Selig glitt ich auf einem weichen Blütenblatt von zartem Rosa durch eine Nacht, in der alle Katzen sandfarben waren. Gelegentlich kitzelte mich golden klingelnder Blütenstaub in der Nase - was aber nicht weiter verwunderlich war, da ich an vielerlei Blüten unterschiedlichster Rosétöne vorbeiflog. Pastell bis pink und sogar violett, drehten sich die Blüten um mein rosarotes Bett-Mobil, welches, wie ich selbst, im herrlichesten Schweinchenrosa gehalten war, das man sich nur erträumen konnte. Am Horizont zeigte sich bereits, wie konnte es auch anders sein, ein schmaler, hellrosafarbener Streifen. Gerade rauschte ich an Kirsch- und Mandelblüten vorbei - oder sie an mir? - als das Mobil in rasanter Fahrt plötzlich vor einem Lebkuchenhaus innehielt, das zuvor noch nicht dagewesen war. Verwundert stieg ich aus, betrachtete die violetten Schindeln und den herrlichen, prächtigen Garten. Zwei kleine Mädchen mit Bienenflügelchen hielten sich an den Händchen und drehten sich im Kreis , wobei sie auf seltsam vereinnehmende Art einem Singsang gleich etwas von einer wilden Rose sangen. Ich ließ von den Mädchen ab und wandte mich dem Haus zu, wo mir ein zuvorkommender Gracchus mit kleinen Blümchen auf der toga öffnete und mir heiser erklärte: "'s 'st mi' 'ne F.. Fr'de, d'h zu d'schn." Ein wenig verwirrt nahm ich diese Begrüßung zur Kenntnis, ebenso wie den Nektar, der sich nun aus einer Gießkanne über mein Haupt ergoss - ich hätte schwören können, sie war zuvor noch nicht da! Gracchus lächelte ein wenig verklärt und tänzelte zurück, um mich einzulassen, und während ich mich beständig um die Achse drehte, konnte ich dennoch nicht alles erfassen, was ich dort sah. Sämtliche Möblierung schien aus Rosenblättern zu bestehen. Tische, Stühle, Bänke, sogar der Springbrunnen, der in den Rosenmosaikboden eingelassen war und aus dem sich in einem fort Blütenblätter ergossen. "W'r w'rtn sch'n s' l'ng' 'uf d'n ei'n'n M'm'nt", erklärte mir Gracchus selig lächelnd und trippelte um mich herum, gefolgt von einem Schwarm von Schmetterlingen, die sich am Nektar seiner toga laben wollten. Plötzlich war alles in ein gleißend pinkfarbenes Licht getaucht, und da stand sie, Celerosa, in hochhackigen calcei und mit einer violetten Peitsche in der Hand, an deren anderem Ende sich eine monströse Plüschkatze befand. "Sag Saba zu mir", donnerte Celerosa und schleuderte mir die Katze entgegen. Ich wollte ein wenig zurückweichen, doch hinter mir war plötzlich kein freier Raum mehr. Er war es - der rosarote Parther! Kriegsveteran der Feinde, gekleidet in ein knapp sitzendes, militärisches...Etwas aus Sparta und mit unverwechselbarer lilafarbener Haarmähne auf dem Kopf. Sogar sein Schnäuzer war von dieser Farbe. "Ein wenig Tod zum Abendbrot?" fragte er mich unschuldig lächelnd und bot mir einen schmalen Dolch auf einem Silbertablett an, das er mir in den Rücken rammte. Ich duckte mich weg und versuchte zur Seite zu springen, doch aus den unzähligen Blütenblättern hatten sich Gestalten gebildet, die sich in die Riemchen meiner Sandalen krallten und mich an Ort und Stelle hielten. Celerosa schlich nun näher heran und strich mir schnurrend um die Beine, ihr rosaroter Parther katzbuckelte seitlich meines Gesichtsfeldes und Gracchus' rechter Mundwinkel zeigte eine der so seltenen marginalen Zuckungen. "Maaaarcus....Marcusmarcusmaaaarcussss...." schnurrte Celerosa. Ich wollte nur noch zurück zum Bett-Mobil, fort von dort, weg vom Schreck, raus aus dem Haus...
cubiculum MAC | Der rosarote Parther
- Marcus Aurelius Corvinus
- Geschlossen
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Die letzten Tage waren seltsam gewesen. Siv hatte irgendwie das Gefühl gehabt, dass Corvinus und sie wie auf Zehenspitzen umeinander herumgeschlichen wären. Nachdem sie aufgewacht war, in seinem Bett, am nächsten Morgen, hatten sie wenig gesprochen. Und seitdem… Siv wusste nicht, was los war. Das Gespräch hatte etwas gelöst, in ihr zumindest, aber trotzdem schien nichts klar zu sein, für ihn zumindest nicht. Dass er ihr auswich, war deutlich – sie bekam nun nicht mehr die schwierigsten und ungeliebtesten Arbeiten ab, Brix hatte ihr am nächsten Tag gesagt, dass das vorbei wäre, aber Corvinus hatte bisher auch nicht nach ihr rufen lassen, und er vermied es, sie allein anzutreffen. Die Germanin war sich unsicher, was das bedeutete. Ob in ihm doch der Zweifel zu stark war, all das, was er vorgebracht hatte an dem Abend. Und so ging sie ihm zwar nicht wirklich aus dem Weg, aber sie legte es auch nicht darauf an, ihm über den Weg zu laufen oder ihn gar allein anzutreffen. Sie schimpfte sich einen Feigling, aber sie traute sich nicht. Und doch, auch wenn sie Angst vor dem hatte, was sie bei einem neuerlichen Gespräch vielleicht zu hören bekam, wurde die Sehnsucht nach ihm immer größer.
Diesen Morgen war sie früh aufgewacht, weit früher als gewöhnlich. Sie konnte sich nicht daran erinnern, was sie geweckt oder was sie geträumt hatte, aber sie spürte das inzwischen vertraute Ziehen in der Brust, wünschte sich, ihn neben sich liegen zu haben. Ihn einfach nur ansehen, das würde ihr schon reichen. Noch halb im Schlaf gefangen, stand Siv auf und suchte sich im ersten Licht des beginnenden Tages ihren Weg, hinaus aus der Schlafunterkunft, durch die Gänge, zu Corvinus’ Cubiculum. Er schlief noch. Sicherlich schlief er noch. Und sie konnte wieder weg sein, bevor er aufwachte. Oder behaupten, sie wäre gekommen um ihn zu wecken, und dann verschwinden, wollte sie doch nichts provozieren, kein Gespräch, in dem er ihr sagte, wovor sie sich fürchtete. Leise öffnete sie die Tür und schlüpfte zu ihm hinein, zog die Vorhänge einen Spalt auf, um genügend Licht zu haben, und setzte sich dann ans Fußende des Bettes. Sie lehnte sich an das Holz, zog die Beine hoch, umschlang ihre Knie mit ihren Armen und legte ihr Kinn darauf. Sie bemerkte nicht, dass sein Schlaf unruhig war, dass sich seine Augen unter geschlossenen Lidern bewegten und sein Atem etwas schneller ging. Zu versunken war sie in den Anblick. Und so saß sie da, betrachtete einfach nur die ihr so vertrauten Gesichtszüge, und achtete weder auf die Zeit noch auf sonstige Zeichen.
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Und plötzlich war sie da, die Hilfe, die nahende Rettung. Ein aschfahles Gesicht mit hohen Wangenknochen und nur einem winzigen Hauch Rosa auf der blassen Haut, dafür aber mit einer Vielzahl ein Hüftpölsterchen, die allesamt wie eine Nummer zu groß erscheinen und die wie kleine Jo-Jos bei jeder Bewegung auf und ab schwabbelten. Unter den Arm geklemmt trug sie etwas, das aussah wie eine Bienenlarve, sich aber anhörte, wie das Kreischen einer Säge auf Metall, und die freie Hand streckte sie mir helfend entgegen. "Bei Iuno, komm mein Bienchen, komm zu deinem Blümchen", zirpte sie nymphenhaft. Ich ergriff ihre Hand, doch als ich das nächste Mal zu ihr aufsah, schien sie eine riesige Iuno zu sein, die mich mit vor Wut glühenden Augen anblickte. "Wenn Nutella das hier erfährt, du armseliger Wicht, dann wird sie Impotentia zu dir schicken!" Und Gracchus, der soeben beschwingt an Iunos Seite geschwebt war und ihr die Bienenlarve abgenommen hatte, pflichtete bedauernd den Kopf schüttelnd bei: "'nd d' h'lf'n d'r 'uch k'ne 'ust'rn!" Quälend langsam wandte ich mich zu Gracchus um. Wenn nicht einmal mehr Austern halfen... Ich war drauf und dran, Nutella anzuflehen, sie möge Iunos Zorn mildern. Celerosa hatte derweil inne gehalten und kraulte ihre Plüschkatze. "Du hättest besser noch mal ordentlich zugeggriffen!" höhnte sie, und der rosarote Parther nickte bestätigend und mit einem süffisant-mitleidigen Ausdruck au dem Gesicht. Das Lebkuchenhaus um uns herum war mittlerweile verschwunden. Es hatte sich in einen filigranen Wirbel aus tausendundeinem Rosenblütenblatt aufgelöst, und jener tobte nun um uns herum, zerrte an den Haaren und fauchte wie ein Orkan in unseren Ohren. Unter uns, über uns und um uns herum war nichts außer tiefschwarzer Schwärze. Einzig das Kreischen von Antonias Bienenlarvensäge übertönte das Heulen des Sturmes noch, bis plötzlich alles still war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Eine schmale Gestalt erschien, sie trug einen roten Schleier und sonst nichts. Es ging also wieder bergauf. Das Rot erschien mir wie der letzte Anker, ehe ich im Wahn verging. Langsam hob die Lichtgestalt den Schleier an. Übergroße Augen und ein winziger Mund wurden sichtbar. "Ich bin Animemanga", hallte es in meinem Kopf wider, ohne dass das Wesen gesprochen hätte. "Die Göttin der Heroen...." Ich wollte lachen, doch ich konnte es nicht. Bewegen konnte ich mich auch nicht mehr. Plötzlich ging das so zarte Wesen in garstigen roten Flammen auf. "UND IHR RUFT MICH WEGEN DEM DA?!" schnauzte es die anderen an. Dann, außer sich vor Wut, richtete sie ihren kleinen Finger auf mich. Ein greller, pinkfarbener Blitz zischte mir entgegen und-
Ich sog die Luft ein und fuhr aus dem Schlaf heraus in eine sitzende Position. Augenblicklich war ich hellwach. Vor mir saß eine Nymphe, das roséfarbene Licht des Tages umgab sie mit einer Aureole von gleißenden Rosablassblau. Selbst das Haar war von dieser Farbe. Mein Herz setzte kurzzeitig aus, ich war kreidebleich im Gesicht. Siv erkannte ich nicht. Ich zuckte merklich zurück, ein recht stattlicher Schrei entwich meiner Kehle, und meine Lungen konnten nicht schnell genug frische Luft pumpen. Die Götter waren gekommen, um über mich zu richten. Iuno und...Nutella und Impotentia? Ich stutzte, erkannte nun Siv, zitterte aber immer noch, als säße die Leibhaftige vor mir. In meinem Bett. Mit schreckensweiten Augen starrte ich Siv an, die Nachtmahr fiel nur langsam von mir ab. Es war so durcheinander gewesen und zugleich so real. Eine Hand hatte sich ins Laken gekrallt, entspannte sich aber langsam wieder. Ich starrte auf die Bettdecke hinunter. Ich war hier, zu Hause, Iuno war nicht hier, nur Siv. Und ihre tunica war von schlichtem Weiß. Panisch sah ich mich um. Nirgendwo war etwas Rosafarbenes zu entdecken...
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Siv musterte ihn nur. Es reichte ihr, im Moment, ihn einfach nur anzusehen. Ihre Augen waren offen, aber ihr Geist dämmerte wieder weg, verabschiedete sich in dieses seltsam graue Zwischenland, das nicht Schlaf war und nicht Wachsein. Als Corvinus aus dem Schlaf hochfuhr und sich mit einem Schlag kerzengerade hinsetzte, registrierte ihr träger Geist es erst Bruchteile von Augenblicken später – als Corvinus schon zu schreien begann. Siv, die immer noch nicht ganz da war, wurde durch diesen Schrei aus ihrem Zustand gerissen, und sie erschrak so sehr, dass sie ebenfalls schrie. Entsetzt starrte sie ihn an, hatte keine Ahnung, was los war. Gleichzeitig löste sich ihre zusammengekauerte Stellung, sie fuhr hoch und zurück, aber das Holzteil in ihrem Rücken war nicht sonderlich hoch, und so verlor sie den Halt – und polterte hinterrücks vom Bett.
Den Kopf zog sie noch rechtzeitig ein, aber sie knallte mit Schulter und Nacken auf den Boden. Dann folgte der Rest ihres Körpers in einer unfreiwilligen Rückwärtsrolle, ihre Beine schwebten für einen Moment in der Luft, bevor auch sie mitsamt dem Rest von ihr gen Boden segelten. "Oooouuuuuh!" Siv stöhnte und rieb sich kurioserweise den Schädel, den sie sich gar nicht angehauen hatte. "Hel und ihre Plagen, AU!" Fluchend blieb sie einen Augenblick liegen und versuchte zu lokalisieren, was ihr wo genau wie sehr weh tat, dann rollte sie sich stöhnend auf die Seite, langte mit einem Arm nach oben und zog sich an der Kante des Betts weit genug nach oben, dass ihr Kopf darüber hinaus ragte und sie Corvinus anfunkeln konnte. Dass er selbst kreidebleich war, dafür hatte sie im Moment keinen Blick übrig. "Was schreist du denn bitte so rum?!"
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Die Nymphe purzelte vom Bett. Ich realisierte nicht die Art des Falls, wohl aber den dumpfen Aufprall auf dem Boden. Hatte sie eben geschrieen? Warum hatte sie geschrieen? Zu komplexeren Gedanken war ich gegenwärtig nicht fähig. Zu schockiert war ich über den Traum. Und Gracchus... Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich damit diese unsinnigen Vorstellungen vertreiben. Germanisches Kauderwelsch erreichte mein Ohr, ein Fluch - Siv. Zum ersten Mal realisierte ich wirklich, dass sie hier war, in meinem Schlafgemach. Und um diese Uhrzeit. Automatisch sah ich zum Fenster, es war schon hell, aber eben noch nicht richtig. Dennoch, ich stand stets früh auf, längeres Schlafen erlaubte ich mir nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise nach einem Gelage oder einer Feier.
Da tauchte Sivs Kopf auf und sie fauchte mich an. Ich verstand, was sie mir sagen wollte, auch wenn ich mit einem Drittel der Worte nichts anfangen konnte, erst recht nicht um diese Uhrzeit. Aber zu einer schlichten Antwort war ich gerade nicht im Stande, ich starrte sie nur an, als sei sie ein Geist, und erst allmählich verschwand das Flackern aus meinem Blick und machte einer tiefgreifenden verwirrung Platz. Es mussten Ewigkeiten vergangen sein, in denen ich einfach nur stocksteif und zum Zerbersten angespannt dasaß und mich beruhigte. "Was...machst denn du hier?" war dann die erstbeste Frage, die mir einfiel und die ich mit belegter Stimme hervorstieß.
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Siv starrte ihn an und rieb sich inzwischen die schmerzende Schulter. Nun fiel ihr auf, dass er seltsam abwesend wirkte, und irgendwie schockiert. Es dauerte eine Weile, bis sein Blick endlich klar wurde – und in der Zwischenzeit war Siv aufgefallen, wo sie war. Und dass sie nicht wirklich eine Begründung für ihr Hiersein hatte. Es war noch früh, früher als normalerweise Sklaven hereinkamen und ihn aufweckten, wenn er denn noch schlief. Davon abgesehen war es immer noch nicht sie, die diese Aufgabe wieder übernommen hatte. Ihr Blick wurde unsicher, während sie ihn ansah, und sie überlegte, ob sie die Gelegenheit nutzen sollte, zu verschwinden so lange er noch nicht ganz wach war, augenscheinlich.
Die Gelegenheit verstrich ungenutzt. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob die Idee gut oder schlecht war, einfach zu gehen, denn immerhin hatte er sie ja gesehen, aber gerade, als sie beschloss es einfach zu tun, sprach er sie an. Siv erstarrte. "Ehmmm." Überlegte fieberhaft. "Äh. Ja. Also", stotterte sie weiter. Ihr wollte nichts einfallen, kein plausibler Grund, aus dem sie hier war, um diese Uhrzeit. Sie war einfach nicht gut im Lügen, selbst wenn es nur kleinere Schwindeleien waren. Und so sagte sie schließlich die Wahrheit, während sie immer noch am Boden saß, vor dem Fußende seines Betts. "Ich wollte… sehen. Dich sehen. Ehm. Ansehen."
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Ich war schweißnass. Vielleicht roch ich auch nach säuerlicher Angst, denn die hatte ich wahrhaftig gehabt. Obwohl ich am vorangegangenen Abend erst spät ins Bett gekommen war, merkte ich noch nicht, dass ich hundemüde war. Das würde erst später kommen, wenn der Schreck nachgelassen hatte. Vorerst also fühlte ich mich hellwach und fluchtbereit, zudem durcheinander, da Siv mich ansah. Welcher Art der unsichere Blick war, entging mit vollkommen. Ich hatte jetzt keinen Blick für solcherlei Kleinigkeiten. Ein einziger Gedanke füllte mein Denken aus. Ich musste Iuno opfern.
Siv stammelte sich derweil etwas zusammen. Ihre Aussage war bereits einige Sekunden lang verstrichen, bis ich realisierte, was genau sie gesagt hatte. Nun schoben sich diese Worte vor die Opfergedanken. Sie wollte mich ansehen? Ich blinzelte, barg das müde Gesicht dann kurz in meinen Händen und fuhr mir durch die Haare. Ich sollte ein wenig laufen, überlegte ich, und mich anschließend ordentlich waschen lassen. Matt lehnte ich wieder den Hinterkopf an die Wand, an die ich gelehnt saß. "Ansehen? Warum?" Sicher hatte sie nur wieder lateinische Ausdrücke verdreht und meinte etwas gänzlich anderes.
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Wieder dauerte es etwas, bis er überhaupt reagierte. Inzwischen ließ der dumpf pochende Schmerz in ihrem Nacken und in ihren Knien etwas nach, und Siv konnte sich mehr darauf konzentrieren, welchen Eindruck Corvinus machte – und es war nicht unbedingt ein guter. Er sah ganz so aus, als hätte er einen Alptraum gehabt. Ausgerechnet heute, wo sie hergekommen war. Und sie fand noch nicht einmal die Worte, um glaubwürdig erklären zu können, warum sie hier war – sie konnte noch nicht einmal die Wahrheit flüssig vorbringen. Siv fragte sich, was sie angestellt hatte, dass die Götter sie so straften.
"Ansehen, ja", wiederholte sie bestätigend. Warum? Wenn sie das nur wüsste… Als sie aufgewacht war, war sie ihrer ersten Eingebung gefolgt, ohne weiter nachzudenken, aber jetzt erschien es ihr nicht mehr als eine so gute Idee, sich in Corvinus’ Cubiculum geschlichen zu haben, einfach nur um ihn anzusehen. Siv räusperte sich verlegen. "Also… warum… weil, ja, weil ich… gewollt, das. Ich sehe dich, selten, und…" Sie räusperte sich erneut und tat dann das einzige, was ihr in dieser vertrackten Situation einfiel – sie wechselte abrupt das Thema und hoffte, er ließe sich ablenken. "Was ist los, mit dir? Du hast schlechte Traum, nein?"
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Das Licht der schwachen Sonne nahm allmählich zu. Siv musterte mich, was ich bemerkte, sah ich sie doch direkt an und suchte zu ergründen, was sie bewegte. Bei ihrer Antwort fiel mir unser Gespräch wieder ein, wie sie den komplizierteren Weg gewählt hatte und anschließend in meinem Arm eingeschlafen war. Ich konnte ihre Entscheidung nach wie vor nicht nachvollziehen, versuchte indes, die Frage nach dem Warum auszublenden, wann immer sie mir in den Sinn kam. Bisher hatte das dazu geführt, dass ich Siv mehr unbewusst als absichtlich umging, sah man von einigen wenigen Gegebenheiten ab, an denen wir uns wahrhaftig zufällig über den Weg gelaufen waren und uns kurz unterhalten hatten. Mehr war seit jenem Gespräch nicht passiert.
Siv stellte eine Frage in den Raum. Ich fragte mich derweil, ob sie schon öfter in mein Zimmer gekommen und mich beobachtet hatte, ohne dass ich es je gemerkt hätte. Neuerlich fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht und seufzte. "Ja. Ziemlich wirr..." Ich wollte jetzt nicht über diese seltsamen Träume reden, die ich hin und wieder hatte. Ich war mir sicher, dass an jenem lediglich Celerinas Arrangement Schuld war. Ich überlegte, ob ich Siv fragen sollte, wie oft sie das schon getan hatte und warum. Doch die Antwort darauf würde nur wieder aufwühlen, was ich zu vergessen suchte. So verstrich ein weiterer Moment der Stille, ehe ich zum Tisch hin deutete. "Kannst du mir einen Becher Wasser geben?"
Ich folgte ihren Bewegungen mit den Augen, wie sie aufstand, hinüberging und Wasser in einen Becher goss. Als sie wieder zurück kam, deutete ich auf eine unbestimmte Stelle auf dem Bett. "Setz dich." Den Becher leerte ich zur Hälfte, stellte ihn dann zu der Öllampe neben meinem Bett. "Wie geht es dir, Siv?"
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Siv atmete innerlich auf, als ihre zugegeben erbärmliche Ablenkungstaktik funktionierte. Warum sie das tat, warum Corvinus darauf einging, wollte die Germanin gar nicht wissen, Hauptsache er fragte nicht weiter. Irgendwie war alles… seltsam. Sie, für sich, wusste was sie empfand, was sie wollte, aber sie hatte derzeit nicht die geringste Ahnung, was er darüber dachte, und das machte alles… nun ja, seltsam. Und führte darüber hinaus dazu, dass sie sich unbeholfen fühlte, wenn er in ihrer Nähe war. Sie setzte schon dazu an, nachzufragen – oder womöglich einfach zu verkünden, dass sie jetzt gehen würde, so genau wusste sie das selbst noch nicht –, als Corvinus Wasser wollte, und Siv rappelte sich auf und brachte ihm etwas. Als Corvinus den Becher entgegen nahm, berührten sich ihre Finger kurz, und Siv hätte beinahe zu früh losgelassen, weil sie damit nicht gerechnet hätte, aber sie beherrschte sich gerade noch rechtzeitig. Etwas unschlüssig stand sie dann da, aber wieder bevor sie etwas sagen konnte, forderte er sie schon auf sich zu setzen, und wieder gehorchte sie, setzte sich auf sein Bett, ungefähr in der Mitte zwischen Kopf- und Fußende. Sie zog ein Bein hoch und legte es ab auf dem Stoff, so dass es ein Dreieck zu ihrem Körper hin bildete, setzte sich halb auf ihren Fuß und legte ihren Arm auf dem Oberschenkel ab, während das andere Bein normal auf dem Boden stand. Sie wusste nicht so genau, wo sie hinsehen sollte, und so ließ sie ihren Blick wandern, durch das Cubiculum, dass sie so gut kannte, und sah aber immer wieder zu Corvinus, beobachtete, wie er trank, und fragte sich, was sie jetzt tun sollte.
Erneut wurde ihr die Entscheidung abgenommen, schneller, als sie erwartet hätte. Allerdings führte seine Frage nicht unbedingt dazu, dass sie sich wohler fühlte, in diesem Augenblick. Sie zog nachdenklich die Unterlippe zwischen ihre Zähne und ließ sie langsam wieder los, wich seinem Blick aus und sah stattdessen auf ihre Hände, die in ihrem Schoß mit dem Saum ihrer Tunika spielten. "Ich…" Wie ging es ihr denn? Gut, lag ihr auf den Lippen. "Ich weiß nicht", antwortete sie dann aber wahrheitsgemäß. Während ihre Finger begannen, an der Naht herum zu zupfen, die bald dem fortwährenden Druck nachgeben würde, wenn sie nicht aufhörte, riskierte sie einen kurzen Blick zu ihm. "Gut, soweit. Nur… ich bin… unsicher. Wegen du. Ich… du, das sprechen vorhin, also vor Tagen…" Sie verstummte wieder. Sie brachte die Frage nicht über die Lippen, was er davon hielt. Was er nun zu tun gedachte. Es war ganz offensichtlich nicht so einfach, wie sie gedacht hatte, nachdem sie nach jenem Gespräch in seinen Armen eingeschlafen war. Aber sie befürchtete, dass er schlicht dieselben Einwände hatte, die er ihr bereits genannt hatte, und das… wollte sie einfach nicht hören. Nur, wirklich etwas vormachen konnte sie sich auch nicht, nicht so, wie sie sich derzeit beide verhielten, bemüht, dem anderen aus dem Weg zu gehen, und so vorsichtig, wenn sie sich denn begegneten. Wieder begannen ihre Zähne, ihre Unterlippe zu malträtieren.
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Ganz offensichtlich hatte meine Frage sie verwirrt. Ich betrachtete sie aufmerksam. War sie nervös? Die Mär des Traumes indes verblasste immer mehr, schien gar schon so weit entfernt zu sein, dass sie mir immer mehr wie ein Relikt aus jungen Jahren vorkam. Und doch wusste ich, dass dem nicht so war. Ich würde Iuno opfern, so oder so.
Wieder lenkte Siv meine Aufmerksamkeit auf sich. Diesmal nestelte sie an ihrem Saum, sah auf ihre Hände. Mein Blick fiel auf die weiße Haut ihres Oberschenkels. Die tunica wirkte, als sei sie ihr etwas zu kurz. Sie spielte an einem Faden herum, der aus der Seitennaht herauslugte, und sah mich dann an. "Ich weiß", sagte ich. Schließlich ging es mir nicht anders, wenngleich es mir...nun ja, doch anders ging. Unsicher war ich nicht. Eher unschlüssig. Siv zupfte weiterhin an ihrer Kleidung herum. Ich legte meine Rechte auf ihre Hand, spürte dabei auch die Kühle der Haut ihres Beines. Ich wollte noch etwas sagen, hatte jedoch plötzlich eine unüberwindliche Barriere im Hals. Hatte ich sie ursprünglich nur festhalten wollen, damit sich ihr Kleid nicht gänzlich auflöste, strichen nun meine Fingerspitzen über ihre weiche Haut. Es kam mir vor, als verginge die Zeit nun gerade einmal halb so schnell wie gerade eben noch. Langsam schob ich meine Finger unter den Saum, den Siv eben noch malträtiert hatte. Wieder keimte die Frage in mir auf, ob es gut wäre, wenn ich das fortführte, was vor Germanien gewesen war. Und wieder schob ich alles Denken beiseite, die ganzen Wenns und Abers, und konzentrierte mich auf den Appetit, den ich hatte. Siv wurde herangezogen, ohne dass ich meine Position veränderte. Kein Wort kam über meine Lippen, es war wohl auch ohne nur zu deutlich, was ich wollte.
Ich hatte den Kopf in den Nacken gelegt und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Die Kühle der Wand in meinem Rücken war mir jetzt willkommen. Sivs Körper glühte, das Haar war strähnig und klebte schweißnass auf ihrer Haut. Ich strich ihr eine Strähne hinters Ohr und angelte dann nach dem halbvollen Becher, den ich ihr anschließend hinhielt. Im hereinfallenden Morgenlicht und etwas erhöht, wie sie dasaß, wirkte sie erhaben und zugleich wild. Die milchweiße Haut und das helle Haar verstärkten den Eindruck noch. Römerinnen beneideten die Germanischstämmigen darum. Hatte ich während der letzten halben Stunde nicht einen Gedanken mehr an die Situation verschwendet, in der wir beide uns befanden, so tröpfelten nach und nach wieder die Überlegungen in meinen Geist. "Du bist schön", sagte ich schlicht dahin und strich ihr über die schlanke Seite.
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Siv hörte nicht auf, an der Tunika herumzufingern, auch nicht, als Corvinus etwas sagte. Sie zupfte einen Faden hervor und begann, diesen um den Finger zu wickeln, wieder zu lösen, zu einen winzigen Knäuel zusammenzuballen, und war scheinbar höchstkonzentriert auf diese Beschäftigung, als sich plötzlich seine Hand auf die ihre legte. Siv erstarrte und sah nur auf ihrer beider Hände hinunter, auf seine Finger, die sich nach einem Augenblick zu bewegen begannen, über ihre Haut strichen. Siv erschauderte unwillkürlich, rührte sich aber sonst kaum. Trocken schluckte sie, als seine Finger weitertasteten, unter ihre Tunika, und jetzt, endlich, sah sie hoch, ihr Blick zu einem winzigen Teil fragend, während schon etwas anderes darin erwachte. Einen Moment war der Gedanke da, sie müsste etwas sagen, ihn fragen, was er dachte, ob er genauso unsicher war wie sie, aber dann zog er sie zu sich, und jeder Gedanke war vergessen, verflogen, so, als sei er nie dagewesen.
Sivs Brust hob und senkte sich in rascher Folge, während ihre Stirn an seiner Schulter ruhte. Erst als Corvinus sich rührte, richtete sie sich auf. Ein vages Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, während die Finger ihrer Linken sacht über seine Brust strichen. Dankbar nahm sie anschließend den Becher entgegen und trank ein paar Schluck, während dieser sie betrachtete, mit einem Blick, der ihr die Röte in die Wangen trieb, trotz dem, dass es bei weitem nicht das erste Mal war, dass er sie nackt sah. Sie trank noch einen letzten Schluck, ließ das angenehm kühle Nass ihre Kehle hinunterrinnen und wünschte sich, den Rest des Wassers über ihren Oberkörper laufen lassen zu können, aber Corvinus hatte noch nichts getrunken, und so hielt sie ihm den Becher hin. Dann, als er das Wort ergriff, ließ sie ihre Hand verlegen sinken, und diesmal war die Röte auch zu sehen, die ihre Wangen überzog. "… Ich… Danke…" Sie lenkte ihren Blick auf seine Brust und sah dann wieder hoch, versuchte sich an einem Lächeln. Sie hob ihre Hand und strich sacht über sein Gesicht, zeichnete die Konturen nach, fuhr über seine Wangenknochen, bis sie zu seinen Lippen kam. Mehr aus einem Reflex denn aus einer bewussten Überlegung heraus beugte sie sich vor und küsste ihn leicht, bevor sie sich wieder aufrichtete.
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Ich koste ihre Wangen mit Streicheleinheiten, musterte sie dabei intensiv. Den Becher leerte ich anschließend und stellte ihn dann mit einem hohlen Klack zurück. Dass sie errötete, ließ mich schmunzeln. Nur kurz erwiderte ich den Kuss, dann fing ich ihre Handgelenke ein und betrachtete Siv nochmals. Das Blau ihrer Augen erschien mir endlos wie das Meer. Ich ließ sie los und umschloss sie mit den Armen, zog sie an mich heran. Ihr warmer Körper an meinem war ein wenig unangenehm, doch das kurzweilige Gefühl der Zufriedenheit gleich diesen Umstand gleich wieder aus. Ich versenkte meine Nase in ihrem Haar, atmete ihren Duft ein und schloss für einen Moment die Augen. "Ich möchte, dass du nicht mehr bei den anderen schläfst", sagte ich und sah aus den Augenwinkeln hinüber zu einer schmalen Tür. "Die Kammer nebenan gehört jetzt dir." Damit meinte ich das kleine Zimmer, das sich hinter dieser Tür verbarg und das an meine Gemächer angrenzte, ebenso wie die anderen Schlafgemächer der villa jeweils über eine solche Kammer verfügten. Sie waren für die Leibsklaven gedacht, die in den meisten Familien besser behandelt wurden.
Der Daumen und die restlichen Finger der Hand, die dicht unter Sivs Nacken auf ihrem Rücken lag, glitten über ihre Haut und bewegten sich in beständigem Rhythmus aufeinander zu und voneinander fort. Ein wenig melancholisch sann ich darüber nach, dass ich es mir selbst wieder einmal einfach machte, indem ich sämtliche Bedenken schlichtweg über Bord warf und nach Gefühl handelte. Und ja, dies hier fühlte sich richtig an, auch wenn mein Verstand am liebsten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und schreiend davongelaufen wäre, angesichts dessen, was ich in Bezug auf Celerina noch plante. Ich holte tief Luft - Sivs Oberkörper hob und senkte sich mit meinem - und seufzte tief. "Ich möchte dich etwas fragen", kündigte ich an. "Warum hast du mir nichts gesagt, damals? Wegen Matho", fragte ich und sah schräg nach unten, um die Reaktion hierauf auf ihrem Gesicht sehen zu können.
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Nach dem Kuss griff er nach ihren Händen und hielt sie fest, und Siv hielt inne und erwiderte seinen forschenden Blick. Ihr Lächeln erstarb langsam und machte einem sanften, wenn auch aufmerksamen Ausdruck Platz. Wieder zuckten ihre Mundwinkel leicht nach oben, und als Corvinus’ Arme sie dann umschlossen und sie an sich zog, folgte sie dem leichten Druck bereitwillig. Ihr Körper war noch heiß, aber an ihren Rücken kam frische Luft, und sie genoss es, so da zu liegen, an ihn geschmiegt seine Nähe zu spüren. So lange schon hatte sie darauf verzichtet. Viel zu lange, so kam es ihr vor. Die eine Nacht, in der sie bei ihm geschlafen hatte, vor Tagen, war viel zu wenig gewesen um das aufzuholen, was sie in den Wochen davor vermisst hatte. Ruhig ging ihr Atem und tief, und ihre Augen schlossen sich für einen Moment, als sie eine Berührung in ihrem Haar spürte. Dann öffnete sie ihre Lider wieder, als Corvinus sprach. Die Kammer nebenan? Sie wollte ihn ansehen, aber sie konnte sich nicht rühren. Sie wusste, was das hieß. Er wollte, dass sie seine Leibsklavin wurde. Seine Leibsklavin. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, bevor es dann annähernd doppelt so schnell weiterschlug. Vor ein paar Wochen noch hatte er sie nicht einmal angesehen. Und jetzt… Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus. Es hieß nichts anderes, als dass er ihr tatsächlich verziehen hatte. Und dass er sich entschieden hatte. Für sie. Für das, was auch immer zwischen ihnen war. Egal, welche Schwierigkeiten das bringen mochte, für sie und für ihn. Erneut schlossen sich ihre Augen, und ihre Lippen verzogen sich zu einem glücklichen Lächeln. Für einen winzigen Moment hatte sie das Gefühl, dass Tränen aufstiegen, weil die Freude so tief war, weil sie so erleichtert war, darüber, dass Corvinus nicht den Gründen nachgegeben hatte, die dagegen sprachen.
Tränen kamen keine, aber sie drückte ihre Lippen kurz auf seine Brust. "Danke", wisperte sie leise. Ihre Finger strichen sacht über seine Haut, und ihr Oberkörper hob und senkte sich mit seinem, wenn er atmete. Dann, auf einmal, holte er tiefer Luft als bisher. Sie bewegte sich etwas, drehte den Kopf ein Stück, um ihn ansehen zu können, und er sah sie an – und stellte eine Frage, die sie kurz erstarrten ließ. Einige Moment lang rührte sie sich gar nicht und sagte auch nichts. Dann setzte sie dazu an, etwas zu sagen, brach ab, wich seinem Blick aus, setzte erneut an, brach wieder ab. Nach einem Augenblick sah sie ihn wieder an und versuchte es ein drittes Mal. "…" Sie holte Luft und wich seinem Blick erneut aus. Sie könnte ihm sagen, dass er ja nicht zugehört hatte, und das wäre sogar die Wahrheit gewesen – aber nicht der Grund, warum sie nichts gesagt hatte. Warum sie nie etwas gesagt hatte. "Weil… Es ist… Ich schäme, dafür. Was er getut. Dass ich nicht konnte wehren. Ich habe Angst gehabt, im Keller. Ich habe… geweint, und geflehen, an Matho, dass mich lasst raus…" Sie presste die Lippen aufeinander und schwieg einen Moment. Spätestens in diesem Moment musste ihm klar sein, wie schwer diese eine Woche für sie gewesen war, nicht wegen des Mangels an Essen oder Trinken – sondern weil sie so gut wie nie weinte. Und erst recht nicht anfing zu flehen. Es musste einiges passieren, damit Siv so weit kam, und selbst dann war sie in ihren eigenen Augen so tief gesunken, dass es tiefer kaum noch ging. Und selbst jetzt sah sie sich nicht in der Lage, Corvinus dabei anzusehen, während sie ihm das gestand. "Das nicht ist ich, nicht meine Art, zu bitten, oder Angst haben, oder schwach sein… aber ich… da…" Sie machte eine hilflose Bewegung mit einer Hand. "Ich schäme dafür. Und ich will nicht, dass Angst, oder Scham, groß wird. Zu groß."
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Auf ihren Dank hin wusste ich nichts zu erwidern. Natürlich war diese Statusänderung für sie etwas, das ihr weitere Annehmlichkeiten bescherte, so würde sie beispielsweise von nun an mehr Freizeit haben als ihre Mitsklaven, gleichsam wieder öfter aus dem Haus kommen, da ich Wert darauf legte, dass sie als Leibsklavin mich auf Wegen in die Stadt begleitete. Doch hinter dem gehauchten Wort steckte mehr, und ich wusste, was es war, doch erwiderte ich auch hierzu nichts. Ich fühlte mich nicht in der Lage, emotionale Zugeständnisse zu machen, denn wenn ich es tat, es wirklich aussprach, dann wäre es eine unumstößliche Tatsache. So schwieg ich und sagte nichts dazu.
Meine Frage indes schien ihr größere Probleme zu bereiten, als ich angenommen hatte. So kannte ich Siv nicht, mit sich kämpfend. Doch als sie dann sprach, erkannte ich, dass es nicht die Verlegenheit war, über Matho zu sprechen, die ihr Schwierigkeiten bereitete, sondern ihr Stolz. Der germanische Stolz, der ihr eines Tages noch einmal zum Verhängnis werden würde, wenn sie nicht acht gab. Dass Siv ein sehr freiheitsliebender Mensch war, war mir nicht unbekannt. So manche Nacht hatte sie lieber im Garten verbracht als in ihrem trockenen, warmen Bett, was mir durchaus bekannt war, auch wenn sie dies vielleicht nicht argwöhnte. "Und davor?" fragte ich weiter. Immerhin war herausgekommen, dass Matho schon eine ganze Weile andere unterdrückt und tyrannisiert hatte, nicht erst in Germanien. "Wie kann ich gerecht sein, wenn mir niemand sagt, dass Unrecht geschieht, Siv?" fragte ich mehr rhetorisch denn eine Antwort erwartend. "Ich möchte, dass du mir in Zukunft erzählst, wenn dir etwas nicht richtig erscheint. Ich hoffe zwar, dass Brix seine neue Position nicht zu Kopfe steigt, aber wissen kann man so etwas nun einmal nicht." Ich sah sie dabei ernst an, deutete dann ein Lächeln an. "Und du musst dich nicht dafür schämen, dass er grausam zu dir war. Dafür kannst du nichts. Und da will ich keine Widerrede hören."
Mein Zeigefinger fand den Weg zwischen ihre seitlichen Rippen, ich kitzelte sie kurz und nutzte die dabei entstehende Unruhe, um sie zur Seite zu bugsieren. "Leider ist ein schlechter Traum keine Ausrede dafür, den halben Tag im Bett zu bleiben", sagte ich und seufzte tief, als ich zur Bettkante rutschte, die Beine über den Rand schwang und schließlich aufstand, um mich zu strecken.
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Siv störte es nicht, dass Corvinus auf ihr gewispertes Danke nichts sagte. Sie hatte auch keine Antwort darauf erwartet. Sie zu seiner Leibsklavin zu machen, nach allem, was passiert war, konnte nur eines heißen, und das zu wissen war ihr im Moment genug. Sie hatte nicht einmal damit gerechnet, dass er ihr ein so deutliches Zeichen geben würde, nachdem er so zweifelnd gewesen war bei jenem Gespräch, nachdem er ihr aus dem Weg gegangen war in den Tagen danach. Als sich das Thema jedoch Matho zuwandte, zog sich die stille Zufriedenheit zurück in ihr und machte anderen Gefühlen Platz – Unwohlsein und Scham. Siv presste die Lippen aufeinander und sah Corvinus immer noch nicht an, aber in dem, was er sagte, erkannte sie durchaus etwas Richtiges. Sie hatte nie wirklich einen Gedanken daran verschwendet, was er davon halten mochte – und auch nicht daran, dass er sich zuständig für das fühlte, was zwischen den Sklaven geschah. Dass er es als seine Pflicht sah, dann einzugreifen. Sie hatte immer nur sich selbst gesehen, wie begrenzt ihre Möglichkeiten waren, sich gegen Mathos Schikanen zur Wehr zu setzen, weil er am längeren Hebel saß, und wie schwer es ihr fiel, das auch nur sich selbst einzugestehen. Sie hatte nicht mit Corvinus geredet, und sie hatte auch kaum mit einem der anderen Sklaven darüber geredet. Sie atmete tief ein. "Ich wollte selbst, fertig sein damit. Ich meine, zurecht… werden. Zurecht kommen. Selbst schaffen." Noch einmal holte sie tief Luft, dann drehte sie ihren Kopf so, dass sie ihn nun wieder ansehen konnte. "In Ordnung. Ich werde sagen, in Zukunft." Nicht dass sie glaubte, bei Brix würde das je so weit kommen. Ihm konnte sie auch selbst den Kopf zurecht rücken, und selbst davon bezweifelte sie, dass das mal nötig werden würde. Umgekehrt, ja, das war schon öfter vorgekommen und würde auch noch häufiger passieren, da machte sie sich nichts vor. Als Corvinus aber sagte, dass sie sich nicht schämen müsse dafür, was Matho getan hatte, war die Reihe an ihr zu schweigen. Was hätte sie auch sagen sollen? War es vor ihrem Fluchtversuch Trotz und Ärger, was sie Matho entgegengebracht hatte, waren durch ihren Aufenthalt im Keller ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Schwäche und der Angst dazu gekommen, gegen die sie sich nicht hatte wehren können. Und sie schämte sich nach wie vor dafür.
Eine kurze Stille breitete sich aus, und Siv dachte sich nicht das Geringste dabei, als Corvinus Finger über sie glitten, ahnte nichts Böses – und zuckte dann mit einem leisen Aufschrei zusammen, als er anfing, sie zu kitzeln. Die etwas gedrückte Stimmung, die von ihr Besitz ergriffen hatte, verflog. "Neiheihein", kicherte sie, während sie versuchte, seine Hand einzufangen und festzuhalten. In dem kurzen Gebalge kam sie neben ihm zu liegen, und Corvinus stand auf. Siv, die auf der Seite lag, hob ihren Oberkörper an, stützte sich mit einem Arm im Bett ab, während der andere an ihrer Seite ruhte, und betrachtete ihn nur, wie er dastand und sich streckte, seine Haut, die dunkler war als ihre, seine Muskeln, die sich je nach Position lang dehnten oder hervortraten, als er sich reckte. Ein leises Seufzen hob ihre Brust, während ein vages Lächeln ihre Mundwinkel umspielte. "Nein. Leider nicht." Einen Augenblick verharrte sie noch so, dann erhob sie sich ebenfalls. Als sie neben ihm stand, konnte sie es nicht verkneifen, ihm über die Brust zu streichen und einen Kuss auf den Hals zu hauchen, dann bückte sie sich nach ihrer Tunika. "Was willst du? Baden? Oder gleich Frühstück?"
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Einen prüfenden Blick später nickte ich. Ich konnte durchaus nachvollziehen, dass sie diese Schwierigkeit selbst hatte bewältigen wollen, schließlich kannte ich Sivs germanischen Dickschädel bereits aus eigener Erfahrung zur Genüge. Dennoch war ich etwas enttäuscht, dass sie sich nicht einmal an mich gewandt hatte. Ich wandte mich zu ihr um und sah sie an, der Traum war nurmehr eine unschöne Erinnerung. Ihre Zusage reichte mir.
Im nächsten Moment stand sie auf und küsste mich flüchtig auf den Hals. Damit entlockte sie mir ein spitzbübisches Grinsen. "Hm", machte ich und schmunzelte hintergründig. "Wenn ich es mir recht überlege... Beides?" Ich griff mir die tunica vom gestrigen Tag und zog sie mir über - schließlich musste ich nicht unbedingt unbekleidet durch die Gänge des Hauses bis zum balneum laufen. Da Siv bisweilen die Angewohnheit hatte, mich morgens zu mehr Frühstück, als ich gewöhnlicherweise zu mir nahm, zu überreden, fügte ich noch etwas an. "Hol nicht zu viel, Siv, ein wenig Obst, einen Honigfladen oder sowas. Ich warte dann im Bad auf dich", sagte ich und ging dann aus meinem Gemach hinaus in die allmorgendliche Kühle der villa. Bald würde man wieder Kohlebecken aufstellen lassen müssen, überlegte ich noch, dann weilten meine Gedanken voraus bei einem angenehmen Bad, etwas zu essen und Siv.
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Corvinus’ Schmunzeln ließ Siv einen wohligen Schauer über den Rücken laufen, und es verführte sie beinahe dazu, ihn erneut zu küssen, aber sie beherrschte sich und zog sich stattdessen die simple weiße Tunika über, die sie zum Schlafen trug, wenn sie im Servitricuum schlief, gemeinsam mit den anderen Sklavinnen. "Beides?" Sie streifte die Tunika über ihren Kopf und griff nach ihren Haaren, um sie unter dem Stoff hervorzuziehen, und grinste ihn schelmisch an. Bei seinen weiteren Worten zog sie eine Augenbraue hoch. Sie wusste, dass Corvinus in der Regel gar nichts frühstückte, sondern höchstens etwas Milch trank, aber jedes Mal, wenn sie dafür zuständig gewesen war, ihn in der Früh zu versorgen, hatte sie einfach etwas gebracht, und versucht ihn zu überreden auch etwas davon zu essen. "In Ordnung. Obst, Honigfladen." Sie lächelte und sah ihm nach, wie er den Raum verließ, und auch danach rührte sie sich einen Moment lang nicht. Sie dachte nicht großartig an irgendetwas – aber sie genoss das Gefühl, sich einfach… wohl zu fühlen. Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel und tanzte in ihren Augen, bevor sie sich den leeren Becher griff und das Cubiculum ebenfalls verließ, in Richtung Küche.
~ finis ~
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