alicubi | Quae mutatio rerum… II

  • Das Opfer für ihre Götter und das für Iuno war inzwischen einige Tage her – sie hatte das Geld von Brix bekommen, allerdings hatte er diesmal nicht so schnell aufgegeben herauszufinden, wofür sie so viel brauchte. Siv hatte sich jedoch geweigert, etwas zu verraten, hatte nur gemeint, er solle ihr helfen oder es lassen, und irgendwann hatte Brix eingesehen, dass es ihr ernst war damit. Er hatte ihr wortlos die nötigen Münzen in die Hand gedrückt, und Siv hatte mit einem leise gemurmelten Danke entgegen genommen – aber seinen Blick hatte sie nicht vergessen. Irgendwann würde sie ihm erzählen müssen, wofür sie es gebraucht hatte, das war sie ihm schuldig. Aber es war ja nicht so, dass er es sich in nicht allzu ferner Zukunft selbst würde denken können. Und sie war fest entschlossen, ihm vorher noch davon zu erzählen, bevor er etwas würde sehen können. Nur, sie musste es Corvinus zuerst sagen. Er hatte ein Recht darauf, und das nicht, weil sie Sklavin war und er ihr Herr, sondern weil er der Vater war. Siv seufzte leise, während sie in der Küche die Sachen für Corvinus’ Mittagessen zusammenstellte. Sie hatte es ihm bis jetzt nicht gesagt, sie hatte nicht einmal Andeutungen gemacht, und sie hatte sich alle Mühe gegeben, sämtliche Anzeichen vor ihm zu verbergen – was auch nicht allzu schwer gewesen war, immerhin hatte er gerade vormittags genug zu tun. Es wurde allerdings langsam kompliziert, ihren Zustand vor den anderen Sklaven zu verschleiern. Siv hatte gewusst, dass manchen Frauen schlecht wurde und manchen nicht, sie hatte auch gewusst, dass es Frauen gab, denen sehr schlecht wurde, aber dass sie zur letzten Kategorie gehören würde und vor allem, dass es ihr so schlecht gehen würde, das hatte sie nicht geahnt. Auch jetzt führte der Essensgeruch, der ihre Nase umwehte, wieder dazu, dass ihr Magen revoltierte.


    Die Germanin stellte die letzten Sachen auf das Tablett und nickte Sofia zu, die bereits fertig war mit ihrem, auf dem sich eine Auswahl an Getränken befand. Gemeinsam verließen sie die Küche und steuerten Corvinus’ Arbeitszimmer an, und Siv begann sich zu wünschen, sie hätte das Tablett mit dem Wasser und den Säften. Sie hatte sich heute schon einmal übergeben, aber das hatte bei ihr nichts zu sagen, ganz und gar nicht. Allein von ihrer Figur her hätte man auch noch nicht ahnen können, dass sie schwanger war, weil ihr dafür viel zu oft schlecht war. Sofia ging vor ihr, und Siv schob jeden Gedanken an Übelkeit weg und setzte dazu an, die Griechin zu überholen, damit sie selbst die Tür öffnen konnte – aber schon waren sie bei Corvinus’ Arbeitszimmer angelangt, und, oh Wunder, das Soffchen brachte es fertig, die Tür nach dem Klopfen zu öffnen, ohne etwas zu verschütten. Stolz strahlte die Griechin sie an und wäre beinahe gegen den Pfosten gestoßen, aber Siv warnte sie noch rechtzeitig mit einem leisen Laut, und gemeinsam gingen sie hinein und stellten die Tabletts ab. Und Sivs Übelkeit wurde von einem Moment zum nächsten schier übermächtig. Einen winzigen Moment stand sie nur da wie festgefroren, dann schlug sie ihre Hand vor den Mund und machte sich mit einem Satz auf den Weg nach draußen, während sie schon anfing zu würgen. Sie schaffte es noch nicht einmal bis zur Tür. Ihr Magen schien zu explodieren, und würgend erbrach sie sich neben einem Möbelstück. Was für eins es war, dafür hatte sie keinen Blick übrig, aber es musste dafür erhalten, dass Siv sich an ihm festklammerte, während sie mit der anderen Hand ihre Haare zurückhielt und ihr Körper sich schüttelte. Sie bemerkte kaum, wie Sofia auf einmal neben ihr stand und besorgt über ihren Rücken strich. "Oh Siiiv", rief sie bekümmert aus. "Du musst wirklich mal was dagegen tun, das geht doch schon die ganze Zeit so, du solltest Brix sagen er soll einen Medicus rufen. Irgendwas stimmt da doch nicht!" Hätte Siv nicht so viel damit zu tun gehabt, endlich ihren revoltierenden Magen unter Kontrolle zu bekommen, hätte sie Sofia nun wütend angefaucht – aber auch so reichte es noch, dass sie der Griechin einen Blick zuwarf, der jene tot hätte umfallen lassen, wenn Blicke denn töten könnten. Sofia war naiv genug, um nicht eins und eins zusammenzuzählen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, aber Corvinus war bei weitem nicht so dumm – und selbst wenn er nicht sofort den richtigen Schluss zog, würde er nun fragen, was los war. Und Siv konnte sich, nach Sofias besorgter Ansprache, kaum mit einer vorübergehenden Übelkeit herausreden. Im nächsten Moment beugte sich die Germanin schon wieder vornüber und erbrach sich erneut, obwohl in ihrem Magen schon lange nichts mehr war.

  • Nach der salutatio, bei der erfreulich wenig schlechte Nachrichten und Bitten aufgekommen waren, hatte ich mich in mein Arbeitszimmer zurückgezogen, um den Brief an den Verwalter meines Olivenhaines zu beantworten. Ich hatte einen Tag zuvor die Nachricht erhalten, dass sich Ungeziefer am Blattwerk der Bäume zu schaffen machte, und das großflächig, nicht nur vereinzelt. An sich war das seltsam, denn Olivenblattwerk galt eigentlich als ungenießbar für Heuschrecken, zumindest hatte ich diese Weisheit irgendwann einmal aufgeschnappt. Im Brief wies ich ihn an, Seifenlauge anzumischen und auf den gesamten Baumbestand zu sprühen, gleich ob die Bäume bereits befallen oder noch gesund waren. Und dann hieß es hoffen, dass die betroffenen Pflanzen bald gesundeten und weder Prozedur noch Schädlinge den Früchten schadeten. Hernach waren diverse Schreiben dran, die ich nur noch unterzeichnen musste. Ein Brief ging an an einen Klienten in Confluentes, dessen Frau schwer erkrankt war, er hatte mich um finanzielle Hilfe gebeten, um den Arzt bezahlen zu können, mit einer weiteren Unterschrift bestätigte ich den Kauf von acht nautisch begabten Sklaven für das Schiff, das in Ostia vor Anker lag. Es folgten noch eine Hand voll weiterer Unterschriften und Siegelsetzungen, und allmählich machte sich mein Hunger bemerkbar.


    Eine gute Weile später hoffte ich, dass Siv bald kommen und mir etwas zu essen bringen würde. Ich spielte bereits mit dem Gedanken, jemand anderem bescheid zu geben. Immerhin hatte sich Siv heute morgen etwas durcheinander verhalten. Sicher hatte sie schlecht geschlafen, und wenn ich an den Traum zurückdachte, der mich neulich heimgesucht hatte, konnte ich durchaus verstehen, dass man nach einer solchen Nacht des Morgens durchaus durcheinander war. Ehe ich aufstehen und zu Gunsten meines Magens entscheiden konnte, etwas nachdrücklicher Essen zu verlangen, klopfte es, und ich bat den Klopfenden hinein. Siv hatte Sofia mitgebracht, und ich ließ die Schreibfeder fallen und streckte mich. "Ah, endlich. Ich hatte mich schon gefragt, ob ihr mich vergessen habt", begrüßte ich die beiden gut gelaunt und schob Briefe und tabulae beiseite, um Platz für die Tabletts zu schaffen. Gleichzeitig stand ich auf - es war ein altes Spiel, denn wenn ich in meinem Arbeitsraum aß, war auf dem Schreibtisch zumeist Platz für das Tablett, doch zum Essen setzte ich mich an den kleinen Tisch, der dicht beim Fenster stand. Von hier aus konnte man in den Garten sehen. Doch dieses Mal kam ich nach dem Aufstehen nicht weit. "Ich wäre fast verhu-" ngert, hatte ich scherzen wollen, als das Wort mir im Halse stehen blieb, weil Siv sich urplötzlich abwandte und hinauslief.


    Hinauslaufen wollte. Überrascht sah ich ihrem wehenden Blondschopf nach, wollte schon Sofia fragen, was mit ihr los sei, als ein Würgen mich auf gänzlich andere Gedanken brachte. Die Brauen hoben sich von selbst an, um die Mundwinkel herum hatte sich eine pikierte Grimasse gelegt, und da erklang das abartig feuchte Geräusch, das man hören kann, wenn sich jemand übergibt. Augenblicklich kümmerte sich nun Sofia um Siv. Ich war so perplex, dass ich erst einmal sprachlos war. Das Essen dampfte auf seinem Tablett und verströmte eigentlich einen sehr delikaten Geruch. Scheinbar war eben jener zu viel für Siv, denn gerade erbrach sie sich erneut, und mein Appetit ging ein wenig zurück. Glücklicherweise konnte ich zumindest nicht sehen, wie Sivs Halbverdautes aussah, doch wohin sie sich erleichterte, ließ eine Falte auf meiner Stirn entstehen. Wenigstens war es kein Teppich, aus dem man die Flecken und den säuerlichen Geruch, der sich allmählich ausbreitete, nicht so leicht entfernen konnte.


    Sofias Worte hallten in meinem Kopf nach. "Ist sie krank?" fragte ich irritiert und versuchte, nicht die unappetitliche Pfütze anzusehen, über die Siv gebeugt war. Mit allen anderen Gedanken, schlüssig oder nicht, weiterführend oder nicht, war ich gegenwärtig überfordert. Ich verzog das Gesicht und ging zum Fenster, um es nun weit zu öffnen und die angenehme Kühle des Herbsttages einzulassen.

  • Sivs Körper wurde erbärmlich von Krämpfen geschüttelt, und es dauerte ein bisschen, bis das Würgen nachließ. Sofia hatte inzwischen von dem kleinen Tisch am Fenster einen Becher voll Wasser und ein Tuch geholt, das sie vorher angefeuchtet hatte. Damit wischte sie nun vorsichtig über Sivs kalkweißes Gesicht. Anschließend hielt sie ihr den Wasserbecher hin, den Siv dankbar annahm und zur Hälfte in einem Zug leerte. "Danke", murmelte Siv. Sie wich Corvinus’ Blick aus und sagte kein Wort, teils, weil sie sich noch nicht sicher war, ob sie sich wirklich unter Kontrolle hatte, teils, weil sie nicht gewusst hätte, wie sie seinem Blick begegnen sollte. Sofia hatte aber keine Scheu. Sie strich über das Haar der Germanin, die sich immer noch auf dem Möbelstück abstützte – ein schmaler, aber hoher Tisch, wie sie nun feststellte – und sich das feuchte Tuch auf den Mund presste, das das Soffchen ihr gegeben hatte, dann drehte sich die Griechin zu Corvinus um und zuckte hilflos mit den Schultern. "Sie sagt, dass sie nicht krank ist. Sie macht auch keinen kranken Eindruck. Aber in der letzten Zeit ist ihr jeden Tag schlecht, vor allem Vormittags, auch wenn sie das nicht zugeben will, ich merk das trotzdem, Dominus!" Siv verdrehte die Augen. Sofia hatte ja keine Ahnung, wie oft ihr tatsächlich speiübel war – obwohl die Übelkeit beinahe sprunghaft angestiegen war und immer plötzlicher und schneller zuschlug, schaffte sie es immer noch ab und zu, sich zurückzuhalten, und in zwei von drei Fällen, wenn sie es nicht konnte, war sie ohnehin allein oder konnte sich rechtzeitig verkriechen, so dass niemand etwas merkte. Bildete sie sich jedenfalls ein. "Übel. Mir ist übel. Das ist alles." Sie trank noch einen ein paar Schluck Wasser, um den säuerlichen Geschmack aus ihrem Mund zu bekommen, dann faltete sie das feuchte Tuch einmal zusammen und wischte sich erneut über das Gesicht. "Dir ist doch nicht nur übel, Siv, wem willst du das erzählen? Ein- oder zweimal, aber so lange schon?" Siv winkte nur ab. "Alles gut. Alles in Ordnung. Tut mir leid, das, entschuldige. Ich hole was, für sauber machen." Damit drehte sie sich ganz um und ging zur Tür.

  • "Einen Moment - wie lange geht denn das schon?" schaltete ich mich irgendwann einfach dazwischen, Sivs Ausreden vollkommen ignorierend. Sie war da nicht anders als ich gelagert, was einerseits wünschenswert war, irgendwann aber auch zu Problemen führen konnte. Und nach einem solchen Problem klang der Sachverhalt für mich gerade. Wenn ihr öfter als gewöhnlich schlecht war, wäre es besser, wenn ein medicus sich das Ganze ansah. Misstrauisch beobachtete ich Siv, die sich einen Lappen vor den Mund presste und alles andere als gut aussah. Vielleicht vertrug sie irgendwas vom Essen nicht. Ein Bekannter in Griechenland hatte mir einmal erzählt, das er das blühende Leben war, solange er keine Milch trank. Vielleicht war das auch etwas in der Art bei Siv? Ich stand nahe des Fensters und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. "Siv, du bleibst jetzt erst einmal hier. Sofia kann sich darum kümmern." Ein entsprechender Blick machte aus der Aussage eine Aufforderung. Vielleicht sollte ich ihr auftragen, auch gleich Brix mit der Organisation eines Arztes zu beauftragen, doch hatte ich hier Sofia vor mir und sollte allzu schwierige Aufgaben also besser unterlassen. "Warum sagst du mir nicht, dass es dir nicht gut geht?" fragte ich Siv, nachdem Sofia hinausgehuscht war, und sah sie besorgt - und vielleicht auch ein wenig vorwurfsvoll - an.

  • "Lang", erwiderte Sofia im Brustton der Überzeugung. "Tage. Fast zwei Wochen schon!" Siv verdrehte wieder die Augen, was allerdings keiner der beiden sehen konnte, da sie sich gerade auf dem Weg zur Tür befand. Bevor sie sie aber erreichen konnte, hielt Corvinus’ Stimme sie zurück. Sie sollte hier bleiben. Sie hatte es geahnt. Einen Moment blieb sie einfach nur stehen, dann drehte sie sich langsam um und ging zurück, wich der Pfütze aus und blieb dann irgendwo in der Mitte des Raumes stehen. Ihr Blick fixierte den Fußboden, wurde dann auf Sofia gelenkt, als diese Corvinus’ halb unausgesprochenen Befehl befolgte und, nach einem kurzen Blick zu Siv, verschwand. Danach irrte Sivs Blick kurz im Raum umher, schweifte über den Tisch am Fenster mit dem Essen – ihr Magen grummelte schon wieder gefährlich –, glitt weiter, über Corvinus, und blieb schließlich an seinem Schreibtisch hängen. Bei seiner Frage sah sie ihn wieder kurz an, aber als sie die Besorgnis in seinem Gesicht sah und auch meinte, so etwas wie Vorwurf in seinen Augen erkennen zu können, schlossen sich ihre Lider für einen Augenblick, und als sie sie wieder öffnete, hatte sich ihr Kopf um eine Winzigkeit gesenkt, und nun sah sie auf den Boden. Was sollte sie ihm sagen? Was sollte sie ihm sagen? Sie konnte ihm doch nicht einfach sagen, dass sie schwanger war, wie sollte sie das denn tun – salve, mir geht’s gut, ach übrigens, ich erwarte dein Kind. Oh ja, hervorragende Idee. Ihr Kopf dröhnte unter dieser ironischen Stimme, die in ihr laut wurde. Ganz toll. Sag’s ihm. Lass es beilläufig fallen. Und dann? Drehst du dich um und gehst? Sivs Brust hob sich, als sie tief einatmete und die Luft in einem Seufzer wieder entließ. Wieder wanderte ihr Blick zu ihm, begegnete kurz dem seinen und saugte sich dann irgendwo an seiner Brust fest. "Ich bin nicht krank", erwiderte sie. Suuuper, höhnte die Stimme. Das war die Wahrheit, verteidigte sie sich selbst. Sie war nicht krank. "Ich sage nicht, weil ich nicht bin krank. Übel sein, das ist alles. Geht vorbei." Auch das war das nicht gelogen. Siv hoffte zwar nicht, dass es so lange dauern würde – auch wenn sie gehört hatte, dass es, wenn auch selten, vorkommen konnte bei manchen Frauen –, aber spätestens in rund acht Monaten würde es vorbei sein. Nur: sie kam gerade ins Plappern. Und das war ganz und gar nicht gut, verriet sie doch im Grunde genau dadurch, dass doch etwas los war. Sie konnte nicht einmal die Wahrheit verschweigen, ohne dass es auffiel. Und sie wusste es sogar selbst, sie wusste, dass sie besser den Mund halten sollte jetzt, aber sie konnte sich nicht zurückhalten. "Ich bin nicht krank, nur übel."

  • Sofia sah mich gerade so an, als sollte mir das etwas sagen. Nur wie hätte ich denn dafür sorgen können, dass sich ein medicus ihrer annimmt, wenn ich davon nie etwas mitbekommen hatte? Ich dachte nach. Siv hatte sich nie in meiner Gegenwart übergeben oder sich sonstwie auffällig verhalten. Das wäre mir bestimmt aufgefallen. Ich schüttelte kurz den Kopf und gleichsam den Gedanken ab, dann schüttete ich Wein in meinen Becher und ließ das Wasser weg. So ging ich zu Siv hinüber und reichte ihn ihr. "Hier. Damit bekommst du den Geschmack besser weg", sagte ich zu ihr, als Sofia gerade verschwand. "Du kannst dann jetzt gehen, ich möchte, dass du dich ein wenig ausruhst, Siv", fuhr ich fort, zwar freundlich, aber doch würde sie nicht überhören, dass dies als klare Anweisung gemeint war. Jedweden Einwand würde ich abschmettern, es war schließlich nicht gut, wenn man seine Krankheit pflegte, indem man weiterschuftete und seinem Körper keine Ruhe gönnte.


    Ehe Siv etwas erwidern konnte, schneite Sofia wieder hinein, in der Hand einen Eimer und im Eimer einen Lappen. "Da bin ich wieder", verkündete sie. Ich wandte mich um, ging zum Tisch und setzte mich vor mein Mittagessen, denn allmählich kam mein Appetit zurück, was gewiss auch der frischen Luft zu verdanken war. Ein Plätschern war zu hören, als Sofia den Lappen auswrang. "Sofia, wenn du da fertig bist, tu mir einen Gefallen und kümmer dich ein wenig um Siv. Ich möchte, dass sie sich ausruht, aber ich weiß, dass sie das nicht tun wird, wenn man nicht darauf achtet." "Mh? Oh ja, mach ich. Ist auch besser so. Das ist ja kein Zustand, wenn man dauern Ko...brechen muss, meine ich." Solchermaßen befriedigt, kostete ich von den kleinen Klößen, die wirklich ganz ausgezeichnet waren. In meinem Kopf hatte sich ein anderer Gedanke festgesetzt. "Und schick mir Brix, wenn du ihn siehst, ich brauche ihn gleich", wies ich sie an. Und nachdem sie und Siv gegangen waren - ich hatte schlicht keinen weiteren Einwand von der blonden Germanin geduldet - leerte sich mein Teller allmählich und ich wartete auf Brix.


    Der maiordomus kam kurze Zeit später. Er hatte wohl ein mechanisches Bauteil in der Hand, jedenfalls waren seine Hände ölig und sein Ausdruck nicht glücklich. "Du hast mich gerufen?" sagte er, und ich nickte und deutete auf das Etwas in seinen Händen. "Du siehst nicht zufrieden aus, stimmt etwas nicht?" "Naja, diese Kurbel dreht sich nicht mehr, weswegen die Tür zum Stall nur noch sehr bescheiden auf geht. Aber das ist nichts, was ich nicht wieder hinbekommen würde", verkündete Brix. Er und das Ding hatten scheinbar noch ein Rendezvous vor sich. Ich schmunzelte kurz, wurde dann aber wieder ernst und erhob mich, um mich zurück an den Schreibtisch zu setzen. "Sag, weißt du etwas von Siv? Augenscheinlich ist sie krank." Brix seufzte und schüttelte dann den Kopf. Sie verhielt sich ja ohnehin seltsam, allein, wenn er da an diesen Morgen dachte... Wozu sie das Geld gebraucht hatte, war ihm immer noch schleierhaft, alles andere hätte er ja noch irgendwie nachvollziehen können. "Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was mit ihr los ist", drückte er es vorsichtig aus, denn bloßstellen wegen einer Lappalie wollte er sie schließlich nicht. Ich musterte den Germanen forschend, kam dann zu dem Schluss, dass er keinen Grund zu flunkern hatte, und lehnte mich zurück. "In Ordnung. Dann schickst du jetzt nach einem Arzt, der sie sich ansehen soll. Ich habe keine Lust auf solche Spielchen. Lieber ist nichts, und der medicus ist umsonst gekommen, als dass es doch schlimmer als befürchtet ist. Sich ständig übergeben zu müssen, ist schließlich keine Lappalie."


    Brix hatte schon angefangen zu nicken, als er die letzten Worte vernahm. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen, als ich Sivs Unwohlsein bemerkte. Fragend sah ich zurück. Er aber räusperte sich nur und murmelte eine Zustimmung, nach der ich ihn dann entließ. Eine Weile grübelte ich noch über sein Verhalten nach, dann brachte mir Caecus ein abgebenes Dokument, und ich hatte wieder anderes im Kopf. Brix, der das officium verlassen hatte, schickte einen cursor los, um einen medicus zu organisieren. Von Decimus Mattiacus hieß es, dass er in den Osten aufgebrochen sein, um einen Verwanten zu suchen, also wurde nach einem anderen geschickt, der auch bald darauf ankommen sollte...

  • Siv nahm – inzwischen schweigend – den Becher entgegen und trank etwas, spülte die Flüssigkeit ein wenig im Mund hin und her und nahm dann noch einen Schluck. Unterdessen rasten ihre Gedanken. Jetzt wäre die perfekte Gelegenheit, ihm zu sagen, was los war. Warum ihr übel war. Aber gerade, als sie dazu ansetzen wollte, schickte Corvinus sie weg mit der Anweisung, sich auszuruhen. Ihr Mund öffnete sich schon, um zu protestieren, um einzuwenden, dass sie nicht krank war, und dass sie nicht so verweichlicht war jetzt Ruhe zu brauchen, nur weil ihr ein bisschen übel war, da kam Sofia schon wieder herein. Sprachlos blieb Siv stehen, wo sie war, den Becher in einer Hand, während Corvinus zu dem Tisch ging und Sofia anfing, den Boden sauber zu machen. Das kurze Gespräch zwischen den beiden flog an ihr vorbei, ohne dass sie es im ersten Augenblick wirklich realisierte. "Mo… Moment mal! Ich bin nicht krank! Ich muss nicht ausruhen!" Aber irgendwie schien es keiner für nötig zu halten, sie zu beachten, geschweige denn auf sie zu hören. Und Siv glaubte sich plötzlich in einem Theaterstück. Das war doch ihr Körper, sie kannte sich selbst, sie wusste, wann sie Hilfe brauchte und wann nicht – waren die zwei plötzlich verrückt geworden? Sie wussten nicht, was los war, aber das war doch kein Grund, der Meinung zu sein besser wissen zu können als sie, was gut für sie war!


    Aber auch ihr weiterer Protest verhallte, ohne dass Corvinus darauf einging, und als Sofia fertig war – Siv stellte mit einem Anflug schlechten Gewissens fest, dass sie ihr kein bisschen dabei geholfen hatte, sondern nur fassungslos herum gestanden war –, fasste die Griechin sie am Arm und führte sie mit erstaunlichem Nachdruck aus Corvinus’ Arbeitszimmer. Weiter ging es, ohne dass Siv sich wehrte, zu den Waschräumen der Sklaven, wo Sofia den Eimer entleerte und ausspülte. Dann drehte sie sich zu ihr um. "So. Magst du was essen?" Siv starrte sie noch fassungsloser an als zuvor. "Essen? Jetzt? Bist du wahnsinnig?" Obwohl Sofia den letzten Satz nicht verstanden hatte, sagte der Tonfall der Germanin doch genug aus, und sie zuckte nur mit den Achseln. "Was denn? Du musst was essen, sonst verhungerst du irgendwann noch. Irgendwas muss ja mal drin bleiben." Siv winkte nur ab. Allein schon beim Gedanken an Essen schien ihr Magen wieder einen Satz nach oben zu machen. Spätestens gegen Abend würde sich das ändern, dann konnte sie immer noch essen. Einen Moment sah Sofia sie noch an, auf eine Antwort wartend – dann, als ihr klar wurde, dass keine kommen würde, fasste sie Siv wieder am Arm und zog sie mit sich. "Dann wirst du dich jetzt wenigstens schön hinlegen – und du wirst was trinken! Wenn du schon nichts essen willst…" Das war Siv zu viel. Sie befreite ihren Arm aus Sofias Griff. "Moment. Ich bin kein Kind! Ich muss nicht hinlegen!" Siv ließ die Griechin gar nicht mehr zu Wort kommen. "Du willst passen auf? Gut. Dann komm!" Mit diesen Worten drehte Siv sich um und marschierte zur Küche, wo sie sich zunächst etwas zu trinken holte, und dann in den Garten. Und Sofia, nach einem Schreckmoment, stürmte hinter ihr her und redete auf sie ein, bemüht, sie doch zu überreden vernünftig zu sein – auf dem Weg zur Küche, in der Küche, auf dem Weg zum Garten und dort, als Siv begann ihrer Arbeit nachzugehen, weiter. Irgendwann begriff auch Sofia, dass es keinen Sinn hatte, aber ihre Tiraden nahmen erst ab, als Siv sich deutlich zurücknahm und zuließ, dass die Griechin ihr wenigstens half.

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    "Aracus von Zákinthos. Ich werde erwartet." Nach diesemr kurzen, aber ausreichenden Begrüßung, hatte Leone den medicus ins Haus geführt und nach Brix schicken lassen. Während der Grieche wartete, eine abgewetzte, Tasche aus Leder in der Hand, die früher einmal Eindruck geschindet haben mochte, war es auffallend ruhig im Haus. Der Grieche sah sich um, ohne einen Ausdruck der Wertung im Gesicht zu zeigen. Als Brix dann allerdings kam, um ihn abzuholen, bildeten sich unzählige Falten um seine Augen, während er ihn anlächelte. "Du musst der medicus sein. Vielen Dank, dass du so schnell kommen konntest." "Natürlich. Um welchen Notfall geht es denn?" erkundigte Aracus sich. Brix runzelte die Stirn und wies mit der Hand den Weg zur Kammer von Siv, während er sich selbst bereits in Bewegung setzte. "Kein Notfall. Aber mein Herr wünscht, dass du seine Leibsklavin einmal in Augenschein nimmst. Es geht ihr wohl nicht so gut. Sie behält selten etwas bei sich", informierte er den Arzt, der daraufhin nur nickte.


    Bei Sivs Zimmer angekommen, klopfte Brix. "Siv? Der Doktor ist da." Als keine Reaktion kam, klopfte er nochmals und wiederholte seine Worte, diesmal ein wenig fragender. Der medicus stand wartend neben ihm. Immer noch kam keine Antwort, und Brix ahnte, was das bedeuten mochte. Er entschuldigte sich und ging dann einfach in das Zimmer hinein, um es - natürlich - leer vorzufinden. Inzwischen kannte der Germane seine Landsmännin gut genug, um zu wissen, dass sie einen störrischen Eigensinn hatte. Vermutlich hatte sie sich schlicht geweigert, sich auszuruhen, und war irgendwo am Schuften. Brix schloss die Tür wieder und bat den Arzt, an Ort und Stelle zu warten. Er versprach, dass er sich beeilen würde, und das Tat er dann auch. Aracus hatte natürlich schon eine Ahnung, was die Krankheit der Sklavin anging. Er brummelte gut gelaunt in seinen Bart hinein und betrachtete mit Freude die Malereien an den Wänden und die Mosaike am Boden. Patrizier sparten selten mit Pomp und Putz - und mit der Entlohnung.


    Derweil hatte Brix den Garten betreten und entdeckte beinahe sofort Siv und Sofia, die Laub harkten und in großen Behältnissen verstauten. Der Germane verzog missbilligend das Gesicht und stapfte näher heran. Sofia sah ihn zuerst kommen, ließ den Arm voller Blätter fallen und begann, sich zu verteidigen. "Ich hab ihr gesagt, dass sie sich ausruhen soll, aber sie will nicht!" Untermalend schüttelte sie den Kopf. Brix runzelte die Stirn und blieb bei den beiden stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. "Schon gut. Siv, du kommst jetzt aber bitte mal mit mir", sagte er, und sein Ton machte klar, dass er auf Verhandlungen keine Lust hatte.

  • Als Siv Brix kommen sah, biss sie nur die Zähne zusammen und arbeitete erst recht weiter. Wenn sie so unbedingt wollten, dass die Germanin sich ausruhte, würden sie sie schon hineintragen müssen. Sie war nicht krank! Sie hörte, wie Sofia sich verteidigte, und begann demonstrativ, das Laub wieder einzusammeln, das die Griechin hatte fallen lassen, und auch, als Brix das Wort ergriff, reagierte sie zuerst nicht. Aber der Tonfall, den der Germane anschlug, war deutlich. Und Siv wusste, wann sie Chancen hatte und wann nicht. Diesmal würde Brix nicht mit sich verhandeln lassen. Siv packte das Laub, das sie gerade in den Händen hielt, in einen der Körbe, und richtete sich dann auf. Einen Moment musterte sie den Maiordomus, suchte nach einem Anzeichen in seinem Gesicht, dass er doch mit sich reden lassen würde, aber da war nichts. Sie schloss die Augen, strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und seufzte. "Ja." Sie folgte Brix durch den Garten hindurch, während Sofia nach einem kurzen Moment weiter arbeitete, und sagte kein Wort. Sie vermutete, dass der Germane einfach dafür sorgen sollte, dass sie sich endlich ausruhte – was sie mitnichten vorhatte. Wenn es denn sein musste, dann legte sie sich eben hin. Aber sobald Brix fort war, würde sie wieder aufstehen. Irgendwo würde sich schon etwas finden lassen, was sie tun konnte, ohne dass sie sofort irgendwem auffiel. Corvinus würde Brix ja wohl kaum die Anweisung gegeben haben, jedem Bescheid zu sagen.


    Als sie dann jedoch vor der Tür zu ihrer kleinen Kammer ankamen und sie dort einen fremden Mann mit einer alten Tasche in der Hand stehen sah, blieb sie abrupt stehen. "Brix, was soll das? Wer ist das? Ein Medicus?" Siv musste seine Antwort gar nicht abwarten, sie erkannte an seiner Reaktion, dass sie richtig lag. "Brix!" rief sie dann empört aus. "Ich bin nicht krank, warum glaubt mir das denn keiner?" Sie warf dem Arzt einen kurzen Blick zu, der zu ihnen herüber sah, und presste dann ihre Lippen aufeinander. Jetzt hatte sie keine Wahl mehr. Der Arzt würde sicherlich herausfinden, was los war, und sie würde kaum verhindern können, dass er sie untersuchte – scheinbar hatten sich alle gegen sie verschworen, und wenn Corvinus und Brix nicht mit sich reden ließen, hatte sie kaum eine Chance. Sie wollte aber nicht, dass Corvinus von jemand anderem erfuhr, was los war. Und sie wollte nicht, dass er es nach jemand anderem erfuhr. Ein Blick noch zu dem Arzt, dann wandte sie sich wieder Brix zu, ihre Stimme diesmal etwas gedämpft. "Hör zu Brix, ich bin nicht krank und ich brauch keinen Arzt. Ich muss mit Corvinus reden." Sie gestikulierte zu der Tür, die zu seinem Cubiculum führte. "Ist er dort? Oder im Officium?"

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    Brix hatte Siv, die erstaunlicherweise kein Widerwort gehabt hatte, ins Innere des Hauses geführt. Sofia, die froh darüber gewesen war, wieder hineingehen zu können, war ihnen ein Stück des Weges gefolgt und dann abgebogen. Jetzt standen Brix und Siv nicht weit entfernt von dem Arzt und seiner Tasche, der aufmerksam zu ihnen hinüber sah, jedoch keine Anstalten machte, sich aufzudrängen. Es war offensichtlich, dass es dort Diskrepanzen gab, da wollte er sich nicht einmischen. Brix hob nur die Braue, als Siv fragte, ob das ein Arzt war. Dass es der Germanin nicht gefiel, untersucht werden zu müssen, war auch ohne ihren empörten Wortlaut klar. Brix seufzte. "Hör mal, ich weiß nicht, was mit dir los ist. Erst das gestern, dann fragst du heute morgen nach Geld, jetzt sagen alle, dass du dich dauernd übergeben musst. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, Siv. Ich denke, du hattest deine Chance. Und wenn Corvinus mir aufträgt, einen Arzt zu holen, damit er dich untersucht, dann mache ich das. Und du wirst da jetzt hineingehen und dich untersuchen lassen. Ich kann nicht ständig für dich in die Bresche springen", gab Brix nüchtern zurück, dann wandte er sich um und nickte dem Arzt lächelnd zu. "Sie kommt sofort." "Oh, nur keine Eile", erwiderte der medicus und lächelte väterlich. Er verstand zwar nicht, was die beiden besprachen, aber dass das Mädchen nicht untersucht werden wollte, konnte er allein aus ihrer Körperhaltung ableiten. Vermutlich musste sie erst mit ihrem Liebhaber verhandeln, denn für nichts anderes hielt Aracus Brix.

  • Siv biss sich heftig auf die Unterlippe, als sie Brix’ Antwort hörte. Oooh, Götter, sie hätte Corvinus sofort sagen sollen, was los war. Das hatte sie jetzt davon. Entweder sie ließ sich von dem Arzt untersuchen, oder sie sagte Brix endlich Bescheid – bevor Corvinus es erfuhr. Ihre Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Die Worte des Germanen trafen. Und wie sie das taten. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen… Du hattest deine Chance… Ich kann nicht ständig für dich in die Bresche springen. Für Siv klangen diese Worte so, als ob Brix vermutete, sie wäre in schlechte Gesellschaft geraten, hätte Schwierigkeiten gekriegt, weil sie sich mit den falschen Leuten eingelassen hatte, irgendwo in der Halbwelt Roms. Einen kurzen Augenblick empörte sie das, aber darum ging es gar nicht – es stimmte, was er sagte. Er war oft genug für sie in die Bresche gesprungen. Und dieses Mal hatte sie sich sogar geweigert, ihm irgendetwas zu sagen. Das war einfach nicht richtig. "Nein", fauchte sie in Richtung des Arztes, als Brix sagte, sie würde gleich kommen. "Brix, bitte", flehte sie. "Hör zu, ich weiß, was du alles für mich getan hast. Und es tut mir leid, ehrlich! Ich…" Siv sah kurz weg, in die entgegensetzte Richtung des Arztes. Ihre Kehle arbeitete, und sie schluckte mühsam, dann sah sie den Germanen wieder an. "Ich bin schwanger." Ohne innezuhalten, redete sie weiter, erklärte in einem Schwall ihr Verhalten. "In der Nacht, da war ich draußen, und hab geopfert, und das Geld, das hab ich gebraucht für das Opfer für Iuno, weißt du, Corvinus ist doch der Vater, und dann kann ich doch nicht einfach die römischen Götter missachten, nicht wenn mein Kind zur Hälfte Römer ist, das geht doch nicht… Aber ich hätte nie gedacht, wie teuer so ein weißes Kaninchen ist, und…" Ihre Stimme erstarb, und hilflos hob sie die Schultern. "Ich will doch nur, dass Corvinus das von mir erfährt. Nicht von dir. Oder von einem Arzt." Brix musterte sie einen Moment lang mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck, und Siv wurde klar, dass sie ihm eher die Wahrheit hätte sagen sollen. "Du wirst dich untersuchen lassen, Siv." Wieder biss sie sich auf die Unterlippe und trat einen kleinen Schritt zurück. "Kannst du… kann ich dann wenigstens danach mit Corvinus reden? Bevor der Arzt das tut?" Denn das Corvinus mit dem Arzt würde reden wollen, war ihr klar. Brix allerdings schien augenblicklich nicht gewillt, ihr auch nur das kleinste Zugeständnis zu machen. "Ich kann dir nichts versprechen", war das einzige, wozu er sich hinreißen ließ, und nach einem letzten Blick auf seine unbewegte Miene wandte Siv sich ab, ging grußlos an dem Arzt vorbei und öffnete die Tür zu ihrer Kammer. Bevor sie eintrat, wandte sie sich noch einmal zu dem Germanen um. "Es tut mir leid, Brix. Ehrlich", sagte sie, seltsam geknickt – Brix war wie ein Bruder für sie geworden, und um nichts in der Welt hatte sie ihn enttäuschen wollen. Und sie wollte auch nicht sehen, wie er jetzt reagierte, also drehte sie sich schnell um und verschwand in der Kammer.

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    Der medicus verfolgte den kleinen Disput mit einem nur halbherzig unterdrückten Schmunzeln unter dem Bart. Der Mann, der ihn hierher gebracht hatte, schien sich klar durchzusetzen, denn das Mädchen mit den hellen Haaren wandte sich nun ab und ging hölzern in das Zimmer, neben dessen Tür Aracus immer noch stand. "Ich weiß", entgegnete Brix noch, ehe er sich abwandte und irgendwo hin ging. Einen Moment lang wirkte der medicus durcheinander, dann straffte er sich und ging durch die Tür in das Zimmer, in dem die Sklavin verschwunden war.


    "So. Ich bin Aracus von Zákinthos. Es freut mich, dich kennenzulernen, auch wenn du dich augenscheinlich nicht darüber freust", begrüßte der Grieche die Sklavin. Seinem Latein war ein klein wenig der griechische Akzent anzuhören. Er ging zu dem kleinen Tisch und dem Stuhl hinüber, stellte seine Tasche auf dem Tisch ab und setzte sich. Darüber hinaus gehend tat er nichts weiter, außer Siv anzulächeln. "Es wird langsam Herbst, nicht?"

  • Siv hörte Brix’ Worte noch, aber sie drehte sich nicht mehr um. Sein Tonfall klang in ihren Ohren seltsam, und sie wollte seinen Gesichtsausdruck dazu nicht sehen. Sie hoffte nur, dass er ihr verzeihen konnte, dass sie ihm die Wahrheit verschwiegen hatte, dass sie ihn, seine Gutmütigkeit, und die offensichtliche Tatsache, dass er sie mochte, ausgenutzt hatte. Sie hoffte es so sehr.


    Drinnen im Zimmer drehte sie sich vor ihrem Bett um, mit verschränkten Armen, und musterte den Arzt, der ihr gefolgt war. "Salve", grüßte sie ihn schließlich auf seine Vorstellung ihn, wenn auch etwas widerwillig. "Ich bin Siv." Sie hatte keine Ahnung, was jetzt kommen würde. Sie war noch nie von einem Arzt untersucht worden, keinem römischen – oder griechischen, in dem Fall – jedenfalls, und auch zu Hause war sie selten von irgendjemandem untersucht worden, war sie doch so gut wie nie krank. Und selbst wenn, hatte sie sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, von einem Heiler untersucht zu werden. Sie mochte es nicht, hilflos zu sein. Ihre Arme schlangen sich noch etwas enger um ihren Oberkörper, und ihre Haltung war nun eindeutig defensiv, da überraschte Aracus sie mit einer simplen Frage. "Was?" entgegnete sie ungläubig. "Herbst? Was soll das?"

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    Das Schmunzeln des Arztes wurde noch etwas breiter, als er so sah, wie er Siv mit seiner Frage verwirrt hatte. Er legte betont gemächlich die Fingerspitzen aufeinander, sah einen Moment auf das dabei entstehende Konstrukt herunter und blickte dann Siv wieder an. Die wasserblauen Augen des Griechen wirkten amüsiert und zugleich ernst. Viele seiner Patienten hatten ihm schon gesagt, dass sein Blick bisweilen stechend wirkte, um nicht zu sagen forschend. "Ich dachte mir, wir reden ein wenig über das Wetter, da es dir scheinbar offensichtlich scheint, dass du ein Kind unter deinem Herzen trägst", erklärte Aracus seine Frage und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. "Oder vermutest du nur und möchtest Gewissheit haben?" fragte er Siv freundlich. Zumindest der Vater des Kindes, der Sklave von eben, schien Gewissheit haben zu wollen. Doch da gab es noch eine Frage, die Aracus in diesem Zusammenhang stellen musste, doch ging diese Frage ihm nie leicht von den Lippen. Eine Falte entstand auf seiner Stirn. "Oder möchtest du wissen, wie man es wieder los wird, sollte es der Fall sein, dass die Übelkeit von der Schwangerschaft kommt?" Diese letzte Frage hatte er ernst gestellt und ohne das Lächeln, das bisher stets sichtbar gewesen war. Ihm selbst behagte es nicht, solchermaßen eine Schwangerschaft zu beenden, doch besser, er tat es für seine Patientinnen mit der richtigen Dosierung, als dass sie an Unerfahrenheit starben, wenn sie es selbst versuchten.

  • Als Siv das Schmunzeln des Arztes sah, reagierte sie so, wie sie immer reagierte, wenn sie das Gefühl hatte nicht ernst genommen zu werden: verärgert. Um nicht zu sagen eingeschnappt. "Sehr witzig, das alles", fauchte sie, aber dem forschenden Blick des Griechen konnte sie anschließend nur wenige Augenblicke standhalten. Dann jedoch riss sie ihren Kopf wieder hoch, so heftig, dass ihre Haare flogen. Fassungslos starrte sie ihn an, war so fassungslos, dass sie sogar ihre abwehrende Haltung aufgab und ihre Arme sinken ließ. "Woher weißt du…?" Er hatte sie noch nicht untersucht, er hatte sie noch nicht mal angefasst, woher konnte er da wissen, dass sie schwanger war, oder besser: dass sie überzeugt war, sie war schwanger? Siv schwankte zwischen dieser Fassungslosigkeit und plötzlich aufkeimendem Respekt. Und sagte zunächst nichts, war sie doch sprachlos, so konfrontiert zu werden. Erst als Aracus davon sprach, es wieder loszuwerden, fand sie wieder Worte. "Nein!" Wie ein Pfeil, der von der Sehne gelassen wurde, schnellte dieses Wort hervor. "Nein", wiederholte Siv, etwas ruhiger. "Das heißt… Also…" Das Blut wich ihr etwas aus den Wangen, als ihr der Gedanke kam, dass Corvinus das womöglich wollen würde. Sie glaubte es nicht, sie glaubte ihn gut genug zu kennen, dass er ihr das nicht antun würde, nicht, wenn sie das nicht auch wollte, aber wenn er es wollte, dann hatte sie kaum eine Wahl. Dann schob sie diese Gedanken fort. Nein, dachte sie kategorisch. Corvinus würde sie niemals dazu zwingen. "Corv… Aurelius Corvinus, mein, der Dominus… er weiß nicht. Noch nicht. Er muss sagen, was er will." Sie musterte den Arzt kurz und ging dann auf seine erste Frage ein, die sie indirekt schon beantwortet hatte, und jetzt endlich ließ sie sich langsam sinken und setzte sich auf ihr Bett. "Ich bin sicher. Also… Ich meine, das, was kann sein sonst, wenn nicht schwanger sein?"

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    Ihre Überraschung über sein Wissen war ganz offensichtlich. Doch das würde es nur einfacher machen, bis zu ihr durchzudringen. Aracus würde den Teufel tun und ihr sagen, dass er über ihre Übelkeit schon vorab informiert gewesen war. Er würde diesen Vorteil einfach nutzen. "Es ist meine Aufgabe, so etwas zu wissen, junge Dame", sagte er in gutmütig mahnender Manier und zwinkerte Siv zu. Augenscheinlich wollte sie also nicht weiter über den Herbst reden und den Regen, den er mitbrachte. Aracus war das ganz recht, er war ohnehin ein Sommermensch.


    Von der Aussicht, dass er eventuell behilfleich sein konnte, was das Kind anging, schien die Sklavin rein gar nichts zu halten. Vermutlich, dachte sich Aracus, war das Kind zwar kein Wunschkind - sofern die kleine Blondine wirklich schwanger war - aber die Aussicht, diese kleine Freiheit aufgeben zu müssen, ließ die Kämpferin in ihr hervortreten. Oder aber, sie und der Sklave von eben hatten ihren eigene Rechnung ohne den Willen ihres Besitzers gemacht. Aracus schüttelte sanft den Kopf und sah sie danach durchdringend an. "Ich verstehe." Das war alles, was er dazu sagte, und dann setzte sich Siv hin. Der medicus lehnte sich etwas zurück und wiegte den Kopf hin und her. "Das kann viele Ursachen haben. Vielleicht hast du etwas Falsches gegessen oder getrunken, oder ihr verwendet ein Nahrungsmittel, das wo anders her kommt als sonst. Manche arbeiten auch zu schwer. Oder man wird schlicht und ergreifend krank. Ich kann herausfinden, ob etwas davon zutreffend ist und deine Säfte ins Ungleichgewicht bringt, wenn du möchtest."

  • Siv starrte den Medicus noch einen Moment an. Wie er wissen konnte, was sie vermutete – worüber sie sich gewiss war, so gewiss, dass sie schon geopfert hatte! – verriet er nicht, und Siv ärgerte sich auch darüber. Sie mochte es nicht, wenn jemand einen Vorteil hatte ihr gegenüber. Vor allem nicht in einer Situation, in der es so konkret um sie ging. Aber sie bohrte auch nicht weiter nach, war sie doch einigermaßen überzeugt davon, dass der Arzt so etwas von sich abprallen lassen würde. Anschließend legte sie den Kopf etwas schief und musterte Aracus. Sie war sich nicht ganz so sicher, ob er tatsächlich verstand, was sie gerade hatte sagen wollen, worum es ihr ging, aber sie sagte nichts darauf. Er wirkte gutmütig und freundlich, und sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, konnte er doch am allerwenigstens etwas für ihre Situation – und möglicherweise verstand er doch. Er war Arzt, und sie hatte inzwischen genug gelernt und gesehen hier, um zu wissen, dass ihn das zu einem sehr gebildeten Mann machte, und einem, der viel konnte, jedenfalls wenn er von Brix geholt wurde. Und er hatte das mit der Schwangerschaft gewusst, das hatte sie beeindruckt und tat es nach wie vor. Es nötigte ihr Respekt ab. Dass Brix ihm wohl von ihrer Übelkeit erzählt hatte, das konnte sie sich schon denken, aber sie kam nicht auf die Idee, dass der Mann Erfahrung hatte und schlicht eins und eins zusammen zählte.


    Einmal sitzend, wäre Siv am liebsten wieder aufgesprungen und hin und her gelaufen, aber sie beherrschte sich – konnte allerdings nicht verhindern, dass ihre Hände sich zu kneten begannen. Ihre Augenbrauen zogen sich etwas zusammen, als der Arzt begann, verschiedene Gründe für ihre Übelkeit aufzuzählen. Zögernd schüttelte sie den Kopf. Sie glaubte nicht, dass etwas davon auf sie zutraf. Sie hatte nicht einfach nur etwas Falsches gegessen, und ihre Arbeit war in den letzten Wochen ganz im Gegenteil wieder leichter geworden. Und krank war sie auch nicht. Sie kannte doch sich und ihren Körper! Oder war es etwas Schlimmeres, irgendeine Krankheit, die sie noch nie gehabt hatte, die seltener war, deren Auswirkungen sie nicht einschätzen konnte? Sie war sich jedenfalls sicher, dass es keine Krankheit war, die sie kannte, so gut war ihr Körpergefühl, um das sagen zu können – aber was konnte sie denn haben, das Übelkeit verursachte und bewirkte, dass ihre Blutung bis jetzt ausblieb? Oder hing das gar nicht zusammen? Sie fluchte lautlos, als ihr klar wurde, dass der Arzt es doch tatsächlich geschafft hatte, sie zu verunsichern. "Nein. Ich kenne mich. Kenne mein Körper. Ich habe nichts falsch gegesst, und ich bin nicht krank. Ich… das ist übel, mir ist übel, seit länger, und… da ist kein Blut, also, aber muss, eigentlich, auch länger schon." Sie zögerte kurz. "Du sagst du kannst rausfinden? Ob ich schwanger bin?" Noch ein Zögern, bevor sie schließlich nachgab. Wenn der Arzt nun schon da war, konnte er auch genauso gut seine Arbeit machen, auch wenn Siv sich nicht sonderlich wohl fühlte. Sie hatte keine Ahnung, wie er herausfinden wollte, ob sie schwanger war, und wie lange das dauern würde. "Dann mach."

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    Der griechische iatros ließ die Musterung der Sklavin gern über sich ergehen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass gerade Frauen zu ihm schneller Vertrauen fassten, wenn er freundlich und höflich war und seine Kompetenz in dem für Männer so fremden Gebiet der Frauenheilkunde zeigte. Die Nervosität der Sklavin blieb dem Arzt dabei keinesfalls verborgen. Während er ihren beobachtenden - und vielleicht auch etwas skeptischen - Blick erwiderte, fragte er sich, ob sie vielleicht Ungeziefer ein Heim bot, was durchaus auch eine Möglichkeit sein konnte, dass sie nichts mehr bei sich behielt.


    Kurz darauf schien sie etwas aufzutauen und sprach nun ein wenig unbefangener von sich. Der iatros hörte ihr ganz genau zu, kniff dann und wann aufmerksam die Augen zusammen und nickte hier und dort. Nachdenklich strich er sich durch den ergrauten Bart, der ihm hier in Rom den Beinamen Silberfuchs eingetragen hatte. Auch sein Haupthaar war silbrig, und in Verbindung mit den klaren, blauen Augen wirkte er so manchmal, als sei der Olymp seine Heimat und nicht die kleine Insel Zákinthos im Westen der griechischen Halbinsel. Aracus schürzte die Lippen und lächelte, als Siv schließlich einer Untersuchung zustimmte. Vermutlich malte sie sich dabei weitaus Schlimmeres aus, als letztendlich passieren würde. "Nun gut", sagte er und lehnte sich zurück, um die Arme vor seiner Brust zu verschränken, statt seine Tasche zu öffnen, wie Siv dies vielleicht vermutet haben mochte. "Dann bitte ich dich, meine Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Wie lange ist es her, dass du zuletzt geblutet hast? Und wie ist dein Befinden sonst? Hast du Durchfall? Magenschmerzen? Fühlst du dich manchmal schwindelig, ist dir heiß oder kalt?" fragte er sie. "Was würdest du sagen, isst du viel oder wenig? Und was kannst du bei dir behalten? Trinkst du genug? Das ist sehr wichtig für das Gleichgewicht der Säfte, musst du wissen. Ein Kind kann eine mögliche Ursache sein dafür, dass du zu viel Galle hast. Das Ausbleiben deiner Blutung kann auch damit zusammenhängen, aber es kann genauso gut etwas anderes sein. Deswegen..." Nun kam Bewegung in den Arzt, denn er beugte sich vor, öffnete seine speckige Tasche und holte eine hölzerne Schale hervor, die stark nach Weihrauch roch. Überhaupt schien die Tasche wie das Innere eines Gewürzhändlers zu riechen, zumindest, bis der iatros sie wieder fest verschloss und Siv die Schale hinhielt. "Deswegen bitte ich dich, dich einmal zu erleichtern." Er lehnte sich wieder zurück und betrachtete Siv, als hätte sie ihm eben ein Kompliment zu seinem akkuraten Bartschnitt gemacht.

  • Siv grübelte immer noch darüber nach, was es sonst sein könnte. Sie kannte die ersten Anzeichen für eine Schwangerschaft. Und sonst? War es ein Geschwür? Manche Tiere, die sie ausgenommen hatte, hatten Geschwüre, sie ging davon aus, dass Menschen so etwas auch kriegen konnten – aber sie hatte keine Ahnung, was für Auswirkungen so etwas hatte. Konnten es die gleichen sein wie eine Schwangerschaft? Die Germanin schickte ein Stoßgebet zu Hel und sank in sich zusammen – um eine Winzigkeit nur, aber es reichte aus, dass ihre Haltung lange nicht mehr sicher und aufrecht wirkte wie normalerweise. Sie musterte den Arzt und wartete auf seine Reaktion, rechnete mit so gut wie allem, war dann aber doch überrascht, als er sich nur zurücklehnte und anfing, ihr Fragen zu stellen. Einen Augenblick saß sie einfach nur da und sah ihn an, während sie nach wie vor unfähig schien, ihre Finger ruhig zu halten – jetzt noch weniger als zuvor. Sie hatte Angst davor, möglicherweise tatsächlich krank zu sein, ernsthaft krank. Sie hatte gesehen, wie manche Menschen dahingesiecht waren, ohne dass sie etwas hatten tun können zu Hause, ohne dass sie überhaupt hatten rausfinden können, was die Ursache dafür war. Manchmal straften die Götter einen Menschen. Aber Siv konnte sich nicht vorstellen, was sie so Schlimmes getan hatte, um so etwas zu verdienen.


    Sie atmete tief ein und bemühte sich, sich auf den Arzt zu konzentrieren, und seine Fragen. "Ehm… sechs Wochen. Bald sieben. Und, normal ist bei mir, wie der Mond, regelmäßig, da ist wenig Unterschied." Es gab Frauen, bei denen die Blutung von Natur aus unregelmäßig einsetzte, aber Siv gehörte nicht dazu. "Kein Durchfall. Magenschmerzen… Ja, ein bisschen, also… wenn übel ist, dann. Sonst… normal. Manchmal tut etwas weh, Brust vor allem. Und ich bin oft, öfter müde, die letzte Zeit, wie bei Fieber, oder großes Anstrengen, aber da ist nichts, also kein Fieber oder Anstrengen, mehr als sonst. Ehm." Wieder machte sie eine Pause, fühlte sich fast etwas erschlagen von den ganzen Fragen des Arztes. Aufzuzählen, wie es ihr ging, tat ihr aber merklich gut – es waren die typischen Anzeichen für eine Schwangerschaft. So war es bei den meisten Schwangeren gewesen, die sie gekannt hatte, im Grunde alle diese Dinge vorhanden, nur eben manche Sachen mehr, manche weniger stark ausgeprägt, wie beispielsweise diese vermaledeite Übelkeit, die, das würde Siv bei allen Göttern beschwören, ihr mit Sicherheit mehr zu schaffen machte als den meisten anderen Frauen. Jedenfalls konnte sie sich nicht daran erinnern, dass eine ihrer Schwägerinnen oder Bekannten sich so häufig hatten übergeben müssen. Oder war das ein Zeichen dafür, dass sie nicht schwanger, sondern krank war? Weil die Übelkeit heftiger war bei ihr? Ihre Hände verkrampften sich unwillkürlich. "Ich trinke normal, essen auch… Aber am Morgen wenig. Und Vormittag. Da ist immer Übelkeit da. Nachmittag und Abend dann normal. Meistens. Und, also, die Übelkeit, das ist egal, was ich gegesst habe. Oder ob. Und ich muss öfter zu Latrine." Als wäre das ein Stichwort für den Arzt gewesen, beugte er sich nach vorn und öffnete nun seine Tasche. Siv zuckte unwillkürlich ein Stück weg, in Erwartung irgendeines Instrumentes, aber neben der Geruchswolke, die die Tasche verließ, beförderte Aracus nur eine Schale zutage und hielt sie ihr hin. Siv starrte ihn an. "Wie? Hier? Jetzt? Warum?"

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    "Rund fünfzig Tage, hmm", machte der iatros und strich sich nachdenklich durch den Bart. Wenn es wirklich so war, dann würde er es riechen. Und das, was Siv sonst noch beschrieb, klang ganz danach, als sei es wirklich eine Schwangerschaft. Aracus nickte einige Male zerstreut vor sich hin, unterdrückte ein Murmeln zu sich selbst und lächelte die Sklavin dann unter seinem Bart hindurch wieder an. Gerade die Spannungen in der Brust und die scheinbar unberechtigt aufkommende Müdigkeit waren Indizien dafür, dass das Mädchen in freudiger Erwartung war.


    "Ja, ich bitte darum", sagte er dann, als sie ihn so fassungslos ansah. Dann schien ihm etwas einzufallen, und er schaute sie seinerseits peinlich berührt an. "Oh, natürlich.... Verzeih einem alten Mann seine schlechten Manieren", fügte er hinzu und stand auf, um sich umzudrehen und aus dem schmalen Fenster zu schauen. Draußen wirbelte der Wind einige Blätter durch den sonst sehr gepflegt wirkenden Garten. Aracus seufzte leise und begann, doch wieder vom Wetter zu reden, um das Mädchen ein wenig abzulenken. "In meiner Heimat, weißt du, da ist das Wasser blau wie ein Saphir. Wellen mit weißen Schaumkronen branden an die schroffe Küste oder rollen träge über den feinen Sand... Und es ist viel wärmer als hier. Manchmal glaube ich, dort herrscht immer Sommer. So wie in den alten Legenden aus meinem Heimatland, weißt du..." Die Stimme des Alten machte deutlich, dass er in der Erinnerung schwelgte.

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