Recherche: Die Erde als Kugel

  • Ich hatte von einem der Sklaven des Museions gehört, dass die Erde eine Kugel sein sollte. Irgendwie erschien mir das seltsam, also ließ ich mir ein paar Werke darüber bringen.


    Zunächst las ich ein paar Bemerkungen des Pythagoras von Samos. Es kam nach einer Reihe von Überlegungen über die Symmetrie zu dem Schluss, dass die Erde nur ein Gebilde höchster Symmetrie, also eine Kugel sein könne. Das erschien mir wenig praktisch und auch nicht wirklich aussagekräftig. So sehr ich Pythagoras verehrte, hier konnte er mich nicht überzeugen.


    Das nächste Werk war interessanter. Es stammte von Aristoteles. Wieder ein großer Philosoph, den ich verehrte. Wenn ein Schiff von Land wegfährt, so stellte er fest, verschwindet zuerst der Rumpf aus dem Sichtfeld und dann die Segel. Das Phänomen kannte ich, doch genügte es mir nicht als Beweis für eine Kugelgestalt.


    Ich dachte nach. Wäre einfach nur die Ebene schief, so würde man dennoch das ganze Schiff sehen können und es müsste einfach nur immer kleiner werden. Deshalb konnte ich das ausschließen. Wenn ich an Land einen ähnlichen Effekt erhalten wollte, musste ich jemanden über einen Hügel schicken. Andererseits war der Effekt auch in einer Ebene sichtbar. Wasser hatte, wenn man den leichten Seegang vernachlässigte, keine Hügel. In der Tat sammelte sich Wasser immer am tiefsten Punkt, das wusste ich aus eigener Anschauung und auch aus einigen Schriften aus China und Indien. Somit musste die Erde zumindest eine gekrümmte Oberfläche haben. Das war allerdings noch kein Beweis für eine Kugelgestalt. Außerdem musste dann die Frage beantwortet werden, warum das Wasser nicht vom höchsten Punkt der Krümmung zu den Seiten floss. Damit verbunden war die Frage, warum es sich krümmen sollte. Mir wurde schnell bewusst, dass beide Fragen ein und dieselbe Frage waren.


    Ich las weiter in den Schriften des Aristoteles und stieß auf einen weiteren Punkt. Je weiter man nach Süden kommt, umso höher stehen die südlichen Sternenbilder über dem Horizont. Auch dies war kein Beweis für eine Kugelgestalt der Erde. Vielmehr erschien es mir eine logische Folge der sphärischen Anordnung des Firmaments zu sein. In einer weiteren Schrift fand ich allerdings die Hypothese, dass alle Körper des Universums zum Zentrum desselben streben. Dieser Punkt war logisch. Unter der Annahme, dass die Erde das Zentrum des Universums war - und wieso sollte irgendwer daran zweifeln? - bedeutete dies, dass alles zur Erde streben würde.


    Jetzt musste ich nachdenken. Ich nahm an, dass alle Elemente gleichmäßig im Universum verteilt waren. Des weiteren nahm ich an, dass die Erde zunächst nur ein Punkt war. Dann würde, wenn alles zum Zentrum strebte, sich alles gleichmäßig sammeln. Die erde würde sich dann zu einer Kugel erweitern und alles auf der Erde würde versuchen, dem Zentrum der Erde so nahe wie möglich zu sein. Das war aber nur bei einer Kugel möglich. Das würde auch bedeuten, dass in diesem Fall das Wasser versuchen würde, sich so anzuordnen, dass es dem Zentrum möglichst nah wäre. Dann würde das ebenfalls aus Symmetriegründen zu einer sphärischen Anordnung führen. Dann wiederum wären alle Wasserflächen gekrümmt. Das Wasser würde nicht tiefer fließen können, weil das Wasser bereits am nächsten am Zentrum der Erde wäre. Womit die Hypothese, dass alles zum Zentrum strebe, automatisch zur Kugelgestalt führen würde.


    Als nächstes fragte ich mich, ob etwas anderes als diese Hypothese des Aristoteles dazu führen könnte, ob Wassr gekrümmt sein könnte. Prinzipiell fiel mir dazu eine Quelle auf einem Hügel ein. Würde eine solche Quelle existieren, würde das Wasser von dort auf die Küsten zu fließen. Es gab aber Strömungen, die von der Küste wegführten. Außerdem gab es laut Berichten der Seefahrer keinen Punkt des Mare Internum, von dem aus alle Strömungen zumindest lokal wegführten. Somit war die Hypothese der Quelle nicht haltbar, so dass als einzige Erklärung der Beobachtung die Hypothese der Kugelgestalt dienen konnte.


    Dann fand ich noch einen weiteren Punkt: Bei einer Mondfinsternis warf die Erde ihren Schatten auf den Mond. Dabei war der Schatten stets rund, unabhängig von der Lage des Beobachters. Auch das war eine Beobachtung, die sich nur mit der Kugelgestalt der Erde vereinbaren ließ. Somit hatte Aristoteles also recht. Da ich mich hier zum ersten Mal mit der gestalt der Erde befasste, war ich recht unvoreingenommen und deshalb Willens, die Kugelgestalt zu akzeptieren. Jetzt musste ich mir überlegen, was das für Konsequenzen hatte.

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