte sogleich. Sie staunte nicht schlecht, was sie da zu hören bekam. Er war in Schwierigkeiten geraten und mußte abtauchen? Das war ja interessant! Sie hätte gerne mehr darüber gehört, zweifelte aber mittlerweile an sich, ob sie ihn weiterhin ausfragen sollte. Es war ihm scheinbar schon unangenehm genug. Schließlich war sie für ihn eine Fremde, vor der er gerade sein halbes Leben ausbreitete. "Aha, verstehe! Und da konntest du einfach so hier leben?" Sie verstand gar nichts und hätte ihn liebend gerne noch weiter ausgequetscht. Aber sie ließ es, vorerst jedenfalls. Manchmal neigten die Menschen ja dazu, von sich aus zu erzählen, wenn es ihnen Erleichterung verschaffte.


    Hannibal stand ihrem Vorschlag, die Stadt noch etwas zu erkunden, noch unschlüssig entgegen. "Also, wenn ich meinen Liebsten nach so langer Zeit wieder sehe, von dem ich zeitweise sogar geglaubt hatte, er sei Tod, dann könnte die Zeit, in der ich mit ihm allein sein kann, nicht lange genug sein!" Das sagte sie mit voller Überzeugung und hoffte insgeheim, auch ihren Liebsten bald wieder zu sehen, um ihn endlich in ihre Arme zu schließen.
    "Der Fluß! Ich würde gerne einmal zum Fluß gehen. Da war ich noch nie!"

  • Zustimmend nickte Hannibal. Die Statue war nun schon lange im Besitz von Decius gewesen, sie würde bestimmt nicht mehr vermisst werden. Und wirklich Käufer für solche Kultgegenstände von "barbarischen" Völkern gab es in Rom nun mal nicht. Ausser Sammlern exotischer Gegenstände, die es natürlich auch in Rom, oder gerade dort, gab. Einen Daumen im Gürtel verhakt wanderte Hannibal langsam weiter durch die Straßen. Die Grenzlinien der Viertel waren in Rom fließend, es gab kein Stein, an dem es hiess 'Subuara-Ende: Hier fängt wieder das sichere und saubere Leben von Rom an', auch kein rabiater Wechsel von den ärmlichen Insulae zu wohlhabenden und prunkvollen Häusern. Einem Fremden wäre es nicht aufgefallen, dass sie schon das Viertel verliessen und sich langsam dem großen Kolosseum näherten. Hannibal wusste natürlich, wo die Subura anfing und wo sie aufhörte. Früher kannte er zudem noch die feinen Grenzen innerhalb des Viertels, die von unterschiedlichen Leuten oder Banden beherrscht wurden. Selbst wenn die Zustände heutzutage ganz anders waren als noch im 1. Jahrhundert vor Christus und bevor Augustus in Rom 'aufräumte'. "Ja, es ist jetzt schon ein paar Monate her. Ich habe hier auch gearbeitet. " In einem Lupanar, aber das behielt Hannibal doch vorerst für sich. "Man sieht einem Menschen ja nicht an, ob er eine Sklave ist oder nicht. Wenn er kein Brandmal oder Halsband trägt. " Was Hannibal nicht tat. " Eine saubere Tunika, ein anderer Name und schon kann man wie jeder Bürger in der Stadt leben. Wenn man keine Intention hat, zu wählen oder selber in solcher Hinsicht Karriere zu machen. "


    Es ging etwas bergab als sie auf einer Strasse entlang kam, die etwas überhalb des großen Kolosseumplatz lag und sich an dem monumentalen Bau vorbei schlängelte und auch in Richtung des Flusses führen würde. Ein melancholisches Lächeln trat auf sein Gesicht. Hannibal nickte. "Ja, das würde ich auch." Er dachte an die Frau, die ihm so viel bedeutet hatte und verschwunden war. Es war jetzt viele, viele Monate her und der Schmerz war mit der Zeit dumpf geworden. Dennoch ließ es Hannibal nicht kalt. Besonders, weil es eine Ungewissheit war, die ihn plagte. Er wusste nicht, ob sie tot war oder ihn verlassen hatte. Ohne ein Wort zu sagen. " Der Fluss? Zu dem Lebensodem des großen, göttlichen Tiber? Meinetwegen. " Sie waren eh schon auf halbem Weg dorthin, weswegen Hannibal jetzt in eine Gasse einschlug. Hinter dem flavischen Theater, wo auch an diesem Tage einiges an Trubel war. Fliegende Händler, die, obwohl doch kein Spieletag war, dennoch kleine Holzscheiben mit den Idolen der Massen verkaufte. Gladiatoren, die schon viele Kämpfe und die Herzen des Publikums gewonnen hatten. Auch lagen entlang der Gasse einige Gladiatorenschulen, die sich rund um das Theater tummelten, um gleich an der Quelle zu sitzen. Es war dann durchaus noch ein Stück zu laufen, ein Stück vorbei am Circus Maximus und dann schließlich kamen sie zu dem träge sich dahin wälzenden Tiber, nicht weit von der Tiberinsel entfernt, auf dem sich der große Heiltempel und auch noch einige andere Bauten erhoben. Die Sonne glitzerte schmeichlerisch auf der Oberfläche und obwohl der Tiber sonst eher schmutzig braun wirkte, erschien er am heutigen Tage sogar recht lieblich. " Das ist er. Der gute alte Tiber. "

  • So einfach war es also, sich dem Sklavenleben zu entziehen und dabei nicht einmal die Stadt verlassen müssen, dachte sich Fiona. Was aber, wenn man beides haben wollte, frei sein und an den Ort zurück kehren, an dem man den Liebsten zurückgelassen hatte, nach den man sich sehnte? Das war weitaus schwieriger, als in der Suburba unterzutauchen. Fiona hatte auch nicht den Mut dazu, Hannibal frei heraus danach zu fragen. Sie kannte ihn ja kaum und außerdem, wer wusste, vielleicht würde sich alles von selbst lösen. So wie sie Epicharis einschätzte, würde diese keine Minute zögern, sie gehen zu lassen, wenn sie ihr alles erzählte. Da war sich die Sklavin relativ sicher.


    Freudig lächelte sie, als Hannibal sich damit einverstanden fand, zum Fluß zu gehen. Leichtfüßig folgte sie dem Sklaven auf dem Weg durch die Stadt, der sie schließlich zum Tiber führen sollte, dem Lebensquell dieser Stadt. Fiona staunte nicht schlecht. Die meisten dieser Bauwerke, an denen sie vorüber gingen, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Und doch war es der Fluß gewesen, zudem sie unbedingt gehen wollte, nicht die großartigen Gebäude, mit den klangvollen Namen und den prächtigen Säulen.
    Endlich lag er vor ihnen! Der Fluß, der von manchen bösen Zungen schlichtweg auch als stinkendes Drecksloch bezeichnet wurde, was aber der Realität nicht wirklich entsprach. Unweit von der Stelle, an der sie zum Ufer traten, konnte man eine Insel in der Mitte des Flusses erkennen, die mit Häusern bebaut war. "Oh, wie schön!" rief Fiona aus, als sie das glitzernde Wasser erblickte. Sie trat ganz nah an das Ufer heran und betrachtete das silbrig glitzernde fließende Wasser.
    "Der Fluß, er fließt ins Meer nicht wahr? Etwas weiter westlich." Sie erinnerte sich noch genau. Ein Jahr zuvor hatte sie eine claudische Dame nach Ostia begleitet. Von der Straße aus hatte sie einige Male den Fluß sehen können, bis er sich bei Ostia schließlich ins Meer ergoß.
    "Warst du schon mal am Meer, Hannibal? Ich meine, so richtig! Bist du schon einmal im Meer geschwommen?"Ein wenig erinnerte sie der Fluß an ihre Heimat. An ihrem Dorf floß ein kleines Flüßchen vorbei, welches einige mille passus südlich ins Meer mündete. Früher war sie dort mit ihren Brüdern zum schwimmen und auch später mit dem Mann, den sie liebte. Dort hatten sie manchmal stundenlang nur da gesessen und den Wellen zugesehen.

  • Träge und mächtig strömte das Wasser in langen Windungen durch die große Hauptstadt. Das Wasser drängte sich dabei am Ufer vorbei, schwabte in kleinen, wenn auch nicht sehr mächtigen Wellen am Rande entlang. Hannibal blieb am Ufer stehen und betrachtete all die Wirbel, die sich auf der Oberfläche des Wassers bildeten. Eine Lerche erhob sich trillernd von einem Baum und schwebte in den blauen Himmel empor. Schwalben jagten über den Fluß hinweg. Ein alter Fischer stakte mit seinem Ruder den Fluss hinauf, ein langes und altes Netz hinter sich her ziehend. Die Fische aus dem Tiber wurden auch gegessen. Manche schworen auf gerade die Fische, die sich am Ausgang der Cloaca Maxima tummelten. Angeblich sollten sie die Fettesten von allen sein. Das Wasser wirkte auf Hannibal beruhigend. Seine Augen glitten über die Oberfläche des Flusses hinweg und er beobachtete eine Weile lang den einsamen Fischer, der sich mit seinem mageren Fang abplagte. "Ja, da hast Du Recht, Fiona, nicht weit von hier. Erstaunlich ist es schon.", meinte Hannibal. "Der Fluß entspringt als kleine Quelle und wird dann zu diesem mächtigen Strom, um sich dann mit den großen Meeren zu vereinigen."


    Hannibal sah von dem Fluss zu Fiona und nickte. "Ich war oft am und im Meer. In Baiae. Mein Herr wuchs dort in der flavischen Villa auf und ich mit ihm zusammen. Ehrlich gesagt, war ich zu oft im Meer." Hannibal grinste verhalten, wenn nicht sogar etwas gequält. "Mein Herr liebte es, sein kleines Segelboot, kaum grösser als das von dem Fischer dort draussen, zu befahren. Und ich musste immer mit." Dabei war Hannibal ganz und gar nicht seefest und ein Tölpel, wenn es um die Seefahrt ging. Wie oft war er im Wasser gelandet, weil er es von der Planke noch nicht mal auf das Boot geschafft hatte? "Und Du, Fiona? Kommst Du vom Meer im Norden? Dort, wo es riesige Meeresungetüme geben soll und Meerschlangen?"

  • Gebannt starrte Fiona auf die Szenerie, die sich vor ihr darbot. Wasser hatte schon von jeher eine anziehende Wirkung auf sie gehabt. Vielleicht weil sie damit viele schöne Kindheitserinnerungen verband. Sehr oft war sie mit ihren Brüdern am Ufer des Usk zum Spielen gewesen. Manchmal hatten sie sich auch davon geschlichen, um bis zur Mündung des Flusses ins Meer zu reiten. Meistens hatten sie danach Ärger mit ihrer Mutter bekommen, die dies für zu gefährlich hielt. Ihr Vater hatte das immer etwas gelassener gesehen, weswegen sie ihn auch immer etwas mehr gemocht hatte.
    Oh, ja sie liebte das Meer! Auch später noch, als sie zu einer jungen Frau herangewachsen war, liebte sie es, endlose Spaziergänge am Strand zu machen. Am liebsten tat sie das mit…
    "Owen.", sagte sie plötzlich ganz geistesabwesend. Die Nachricht, ihr Geliebter könne noch am Leben sein, ließ sie einfach nicht los. Ihr Blick fiel unweigerlich auf Hannibal. Sie errötete vor Scham, da sie sich ertappt gefühlt hatte, doch glücklicherweise schien er dies zu übersehen, als er zu sprechen begann.
    "Du warst zu oft im Meer? Ich hätte nicht genug davon haben können!" Sie grinste ebenfalls. "Dort wo ich herkomme fließ ein Fluß nahe an unserem Dorf vorbei, der dann etwas südlicher ins Meer mündest. Ich war oft dort, als Kind und auch später. Allerdings Seeungetüme uns Seeschlangen habe ich nie dort gesehen. Ich kenne auch niemanden, der so etwas jemals bei uns gesehen hätte." Woher nur immer diese seltsamen Geschichten stammten, fragte sich Fiona. Doch eine noch ganz andere Frage stellte sich ihr. "Sag mal, kann man auch mit einem solchen Segelboot weit übers Meer fahren? Bis nach Britannia, vielleicht"

  • Träge entspannt im warmen Sonnenlicht, lehnte sich Hannibal gegen einen Baum, der am Rande des Ufers wuchs. Er riss einen Zweig herunter und begann, um seine Hände zu beschäftigen, die Blätter vom feinen Zweig abzureissen. Mit Nadia war er vor langer Zeit auch mal an den Fluss gegangen. Es war eigentlich ihre erste Begegnung gewesen. Ein sehr seltsamer Tag, wenn er sich daran zurück entsann. Melancholie füllte den Ausdruck seiner braunen Augen als er auf das Wasser sah. Schnell kämpfte er die Erinnerung herunter. Es würde nur wie oft in den letzten Monaten enden. Er würde zu tief in eine Weinamphore schauen und am nächsten Morgen nicht mehr wissen, was er noch in der Nacht zuvor getrieben hatte. Etwas, was er sich nun nicht mehr so einfach leisten konnte. Owen? Verdutzt sah Hannibal auf. War das ein Name oder ein Wort in der Sprache der Keltin? Auf jeden Fall hatte die Sklavin die Gedankenströme von Hannibal zerrissen. Und sie in gesündere Gefilde wieder gelenkt, die mehr mit Neugier und Interesse gefüllt waren, statt Depressionen und finstere Gedanken. "Nun, ich kann nicht sonderlich gut schwimmen und werde sofort seekrank. Ich brauche nur die Wellen am Meer zu lange anschaun, dann ist es um mich geschehen. Selbst der Geruch löst schon Würgegefühle in mir aus. " Die letzte Seereise war auch ein Graus gewesen. Ein Doppelter, denn der Hohn von Sciurus war für ihn schon so genug, im seekranken Zustand war er einfach nur noch unerträglich. Selbst wenn es nur die kurze Reise nach Hispania gewesen war, um Minervina von dort nach Rom zu holen.


    Hannibal schwieg einen längeren Augenblick bei Fionas Frage und sah sie lange an. Dabei überdachte er auch ihre Fragen. "Mit einem kleinen Segelboot? Für einen unerfahrenen Segler denke ich, ist das so gut wie unmöglich. Nehmen wir mal an, Du schaffst es in keinen Sturm im Mittelmeer zu kommen. Wenn Du Hispania umrunden möchtest und in die nordischen Meere kommen willst, kommst Du an den Säulen des Herkules vorbei. Manche großen Handelsschiffe haben schon dort ihre Probleme. Dann die rauen Meere der hispanischen Westküste und schließlich die eiskalte See im Norden. Selbst wenn Du immer in Küstennähe segelst, halte ich das doch für sehr aussichtslos. Es wäre wohl besser, sich auf ein Handelsschiff zu begeben. Einen schnellen Segler im Winde. " Hannibal kannte sich aber nicht so gut mit der Seefahrt aus wie sein Herr. "Doch, ich würde eher ein Schiff von Ostia oder einem der südlicheren Häfen nehmen. Wenn man erst Mal auf einem Schiff ist, das womöglich sogar nach Britannia segelt, dann hat man schon bessere Chancen. Insbesondere, wenn niemand erfährt, dass man auf das Schiff gegangen ist. ", gab Hannibal sinnend von sich und betrachtete den einsamen Fischer auf dem Fluss. "Owen? Ist das ein Name? Für einen Gott? "

  • Fiona konnte Hannibals Aversion gegenüber dem Meer überhaupt nicht nachvollziehen. Es hatte schon immer ein Stückchen weit zu ihrem Leben gehört und sie sehnte sich so nach dem Tag, an dem sie wieder zu ihrer Küste zurückkehren konnte. Noch machte sie sich Hoffnungen, daß es nicht mehr allzu lange dauerte.


    Glücklicherweise ging Hannibal nicht näher auf den Namen ein, den so gedankenlos ausgesprochen hatte. Vielleicht konnte er damit ja auch gar nichts anfangen, hielt ihn sogar für einen Ausdruck aus Fionas Sprache. Stattdessen berichtete er ihr , wie man mit einem Schiff oder einem Boot von hier fort kam. Was er aber zu sagen wußte, war mehr als enttäuschend. Auf eigene Faust mit einem Segelboot nach Britannia zu kommen, war so gut wie ausgeschlossen. Außerdem war sie mit Booten unerfahren. Es gab nur eine Möglichkeit, ein Handelsschiff. Dann warmanaber wieder auf anderer Leute Wohlwollenangewiesen. Wenn man erst Mal auf einem Schiff ist, das womöglich sogar nach Britannia segelt, dann hat man schon bessere Chancen. Insbesondere, wenn niemand erfährt, daß man auf das Schiff gegangen ist, hatte Hannibal gesagt. Diese Worte hallten ihr noch nach. Das klang fast so, als würde er ihr zutrauen, fliehen zu wollen. Und nicht genug! Letztendlich erkundigte er sich doch noch nach der Bedeutung von Owen.
    "Nein, kein Gott. Owen war… ist der Mann, den ich liebe und dem ich versprochen habe, seine Frau zu werden. Erst kürzlich habe ich erfahren, daß er lebt." Fiona lächelte, doch der fahle Nachgeschmack ihrer Situation zwang sie dazu, wieder eine sorgenvolle Miene aufzulegen.
    "Ich glaube, wir sollten langsam wieder den Rückweg antreten, ehe man uns vermißt." Es war besser, sich nicht zu lange solchen gefährlichen Gedanken hinzugeben. Fionas Zuversicht kehrte wieder zurück. Alles würde so werden, wie sie es sich erhoffte. Ganz bestimmt!

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