Zwei Brüder unter sich

  • Thimótheos Bantotakis und seine Brüder waren nun schon eine ganze Woche in Alexandria. In dieser kurzen Zeit hatte sich bereits viel getan. Ánthimos und Timos hatten Arbeit gefunden. Ánthimos hatte sich verlobt, Timos hatte ebenfalls eine interessante Begegnung mit dem weiblichen Geschlecht und Ilías bemühte sich um eine Anstellung beim Cursus Publicus. Außerdem hatten sie sich zu viert zur Ephebia im Gymnasion angemeldet.
    All das wollte Thimótheos nun während eines angenehmen Thermenbesuchs mit seinem Bruder revue passieren lassen.


    Am Eingang liehen sie sich Sandalen mit dicken Holzsohlen und Handtücher. Ein kurzer Besuch in der Umkleide und wenige Minuten später standen sie schon im mittelwarmen Tepidarium.
    "Dann wollen wir mal." schmunzelte Timos. Bis auf einen Greis, der offenbar im Wasser eingenickt war, fanden sie gerade niemanden vor. Timos stellte die Sandalen am Beckenrand ab und legte sein Handtuch auf eine Steinbank daneben, dann betrat er langsam das Becken, um sich an das warme Wasser zu gewöhnen. Dort setzte er sich auf eine Stufe im Becken, so dass nur noch sein Kopf und seine Arme, die er auf dem Beckenrand ablegte, aus dem Wasser ragten.
    Er seufzte leicht und schloss die Augen.
    "Jaa, das tut gut..."

  • Anthi ging langsam ins Becken. Irgendwie hatte ihn der Schiffsbruch ein wenig wasserscheu werden lassen. Natürlich gab es dafür keine Veranlassung, aber solche Ängste waren halt nicht unbedingt vom Realismus abhängig. Als er dann aber erst einmal drinnen war erfreute er sich ebenfalls an dem warmen Wasser und tat es seinem Bruder gleich. "Aaah, ich hab bis eben gar nicht gewusst wie sehr ich ein warmes Bad vermisst habe."

  • Timos murmelte etwas zustimmendes und öffnete die Augen wieder. Er atmete den warmen Dampf, der vom Becken aufstieg, ein und genoss noch einen Moment lang die Ruhe, die hier herrschte.


    "Es ist eine Menge passiert, seit wir in Alexandria angekommen sind." meinte er dann unvermittelt und mit starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtetem Blick.

  • "Allerdings. Es ging alles so schnell, dass ich manches kaum glauben mag. Gerade waren wir noch Schiffsbrüchige am Strand und jetzt haben wir einigermaßen gute Berufe und sind in Alexandria richtig angekommen."


    Er beobachtete den alten Mann, aber der schien offenbar wirklich eingeschlafen zu sein. Konnten sie hier wirklich offen reden? Zu gerne hätte er Timos zu Axilla befragt. Andererseits war es Anthi ebenfalls bewusst, dass das Gespräch auch andersherum laufen konnte.

  • Der Älteste der Bantotakis-Brüder nickte nur und wollte gerade antworten, als ein lautes Blubbern seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er schaute in die Richtung des Geräuschs und musste grinsen. Der Greis war im Schlaf langsam ins Wasser gerutscht und hatte sich nun beim Schnarchen verschluckt. Prustend und hustend rettete der Alte sich aus dem Wasser und schaute die beiden Griechen verwirrt an. Hatte er so lange geschlafen, dass er sie nicht hatte reinkommen sehen? Hastig murmelte der Greis eine Entschuldigung und ächzte dann langsam zum Ausgang.


    Timos grinste seinen Bruder nur breit an und meinte dann:
    "Jetzt können wir ungestört reden." Er machte eine Pause und lehnte sich noch einmal gemütlich zurück.
    "Es ging wirklich sehr schnell. Ich kann noch gar nicht fassen, dass du bereits verlobt bist."
    ...vor mir! setzte er in Gedanken hinzu.

  • "Das ging wirklich unglaublich schnell. Aber wenn man die richtige frau findet, darf man nicht lange zögern. Ich bin ja froh, dass Penelope eine anständige Griechin ist." Schnell wurden ihm seine Worte bewusst.


    "Nicht das Axilla nicht anständig ist, aber sie ist eben eine Rhomäerin."

  • Für diesen Ausrutscher erntete Ánthimos erstmal ein bitterböses Funkeln seines Bruders.
    "Du nimmst dir in letzter Zeit eine Menge Urteile und Kritik heraus..."
    Wer kritisiert und verurteilt wurde ließ er aus, doch war offensichtlich was er meinte. Dann wurde seine Miene jedoch wieder freundlich und er sagte milde:
    "Aber du hast ja recht. Penelope ist eine gute Frau. Sie wird der Familie eine großartige Bereicherung sein. Ich hingegen habe natürlich kein Glück und vergucke mich in eine Rhomäerin...die freiwillig mit einem wildfremden Griechen in irgendwelchen Absteigen ihre Langeweile betäubt."
    Er seufzte leicht und setzte sich aufrecht hin, während er die Hände auf seine Oberschenkel stützte.
    "Sie ist eine anständige Frau...aber sie ist Rhomäerin. Da gibt es keine Möglichkeiten..."
    Der bedauernde Unterton in seiner Stimme war nicht zu verkennen.

  • Timos nickte. "Ja. Ich mag sie sehr. Sie ist mir richtig ans Herz gewachsen."
    Er fing an mit einem Finger leise platschend die Wasseroberfläche zu durchbrechen.
    "Hmhm. Urgulania hat keinen blassen Schimmer. Und dabei wird es auch bleiben."

  • "Also sehe ich richtig dass du nicht vorhast die Finger von ihr zu lassen? Du weist, dass ich dich unterstützen werde, aber das ist gefährlich...und zwar für unsere ganze Familie. Schließlich bist du unser Oberhaupt und damit stehst du für die gesamte Familie."


    Er stockte kurz. natürlich wusste er dass Timos sich bemühte, aber er war eben noch nicht lange das Oberhaupt der Familie und schien damit noch Probleme zu haben.


    "Und ich habe nun eben auch eine Verantwortung meiner zukünftigen Frau gegenüber."

  • Timos grinste kurz anzüglich, doch sein Grinsen erstarb, als Ánthimos auf seine Verwantwortung als Familienoberhaupt zu sprechen kam.
    "Bei allen Göttern des Olymps, du weißt so gut wie ich, dass die Familie für mich über alles geht. So gerne ich bei Axilla bin, ich würde niemals zulassen, dass meinen Brüdern wie ihrer Familie etwas zustieße."
    Er saß nun wieder völlig gerade und sein Blick war selbstbewusst, aber auch sorgenvoll.
    "Es ist nicht leicht, für so viele Menschen Sorge tragen zu müssen, wenn man zuvor jahrelang nur für sich selbst verantwortlich war..."

  • "Ich weis das, denn mir geht es ebenso. Ich bin jetzt für meine Frau verantwortlich, und das ist schon etwas komisch." Er seufzte, denn es war nicht mehr seine Frau für die er die Verantwortung trug. "Aber ich kann ohne Penelope nicht mehr sein. Ich vermisse sie wenn ich nicht bei ihr bin, und ich denke ständig an sie. Du weißt ja, dass ich es früher mit einigen Mädchen nicht allzu ernst gemeint habe, aber hier ist es etwas völlig anderes." Aber er musste nochmal auf das Thema Axilla zurückkommen.


    "Aber was gedenkst du jetzt mit Axilla zu tun? Überleg nur mal, sie würde schwanger werden, nicht auszudenken was dann passieren würde...Also jetzt mal ehrlich: Willst du sie weiter treffen?"

  • Mit ernster Miene betrachtete Timos die Wasseroberfläche, auf der sich durch seine wenigen Bewegungen seichte Wellen abzeichneten.
    "Ich werde sie weiterhin treffen, ja."
    Er dachte wieder an ihre gemeinsame Nacht und an die Zeit in ihrem Cubiculum. Nein, er würde sie nicht vernachlässigen oder gar vollends verlassen. Er würde immer bei ihr sein.
    "Ich passe auf, Ánthimos. Wäre ich in den letzten Jahre unvorsichtig gewesen, hätte ich bereits weit mehr Bastarde gezeugt. Ich bin kein Dummkopf, Bruder."
    Er lächelte sachte. Was für eine merkwürdige Unterhaltung.

  • "Gut wenn du das sagt, vertraue ich dir natürlich."
    Damit musste er leben, denn mehr als ein Versprechen könnte er weder verlangen noch bekommen.


    "Aber ich bin so froh, dass wir hierher gekommen sind. Wie läuft es eigentlich mit deiner Chefin? Ich hab sie demletzt kennengelernt und ich fand sie wirklich sehr nett."

  • Ánthimos' Antwort ließ er unkommentiert, stattdessen schaute er schmunzelnd auf, als dieser Urgulania erwähnte.
    "Sie ist lustig. Auch wenn sie zunächst einen strengen Eindruck auf mich gemacht hatte, so widerlegte sie diesen Eindruck doch recht schnell mit ihrer freundlichen Art und ihren aufheiternden Scherzen."

  • "Ich fand sie auch wirklich sehr nett. Ich glaube da hast du wirklich Glück gehabt. Allerdings bin ich mit meinem Chef auch sehr zufrieden. Heute waren wir wieder auf dem Fremdenmarkt unterwegs und ich glaube langsam könnte ich mich dort mit geschlossenen Augen bewegen."


    Er tauchte kurz unter, um seine Haare wieder zu befeuchten.

  • Als sein Bruder wieder auftauchte, runzelte Timos die Stirn, während er an Urgulanias Worte dachte.
    "Sei vorsichtig. Ich habe merkwürdige Dinge über den Agoranomos gehört. Natürlich ist ein Großteil davon Gerüchte oder politisch ambitionierte Schlechtmache, aber dennoch...lass dich nicht in irgendwelche krummen Geschäfte verwickeln."
    Was für eine Ironie, dass er, der regelmäßig Opiumhöhlen aufsuchte und bereits etliche gesetzlose Taten vollbracht hatte, seinen Bruder zur Vorsicht mahnte. In solchen Momenten kam in Timos eben der Beschützerinstikt des großen Bruders hervor.

  • "Was? Castor und krumme Geschäfte? Das kann ich mir aber gar nicht vorstellen. Dafür ist der viel zu korrekt." Anthi schüttelte den Kopf. Er hatte sowas ja auch schon gehört, aber er konnte sich das wirklich nicht vorstellen. "Das hast du doch sicher von Urgulania, oder? Ist ja auch kein Wunder. Sie soll sich gut mit Nikolaos Kerykes verstehen und der ist ja Castors Konkurent. Zumal Nikolaos ja auch Dreck am Stecken haben soll. Das sind sicher die üblichen Spielchen um die Stimmen bei der nächsten Wahl. Also ich halt mich da ganz raus, und du solltest das auch. Sobald wir die Ephebia haben, sollten wir uns eh lieber um unseren Weg Gedanken machen."

  • "Da stimme ich dir zu. Wir bestehen die Prüfung der Ephebia und erlangen das Bürgerrecht, dann werden wir um unsere eigenen Stimmen kämpfen."
    Er schmunzelte. "Hast du schon eine Vorstellung, für welches Amt du kandidieren würdest?"

  • Anthi überlegte kurz. Darüber hatte er schon lange gegrübelt und hatte für sich ein Ergebnis gefunden.


    "Mich würde das Amt des Agoranomos schon reizen. Allerdings werde ich ganz sicher nicht gegen Castor antreten. Er gab mir eine Arbeit und das würde ich als zutiefst undankbar empfinden an seinem Stuhl zu sägen. Wenn er sich also nicht für ein höheres Amt aufstellen lässt, werde ich wohl gegen Cleonymus antreten. Ich kenne ihn zwar noch nicht, und vermag auch nicht zu beurteilen wie gut er seine Arbeit macht. Vielleicht ist er ja ein durchaus kompetenter Mann, aber er ist Ägypter und somit sicher das schwächste Glied in der Kette. Ich meine ein große starker Grieche und Athlet würde nach außen schon gut als Befehlshaber der Stadtwache passen. Letztendlich ist mein Ziel Kosmetes zu werden und daher ist es mir eigentlich egal, welches der niedrigeren Ämter ich begleiten würde, aber wie gesagt: Meine erste Wahl wäre der Posten des Agoranomos."

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