Caelimontium | Nil admirari - Eine besondere Jagd


  • Eine exclusive Adresse ist es, ein kleiner, überschaubarer Park, von klarer Hand und ruhigem Sinn erdacht und geplant. Strikt wurden die achaischen Vorstellungen eingehalten, die sich mit den römischen mischten und nun Gärten und Hausinnerstes bestimmen, so auch die horti Cornelii, einst erbaut, um die Sinne des Sulla zu zerstreuen, dann lange vergessen nach seinem Sturz, und heute im Besitz eines wohlmeinenden Philantrophen, der bisweilen Feste darin feiert und ansonsten durch einige Sklaven darauf achten lässt, dass kein unnötiger Dreck in seinen Besitz geschleppt wird - ansonsten kann ein jeder, der sich nach einem ausgedehnten Spaziergang sehnt, sich hier verlustieren. Im Grunde ist dies eine Einladung für Paare, die sich zuhause nicht blicken lassen können, die auch des Nachts häufig genutzt wird (sehr zur Freude des Besitzers, dessen Vorliebe für das Beobachten hier gestillt wird), am Tage jedoch tollen allerhöchstens Kinder über die zwischen hohen Bäumen liegenden gepflegten Wiesen, ab und an lässt sich gar ein reicher Würdenträger hierhin tragen, um der Enge der Stadt zu entfliehen. Die Sklaven, die an den Eingängen des Parks herumlungern, achten jedenfalls darauf, dass die Besucher anständig gekleidet sind - und freuen sich ansonsten eines recht lauen Lebens.


    An diesem Tag indes, ein kühler Morgen, der schon eine Andeutung eines bevorstehenden, kälteren Winters mit sich trägt, wird eine reich verzierte Sänfte in den Park getragen, der einige schwarzhäutige Sklaven folgen - nichts zu ungewöhnliches für Rom, aber doch ungewöhnlich für diese frühe Stunde. Die Sklaven am Eingang halten ein Gespräch mit jenen, welche die Sänfte begleiten, dann setzt diese den Weg ins Innere fort, macht schließlich bei einer Baumgruppe im Zentrum der Anlage Halt und entlässt dort eine schlanke, junge Frau mit leicht gebräunter Haut aus dem Inneren, die auf einem mitgebrachten Hocker Platz nimmt und vor deren Augen der Reigen an Sklaven sowohl einen Tisch mit einigen erfrischenden Köstlichkeiten darauf aufbauen, wie auch in etwas weiterer Entfernung mehrere Zielscheiben. Dass sie kurz darauf eine kleine lederne Armschiene an ihrem rechten Arm schnallt und sich einen Bogen aushändigen lässt, den sie zudem noch höchstselbst spannt, passt ebenso zu diesem exotischen Bild wie die Tatsache, dass die Sklaven mit einer Selbstverständlichkeit agieren, als seien sie dies alles gewöhnt. Für einen Beobachter dürfte es jedenfalls ein seltsames Bild abgeben, da sie die stola einer respektablen Römerin trägt, das Haar hochgesteckt wie eine matrona.


    Aelia Caenis tritt langsam bis zu jenem Punkt hin, den sie sich als Abschussposition gewählt hat, und lauscht dem leisen Rauschen des Windes in den Bäumen. Hier scheint der Winter so viel näher, denkt sie bei sich und lächelt vage, ohne einen Grund dafür zu haben. Es war ganz anders als Alexandria, und das war das gute daran. Italia hatte sie fast vergessen, ebenso wie die provincia wohl auch Caenis vergessen hatte. Die Dinge haben sich geändert. Sie fröstelt, aber eine schnell gehobene Hand hindert den Sklaven daran, zu ihr zu treten und ihr ein warmes Tuch für die Schultern zu reichen. Stattdessen nimmt sie einen Pfeil aus dem Köcher, betrachtet ihn kurz, nach Mängeln forschend, um dann den Bogen zu heben. Niemand außer ihnen scheint hier zu sein, und die Stille des Morgens scheint vollkommen, nicht einmal das sonst so laute, geschäftige Rom mag sich in diesen Augenblick drängen.
    Bedächtig legt sie den Pfeil auf ihren Zeigefinger auf, greift mit den Fingern die Sehne und beginnt, sie zu spannen, dem Zug des Bogens entgegen, das Holz, obgleich flexibel, bewegt sich ungern in die vorgegebene Richtung, sie muss ihre Kraft einsetzen, und ihre Übung, um den Bogen ruhig zu halten. Das Ziel in der Ferne anvisierend, erlebt sie den letzten Augenblick vor dem Flug des Pfeils bewusst, so still, so kühl, ein klarer Morgen - wusch! - der Pfeil schießt von der Sehne, dem Ziel entgegen ...


    Sim-Off:

    Reserviert.

  • Was es eigentlich gewesen war, das Ursus heute so früh aus den Federn gescheucht hatte, konnte er gar nicht benennen. Er war einfach ausgeschlafen gewesen, also war er auch aufgestanden. Wie nahezu jeden Morgen hatte er im Garten sein Trainingspensum erfüllt und anschließend eine Kleinigkeit gefrühstückt. Und nun... und nun hatte er plötzlich Zeit. Es war noch zu früh, um beim Consul zu erscheinen. Vielleicht etwas lesen? Nein, dazu fehlte ihm die Muße. Das war eher etwas für die Nachmittagsstunden, etwas zum erholen. Jetzt war er aber voller Tatendrang.


    Also beschloß er, den Weg zum Palast einfach etwas zu verlängern. Schon ewig war er nicht mehr in den Horti Cornelii gewesen und um diese Zeit dürfte da vermutlich noch überhaupt niemand unterwegs sein. Gerade das fand er an diesem Morgen besonders einladend. Hektik und viele Menschen um sich, das würde er im Laufe des Tages noch reichlich bekommen. Aber Ruhe und Frieden und die Schönheit eines riesigen, gepflegten Areals, das bekam man in Rom so gut wie nie alles auf einmal.


    Und so spazierte er über die verschlungenen Pfade des Parks, nutzte kleine Trampelpfade, die er noch nie zuvor bemerkt hatte, bewunderte die Schönheit der sich gerade öffnenden Blüten, die zum Teil noch mit Tau benetzt waren und genoß die Pracht der kunstvollen Brunnen.


    Er rechnete nicht im Geringsten damit, daß noch jemand hier anwesend sein könnte. Es war auch völlig still, abgesehen von dem recht angeregten Vogelgezwitscher. So trat er gerade, völlig in Gedanken versunken, zwischen zwei Büschen hervor, einem schmalen Trampelpfad folgend, als mehrere unerwartete Dinge zugleich geschahen: Er sah eine Ansammlung von Menschen, eine Bogenschützin, die gerade einen Pfeil von der Sehne hatte schnellen lassen und spürte einen scharfen Schmerz an seinem Arm, noch bevor er den Pfeil sah, der ihn gerade gestreift hatte und aus diesem Grund nun auch noch das Ziel verfehlte.


    "Ah!", entfuhr es ihm erschrocken und schmerzerfüllt und seine Hand faßte nach seinem Arm, wo der Pfeil eine blutige Spur hinterlassen hatte...

  • Der Blick der jungen Frau folgt dem Flug des Pfeiles, nicht zum ersten Mal hegt sie dabei den Wunsch, dem Pfeil gleich fliegen zu können, egal wohin, einfach das Gefühl des starken Windes im Haar zu haben, der dem Gesicht wuchtig entgegenschlägt, und doch zu triumphieren. Eine solche Macht konnte Leben beenden, verändern - doch bevor sie noch tief ausatmen kann, befriedigt darüber, dass der Pfeil sein Ziel traf, vernimmt sie den Schmerzeslaut aus der Ferne und muss feststellen, dass das vermeintliche Ziel das absolut falsche war und sich als Fremder mit feiner Kleidung entpuppt, der vorhin noch nicht mitten im Weg gestanden hatte. Sie lässt den Bogen sinken, für einen Moment lang mit sich selbst hadernd, dass sie ihn nicht hat kommen sehen, letztendlich hatte sie sich doch genug umgeblickt, um genau solches zu vermeiden - aber nun ist es passiert. Auf die Ferne kann sie nicht genug sehen, ob er wirklich ernsthaft versehrt ist, und so gibt sie dem hühnenhaften schwarzen Sklaven an ihrer Seite einen Wink - sofort setzt sich der massige Leib in Bewegung, der schon so manchen Dieb abzuschrecken vermocht hat, und nähert sich mit langen, energetischen Schritten dem Magistraten, um vor ihm zu verharren. Nicht einmal der Atem des Nubiers scheint schneller zu gehen, er blickt dem Römer offen entgegen.


    "Salve, dominus!" spricht er höflich, den Kopf neigend, als er die Kleidung des Fremden als die eines amtierenden magistratus erkennt - selten sind gewisse Streifen praktischer platziert gewesen - und wirft einen forschenden Blick auf den Aurelier. Zumindest aufrecht kann er sich noch halten, und er schreit nicht vor Schmerzen, der Pfeil steckt auch nicht in seinem Leib, das würde sich vielleicht noch ohne Ärger regeln lassen. "Meine Herrin möchte wissen, ob Du Dich ernsthaft verletzt hast und ob wir Dir helfen können, die Wunde zu versorgen." Auch wenn Caenis diese Worte nicht ausgesprochen hat, weiss der Nubier doch, dass sie sie ausgesprochen hätte - wäre er nicht gewesen - oft genug ist er die Stimme seiner Herrin, die ihre Lust zu sprechen mit den Jahren verloren hat, eingekerkert sind ihre Worte in einem Kopf, der schnell gelernt hat, wann es besser ist zu schweigen. "Sie bedauert den Vorfall natürlich zutiefst und hat Dich nicht mit Absicht verletzt." Auch das spricht er aus, wohl wissend, dass sie ähnliches gesagt hätte. Ihren letzten Satz ahnt der Sklave nicht, und jenen würde sie auch niemanden bitten, für sie zu sagen. Wollte ich Dich tot sehen, wärst Du es längst.

  • Noch immer hielt Ursus seine Hand auf die zum Glück nicht allzu heftig blutenden Wunde am Arm gepreßt und langsam sickerte auch etwas Blut zwischen seinen Fingern hervor. Er spürte es, wie es warm und klebrig über seine Hand rann und blickte sichtlich mißgelaunt auf den großen Riß in der Toga, um den herum sich nun ein Blutfleck immer weiter ausbreitete. Ein unschöner Anblick, ausgesprochen unschön.


    Und nun stapfte auch noch dieser schwarze Hühne auf ihn zu. Angst hatte er keine vor dem Mann, immerhin war er ja an Leones Anblick gewöhnt. Und so zügelte er seinen Zorn kaum, als der Sklave ihm die Worte seiner Herrin ausrichtete. "Das will ich auch sehr schwer hoffen, daß sie mich nicht verletzen wollte! Und nicht ich habe mich verletzt, sondern sie hat mich verletzt! Ihr Bedauern kann Deine Herrin mir gegenüber mal schön selber ausdrücken, Sklave ohne Namen einer Herrin ohne Namen." Er blickte nochmal auf seine blutige Hand. Verflixt noch eins! "Ist Deine Herrin allein hier? Oder ist sie in Begleitung?" Er sprach natürlich nicht von den unübersehbaren Sklaven. Sondern von der Begleitung durch eine Person, die sie miteinander bekannt machen konnte. "Und ja, ich benötige Hilfe bei der Versorgung der Wunde, mit einer Hand ist das nicht so leicht." Außerdem begann es langsam wehzutun. Doch um nicht als Jammerlappen zu gelten, versuchte er, es tapfer zu überspielen. Sein Zorn half da schon recht gut bei.


    Schon alleine, daß sie immer noch wie angewurzelt dastand, statt selbst herzukommen und sich davon zu überzeugen, daß er nicht ernsthaft verletzt war! Immerhin konnte man ihm unschwer ansehen, daß er keineswegs ein Strauchdieb war. Unverwandt blickte er zu ihr herüber. Schon der Blick eine Aufforderung, sich gefälligst selbst zu kümmern, statt nur einen Sklaven vorzuschicken, als sei ihr bloß ein Apfel aus der Auslage eines Obststandes heruntergefallen. Oder glaubte sie, ihre unübersehbare Nobilität und ihre Schönheit wären eine Art Freibrief?

  • Der Sklave beäugt die Wunde des magistratus soweit, wie es ihm überhaupt möglich ist - der Blutfleck indes kann ihm kaum entgangen sein, ebensowenig, dass sein Gegenüber ungehalten ist und sich seine Laune kaum in der nächsten Zeit bessern wird. Gute Sklaven hatten stets einen Vorteil - sie wussten genau, wann es Zeit war, zurück zu treten und ihren Besitzern die Angelegenheit zu überlassen, ohne dass diese das Gefühl bekamen, einen Scherbenhaufen aufkehren zu müssen. Und der hochgewachsene, breit gebaute Nubier ist ein guter Sklave, der die Launen seiner Herrin schon lange durchschaut hatte - letzten Endes war sie auch bei weitem nicht so schwer zu verstehen wie andere. So läßt er sich denn auch von dem Fremden erst einmal abkanzeln (es ist sicherlich der bessere Weg, als sich mit einem Amtsträger anzulegen, soviel Überlebensinstinkt schlummert in jedem Sklaven) und neigt dann abermals, nachdem es aussieht, als wäre sein Gegenüber fertig mit den Äußerungen seines Unmuts, höflich den Kopf.
    "Meine Herrin, Aelia Caenis, ist alleine hier, um eine solch frühe Zeit trifft man selten genug jemanden an, sodass sie ihren Übungen ungestört nachgehen kann." Dass diese Worte durch seine Verletzung ad absurdum geführt werden, ist offensichtlich, dennoch spricht der Nubier sie ruhig und vor allem überzeugt aus.


    Er blickt zu ihr hinüber, die noch immer den Bogen hält, als wolle er stumm eine Erlaubnis einholen, und erst, als sie ihren Bogen an einen der anderen Sklaven weitergibt, sieht er zu Aurelius Ursus zurück. "Meine Herrin wird sich selbstverständlich um Deine Wunde kümmern. Wenn Du mich bitte begleiten würdest? Das Verbandsmaterial befindet sich im Gepäck der domina. Und, wenn Du es möchtest, kannst Du Dich dort auch setzen, dominus." Natürlich würde sie sich niemals die Blöße geben, über die Wiese gerannt zu kommen, um einen Unbekannten zu verarzten - mit einem kleinen Kunstgriff mochte es gelingen, den Fremden zu dem Weg zu ihr zu bewegen. Zudem, sie entstammte der gens Aelia, die den Kaiser stellte - dass seine Herrin nur über sehr viele Ecken überhaupt mit dem Kaiser verwandt war, musste der Fremde nicht wissen, die Namensnennung reichte oft genug aus, um genug Prestige aufzubauen.


    "Wen darf ich der Herrin melden?" Der Sklave ist wirklich höflich, und es spricht einiges dafür, dass er einmal eine gute Stange Geld gekostet haben musste, wenn er nicht gleich im Haushalt der Aelier aufgewachsen war - normalerweise züchteten die hohen Familien ihre Sklaven nach, wenn sie in dem einen oder anderen lobenswerte Eigenschaften sahen. Bis zu diesem Moment hat sich jedenfalls seine Herrin kaum gerührt, nicht gerufen, nicht gesprochen - ihre Ähnlichkeit mit einer Diana-Statue war zumindest in den Momenten, in denen sie den Bogen gehalten hatte, durchaus frappierend gewesen.

  • Die Furchen auf Ursus' Stirn vertieften sich deutlich und seine Augenbraue hob sich, als der Sklave allen Ernstes zu sagen versuchte, daß hier doch ohnehin niemand sei und seine Herrin daher ohne weiteres wie wild umherschießen könnte. Gut, das war überspitzt ausgedrückt, doch es traf ja wohl den Kern der Aussage.


    "Wie meine Anwesenheit hier sehr deutlich zeigt, wird dieser öffentliche Park durchaus auch um diese Zeit von noch anderen Personen als Deine Herrin besucht. Ihr solltet den Bereich also besser absichern, wenn sie schon unbedingt hier üben muß. Im übrigen sollte sie sich mit der Waffe innerhalb Roms nicht von den Praetorianern erwischen lassen, die kennen da wirklich keinen Spaß." Seine Stimme klang mehr als kühl, denn er fühlte sich von diesem Sklaven ziemlich auf den Arm genommen. Der machte sich doch lustig über ihn!


    Auf das Angebot hin, zu der schönen Bogenschützin zu gehen und dort die Wunde versorgt zu bekommen, nickte er gnädig. "Aelia Caenis?" Eine Aelia! Erstaunlich! "Den Namen habe ich noch nicht gehört. Dann ist sie wohl eher nicht verwandt mit dem Kaiser und dem Consul?" Nicht daß er jeden aus der kaiserlichen Familie kennen würde, doch das mußte der Sklave ja nicht so genau wissen. Natürlich hatte Quarto nur gesagt, es gäbe im Moment keine heiratsfähige Dame in seiner Familie. Und diese hier sah aus, als sei sie schon verheiratet. Es konnte also durchaus sein, daß sie doch mit ihm verwandt war und nur noch nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten war. Wenn sie denn überhaupt von dieser Welt war und nicht Diana selbst, die ihren Spaß daran hatte, ihn ein wenig zu foppen.


    "Du darfst Deiner Herrin den Quästor Consulum Titus Aurelius Ursus melden", sagte er schließlich ein wenig von oben herab. Normalerweise hätte er das Amt weggelassen, aber allein die Tatsache, wie dieser Sklave den Namen Aelia betont hatte, forderte dies geradezu heraus. Auch wenn es ihm ein klein wenig kindisch vorkam.


    Daß er sich dort würde setzen können, war ihm ganz lieb. Denn auch wenn er versuchte, es nicht zu zeigen, fühlte er sich doch ein klein wenig schwindelig. Vermutlich mehr der Schreck, als die Wunde selbst, aber hinsetzen klang wirklich gut. Also folgte er dem Sklaven, irgendwie auch gespannt darauf, diese ungewöhnliche Frau kennenzulernen.

  • "Meine Herrin hat viele Jahre in der provincia Aegyptus an der Seite ihres Gemahls verbracht," erklärt der Sklave auf die Frage des Aureliers hin mit einem gewissen Stolz in der Stimme, wenngleich er die Beschwerde ob des Bogenschießens geflissentlich überhört hat - was sollte er denn auch darauf sagen, im Grunde hätte wohl jede Antwort die Geduld des verletzten Magistraten nur weiter strapaziert.
    "Jetzt, da sie verwitwet ist, ist sie zu ihrer Familie nach Rom zurückgekehrt und wird sich wohl noch einige Zeit hier aufhalten, um neue Bekanntschaften zu knüpfen." Wie genau sie nun mit dem Kaiser verwandt war, überlässt der Sklave gekonnt der Interpretation seines Gegenübers und umgeht damit auch eine direkte Beantwortung dessen Frage. "Wenn Du mir bitte folgen willst?" Ein quaestor steht also vor der Herrin des Sklaven, und dieser Rang, der ein gewisses politisches Durchhaltevermögen offenbart, hat ihn auch den gesellschaftlichen Stand seiner Herrin darlegen lassen - irgendwann würde sie neu heiraten müssen, und ein Aurelier, der zudem politisch tätig war, mochte sich wohl auf dem Markt der Interessenten bewegen. Nicht, dass seine Herrin in irgendeiner Form solche Gedanken geäußert hätte - sie hätte sie wohl eher weit von sich gewiesen - aber ein kluger Sklave musste auch an die Zukunft denken und Weichen stellen, wenn es seine Herrin nicht tat.


    So bewegen sich der Magistrat und der Sklave auf die Bogenschützin zu - in etwas geringerer Entfernung bittet der Sklave den Aurelier zu warten, eilt zu seiner Herrin hin, flüstert ihr etwas zu, wonach sogleich Bewegung in ihre Begleitung kommt - sie klatscht in die hände, befiehlt, zwei Stühle aufzubauen, Klappexemplare, die wohl zum ausruhen dienen, aber besser als nichts sind, und der Sklave kehrt zu Aurelius Ursus zurück, um ihn endgültig zu seiner Herrin zu bitten.
    "Salve, Aurelius Ursus," spricht sie in melodiösem, leicht von einem fremdartigen Akzent beherrschten Latein, welches ihre Zeit in der provincia verrät. "Bitte, setze Dich, dann will ich mich Deiner Wunde annehmen. Es erfüllt mich mit Bedauern, dass ich Dich verletzt habe, und ich hoffe, Du kannst mir diesen Unfall nachsehen, ich war mir sicher, dass sich niemand in der Umgebung befindet, sonst hätte ich den Pfeil nicht von der Sehne gelassen." Sie winkt einen der anderen Sklaven herbei, der eine kleine Holzschachtel mitbringt, sie aufklappt und den Blick auf ein schmales Messer samt Verbandsmaterial enthüllt, anscheinend ist diese Aelierin, so exzentrisch ihre Freizeitbeschäftigung auch sein mag, durchaus auch auf andere Eventualitäten vorbereitet. Ihr Blick liegt ruhig auf Aurelius Ursus, aber im Gegensatz zu anderen Frauen scheint sie weder flatterhaft nach seiner Aufmerksamkeit zu suchen noch sich besonders zu präsentieren.

  • Die Wunde brannte mittlerweile wirklich mächtig unangenehm. Doch selbst das konnte Ursus nicht davon ablenken, was der Sklave da alles freimütig von sich gab. Und er fragte sich, ob welches der beiden Worte, nämlich Quästor oder Aurelius, diesen Informationsfluß wohl ausgelöst hatte. Was seine Herrin wohl dazu sagen mochte, daß der Sklave so viel über sie preis gab? Ursus war natürlich durchaus interessiert. Viele Jahre in Aegyptus also. Ausgerechnet. Warum schwärmten eigentlich alle von diesem heißen Haufen Sand und Steine? Verwitwet. Das widerum fand Ursus nicht übel. Durchaus erfahren und doch auf dem Heiratsmarkt verfügbar. Außerdem gab es da weniger Konkurrenz, da die meisten doch ein junges, unberührtes Mädchen haben wollten. Ob sie schon Kinder hatte?


    Als der Sklave ihm winkte, einen Moment zu warten, runzelte Ursus abermals unwillig die Stirn. Man ließ einen Quästor nicht einfach warten. Und er kam dem Sklaven auch schon entgegen, als dieser wieder zu ihm kam, um ihn zu seiner Herrin zu führen. "Salve, Aelia Caenis", grüßte Ursus höflich zurück und betrachtete die schöne Frau nun aus der Nähe. Ja, als schön konnte man sie wahrhaftig bezeichnen. Aber sie machte auch einen etwas kühlen Eindruck oder kam ihm das nur so vor? Auf jeden Fall kam er der Aufforderung, sich zu setzen, nach. Und schob die ohnehin beschädigte und vollgeblutete Toga beiseite, um auch selbst mal zu sehen, wie schlimm die Wunde eigentlich war. Es blutete immer noch ein bißchen und war eine ziemliche Schmarre. Sicherlich würde eine gut sichtbare Narbe zurückbleiben, doch wirklich schlimm sah die Wunde nicht aus.


    "Nun, ich war doch in der Nähe. Vielleicht solltest Du Deine Leute anweisen, die Gegend gründlicher abzusuchen." Er war eigentlich nicht unversöhnlich, wollte aber klarstellen, daß er die Unachtsamkeit ganz auf ihrer Seite sah - und nicht im geringsten daran dachte, daß sein gedankenverloren Dahinspazieren ohne zu gucken irgendetwas mit dem Unfall zu tun haben könnte. Ein Lächeln schwächte den Vorwurf in seinen Worten ab. Daß sie auf der anderen Seite offenbar auf alle Eventualitäten vorbereitet war, bewies, daß sie durchaus vorausschauend und praktisch veranlagt war. Ungewöhnlich genug war es ja schon, daß sie überhaupt mit einem Bogen umzugehen verstand. "Vielleicht kann ich Dir den Anschlag auf mein Leben verzeihen", sein Lächeln vertiefte sich und zeigte deutlich, daß dies ein Scherz war, "wenn Du mir erklärst, warum Du Dich einer solchen, für eine Frau vor allem Deines Standes doch recht ungewöhnlichen, Form der Beschäftigung widmest. Zumal es ja verboten ist, innerhalb von Rom Waffen zu tragen. Du hattest wirklich Glück, daß Du nicht den Cohortes Urbanae oder den Praetorianern in die Arme gelaufen bist."

  • Der dunkelhäutige Hühne bleibt in der unmittelbaren Nähe der beiden Römer stehen, offensichtlich genießt er das Vertrauen seiner Herrin unbegrenzt, oder aber er ist ein Leibwächter dieser schlanken, jungen Frau - ganz genau kann man dies nicht sagen, obwohl sein trainierter, muskulöser Leib wohl beide Möglichkeiten ohne Schwierigkeiten zuließe.
    "Vielleicht hast Du Dich so leise bewegt, dass Du nicht zu hören warst?" stellt sie trocken in den Raum, und im Inneren beschleicht sie durchaus der Gedanke, dass dieser Mann vielleicht auch einfach nur zu sehr in seinen Überlegungen gefangen war, als dass er bemerkt hätte, wie schräg von der Seite er den freien Platz betreten hatte. Aber es ist im Grunde für die Aelierin des Streites nicht wert, sie ist sich sicher, dass sie ihn nicht sehen konnte, bevor er in ihren Pfeil gelaufen ist, und er würde wohl stets auf seiner Meinung beharren, wie es oft die Angewohnheit von Männern zu sein scheint. "Zumindest wird mich nun der eine oder andere überrascht ansehen, wenn ich zugebe, dass ich anstatt von Wild Patrizier jage," führt sie seinen Scherz in einem so lockerleichten Ton fort, als würden sie sich schon lange kennen - oder amüsiert sie sich etwa über ihn, den Patrizier? Es ist ihrer Miene nicht abzulesen, als sie behutsam den zerrissenen und blutigen Stoff seiner Kleidung beiseite zieht, um mit einen vom Wein getränkten Stück Stoff die Wunde zu reinigen zu beginnen. Sie geht dabei überlegt zu Werke, drückt nicht zuviel darauf herum und scheint bestrebt, gründlich zu arbeiten.


    "Was die Prätorianer angeht - ich wäre rechtzeitig gewarnt worden," sagt sie gelassen und, ungeachtet eventueller Schmerz- oder Unmutslaute, beginnt, seine Wunde fachgerecht zu verbinden, ohne irgendwelche Salben oder ähnlich unangenehm stinkendes Zeug darauf zu verschmieren, wohl hat sie dergleichen entweder nicht bei sich oder legt keinen Wert darauf. "Letztendlich bin ich keine Feindin des Imperiums, nur eine Frau, die es schätzt, sich üben zu können." Dass er überrascht klingt, bei einer Frau eine solche Freizeitbeschäftigung zu sehen, wundert sie nicht - die edlen Damen Roms verbrachten ihre Zeit wohl eher beim Einkaufen, lesen oder Schmuck anprobieren - aber sie hebt nur leicht die Schultern, ein vages Lächeln andeutend, das ihr Gesicht prompt deutlich lebendiger wirken lässt. "In Aegyptus ist es von Vorteil, sich gegen Ungeziefer aller Art zur Wehr setzen zu können. Sobald es in einer Gegend zuviele Kriechtiere mit giftigen Stacheln gibt, sollte man sich angewöhnen, eine Methode der Selbstverteidigung zu beherrschen, bei der man nicht darauf angewiesen ist, dauernd von Sklaven begleitet zu werden. Der Bogen hat den Vorteil, dass er unauffällig ist, einen Kurzbogen kannst Du fast überall hin mitführen, und auch für Frauen nutzbar." Mit fortschreitender Übung nutzte man natürlich auch Waffen, die etwas mehr Kraft erforderten, aber sie selbst hatte als Einsteigerin den Bogen stets als praktisch empfunden.

  • Er merkte wohl, daß sie nicht so ohne weiteres akzeptieren wollte, schuld an diesem kleinen Unfall zu sein. Doch übel nahm er ihr das nicht. Frauen waren eben so, das hatte er nicht nur bei seiner Schwester feststellen können. Besser, er vertiefte dieses Thema nicht allzusehr. Es war ohnehin müßig, darüber zu streiten. Rückgängig konnten sie es nicht machen. Außerdem hatte sie ihn neugierig gemacht und er nahm an, daß er sie besser kennenlernen würde, wenn er es nicht auf einen Streit anlegte.


    Auf ihre scherzhafte Bemerkung über die Jagd nach Patriziern mußte er denn doch lachen. "Davon kann ich Dir wahrhaftig nur abraten. Gerade Patrizier liegen furchtbar schwer im Magen. Und von den Togen bleiben einem immer Fusseln zwischen den Zähnen hängen." Das Lachen verging ihm, als sie die Wunde auswusch. Er unterdrückte gerade noch so einen Schmerzenslaut. Doch ansehen konnte man ihm den Schmerz ganz gewiß. Er schwieg, während sie ihn verband, denn er war zu sehr damit beschäftigt, den Schmerz wenigstens nicht hören zu lassen.


    Erst als sie fertig war, schaffte er es wieder zu einem Grinsen. "Vor mir hat Dich auch niemand gewarnt. Was, wenn ich ein Praetorianer gewesen wäre? Die laufen in der Stadt selten in Rüstung herum." Er bezweifelte, daß ein Praetorianer sich davon beeindrucken lassen würde, daß sie es schätzte, sich üben zu können. Und auch nicht davon, daß sie eine Aelierin war. Immerhin gingen die doch täglich mit Angehörigen der kaiserlichen Familie um. Aber Ursus wollte ihr eigentlich gar keine Vorwürfe machen. Sondern sie vielmehr zu mehr Wachsamkeit animieren. Es entbehrte nicht einer gewissen Komik, daß es kaum jemand wagte, das Waffenverbot zu übertreten. Und nun eine Frau aus der gehobenen Gesellschaft gar keine Scheu hatte, es doch zu tun. Er war wirklich gespannt, wie lange sie damit durchkam. Daß sie eine Feindin des Imperiums oder gar des Kaisers war, das hielt er für absolut abwegig.


    "Gibt es tatsächlich so viel Ungeziefer in Aegyptus? Hast Du gerne dort gelebt? Oder bist Du froh, nun in Rom leben zu können?" Da sie recht offen über sich berichtete, hatte er keine Scheu, Fragen zu stellen, mit denen er seine Neugierde stillen konnte.

  • Das Thema mit dem Pfeil war offensichtlich abgehakt - zumindest schien er dies bei sich beruhen zu lassen wollen, was für Caenis einem Eingeständnis einer Mitschuld sehr nahe kam. Männer waren eben so, das hatte sie nicht nur bei ihrem verstorbenen Gemahl feststellen müssen. Bevor sie einen eigenen Fehler zugaben, war zu allererst der Rest der Welt schuld daran, dass es nicht so gelaufen war wie gedacht, und erst, wenn sie den Beweisen nicht mehr ausweichen konnten, waren sie bereit, eventuell in Betracht zu ziehen, nicht unschuldig zu sein. Aber es war wohl auch besser, diesen Streit ruhen zu lassen, denn einig werden würden sie sich nicht, für ihn würde kaum zählen, dass sie immer vorsichtig war, und für sie zählt sein Bild von ihr, das einer umher schießenden Träumerin recht nahe zu kommen schien, nicht unbedingt.
    "Nun, es ist eine Sache, sie zu schießen, eine andere, sie zu essen. Betrachtet man die meisten Patrizier genau, so scheinen sie mir eher für die Jagd zu taugen denn als Braten - zudem, ist die Jagd vorüber, hat man die Beute erlegt, so verliert alles seinen Reiz. Man möchte es mit Ovids Grundsatz, dass der Versuch, einen Menschen des anderen Geschlechtes für sich zu gewinnen, stets aufregender ist als der darauf hin folgende Alltag, der einem abverlangt, sich Schwierigkeiten zu stellen und Kompromisse einzugehen, ja, sich sogar für den anderen aus Liebe zu erniedrigen."


    Als er erwähnt, dass man sie vor ihm auch nicht gewarnt hätte, muss sie dann doch kurz schmunzeln. "Hättest Du die Rüstung eines Prätorianers getragen, hätte einer der Sklaven am Eingang des Parks den Weg hierher gemacht - und sei es nur, um zu sehen, wie die Prätorianer mich wegen des Bogens verhaften. Ansonsten sollten es die Sesterzen, die ich ihnen für eine Warnung in Aussicht gestellt habe, auch tun." Kurz hebt sie die Schultern, als sei es ihr im Endeffekt ziemlich gleich, ob sie nun eine Strafe erhalten hätte oder nicht, generell scheint sie durch die Drohung mit den Prätorianern nicht besonders beeindruckt zu sein.
    "Selbst wenn es geschehen wäre, ich hätte mich vielleicht noch auf einen schwankenden Gemütszustand wegen meiner Trauer herausgeredet oder etwas ähnliches, wer traut denn einer Frau schon umstürzlerische Aktivitäten oder Kaiserhass ernsthaft zu?" Es klang spöttisch, und ihre Augen funkelten bei den Worten merklich. Vielleicht war der Gedanke an eine Auseinandersetzung für sie aufregend?


    "Gefährliche Kriechtiere gibt es in Aegyptus genug, man kauft sich keinen Sklaven, der nicht fähig wäre, ein solches Tier zu töten. Zwar sind viele Villen und Gärten vollständig gepflastert, um es solchem Getier unmöglich zu machen, sich anzusiedeln und anzuschleichen, aber ein Feind könnte mit einer Schlange zu leicht zuviel Unheil anrichten, sodass man immer vorsichtig sein muss. Rom selbst - ich bin mir nicht sicher. Bisher wirkt es eher überlaufen und überladen als einladend auf mich. Hast Du hier stets gelebt?"

  • Ursus schmunzelte, als sie erklärte, daß sie Patrizier auch nicht zum Verzehr für geeignet befand. "Nun, wieviele Patrizier kennst Du persönlich?", fragte er ein wenig provozierend. "Und Du bist wahrhaftig der Meinung, nur die Jagd besitzt entsprechenden Reiz? Sicherlich ist sie es, die ohne große Mühe außerordentlich vergnüglich sein kann. Doch glaube ich, daß auch nach der erfolgreichen Jagd ein reizvolles und vergnügliches Erleben möglich ist. Es kostet nur mehr Mühe und guten Willen auf beiden Seiten. Und es ist bei weitem die größere Herausforderung, da es schwerer zu erreichen ist und mehr Einfallsreichtum erfordert." Er hoffte für sich, daß er eine Frau finden würde, mit der dies machbar war. Denn großartig Jagd würde es für ihn nicht geben. Mit Romantik hatte die Eheschließung eines Patriziers eben verdammt wenig zu tun. Wieder erinnerte er sich an das Gespräch mit Lucilla. Sie hatte ihm damals eindringlich klargemacht, daß der Tag der Hochzeit nicht das Erreichen eines Ziels bedeutete, sondern im Gegenteil ein Beginn war, von dem an man ständig daran arbeiten mußte, eine Partnerschaft herzustellen - und zu erhalten.


    "Wußtest Du, daß Praetorianer nur beim Dienst im Palast Rüstungen tragen? Und bei offiziellen Anlässen natürlich. Oder wenn ein Aufruhr niedergeschlagen werden muß. Ansonsten gehen sie in Toga durch die Stadt. Durch nichts als Praetorianer zu erkennen. Nicht umsonst stellen sie auch den Geheimndienst." Er grinste breit und durchaus frech. "Aber natürlich würde niemand glauben, daß Du Dich umstürzlerischer Aktivitäten oder gar des Kaiserhasses schuldig machen würdest." Auch seine Augen blitzten ein wenig übermütig. Denn warum sollte eine Frau schließlich nicht derlei Gedanken hegen? Die Geschichte zeigte, daß Frauen durchaus intriganter Gedanken und Tätigkeiten fähig waren.


    "Ich verbrachte einige Jahre in Griechenland. Und leistete mein Tribunat in Germanien ab. Sonst habe ich immer hier in Rom gelebt, ja. Und wo hast Du vor Deiner Zeit in Aegyptus gelebt?" Anscheinend nicht hier in Rom.

  • Leicht hebt sich eine Braue auf ihrer hohen Stirn, dann gilt ihm ein etwas nachdenklicherer Blick. "Zu viele nur vom Sehen, ebenso wie man es wohl bei Senatoren hält. Viele patrizische Familien bleiben gerne unter sich, und ich habe es in den letzten Jahren nicht anders gehalten. Aber würdest Du gerne schlaffes, fettiges Fleisch essen? Einen solchen Hirschbraten würde wohl jeder zurückgehen lassen, der noch bei Sinnen ist." Was er zu jener Zeit nach der Jagd sagte, ließ sie fast ein bisschen bitter schmunzeln. Offensichtlich war er nie verheiratet gewesen, sonst hätte er jenes nicht so leichthin ausgesprochen. "Der Reiz der Jagd ist doch bei den meisten Zusammenschlüssen unserer Gesellschaft nicht einmal vorhanden, wenn die Eltern die Zukunft der Kinder bestimmen. Eine Ehe - wenn wir bei dem Sinnbild des Erlebens nach der Jagd und Beziehungen bleiben wollen - ist selten die Anstrengungen wert, die man investieren muss, um sie aufrecht zu erhalten, wenn der Ehepartner dem eigenen Geschmack nicht entspricht; und sage nicht, ich würde dies zu negativ sehen, dafür habe ich zu viele Beschwerden von Frauen gehört, die ebenso wie ich früh vermählt wurden. Ich will nicht sagen, dass es nicht auch möglich sei, glücklich dabei zu werden, doch scheint mir eher das Gegenteil der Regel zu entsprechen." Es ist ein hartes Fazit, aber sie klingt sachlich genug dabei, dass man ihr nicht ohne weiteres ein zu emotionales Herangehen an die Thematik unterstellen kann.


    "Welchen Sinn sollte es haben, würde ich meine Waffe gegen die eigene Familie richten?" gibt sie trocken zurück und schüttelt sacht den Kopf. "Nun, da Du kein Prätorianer bist, würde ich sagen, habe ich Glück gehabt, nicht verhaftet zu werden - wobei es schon ein sehr pflichtbewußter Prätorianer sein müsste, der um diese Zeit durch einen Park streunt, immer in der Hoffnung, Feinde des Imperiums dabei aufzustöbern." Der Gedanke ist durchaus amüsant, man könnte sie verfolgen, weil man an ihrer Integrität zweifeln würde - aber es ist dann doch zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Vor allem, wozu? Niemand bei klarem Verstand biss in die Hand, die einen fütterte.
    "Achaia habe ich zu Beginn meiner Ehe bereist, aber das ist schon eine gute Weile her - ich wurde früh vermählt, konnte also die gesellschaftlichen Vorteile, die junge Frauen hier bei der Wahl einer passenden Partie haben, nicht auskosten - wahrscheinlich sind wir uns deswegen nie begegnet. In meiner Familie wurde viel Wert darauf gelegt, den Traditionen entsprechend zu leben." Was auch bedeutet, dass Frauen das Haus am besten gar nicht verließen, schon gar nicht unverheiratete Frauen. "Hat Dir Achaia gefallen? Im Vergleich zu Aegyptus erschien es mir oft als sehr gesetzt, und gleichzeitig zu leichtlebig, als hätte man dort verlernt, Dinge ernsthaft anzugehen."

  • In gespieltem Entsetzen befühlte Ursus seinen Oberkörper und seine Arme - wobei er die verletzte Stelle sorgsam mied. "Schlaffes, fettiges Fleisch? Oh, das ist ein wahrhaft vernichtendes Urteil. Vor allem bedeutet dies, eine Wette zu verlieren, die ich vor einigen Jahren abgeschlossen habe." Er grinste breit. Noch war er nicht im Senat. Doch er hoffte dennoch, bei der Wette die Oberhand zu behalten. Natürlich sprach er für Caenis in Rätseln, doch das war noch lange kein Grund für ihn, sie über die Wette aufzuklären.


    Das Thema Ehe war leider ein wenig zu ernst für Scherze und so räusperte er sich und fuhr ernst fort. "Nun, wie ich schon sagte, es kostet Mühe und guten Willen auf beiden Seiten. Einseitig kann es nur zu Unglück führen. Und Du hast Recht, nicht jeder bekommt die Gelegenheit, den Reiz der Jagd zu kosten. Wer der Nobilität angehört, wird wohl eher selten in solchen Genuß kommen. - Ist das nicht sogar noch mehr ein Grund, sich die Mühe zu machen?" Er blickte sie nachdenklich an. "Es mag vermessen sein, Dich darauf anzusprechen. Doch da Du selbst so offen darüber sprichst... Du warst mit Deiner Ehe offenbar sehr unglücklich?" Er wollte nicht aufdringlich sein. Doch die Bitterkeit in ihren Worten war nicht zu überhören gewesen. Und es interessierte ihn schon, was in dieser Ehe so falsch gelaufen war. Vielleicht konnte er dabei ja etwas für seine eigene Zukunft lernen?


    "Achaia... war sehr schön. Ja, es war ein wenig leichtlebig dort. Trotz aller Lernerei. Eine Weile lang kann das sehr viel Spaß machen und es ist nicht das Schlechteste, ein paar Jahre der Jugend dort zu verbringen. Doch auf Dauer ist das wirklich kein erstrebenswertes Leben. Ich war sehr froh, nach Rom zurückzukehren. - Du sagtest, Du bereistest Achaia zu Beginn Deiner Ehe. Und wo lebtest Du davor?" Sie wich seinen Fragen geschickt aus, was mochte es dafür wohl für Gründe geben?

  • Sie registriert die Bewegungen seiner Finger, folgt den Händen mit ihrem Blick, als er sich selbst betastet und dabei etwas mehr die Konturen seines Körpers offenbart. Dabei ist ihr Interesse anscheinend weniger weiblicher Natur – viele Frauen hätten jetzt wohl versucht, den ein oder anderen Einblick mehr zu gewinnen, aber das tut sie nicht – sondern ihr Blick hat das rationale, sachliche Interesse eines Kunstkenners, der eine neue Statue eines unbekannten Künstlers einzuschätzen versucht. Offensichtlich tut dieser Patrizier etwas für seine Figur, wenngleich er von der übermäßigen Muskulatur jener Männer verschont wurde, die nichts anderes tun als zu trainieren; ein Anblick, der stets den Vergleich zu einem sich bewegenden Berg Fleisch herausfordert und selten wirklich angenehm zu nennen ist.
    „Vielleicht ist dies ein Ausblick auf eine mögliche Zukunft, die all jenen droht, die sich irgendwann beginnen gehen zu lassen,“ sagt sie bedacht und kommentiert seine Bemerkung mit der Wette nur durch das leichte Heben einer Augenbraue. „Du hast um Deinen körperlichen Zustand gewettet? Warum?“ Es scheint eine so unsinnige Wette zu sein, dass es schon wieder wahr sein kann, Männer wetteten schließlich wegen der unsinnigsten Dinge, nur um einen gewissen Kitzel zu verspüren. Ob sie dieser Gedanke indes amüsiert, verrät ihr Blick nicht.


    Zumindest scheint er ein ernsthafter Mann zu sein, der sich Gedanken um die Welt zu machen scheint, und sei es nur die Welt im Kleinen, im Haushalt, in der Familie. Bestimmt ist er bereits versprochen und hat sich entsprechend vorbereitet, oder er steht kurz davor, sich eine Frau zu wählen.


    „Es kommt wohl ganz darauf an, was man sich von einer Ehe erwartet, wie man damit umgeht. Die wenigsten der nobilitas wählen ihre Ehepartner selbst, wie Du es sagtest, und daraus kann viel Unglück entstehen. Wenn sich ein Ehepartner nur mit dem Prestige der Familie des anderen schmücken will oder versucht, die Vorzüge eines eingeheirateten Vermögens oder Titels zu genießen, sehe ich wenig Aussicht darauf, dass die beiden Menschen, um die es eigentlich gehen sollte, miteinander zufrieden sein werden, da sie nichts sonst verbindet als ein gesellschaftlicher oder finanzieller Wert. Geht beides verloren, und das kann nun einmal geschehen, bleibt einem solchen Paar nichts mehr übrig. Natürlich sollte man immer versuchen, dem Ehepartner das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, aber es gibt denke ich auch einen Unterschied zwischen gutem Willen und vollkommener Selbstaufgabe, wie es viele Männer versuchen, ihren jungen und oft unerfahrenen Frauen einzureden.“ Ihre Bilanz des Ehelebens ist sicherlich nicht positiv, und seine allzu persönliche Frage lässt nun auch die zweite Augenbraue auf ihrer Stirn empor wandern. Es erscheint ihr reichlich dreist, dass er sie nach ihrer eigenen Ehe fragt, zudem, weil sie sich erst wenige Momente wirklich kannten. „Was meine eigene Ehe angeht, werte ich diese als wertvolle Lebenserfahrung, die mir viele Dinge auf eine neue Weise beleuchtet hat.“


    Er scheint neugierig zu sein, und für einen Mann zeigt er recht viel Interesse an ihrem Leben und ihren Erfahrungen – dass sie das erstaunt, versucht sie ihn nicht merken zu lassen, so gut es eben geht. „Ich habe vor meiner Ehe in der Nähe von Rom gelebt, bin auf dem Landgut meiner Eltern aufgewachsen; was mich leider nicht wirklich viel hat von Rom sehen lassen, denn meine Mutter war sehr darauf bedacht, mich vor den entsetzlichen Zuständen der capitalis zu bewahren, wie sie immer sagte.“ Für einen Moment scheint sie die Stimme ihrer Mutter noch einmal zu hören – die vielen Sorgen, die seltsamen Geschichten über das wilde und erschreckende Leben in der Stadt, das so faszinierend klang. „Vielleicht kennst Du meinen Bruder, Aelius Callidus?“

  • Ursus grinste breit. Er erinnerte sich gerne an jenen Tag und dieses Gespräch. "Eine schöne Frau äußerte vor ein paar Jahren, daß ich wohl ein Dickbauch sein müßte, wenn ich eines Tages in den Senat einziehe. Wir wetteten darum. Das mag Dir ungewöhnlich erscheinen, doch vielleicht sollte ich erwähnen, daß diese Wette am ersten Tag der Saturnalien geschlossen wurde, als wir uns während der Opferzeremonie zufällig trafen und anschließend bei einem Becher Wein ins Gespräch kamen." Schließlich tat man ja während der Saturnalien allerlei Dinge, die man sonst nicht zu tun pflegte.


    "Nun, ich muß gestehen, daß ich froh wäre, wenn mein Vater noch leben würde und mir bei der wichtigen Aufgabe, eine geeignete Ehefrau zu finden, helfen würde. Es ist politisch und wirtschaftlich so vieles zu beachten, bei dem mir die Erfahrung fehlt. Und das ist tatsächlich das wichtigste bei einer Eheschließung. Anschließend ist es die Aufgabe des Paares, das beste aus der Situation zu machen. Und ich glaube immer noch, daß ein harmonisches Zusammenleben möglich ist, auch wenn am Anfang keine Zuneigung im Spiel ist. Oft habe ich schon gesehen, daß heiße Liebe nur allzubald erlischt und dem eher tristen Alltag nicht standhält. Wenn aber der triste Alltag zuerst eintritt, sich beide Partner ihren Platz darin suchen und dann zusammenwachsen und ihre Zuneigung erst entwickeln, dann glaube ich, kann eine dauerhafte und starke Verbindung entstehen." Er machte eine kurze Pause. "Natürlich habe ich als Mann gut reden. Wir haben ja noch vielerlei Möglichkeiten, unser Leben spannend zu gestalten, während eine Frau viel stärker vom guten Willen ihres Mannes abhängig ist. Doch wie ich schon vorhin sagte: Funktionieren kann es ohnehin nur, wenn beide den Willen zur Gemeinsamkeit haben. Wenn jeder bereit ist, dem anderen seinen Raum zu lassen und keiner dem anderen das Leben unnötig schwer macht. Ehrlichkeit, Offenheit und Verläßlichkeit müssen auf beiden Seiten vorhanden sein. - - Soweit zu meiner Theorie, denn natürlich war ich noch nicht verheiratet. Und vielleicht ist es auch blauäugig von mir zu hoffen, eine passende Frau zu finden, die das genauso sieht wie ich."


    Er blickte Caenis offen an. Das Gespräch nahm einen Verlauf, der sicher von ihren nächsten Verwandten nicht gerne gesehen würde. "Eigentlich ist dies alles kein Thema für eine lockere Konversation. Doch... irgendwie ist die Situation ja auch mehr als ungewöhnlich. - Ist Dir das passiert? Hat Dein Mann von Dir gefordert, Dich selbst ganz aufzugeben und Dich ganz und gar darauf zu reduzieren, an seiner Seite zu stehen? Warum? Wie kann das Zusammenleben interessant und lebendig bleiben, wenn einer von beiden seine Persönlichkeit aufgibt?" Wie konnte man interessante Gespräche führen, wenn der Partner keine eigenen Erlebnisse hatte? Wenn er nicht seine eigene Meinung und eigenen Erfahrungen einbringen durfte?


    Ihre letzte Frage war so überraschend, daß sich seine verräterische Augenbraue mal wieder hob, obwohl er sich ja alle Mühe gab, diese dumme Angewohnheit abzulegen. "Ich kenne natürlich seinen Namen, doch begegnet bin ich ihm noch nicht." Damit war wenigstens klar, wie sie in den Stammbaum der Aelier einzuordnen war.

  • Die Saturnalienwette lässt die Aelierin kurz schmunzeln, die Mundwinkel zucken verräterisch, aber die Miene verrät sonst nicht, wie sie diese Wette sonst einschätzt. Zumindest zu albern scheint sie dies nicht zu finden, denn dann hätte sie wohl laut heraus gelacht – in der Stimme schwingt zumindest mildes Amüsement mit, als sie auf seine Worte reagiert.
    „Für Deine Wette sehe ich zwei Möglichkeiten in der Zukunft, Aurelius Ursus. Entweder Du wirst sehr schnell in den Senat aufgenommen, und behältst bis dahin Deine Gestalt, die sicherlich von Leibesübungen und morgendlichem Laufen herstammen dürfte. Das wäre natürlich ein sehr sicherer Gewinn Deiner Wette. Die andere Möglichkeit wäre, dass sich Deine Erhebung so lange heraus zögert, bis Du alt und dick geworden bist, dann allerdings dürfte sich der Wetteinsatz dann sehr erhöht haben, und Dich vielleicht ruinieren. In Deinem Interesse also wünsche ich Dir Ersteres.“ Die Saturnalien. Als Kind hatte sie diese Feiertage geliebt, inzwischen waren sie ihr verhasst, hatte ihr Mann doch immer darauf bestanden, dass sie die Sklaven während dieser Zeit bediente, die er sich unter dem Jahr als Liebesgespielen gekauft hatte. Es war eine stetige Erniedrigung gewesen, die mitleidigen Blicke ertragen zu müssen, und ein Echo dieser Tage spiegelt sich für einen Moment lang auch in ihren Augen wieder, bis sie sich wieder im Griff hat.


    „Du bist Patrizier, da sollte die Auffindung einer geeigneten Ehefrau doch nicht zu schwer sein,“ bemüht sie sich um einen leichten, lockeren Plauderton. „Wenn nicht die Tochter einer anderen Patrizierfamilie, so wird es sich sicherlich unter den angesehenen Plebejerfamilien der nobilitas für so manchen pater familias als lohnend erweisen, auf diese Weise in eine alte Familie einzuheiraten? Ich kann mir kaum vorstellen, dass Du nicht jetzt schon so manches verlockende Angebot bekommen hast, zudem Du als Magistrat den Willen beweist, für Deinen Stand etwas zu tun.“ Zudem, er ist jung und durchaus attraktiv, das sind zudem noch Argumente, die besonders bei Müttern unverheirateter Töchter auf viel Gegenliebe stoßen, junge Männer zeugen zumeist starke Söhne und machen römische Matronen zu begeisterten Großmüttern.
    Dass er sich Gedanken um den seltsamen Anstrich ihrer beider Unterhaltung zu machen scheint, läßt sie dann doch sichtbar lächeln, ein Anflug von Spott noch immer im Funkeln der Augen.
    „Ist die Ehe an sich nicht ein sehr wichtiges, fast ein übermäßig bestimmendes Thema, selbst wenn es nicht immer vordergründig zutage tritt? So manche politische Entscheidung wird durch Verbindungen zwischen einzelnen Familien beeinflusst, so vieles wird durch eine Ehe verändert. War nicht die Gemeinschaft zwischen Marcus Antonius und Cleopatra eine besondere Ehe, selbst wenn sie für Rom stets als verfemt und erschreckend galt? Ist nicht die Frau eines Feldherrn nicht oft auch ein Zünglein an der Waage seiner Entscheidungen? Wenn man es so betrachtet, beeinflussen Ehen einen großen Teil unseres täglichen Lebens, und sich diesem Thema gänzlich zu verschließen, nur weil man aus einigen unschuldigen Worten etwas ungehöriges konstruieren könnte, scheint mir doch viel des vorhandenen Potentials zu vergeuden.“


    Dass er wieder nach ihrer Ehe fragt, scheint wohl eine Angewohnheit zu sein – Neugierde scheint ein Teil seines Lebens zu sein, aber natürlich ist ein unverheirateter Mann auch besonders für dieses Thema zu haben, schließlich gehört die angemessene Ehefrau für einen Politiker auch zum Rezept des Erfolgs. „Meine eigene Ehe?“ Die Aelierin machte eine kleine Pause und legte den Kopf etwas schief. „Der Altersunterschied hat vieles schwierig gemacht; mein Gemahl hatte natürlich andere Ansichten und Erwartungen an eine Ehe als ich sie mit mir brachte, das ist wohl natürlich, wenn gute fünfzig Jahre zwischen zwei Ehepartnern liegen. Für ihn wäre eine duldsame, fügsame Frau ohne große eigene Interessen wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen als ich, und unsere Verbindung war nicht ... ideal." So neutral ihre Stimme auch klingt, die dunkler werdenden Augen verraten, dass hinter den bewusst sachlich gewählten Formulierungen mehr stecken muss als das, was sie ihm bisher gesagt hat – es macht aber auch deutlich, dass sie ihm darüber nicht mehr sagen würde. „Deine Vorstellungen von einer Ehe klingen sehr vernünftig, Aurelius Ursus, und ich wünsche Dir, dass Du eine passende Gemahlin findest. Hätte ich hier eine Freundin, die passen würde, würde ich Dir ihren Namen nennen, doch ich war zu lange von Rom entfernt.“

  • Es war wirklich bewundernswert, wie sehr sie sich unter Kontrolle hatte. Ein Jammer, daß Frauen nicht in die höhere Politik gehen konnten, sie wäre vermutlich eine grandiose Politikerin geworden - wenn sie es gewollt hätte. Ihre Worte waren stets wohl gewählt und gesetzt. Und ihre Miene verriet so gut wie nichts über das, was sie so dachte. Allein ihre Augen blitzten hier und da ein wenig verräterisch auf, doch auch das konnte alles bedeuten. Ursus konnte nicht umhin, sie zu bewundern.


    "Oh, ich hoffe natürlich auch, daß es nicht mehr zu lange dauert, bis ich in den Senat berufen werde. Doch hoffe ich ebenfalls, daß ich dann nicht gleich meinen Körper vernachlässige, nur weil die Wette dann gewonnen ist." Er grinste breit. Irgendwie freute er sich darauf, mit Lucilla über die Wetteinlösung zu sprechen. Doch sein Grinsen erstarb, als er den Blick ihrer Augen sah. Es war nur ein kleiner Moment, doch der Schatten war unübersehbar. Hatte er etwas falsches gesagt? Sie an etwas schlimmes erinnert?


    Ging es also wieder an das Heiratsthema. "Ganz im Gegenteil ist es sogar sehr schwer gerade für einen Patrizier. Im Moment gibt es weit mehr junge Männer als junge Frauen aus vornehmen Familien. In vielen Fällen wurden die Verlobungen schon vor langer Zeit ausgemacht. Das ist bei mir nicht der Fall, da mein Vater starb, bevor er dergleichen aushandeln konnte. Zudem war ich lange abwesend. - Aber ich hoffe natürlich, daß meine Tätigkeit mit Pluspunkte für die Verhandlungen verschafft." Er wollte damit auch nicht mehr zu lange warten, noch war er jung.


    Ihre eigene Ehe war unüberhörbar kein Thema, über das sie zu sprechen wünschte. Der Gatte war offenbar wesentlich älter gewesen als sie selbst. Und vermutlich mit einer Frau überfordert, die ihre eigenen Gedanken und Meinungen hatte. Dabei fand Ursus gerade dies reizvoll an einer Ehe. Was wollte er mit einer Frau, die ihm nur nach dem Mund redete? Brauchte ein Mann nicht auch mal jemanden, der ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholte, wenn er sich zu sehr in etwas verrannte? Brauchte er nicht jemanden, der ihm auch mal eine unangenehme Wahrheit sagte, damit er nicht ein falsches Bild von sich selbst erhielt? Und nicht zuletzt wurde das Zusammenleben dadurch doch erst interessant. Wie langweilig, wenn eine Frau nur nickte und auf jeden Wink hin seine Wünsche erfüllte. Gab es dafür nicht Sklavinnen?


    "Ja, da hast Du recht. So sollte es zumindest sein. Doch wie viele solcher Ehen gibt es?" Er blickte sie an. So jung und schon verwitwet. Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis ihre Familie für sie eine weitere Ehe arrangierte. Hoffentlich traf sie es dann besser als beim ersten mal. "Ich danke Dir für Deine guten Wünsche. Und ich wünsche Dir ebenfalls, daß Du eines Tages das Leben führen kannst, das Du Dir wünschst." Wie immer das aussehen mochte. Er würde es gerne wissen, fand es aber nicht sehr passend, danach zu fragen. Trotzdem war es ihm ernst mit seinen Worten. Hatte nicht jeder Mensch ein wenig Glück verdient?

  • Sein Verhalten bisher hatte sie ahnen lassen, dass er nicht als unbekannter und unwissender Mann auf dem politischen Parkett wird leben müssen - bisher hat er zwar einige neugierige Fragen gestellt, doch auch genug Sensibilität besessen, jene Themen nicht weiter zu verfolgen, bei denen sie sich unwohl fühlt. Ob sie sich doch irgendwie verraten hat? Einer direkten Schuld ist sie sich nicht bewusst, kann sie sich doch auch im Gespräch schlecht im Spiegel betrachten, so schreibt sie Ursus' Reaktion auf den Ausdruck ihrer Augen kurzerhand einer vorhandenen Sensibilität und Aufmerksamkeit zu, die andere Männer weit weniger besitzen.
    "Nun, es liegt ganz bei Dir, ob Du Roms Frauenwelt auch künftig zu neugierigen Blicken herausfordern willst oder lieber mitleidiges Seufzen provizierst, sobald man einen dicken Bauch samt zugehöriger toga und Senatorenring erblickt," sagt die Aelierin mit sanftem Spott in der Stimme. So viele haben sich gehen lassen, sobald sie den Weg in den Senat gemacht hatten, dass es seltsam erscheint, wenn es wenige nicht tun. Doch wirkt er trainiert genug, um diesem Laster nicht zu schnell zu verfallen, dessen ist sie sich sicher. Hat sich ein Mensch erst einmal an eine Routine gewöhnt, so wird er sie selten allzu schnell wieder los, ob im guten oder schlechten.


    "Es erstaunt mich, dass der Heiratsmarkt in Rom so unentspannt sein soll, doch ich nehme an, wenn man etwas ganz bestimmtes sucht, ist es nie leicht, es schnell zu finden. Das Fehlen eines Vaters, der das Aussuchen für Dich übernimmt, muss doch kein Nachteil sein, zumindest wirst Du so eher eine Frau entdecken können, die Dir passend erscheint. Der Geschmack von Vätern und Söhnen muss nicht übereinstimmen, oftmals geht er so sehr auseinander, dass man niemals zufrieden sein kann mit dem, was einem bestimmt wurde," spricht sie überlegend und lässt ihren Blick dann wieder auf ihrem Gesprächspartner ruhen. Seltsam, dass sie hier Gedanken austauschen, als wären sie schon lange befreundet. Aber vielleicht liegt es gerade daran, dass er fremd ist, dass es für sie nicht schwer ist, ihrer Zunge zumindest nicht alle Zügel anzulegen, die man von einer Frau gemeinhin erwartet. Nach vielen Jahren ohne einen passenden Gesprächspartner ist es ein Sehnen gewesen, das kaum erfüllt werden konnte und sich nun auf so leichte Weise anbietet.
    "Solche Ehen dürften selten sein. Wahrscheinlich auch, weil heute vieles von der Liebe abhängig gemacht wird, allen Traditionen zum Trotz, oder sich ein Teil der Beziehung mit dem abfindet, was ist, meistens die Frau. Irgendwann muss man sich immer die Frage stellen, ob der beständige Kampf lohnt oder nicht."


    Als langweile sie das Thema, blickt sie auf und an ihm vorbei. Eine findige Freundin hätte nun wohl versucht, sie und den Aurelier zu verkuppeln, aber nach derlei stand ihr nicht der Sinn. Ginge es nach ihr, würde sie nicht mehr heiraten, aber sie wusste auch, wie wenig diese Option wahrscheinlich war, irgendwann würde sich zum Vorteil der Familie sicherlich der nächste Mann finden, der die entsprechenden Verbindungen oder den entsprechenden Reichtum zu besitzen versprach. "Das Leben, das ich mir gewünscht hätte, werde ich niemals führen können - als vestalische Jungfrau tauge ich leider nicht mehr allzu viel." Kurz hebt sich ein Mundwinkel, um den Scherz anzudeuten, aber die Worte entsprechen doch einer gewissen Wunschvorstellung, die sie als Mädchen gehegt hat. "Ich überlege, in den cultus deorum zu gehen, aber genaue Pläne habe ich nicht gemacht. Einer Frau bleibt wenig mehr als die Aussicht auf eine neue Ehe, wenn die erste erst vorüber ist, traurigerweise. Und ich wüsste nicht, wie ein Mann beschaffen sein müsste, mit dem ich mir solches gut vorstellen könnte."

  • Ursus lachte und nahm ihr ihren Spott nicht übel. Warum auch? "Nun, ich glaube, ich ziehe die neugierigen Blicke der holden Weiblichkeit dann doch dem mitleidigen Seufzen vor und nehme die dafür notwendige Anstrengung in Kauf. - Immerhin hat regelmäßiges Training auch einen weiteren Vorteil, den man nie unterschätzen sollte: Zeit, in der man seinen Gedanken freien Lauf lassen kann und in der man nicht gezwungen ist, eine Maske zu tragen." Ja, vielleicht war das sogar einer der Hauptgründe, warum er das regelmäßige Training nicht aufgeben mochte. Blieb zu hoffen, daß seine Pflichten ihn nicht eines Tages so sehr in Anspruch nahmen, daß schlicht die Zeit für so etwas fehlte.


    "Du wirst schon sehen, wie unentspannt der Heiratsmarkt ist. Wenn sich erst herumspricht, daß die Gens Aelia eine schöne junge Witwe vorzuweisen hat, wirst Du Dich vor Angeboten vermutlich kaum retten können." Das war nicht einmal ein Scherz. Besser, sie machte sich darauf gefaßt, denn er merkte schon, daß sie eine Heirat für sich selbst vorerst nicht in Betracht zog. Was er nach ihren Andeutungen über ihre bisherigen Erfahrungen durchaus verstehen konnte. Schade, er fand sie gar nicht so unpassend. Doch vorerst war daran wohl nicht zu denken.


    Er empfand das Gespräch als sehr angenehm und ja, durchaus freundschaftlich. Erstaunlich, wenn man bedachte, wie sich sich begegnet waren und daß sie sich erst kennengelernt hatten. "Du magst recht haben, was den Geschmack angeht. Doch was mir fehlt, und was mein Vater gehabt hätte, sind die vielen Beziehungen, die einem überhaupt erst einmal die Türen öffnen. Väter von jungen Frauen verhandeln eben nicht gerne mit jungen Männern, sondern lieber mit deren Vätern. Daran ändert auch die Tatsache, die Ämterlaufbahn zu beschreiten, kaum etwas. Wie Du siehst, zusammen ist es das beste. Ein Vater, der die Türen öffnet und ein Sohn, der sich selbst umschauen darf. - Bitte erinnere mich an diese Sätze, sollte ich selbst einmal einen Sohn im heiratsfähigen Alter haben." Falls sie sich in dieser gedachten Zukunft überhaupt noch kennen sollten. Aber Ursus war optimistisch genug, davon auszugehen. Oder es sich zumindest zu wünschen.


    Auch wenn ihre Worte über ein Leben als vestalische Jungfrau ganz offensichtlich als Scherz gedacht waren, so schaute Ursus doch sehr erstaunt drein, als sie dies äußerte. "Was genau macht denn eigentlich den Reiz aus, als vestalische Jungfrau zu dienen? Sicher ist der Dienst für die Götter immer eine sehr große Ehre und eine wichtige, ständige Pflicht. Aber das ganze Leben allein dem zu weihen? Was bringt ein junges Mädchen, das sein ganzes Leben noch vor sich hat, dazu, sich ein solches Leben zu wünschen?" Vielleicht konnte er dies als Mann nicht verstehen. Vielleicht mußte man eine Frau sein, um so etwas nachvollziehen zu können.


    "Den Göttern kann man doch auch sehr verbunden sein und ihnen trotzdem nur einen Teil seines Lebens widmen. So wie Du es jetzt als Möglichkeit in Betracht ziehst. Der Cultus Deorum sucht immer Menschen, die dazu bereit sind. Und es stellt ja auch eine der wenigen Möglichkeiten dar, als Frau eine gewisse Position im öffentlichen Leben zu erlangen." Vor allem, wenn man so redegewandt und klug war wie sie.


    Traurig klangen ihre letzten Worte auf jeden Fall, auch wenn der Tonfall nicht dem entsprach. Hatte sie wirklich schon derart resigniert? "Vielleicht begegnet Dir eines Tages ein Mann, bei dem Du feststellst, daß er genau so beschaffen ist, daß Du Dir eine neue Ehe mit ihm gut vorstellen kannst. Ich wünsche Dir jedenfalls dieses Glück und hoffe, daß Du dem Schicksal entgehst, ein weiteres mal gegen Deinen Willen verheiratet zu werden."

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