Das Opfer für ihre Götter und das für Iuno war inzwischen einige Tage her – sie hatte das Geld von Brix bekommen, allerdings hatte er diesmal nicht so schnell aufgegeben herauszufinden, wofür sie so viel brauchte. Siv hatte sich jedoch geweigert, etwas zu verraten, hatte nur gemeint, er solle ihr helfen oder es lassen, und irgendwann hatte Brix eingesehen, dass es ihr ernst war damit. Er hatte ihr wortlos die nötigen Münzen in die Hand gedrückt, und Siv hatte mit einem leise gemurmelten Danke entgegen genommen – aber seinen Blick hatte sie nicht vergessen. Irgendwann würde sie ihm erzählen müssen, wofür sie es gebraucht hatte, das war sie ihm schuldig. Aber es war ja nicht so, dass er es sich in nicht allzu ferner Zukunft selbst würde denken können. Und sie war fest entschlossen, ihm vorher noch davon zu erzählen, bevor er etwas würde sehen können. Nur, sie musste es Corvinus zuerst sagen. Er hatte ein Recht darauf, und das nicht, weil sie Sklavin war und er ihr Herr, sondern weil er der Vater war. Siv seufzte leise, während sie in der Küche die Sachen für Corvinus’ Mittagessen zusammenstellte. Sie hatte es ihm bis jetzt nicht gesagt, sie hatte nicht einmal Andeutungen gemacht, und sie hatte sich alle Mühe gegeben, sämtliche Anzeichen vor ihm zu verbergen – was auch nicht allzu schwer gewesen war, immerhin hatte er gerade vormittags genug zu tun. Es wurde allerdings langsam kompliziert, ihren Zustand vor den anderen Sklaven zu verschleiern. Siv hatte gewusst, dass manchen Frauen schlecht wurde und manchen nicht, sie hatte auch gewusst, dass es Frauen gab, denen sehr schlecht wurde, aber dass sie zur letzten Kategorie gehören würde und vor allem, dass es ihr so schlecht gehen würde, das hatte sie nicht geahnt. Auch jetzt führte der Essensgeruch, der ihre Nase umwehte, wieder dazu, dass ihr Magen revoltierte.
Die Germanin stellte die letzten Sachen auf das Tablett und nickte Sofia zu, die bereits fertig war mit ihrem, auf dem sich eine Auswahl an Getränken befand. Gemeinsam verließen sie die Küche und steuerten Corvinus’ Arbeitszimmer an, und Siv begann sich zu wünschen, sie hätte das Tablett mit dem Wasser und den Säften. Sie hatte sich heute schon einmal übergeben, aber das hatte bei ihr nichts zu sagen, ganz und gar nicht. Allein von ihrer Figur her hätte man auch noch nicht ahnen können, dass sie schwanger war, weil ihr dafür viel zu oft schlecht war. Sofia ging vor ihr, und Siv schob jeden Gedanken an Übelkeit weg und setzte dazu an, die Griechin zu überholen, damit sie selbst die Tür öffnen konnte – aber schon waren sie bei Corvinus’ Arbeitszimmer angelangt, und, oh Wunder, das Soffchen brachte es fertig, die Tür nach dem Klopfen zu öffnen, ohne etwas zu verschütten. Stolz strahlte die Griechin sie an und wäre beinahe gegen den Pfosten gestoßen, aber Siv warnte sie noch rechtzeitig mit einem leisen Laut, und gemeinsam gingen sie hinein und stellten die Tabletts ab. Und Sivs Übelkeit wurde von einem Moment zum nächsten schier übermächtig. Einen winzigen Moment stand sie nur da wie festgefroren, dann schlug sie ihre Hand vor den Mund und machte sich mit einem Satz auf den Weg nach draußen, während sie schon anfing zu würgen. Sie schaffte es noch nicht einmal bis zur Tür. Ihr Magen schien zu explodieren, und würgend erbrach sie sich neben einem Möbelstück. Was für eins es war, dafür hatte sie keinen Blick übrig, aber es musste dafür erhalten, dass Siv sich an ihm festklammerte, während sie mit der anderen Hand ihre Haare zurückhielt und ihr Körper sich schüttelte. Sie bemerkte kaum, wie Sofia auf einmal neben ihr stand und besorgt über ihren Rücken strich. "Oh Siiiv", rief sie bekümmert aus. "Du musst wirklich mal was dagegen tun, das geht doch schon die ganze Zeit so, du solltest Brix sagen er soll einen Medicus rufen. Irgendwas stimmt da doch nicht!" Hätte Siv nicht so viel damit zu tun gehabt, endlich ihren revoltierenden Magen unter Kontrolle zu bekommen, hätte sie Sofia nun wütend angefaucht – aber auch so reichte es noch, dass sie der Griechin einen Blick zuwarf, der jene tot hätte umfallen lassen, wenn Blicke denn töten könnten. Sofia war naiv genug, um nicht eins und eins zusammenzuzählen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, aber Corvinus war bei weitem nicht so dumm – und selbst wenn er nicht sofort den richtigen Schluss zog, würde er nun fragen, was los war. Und Siv konnte sich, nach Sofias besorgter Ansprache, kaum mit einer vorübergehenden Übelkeit herausreden. Im nächsten Moment beugte sich die Germanin schon wieder vornüber und erbrach sich erneut, obwohl in ihrem Magen schon lange nichts mehr war.