Akademie des Marcus Achilleos

  • Mit dem Museion würde ich wohl nicht in Schwierigkeiten kommen. Und selbst wenn schon, das würde auch nicht mehr ins Gewicht fallen. Schwierigkeiten hatte ich auch so schon genug. "Passiert schon nicht," meinte ich deshalb lapidar.


    "An toten Schweinen, ja?" Ich zog eine Augenbraue hoch. "Na hoffentlich werde ich nie unter die Kategorie fallen." Ich lachte amüsiert. "Nein, Scherz beiseite. Ich denke, dass das als Übung ausreichen muss. Wird auch hoffentlich nicht oft nötig sein, mich zu verarzten. Das letzte Mal habe ich mir selbst die Wunde mit Essigwasser ausgewaschen und dann vernäht und verbunden." Ich schlug meinen linken Ärmel zurück. Dadurch wurde eine lange, aber sehr schmale Narbe auf meinem Unterarm sichtbar. "Meine erste ernsthafte Verletzung in einem Kampf." Mit einer schnellen Bewegung meines linken Arms war der Ärmel wieder nach vorne gerutscht.

  • Alsuna fuhr hoch und hielt sich dabei gar nicht erst mit aufrechtem Knien auf, sondern sprang sofort auf die Füße. Hastig zuckte ihr Blick zu ihrer Tür, die das einzige Fenster des Raumes enthielt. Für einen schrecklichen Augenblick hatte sie befürchtet, ihr Herr wäre bereits zurückgekehrt und würde ihr gleich die durchaus vernünftige Frage stellen, weswegen beim Hades sie da auf dem Boden herumkroch. Zwar hatte sie sich bereits im Vorfeld einiges an Ausreden zurecht gelegt, doch sie hatte gehofft, nicht gar so plötzlich überrascht zu werden. Erleichtert atmete sie durch, als sie bemerkte, dass sie nach wie vor die einzige Person in diesem kleinen Raum war. Anscheinend war das laute Geräusch nicht von ihrer Tür gekommen.


    Erst einmal jede weitere Überlegung ignorierend stemmte sich Alsuna gegen ihr Bett, um es neuerlich und mit einiger Anstrengung wieder an seinen ursprünglichen Platz direkt neben der Wand zu verschieben. Immer noch unter wildem Herzschlag begutachtete sie ihre restliche Einrichtung abschließend um sich zu vergewissern, dass nirgendwo verräterische Spuren übrig geblieben wären, ehe sie nach draußen eilte um zu sehen, ob das Krachen innerhalb oder außerhalb der schützenden Gebäudemauern geschehen war. In Abwesenheit ihres Herrn gestaltete sich der Aufenthalt in diesem seltsamen Bau doch als ein wenig... unübersichtlich. Harmlos ausgedrückt. Natürlich gab es ausreichend Arbeiten zu erledigen, und eigentlich sollte sie wohl froh und dankbar für jeden unbeobachteten Augenblick sein, doch wahrscheinlich war sie diesen Zustand schlicht noch nicht ausreichend gewohnt, um ihn bereits zu genießen. Ein ungutes Gefühl verfolgte sie beinahe permanent wenn sie hier herumlief und schon manchmal dankbar war für jedwede Ablenkung.


    Oder für fast jede Ablenkung. Zwar wusste sie die Situation, die sich ihr dort am Tor bot, nicht vollkommen zu erfassen. Allerdings sollte sie sich wohl vorsichtshalber erst einmal im Hintergrund halten. Und sich dumme Fragen verkneifen.

  • Zitat

    Original von Marcus Achilleos
    Ohne Kampferfahrung? Das war schlecht. "Lass mich dir einen Tipp geben: Du darfst keine Gnade zeigen! Und nicht zu viel nachdenken. Nachdenken kannst du später noch genug, und das wirst du. Und mach' dir keine Sorgen, dass ich wegsterbe. Ich war schon in einigen Kämpfen und gestorben bin ich noch nie." Ich grinste.


    Na da bin ich ja froh.
    Meinte ich, während mein halbherziges Grinsen wieder unter einer eisernen Maske verschwand.
    Ich würde auf keinen Fall einfach jeden ummetzeln der mir in die Quere kam, doch hatte ich wohl keine andere Wahl, wenn die Angreifer selbst keine Gnade kannten.
    Das Tor begann langsam zu bersten!
    Gegenseitige Rückendeckung ist wohl nicht zu viel verlangt oder?
    Sagte ich noch, als schon das erste größere Loch in dem hölzernen Tor entstand und ein Speer kurz hindurchragte.
    Blitzschnell hob ich meinen linken Arm mit dem Pugio und warf ihn in Richtung des entstandenen Loches.
    Ein kurzes aber lautes Stöhnen drang durch das Tor zu uns und es wurden einige unverständliche Worte geflucht.
    Dann wurde es plötzlich still, nichts mehr war zu hören außer das Ein-und Ausatmen von Marcus und mir.
    Ich wollte schon erleichtert das Gladius sinken lassen, als ein Ohrenbetäubender Knall uns entgegen kam und das Tor aufbrach!
    Sämtliche Angreifer hatten sich mit voller Wucht gegen das Tor geworfen!
    So begann es also, was nur mit dem Sieg einer der beiden Seiten und der völligen Vernichtung der anderen enden konnte.

  • Eigentlich hätte ich sofort angreifen sollen, als das Tor aufgebrochen war. Eigentlich. Aber dazu war ich etwas zu perplex in dieser Situation. Ich hatte zwar damit gerechnet, aber nicht, dass es so aussehen würde. Dann hatte ich aber recht schnell meine Fassung wieder.


    Ein Lanzenträger stürmte auf uns zu. Ich stürmte genauso auf diesen zu.Ohne lange zu zögern rammte er mir seine Lanze in den Bauch, doch zu seiner Verwunderung drang sie nicht ein. Statt dessen gab es das typische Geräusch, wenn Metall auf Metall trifft. Genau deshalb trug ich meine Rüstung verborgen. Ich stach mit meinem Schwert in Richtung seines Halses, den ich zunächst verfehlte. Als ich das Schwert zurück zog, zog ich es aber schnell in Richtung des Genicks, so dass ich einen tiefen Schnitt in die Seite des Halses ausführte. Sofort lief das Blut heraus. Ich hatte die Schlagader getroffen. Die Lanze, die der tödlich Getroffene losließ, griff ich schnell, bevor ich mich mit ihr in den linken Hand wieder zwei Schritte zurückzog. Nochmal würde so ein Manöver nicht mehr klappen.

  • Es war erfreulich, dass Achilleos die Angelegenheit mit dem Museion als derart nebensächlich abtat. Zwar war sich Alsuna nicht ganz sicher ob er das ganze Ausmaß der Konsequenzen ermessen konnte, wenn er einer Sklavin die Möglichkeit des Studiums eröffnete, doch sie würde sich hüten, ihn darauf aufmerksam zu machen. Vielleicht war es auch genau das, was er wollte. Das Anderssein bedeutete ihm sichtlich viel, womöglich benutzte er sie nur, um seine eigene Individualität noch weiter voranzutreiben. Ihr waren seine Gründe gleich, solange sie ebenfalls einen Vorteil daraus zog. Er trug die volle Verantwortung für sie und er musste wissen, wie weit er jemandem vertraute, den er gerade erst kennengelernt hatte.


    Dass tote Schweine sie vermutlich nicht ausreichend auf das harte Leben dort draußen vorbereiteten, war Alsuna bereits klar gewesen, als man diese Schlachtplatte vor ihr aufgebaut hatte. Allerdings hätte man sie niemals mit echten kranken oder verletzten Menschen in Kontakt gebracht, dafür lebte sie einfach zu eng mit Memnos' Schmuckstück zusammen. Nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können, welche bösartigen Infektionen und Krankheiten sie hätte anschleppen können. Schon die Übung mit den Schweinekadavern hatte sie nicht wirklich offiziell durchgeführt. Was ihre Herrschaften nicht wussten, konnten sie ihr schwerlich verbieten.


    Dieses Mädchen vorhin schien nicht ganz richtig gelegen zu haben mit der Behauptung, dass der Herr des Hauses kaum lächeln würde. Nun lachte er sogar. Und dies zu einem Anlass, den beileibe nicht jeder Mann in seiner Position amüsant gefunden hätte. Nach den Worten der Kleinen zu urteilen hätte man hier einen alten Griesgram erwarten können, allerdings hätte sich der wohl kaum eine riesige Schar Kinder ins Haus geholt. Eine solche Tat setzte schon irgendwie voraus, dass er einen gewissen Sinn für Humor besaß. Oder es mit Freuden in Kauf nahm, sich ein ordentliches Magengeschwür anzueignen.
    Nun, als ein Mann der Wissenschaft dürfte es ihn doch sicherlich freuen, auch nach seinem Tod noch als Studienobjekt für kommende Generationen herhalten zu können. Alsuna beschloss, diesen Gedanken lieber nicht laut auszusprechen. Man musste den Sinn für Humor seines Gegenübers schließlich auch nicht gar zu sehr herausfordern.


    "Das ist deine erste schwere Kampfverletzung, Herr?" Die Germanin musste zugeben, dass sie nicht bloß überrascht, sondern geradezu beeindruckt war, sogar ein wenig gegen ihren Willen. Diese Narbe wirkte nicht sehr alt, ein paar Monate vielleicht. Und die hatte er auch noch eigenhändig genäht? Alsuna spürte eine prickelnde Gänsehaut auf ihren Armen bei der bloßen Vorstellung, sich selbst eben mal das Fleisch zusammenzuflicken.
    "Du hattest großes Glück mit der Stelle der Verwundung und dass sie so gut verheilt ist. Im Zweifelsfall ist es vielleicht besser, einen richtigen Heiler aufzusuchen, als die körperliche Gesundheit und die Beweglichkeit des Armes zu riskieren." Natürlich befand sie sich bei Weitem nicht in der Position, ihm Vorschriften oder gar Ratschläge zu geben und womöglich hatte er auch nur ein wenig mit seinen Leistungen angeben wollen, indem er sie so darstellte, als wären sie nichts als eine kinderleichte Übung. Doch selbst Alsunas Meinung nach behandelte er einige Dinge ein wenig zu nebensächlich und oberflächlich, vorzugsweise jene, die eine solche Abwertung mitnichten verdienten. Und irgendwann spürte man als ungläubiges Gegenüber nur noch den Drang, ihm einen fast mütterlich anmutenden Klaps auf den Hinterkopf zu geben.
    Zumindest wusste sie nun, dass sein Körper keineswegs von unzähligen Narben übersät war.


    "Zum ersten Mal derart verletzt zu werden muss ein Schock für dich gewesen sein, Herr." Gut, vermutlich nicht. Vermutlich hatte er mit der gesunden Schulter gezuckt und dieses Erlebnis weggesteckt, als ob es sich niemals ereignet hätte. Was für eine Waffe mochte diese Art von Narbe verursacht haben?
    "Wäre deine Position leicht anders gewesen und die Waffe in deine Seite eingedrungen, so wärest du möglicherweise noch an Ort und Stelle verblutet." Nicht, dass sie ihm bewusst Angst einjagen wollte, was ihr wohl ohnehin niemals gelungen wäre. Alsuna wusste selbst nicht sicher zu sagen, was sie mit dieser Bemerkung genau erreichen wollte, vielleicht strebte sie danach, Achilleos von seinem perfektionistischen Ross herunterzuholen oder eine Lücke in seiner so makellosen Fassade zu finden. Kindisch und unsinnig, aber irgendwie notwendig.
    Ihr Blick schweifte über die Weiten des Hofes.
    "Wenn du einen Garten anlegen möchtest, so wäre es zu überlegen, gleich einen Bereich für Heilkräuter einzuplanen. Oder an welche Art von Pflanzen hast du dabei gedacht, Herr?"

  • "Ja, meine erste schwere Kampfverletzung. Die erste schwere Verletzung überhaupt," meinte ich nachdenklich. "Aber besser, man wehrt eine lanze mit dem Arm ab, als sie in den Körper eindringen zu lassen. War sowieso meine Schuld. Ich habe gezögert. Man darf im Kampf nicht zögern, sondern muss den Gegner so schnell wie möglich neutralisieren." Das war inzwischen wieder meine Meinung. Zwischenzeitlich war ich gnädig geworden, doch dieser Kampf hatte mich eines besseren belehrt. Mit 'neutralisieren' war auch mehr 'eliminieren' gemeint. "Das nächste Mal lasse ich einen Iatros holen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Lust, blutend durch die Stadt zu laufen. Da war die Selbstverarztung schon besser. Hat aber ordentlich gezwiebelt. Da ich aber sowieso noch unter leichtem Schock stand, war es nur halb so schlimm. Immerhin, jetzt weiß ich, wie sich eine solche Verwundung anfühlt. Die nächste schockiert mich weniger."


    Ich sah über den staubigen Boden. Eine ungefähre Vorstellung des Gartens hatte ich dabei vor meinem geistigen Auge. "Ich dachte da mehr an ästhetische Pflanzen. Kleine Bäume, Ziergräser, vielleicht Bambus. Wichtig ist, dass es ein ästhetisches Gesamtbild gibt. Wenn da auch eine Ecke mit heilkräutern reinpasst, ist es gut, wenn nicht, dann habe ich auch andere Ecken dafür. Ein kleiner teich würde ja eigentlich auch reingehören, aber hier gibt es schon genug Mücken, da muss man sie nicht direkt vor der eigenen Wohnung züchten. Also kein Teich."

  • Abgesehen von der instinktiven Eingebung einiges an Abstand zwischen sich selbst und dem ächzenden Tor zu halten bemerkte Alsuna ziemlich rasch, dass sie nicht die leiseste Ahnung besaß, was dort eigentlich vor sich ging. Auf der Suche nach Erklärungen streifte sie zudem recht bald einen Bereich, den sie lieber ganz schnell wieder verdrängen wollte. Nein, diese Auseinandersetzung musste einen anderen Hintergrund haben. Und irgendwie schien das alles sehr... irreal. Am helllichten Tag und mitten in der Stadt eine Art Kleinkrieg auszutragen... nun, in Rhakotis lagen die Dinge doch ein wenig anders.
    Aber noch waren die Angreifer, wer und wie viele sie auch immer waren, hinter eine dicken Schicht Holz verborgen und die Germanin hoffte von Herzen, dass es zunächst einmal auch bei diesem Zustand bleiben würde. Womöglich ging es in Wahrheit auch um diesen Fremden, der sich bei ihrem Herrn aufhielt, und gar nicht um Achilleos selbst. Doch andererseits bot Achilleos verdammt viel Anlass für etwas kompromissloser gebaute Herren, sich seiner anzunehmen. Vielleicht sollte man das Tor doch nicht den ganzen Tag über weit und einladend geöffnet lassen.


    Augenblicke später hegte Alsuna einige Zweifel daran, dass dieser Eingang so bald wieder verschlossen sein würde. Erschrocken wich sie noch einige Schritte zurück, als das doch eigentlich stabile Holz den Anstrengungen der Männer dort draußen unter erneutem, diesmal deutlich lauterem Krachen nachgab. Diese Kerle mussten schon sehr fanatisch in ihren Bemühungen sein. Vermutlich hatten sie sich zuvor noch tüchtig Mut angesoffen.
    Würden der Fremde und ihr bislang als unbesiegbar geltender Herr die Gefahr abwenden können, bevor sie ihr bedrohlich näher rückte? Nunja, das ‚unbesiegbar‘ sprach eine deutliche Sprache. Hoffentlich war denen dort draußen dieser Umstand ebenso bewusst. Zumindest jenem Lanzenträger, welcher nach einem erstaunlich missglückten Angriff gerade sein Blut über den trockenen Boden verspritzte. Das sah doch schon recht gut aus. Wenn ihr Herr jetzt noch aufhörte, die Taktik des Zurückweichens auszuprobieren, befände sie sich nicht in Gefahr. Dennoch löste sie sicherheitshalber eine ihrer längeren Haarnadeln aus der bislang teilweise hochgesteckten Frisur, um zumindest irgendetwas Waffenartiges in Händen zu tragen. Nur sicherheitshalber.

  • Irgend etwas Wichtiges hatte ich noch vergessen. Oder eher irgendwen. So langsam dämmerte es mir, dass bei meinem Plan, die Angreifer im Tor zum äußeren Hof zu stellen, Alsunas Quartier nicht von mir verteidigt werden könnte. Die Tür zu ihrem Raum war auch nicht stabil genug, um sie zu schützen. "ALSUNA! Lauf zur Bibliothek!" rief ich auf Latein. Vielleicht sprachen die Angreifer ja kein Latein. Auf jeden Fall ging es darum, sie in Sicherheit zu bringen. Es standen nun drei Lanzenträger erkennbar vor uns, von denen aber nur zwei nebeneinander stehen konnten. Sie streckten uns ihre Lanzen entgegen, während zwischen ihnen die dritte Lanze hervorragte. Das war eine recht schwer zu attackierende Position. Allerdings griffen sie selbst nicht an, sondern beäugten uns und warteten wohl darauf, dass Matrinius oder ich einen Fehler machten. Ich hielt währenddessen die frisch eroberte Lanze in der linken Hand und mein Schwert in der rechten. Irgendwas musste ich doch damit machen können. Vielleicht hatte Matrinius ja eine Idee.

  • Natürlich war das Prinzip eines guten Kampfes dem Gegner mehr Scherereien zu bereiten, als dieser es umgekehrt fertigbrachte. Obgleich Alsuna vielleicht eine andere Ausdrucksweise als ‚neutralisieren‘ gewählt hätte, im Grunde lag die Sache wohl recht einfach. Er hatte nicht genügend aufgepasst und die Antwort darauf bekommen. Vor diesem Zwischenfall und seiner ersten schweren Verletzung schien dies anders gewesen zu sein. Also war er nachlässig geworden. Oder sein letzter, ‚ernsthafter‘ Kampf lag bereits länger zurück.
    Weitere Worte zu diesem Thema erübrigten sich wahrscheinlich, sie hatte bereits alles oder vielleicht sogar etwas mehr geäußert, als sie beabsichtigte. Die Lektion des Ganzen schien Achilleos am Wichtigsten zu sein und auch wenn sie möglicherweise nach dem Grund des Kampfes fragen sollte, so beließ die Germanin es doch dabei. Sonst glaubte er noch, sie würde sich für das Kämpfen an sich interessieren.


    “Ästhetisch“, wiederholte sie stattdessen seine Umschreibung des gewünschten Gartens, während ihre Augen weiterhin über das diesen Titel nicht wirklich verdienende Ambiente des Hofes schweiften.
    “Dafür werden wir andere Erde herbeischaffen müssen, befürchte ich. Aus dieser hier wird sich nichts von dem entwickeln, was dir vorschwebt. Und für Heilkräuter kann man nicht einfach irgendeine Ecke erübrigen, man muss sich ihren Bedürfnissen anpassen. Ein Garten benötigt sehr viel Pflege und Zeit. Je schöner er werden soll, umso mehr muss man sich um ihn kümmern.“

  • Ich nickte. "Da hast du wohl recht, Alsuna. Allein hätte ich auch nicht die Zeit dafür, aber da ich ja dich habe, ist der Tag sozusagen effektiv verdoppelt. Und dann dürfte es ja gehen. Sag mir, welche Erde du benötigst, dann werde ich... Moment mal, eigentlich kannst du die nötige Erde auch selbst organisieren. Geld ist im Prinzip genügend vorhanden. Auch, oder gerade weil, ich nicht viel ausgebe." Wie auch? Zeit zum Geld ausgeben hatte ich ja nicht. Außerdem sparte ich. Auf den Garten und vor allem auf einen Umbau des Bades. Man konnte das ja nicht ewig aus Holz belassen. "Schweben dir schon bestimmte Pflanzen vor? Vielleicht auch etwas, das blüht?"

  • Alsunas Gedankengänge kreisten noch ein wenig länger an diesem in ihrem Leben bislang nur äußerst selten erscheinenden Begriff 'ästhetisch'. Natürlich besaß sie eine ungefähre Ahnung, was man sich darunter vorzustellen hatte und sie musste gestehen, dass es zu Achilleos passte, einen solchen Geschmack zu offenbaren, doch was dies genau für einen Garten bedeutet, welche Vorstellungen er besaß, wollte sich ihr noch nicht vollkommen erschließen. Memnos war immer mehr an Üppigkeit, an Fülle gelegen gewesen was seine Gartenanlagen betraf. Und es war auch nicht so gewesen, dass Alsuna ganz allein den gesamten grün-bunten Bereich verwalten musste. Sie hatte einiges von den dort arbeitenden Sklaven gelernt, die präzise wussten, was ihrem Herrn zusagte und was er umgekehrt als Verschwendung guter, fruchtbarer Erde ansähe. Des Öfteren war sie den Männern zur Hand gegangen, wenn es Hermione erlaubt hatte, und mehrmals war ihr ein guter Geschmack und eine fähige Hand im Umgang mit den Pflanzen bestätigt worden. Einen kompletten Garten von Grund auf neu anlegen, ohne eine einzige darauf ausgelegte Voraussetzung - nun, dies war neu. Und eine ordentliche, anspruchsvolle Herausforderung. Mit einer solchen Aufgabe konnte man glatt mehrere Sklaven eine gute Zeit lang beschäftigen. Das war keine Angelegenheit, die sich nebenbei erledigen ließ, wenn man gerade etwas Luft erübrigen konnte. Besonders nicht, wenn man die hohen Ansprüche ihres Herrn erfüllen und brauchbare Arbeit leisten wollte, bei der man noch nie so viel Eigenverantwortung hatte tragen müssen. Beispielsweise wusste sie beim besten Willen nicht zu sagen, wo und von wem sie die Erde denn organisieren sollte. Bei Memnos war sie einfach da gewesen, wurde in regelmäßigen Abständen frisch angeliefert und dann verteilt. Komplett mit Würmern und kleinen Insekten, die den Boden auflockerten und für Nährstoffe sorgten. Wie lange diese kleinen Viecher letztendlich überlebten, konnte sie nur erraten. Woran sie sich allerdings sehr gut erinnerte waren die riesigen Mengen Wasser, die dieser Garten konsumieren musste, um so erhalten zu bleiben, wie er war. Wenn etwas nicht anschlug oder von Schädlingen zerfressen war, wurde es meist sehr rasch ersetzt.


    Die Germanin nahm einen etwas tieferen Atemzug. Ein effektiv verdoppelter Tag, ja sicher. Vielleicht in einem halben Jahr, wenn sie sich entsprechend eingewöhnt und die anfänglichen Hindernisse überwunden hatte, dann vielleicht würde sie die Hälfte seines Arbeitspensums bewältigen können - weil sie es musste, nicht, weil sie es wollte. Wenn man etwas wollte, war man zu ungleich größeren Leistungen fähig, als wenn man zu etwas gezwungen wurde, das man insgeheim als Zeitverschwendung abtat. Und was man keineswegs für sich selbst erledigte.
    "Ich werde mein Bestes versuchen, Herr, aber von einer effektiven Verdopplung des Tages würde ich nicht zu sprechen wagen", murmelte sie einen vorsichtigen Einwand, während sie sich wünschte, er besäße wenigstens ein klein wenig Vorerfahrung mit Sklaven. Dabei benahm sie sich geradezu vorbildlich. Was würde er denn tun, wenn sie sich schlichtweg weigerte, wenn sie absichtlich versagte und sich in allem querstellte, was er ihr auferlegte?
    "Ich besitze keine Erfahrung im Handel, ich durfte nie etwas selbst kaufen. So viel Vertrauen brachte man mir nicht entgegen." Vollkommen zurecht.
    "Schon alleine weil du der Herr bist und ich die Sklavin kann man nicht davon ausgehen, dass ich dieselbe Leistung aufbringe wie du. Du arbeitest für dich selbst, ich arbeite für dich. Selbst wenn ich mich bemühe, so wird mir der Enthusiasmus und die Inspiration fehlen, die dich antreibt. Ein Sklave wird hauptsächlich durch Furcht vor Strafe motiviert. Ich bin sicher du verstehst, dass sich auf dieser Basis keine Leistung wie die deine gewinnen lässt. Doch natürlich werde ich mein Möglichstes tun, dich zufrieden zu stellen. Nur eben aus anderen Gründen." Ihre Stimme hatte weitestgehend sachlich geklungen und fuhr in gleicher Weise fort, seine letzten Fragen zu beantworten.


    "Womöglich wäre es auch sinnvoll, Gewürzpflanzen anzubauen, wenn hier täglich gekocht wird. Doch bevor wir uns mit den Pflanzen beschäftigen, wäre es vielleicht besser, erst einmal einen geeigneten Boden anzulegen. Wie oft kann er bewässert werden? Morgens und abends? Alleine für das Bewässern musst du einiges an Zeit einplanen. Es ist nicht damit getan, einfach einen Eimer Wasser auszukippen. Auch wenn du über ausreichend finanzielle Mittel verfügst, so wäre es bedauerlich, wenn das Saatgut oder die Setzlinge am Ende nicht anschlagen können. Wahrscheinlich wäre es am Sinnvollsten, die Aussaat zunächst vorzuziehen, bis sie etwas widerstandsfähiger ist und ausgesetzt werden kann. Mit der Anlage eines guten Gartens ist man sehr beschäftigt. Ich werde nicht alles, was du bislang aufgezählt hast, gleichzeitig tun können. Angesichts der bisher von dir genannten Aufgaben wäre es vielleicht besser, Prioritäten zu setzen, da ich sonst nichts von alldem zu deiner Zufriedenheit werde erfüllen können."

  • '...hauptsächlich durch die Furcht vor Strafe motiviert...' kreiste mir durch den Kopf. Das war ja fast wie die Gesetze des Li Si. Nur war das nicht meine Art, zu motivieren. Natürlich war Furcht ungeeignet, Höchstleistungen zu erzeugen. Schon allein deshalb, weil die besten Leistungen nur zu erzielen waren, wenn man auch Fehler machen durfte. "Mehr erwarte ich gar nicht von dir, Alsuna. So lange du dein Möglichstes tust, bin ich zufrieden. Wenn du nach bestem Wissen handelst, und dabei einen Fehler machst, so liegt es an deiner Unwissenheit in der Sache. Wenn dann aber eine Lösung des Fehlers gefunden wurde, die dir bekannt gemacht wurde, dann solltest du den Fehler nicht erneut machen." Da fiel mir etwas ein.
    "Lass mich dir eine kleine Geschichte erzählen. Der König von Wu wollte die militärischen Fähigkeiten des Meisters Sun testen. Deshalb befahl er ihm, seine 360 Konkubinen das militärische Exerzieren zu lehren. Meister Sun teilte daraufhin die Konkubinen in zwei gleich große Kompanien, zu deren Offizieren er die beiden Lieblingskonkubinen ernannte. Er gab ihnen einen Befehl, doch die Frauen lachten und kicherten nur. Daraufhin sagte er: "Wenn der General einen Befehl gibt, und die Soldaten nicht folgen, weil sie den Befehl nicht verstehen, dann ist es die Schuld des Generals." Danach zeigte er ihnen, wie die Ausführung des Befehls auszusehen hatte. Er zeigte es ihnen ausführlich, um sicher zu gehen, dass sie den befehl verstehen würden. Dann gab er den befehl erneut. Wieder lachten und kicherten die Frauen. Daraufhin ließ er die beiden Lieblingskonkubinen, die er ja zu Offizieren gemacht hatte, trotz des Einspruchs des Königs hinrichten. Dies war seine Begründung: "Wenn die Soldaten den Befehl verstehen, aber nicht befolgen, dann ist es die Schuld der Offiziere." Außerdem sagte er: "Wenn ein General einen Befehl erhalten hat, dann muss er ihn mit allen Konsequenzen ausführen, selbst wenn der König dagegen protestiert." Das verstand der König. Meister Sun ernannte zwei neue Offiziere.
    Was ich dir damit sagen will ist folgendes: Wenn du von mir einen Auftrag erhälst, dann bist du frei in der Wahl der Ausführung, so lange das Ergebnis passt. Darüber hinaus werde ich dich nicht zur Verantwortung ziehen, wenn du aus Unwissenheit einen Fehler machst."
    Den Rest ließ ich unausgesprochen, weil es klar war.


    "Die Bewässerung des Bodens dürfte kein Problem sein. Ich werde demnächst einen Anschluss ans fließende Wasser erhalten. Ich will das über Leitungen so einbringen, dass der Garten automatisch optimal bewässert wird. Die Frage ist nur, welche Pflanze wie viel Wasser benötigt und wann es zu viel ist. Und wo dann welche Pflanze hingehört. Aber das alles können wir demnächst in Ruhe besprechen. Vielleicht abends."

  • Von nicht nur einem, sondern gleich zwei großen Sklaven des Gymnasions flankiert schritt Axilla zum ersten Mal durch die Straßen von Rhakotis. Alles hier roch geradezu nach Abenteuer. Am liebsten hätte Axilla den ein oder anderen Abstecher in die Umgebung gemacht, wo sie schon mal hier war. Das sah alles so ungeordnet und heruntergekommen aus, und die Gestalten am Straßenrand sahen wie Halsabschneider, Räuber und Diebe aus. In ihrer Phantasie beschritt Axilla ein Land voller Gefahren, das nur darauf wartete, von ihr entdeckt zu werden.
    Doch blieb sie brav zwischen den beiden Sklaven und folgte ihnen durch das Gewirr der Straßen zu einem ziemlich anders aussehenden Gebäude. Irgendwie passte es hier nicht wirklich rein. Es war zwar aus denselben Steinen erbaut, sah aber irgendwie aus, als hätte jemand das ganze in einer anderen Stadt – oder zumindest einer anderen Gegend dieser Stadt – gebaut und dann einfach hierher verpflanzt. Axilla betrachtete die Anlage etwas skeptisch, als sie sich dem Tor näherte und in jugendlichem Überschwang kräftig anklopfte.


    Als sie so das Tor berührte, bemerkte sie, dass die Türe offen war. Wer machte denn sowas, noch dazu in dieser Gegend? Axilla hätte einen dicken Riegel an dieser Türe gehabt, aber Marcus war wohl etwas sorgloser als sie. Und da ja schon offen war und sie ja auch nicht zu lange trödeln wollte, trat sie einfach ein.
    "Chaiiireee?" rief sie leicht in den Hof, der hinter dem Tor lag. Mit den beiden Sklaven diesmal im Schlepp ging sie fast schon vorsichtig vorwärts und sah sich neugierig um.

  • Alsunas Blick war auf den festgetretenen, trockenen Boden des Innenhofs gerichtet, während ihr Geist versuchte, seinen Worten und vor allem dieser seltsamen Geschichte zu folgen, mit der er augenscheinlich etwas erreichen wollte. Leider eröffnete sich ihr auch nach einer Weile des Schweigens und Nachsinnens nicht so ganz, inwieweit diese Erzählung eine direkte Anweisung für sie enthielt. Abgesehen von der Kleinigkeit mit dem Töten. Diese Drohung schien im Vergleich zum Rest nur zu klar hervorzustechen. Wenn sie einen Fehler zum zweiten Mal beginge, würde sie äußerst schmerzhafte Konsequenzen spüren. Wahrscheinlich würde er sie nicht gleich umbringen, doch es gab wesentlich furchtbarere Dinge als der Tod.
    Alsuna schluckte und ärgerte sich gleich darauf maßlos über diese unbewusste Gestik. Achilleos teilte ihr noch etwas bezüglich der Gartenbewässerung mit, doch sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Nach dieser in hübsche Worte eingehüllten Drohung wollte die anstehende Bepflanzung nicht mehr so recht ihre Aufmerksamkeit einfangen.


    Schließlich erwiderte sie, ihre Stimme möglichst ruhig haltend:
    „Verzeih mir Herr, doch ich kann in deiner Geschichte keinen Zusammenhang mit meiner Situation finden. Es sind zweierlei Seiten, ob man einen Befehl verweigert, weil man albern und verwöhnt ist, oder ob man Fehler begeht, weil zu viele Arbeiten gleichzeitig auf einen einstürzen. Fehler begeht man nicht nur aus Unwissenheit, sondern auch, weil man zu erschöpft ist oder abgelenkt wurde oder die Umstände sich geändert haben. Es gibt sehr viele gute Gründe, einen Fehler zu begehen.“
    Alsuna war sich bewusst, dass sie viel zu emotional reagierte. Doch wenn er sie schon bedrohte, sollte er dies nicht hinter irgendeinem fremdländischen Befehlshaber verstecken, um sich dadurch besser zu fühlen, sondern es ihr deutlich mitteilen.
    „Abgesehen davon, warum trägt der General nur dann die Schuld, wenn erwiesen ist, dass die Soldaten keine Ahnung haben? Warum ist es anschließend plötzlich die Schuld der Offiziere? Hätte sich der General nicht konsequenterweise selbst umbringen müssen, weil er die Befehlsausführung schlecht erklärt hat und sich keinen Respekt verdienen konnte?“ legte sie noch etwas leiser nach.

  • "Gute Anmerkungen, muss ich sagen. Überforderung ist natürlich auch ein Argument. Niemand kann einem einen Vorwurf machen, wenn man durch zu viel Arbeit nicht in der Lage ist oder war, diese fehlerfrei zu erledigen. Ich akzeptiere das Argument." Memo an mich selbst: Keine Bestrafung für Überforderung. :D
    "Von einem General zu verlangen, sich Respekt zu verschaffen, macht keinen Sinn. Der General wird nicht als Person respektiert, sondern durch das Amt, das er innehat. Aber darüber können wir ruhig einmal bei Gelegenheit diskutieren. Ich versuche, stets gerecht zu sein, deshalb will ich auch nicht von dir verlangen, überall perfekt zu sein. Ich erwarte aber, dass du mich fragst, wenn du etwas nicht verstanden hast. Wenn du meine Erklärung dann nicht verstehst, fragst du erneut. Und wieder, falls nötig. Fragst du aber nicht, dann gehe ich davon aus, dass du alles verstanden hast. Stellst du während der Arbeit fest, dass du etwas nicht verstanden hast, dann unterbrichst du die Arbeit und fragst mich. Das ist besser, als eine Arbeit fehlerhaft zu Ende zu führen. Ich denke, dass wir uns auf diese Regel einigen können und dass du diese Regel als gerecht erachtest?"

  • Ihre Anmerkungen waren gut? Stellte sich diese ganze seltsame Geschichte am Ende als eine Art Prüfung heraus? Alsuna musste gestehen, dass sie diesen Mann nicht unbedingt besser verstand, je länger sie ihn kannte und mit ihm Umgang pflegte. Entweder er war sehr edelmütig - oder unwahrscheinlich niederträchtig. Vielleicht war ihm dies im Endeffekt auch gleich, solange er nicht zur gefürchteten Mitte zählte. Die Germanin allerdings war bislang eigentlich immer ganz gut damit gefahren, ihre Herrschaft im richtigen Maße einschätzen zu können. Auf diesen Vorteil verzichtete sie nur äußerst ungern.
    Andererseits schien sie ihre Ansichten bislang recht gut durchgeschlagen zu haben. Wenigstens hatte Achilleos bis dato weder wütend noch geringschätzig reagiert - zumindest oberflächlich betrachtet. Dennoch gelang es Alsuna nicht so recht aufzuatmen aufgrund der Akzeptanz ihres Argumentes bezüglich der Überforderung. Weswegen hatte man ihm dies überhaupt noch nennen müssen? War es nicht offensichtlich, aus welchen Umständen Fehler geboren werden konnten? Anscheinend maß er sich in einem von der Realität etwas abweichenden Rahmen und legte dasselbe Maßband dann auch rundheraus an seiner Umwelt an. Und er war mit einer solchen Taktik bislang noch nie enttäuscht worden, nie aus den Wolken gefallen? Bei den Göttern, diese Menschen mit den seltsamen, kurzen Namen mussten eine Perfektion besitzen, bei der einem nur schwindeln konnte.


    Also hatten die werten Konkubinen das Amt des Generals an sich nicht respektiert? Nein, es war müßig, weiter darüber nachzudenken. Vermutlich war die gesamte Erzählung nur aus dem Grunde geschaffen worden, dass man irgendeine Lebensweisheit daraus ziehen sollte, und hatte sich so nie wirklich ereignet. Was sollte man auch mit 360 Frauen? Und warum sollte man sie exerzieren lassen, um einen General zu testen? Eine Situation direkt aus dem Leben gegriffen!
    "Ja natürlich, Herr. Das ist gerecht."
    Angesichts eines solchen Herrn sollte man wohl tatsächlich nicht versuchen, mit eigener Vernunft und Logik an ein Problem heranzutreten. Dafür war die Gefahr zu groß, das komplette Gegenteil von dem anzurichten, was sich Achilleos wünschte.
    "Wenn es ohnehin noch etwas dauert, bis die Wasserleitungen verlegt sind, kann ich diejenigen Bereiche der Anlage, für die du dir Bepflanzung wünschst, schon einmal auf ihre Lage hin beobachten und dir Pläne für diejenigen Pflanzen erstellen, welche an dieser Stelle vorteilhaft wären. Möchtest du auch Figuren oder ähnliches aufstellen?"

  • Kochen war bestimmt an sich eine sehr lockere Angelegenheit. Und keine unlösbare Herausforderung. Eigentlich galt es doch nur bestimmte Zutaten in einer bestimmten Reihenfolge zu bestimmten Zeitpunkten in einer bestimmten Art zu verbinden. Die Köchinnen in ihrem ehemaligen Haushalt schwörten natürlich auf ihre Intuition, ihre instinktive Abmessung der Menge, das im Blut liegende Erahnen des richtigen Augenblicks, der korrekten Würzmischung, und so weiter und so fort. Gut, Alsuna war keine eingefleischte Köchin. Vielmehr verlangten diverse außerdienstliche Tätigkeiten nach Präzision und genauen Maßeinheiten, und in diesem Sinne wollte sie es auch gerne weiterhin belassen. Also nichts mit 'ein paar Handvoll Diesunddas in heißes Wasser werfen', nein, das sollte man schon ordentlicher exerzieren. Zumal Achilleos es garantiert nicht schätzte, wenn sie teure Zutaten durch missglückte Kochversuche ungenießbar machte.
    Also fing sie mit etwas Kleinem, Einfachem an unter der Absicht, sich nach und nach in anspruchsvollere Gefilde emporzuarbeiten. Und so rührte sie erst einmal langsam und gleichmäßig in einem Topf mit Haferbrei. Das mochte lapidar und simpel klingen, aber es war schließlich ihre erste eigenständige Kocherfahrung. Ihr Herr hatte sich soweit sie wusste in seine mysteriöse Meditationskammer zurückgezogen, ergo konnte sie in Ruhe dabei zusehen, wie der Hafer sich bis zur Unkenntlichkeit auflöste. Aß man das eigentlich pur oder gab es zu diesem Gericht Beilagen? Etwas Obst vielleicht?


    Nachdenklich hob sie den Kopf und blickte zum Eingang der Vorratskammer hinüber. Eigentlich wollte sie es ja gemäßigt angehen lassen. Nachdem sie die Spitze eines Holzlöffels in den Brei getunkt und vorsichtig daran geleckt hatte, änderte sie ihre Meinung schlagartig. Natürlich war ihr Gaumen ziemlich verwöhnt, aber ein wenig Geschmack ab und an sollte schließlich ganz unverschämt die Stimmung heben.
    Sie hatte sich schon erhoben, dem gelassen und zäh vor sich hin blubbernden Gericht durch eine unmissverständliche Geste zu verstehen gegeben, dass es bloß während ihrer kurzen Abwesenheit keine Dummheiten machen sollte, und sich gerade dem Vorratsraum zugewandt, als sie glaubte, vom Eingang her einen Ruf gehört zu haben. Der große Vorteil einer ständig offenstehenden Eingangstür. Andererseits hätte es bei der abgeschlossenen Variante auch einen ständig anwesenden Pförtner geben müssen und Alsuna verspürte wenig Enthusiasmus bei dem Gedanken, diesen Posten auch noch übernehmen zu müssen.


    Mit einigen Handgriffen überprüfte sie den Sitz des breiten, tannengrünen Haarbandes, das sie in ihre wie stets teilweise hochgesteckte Frisur eingearbeitet hatte und welches farblich auf den einfach geschnittenen Peplos abgestimmt war. Haarbänder besaß sie für so gut wie jeden Anlass zuhauf. Nachdem sie sich noch einige verirrte Haferkörner von ihrem Gewand gestrichen hatte versuchte sie, die leichte Nervosität, welche sie stets bei sich ankündigendem Besuch verspürte, niederzuringen. Diese offene Tür hatte sie inzwischen derart häufig verflucht, dass diese eigentlich schon alleine davon zu Staub zerfallen sollte.
    Dann erblickte die Germanin auch schon drei sich nähernde Gestalten, sog noch einmal tief die Luft ein und ging zügigen Schrittes auf den Besuch zu. Als sie die drei Gesichter nach einer flüchtigen Prüfung als unbekannt identifizierte, fühlte sie sich gleich um einiges besser. In gebührendem Abstand blieb Alsuna stehen, so dass die Gäste den Hof ungehindert betreten konnte, und verneigte sich leicht und anmutig, wie sie es in endlos erscheinenden Stunden gelernt hatte. Ihr Blick blieb ehrfurchtsvoll gesenkt.
    "Ich grüße euch. Wünscht ihr meinen Herrn Marcus Achilleos zu sprechen?" Möglicherweise wirkte ihre Art etwas überstürzt, aber es gab da noch diesen Brei auf einem Feuer, der zu seinem eigenen Besten nicht anbrennen sollte.

  • Eine Frau kam aus einem der Gebäude heraus und verbeugte sich vor Axilla. Sie war älter und auch größer als Axilla, und hatte hellere Haut. Ungefähr so wie Rufus, nur ein bisschen gebräunter schon. Die Iunia fand die roten Haare irgendwie lustig, sonst kannte sie nur diese Versuche mit Henna, das Haar rot zu färben, was aber dann viel, viel künstlicher aussah. Dieses Rot erinnerte Axilla eher an einen Eichhörnchenpelz, was der Frau gleich ein paar Sympathiepunkte einbrachte. Nicht, dass die jemand benötigte, da Axilla ohnehin jeden erstmal mochte, bis dieser ihr einen Grund zum Gegenteil gab.
    Sie sprach sie alle drei an, und kurz grinste die junge Römerin. Ihre Sklaven wollten ja wahrscheinlich lieber wieder am Gymnasion sein, als eine kleine Rhomäerin, wie sie es nannten, durch die Strassen von Rhakotis zu eskortieren.
    “Ähm ja. Also, ich möchte ihn kurz sprechen. Die beiden passen nur auf mich auf. Also, sie passen nicht auf mich auf, sondern halt für mich. Oder so…“
    Jetzt hatte sie sich doch glatt selbst kurz verwirrt. Sie schüttelte kurz den Kopf und fuhr dann fort. Da die Sklavin aber so gebeugt dastand, fand Axilla das ganz schön anstrengend. Sie schaute den Menschen gerne in die Augen, auch bei Sklaven wollte sie deren Blick nicht erst vom Boden heben müssen. Und dabei wusste sie ja gar nicht, ob diese junge Frau hier wirklich Sklavin war, denn in dieser ärmlichen Umgebung sahen die meisten Freien auch nicht besser aus, was das rein äußerliche Erscheinungsbild anging. Noch dazu, wo Marcus ja selbst so ein komischer Kauz war, was das Verbeugen anging. Sie erinnerte sich noch zu gut an die Szene im Perystil, wo er vor ihr sogar auf die Knie gefallen war.
    Axilla also verbog sich nun ihrerseits leicht, um der Sklavin in die Augen schauen zu können. Sie brauchte einfach Augenkontakt, um vernünftig reden zu können, Rang hin oder her.
    “Es geht um etwas, was ich ihm vom Gymnasiarchos ausrichten soll. Ist er denn da? Es ist relativ wichtig.“

  • Ich war mit meiner Meditation fertig. Langsam stand ich auf und ging in den inneren Hof. Ein Blick gen Himmel zeigte mir den Stand der Sonne. So langsam war es Zeit, etwas zu essen. Also ging ich durch die große Halle. Danach käme ich dann in den äußeren Hof, in dem sich auch die Kochecke befand. Auf den Stufen zum äußeren Hof sah Gäste. Axilla und zwei große Männer. Alsuna schien sich mit Axilla zu unterhalten. Ich musste schmunzeln, als Axilla sich leicht beugte, um Alsuna in die Augen zu sehen. Ich kannte die Römerin ja so weit, um zu wissen, dass sie Gesprächspartnern in die Augen sehen wollte.


    Ich zog noch einmal mein zhiju zurecht, so dass die Rüstung darunter gut verborgen war und legte meine linke Hand auf den Knauf meines Schwertes, das an meiner linken Seite baumelte. "Salve, Iunia Axilla," sagte ich deutlich hörbar. Ich ging aber erstmal nicht die Stufen herunter, sondern stand stolz und aufrecht dort oben. "Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?" Vor allem, da man sich doch erst vor wenigen Stunden gesehen hatte.

  • Die wohlbekannte Stimme kam von etwas weiter hinten, und sofort zuckte Axilla auch hoch und sah sich um. Marcus Achilleos stand leicht erhöht und in der typischen Art eines Soldaten da. Sofort musste Axilla lächeln, es ging gar nicht anders. Sie mochte Soldaten einfach, es erinnerte sie an ihren Vater, wie könnte sie da nicht lächeln?
    “Salve, Marcus Achilleos.“ Wenn er ihren ganzen Namen nannte, dann nannte sie auch seinen. “Ich hab eine Nachricht für dich, vom Gymnasiarchos.“
    Sie kam näher und ließ die Frau mit den roten Haaren und ihre beiden Sklaven kurz einfach stehen. Marcus hatte ein etwas komisch anmutendes Schwert an seiner Seite. Sofort war Axillas Blick irgendwie darauf geheftet, weil es so anders aussah als die, die sie kannte. Sie legte den Kopf leicht schief und Nikolaos war irgendwie vergessen.
    “Dein Schwert sieht irgendwie anders aus. Und trägst du es nicht auf der falschen Seite?“
    Ein römisches gladius wurde rechts getragen. Dort, wo man es auch zog, damit es beim Formationskampf nicht versehentlich an den Schild stieß oder ablenkte, wenn man mit der Schildhand gerade einen Hieb abwehren musste. Dass man ein Schwert auch über Kreuz ziehen könnte, auf die Idee war Axilla daher noch nicht einmal gekommen. Sie wunderte sich nur, weil es doch so anders aussah wie üblich.

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