Akademie des Marcus Achilleos

  • "Das Schwert ist weder römisch noch griechisch. Aber es ist die perfekte Waffe für einen Offizier. Lang genug, um Gegner auf Abstand zu halten. Schlank genug, um sich schnell führen zu lassen. Und scharf genug, um dem Gegner gefährliche Schnittwunden beizubringen," sagte ich, während ich langsam die Stufen hinunter schritt. "Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich es an der richtigen Seite trage. So kann ich bereits beim Ziehen den ersten Hieb ausführen." Ich lächelte freundlich. "Und, wie lautet die Nachricht?"

  • Ach, dann war das Schwert sicher aus diesen Land Han, das eigentlich Chin hieß, oder so ähnlich zumindest, wenn Axilla sich alles richtig gemerkt hatte. Sie war schon sehr versucht, danach zu fragen, ob sie es vielleicht mal anschauen dürfte, aber Marcus fragte gleich nach der Nachricht. Kurz blinzelte sie fast verwirrt und schaute dann kurz ertappt zu Boden.
    “Oh, ähm, ja, die Nachricht, genau.“
    Sie holte kurz Luft, um noch eine Sekunde Zeit zu schinden, in der sie überlegte, was sie denn alles sagen sollte. Sie wollte ja nichts vergessen.
    “Der Gymnasiarchos Nikolaos Kerykes bittet dich, ihn unbedingt in den nächsten Tagen zu besuchen. Er möchte mit dir über deinen Gesetzesentwurf sprechen, bevor er ihn im Koinon vorlegt, und er möchte das nicht verzögern. Deshalb wäre es wichtig, dass du die nächsten Tage vorbeikommst. „
    Hatte sie etwas vergessen? Sie glaubte nicht. Von den Schwierigkeiten, die er und Axilla diskutiert hatten, würde er ihm sicher selber erzählen wollen, das sollte sie jetzt nicht ausrichten.
    Sie schaute sich noch einmal Marcus an und ihr Blick glitt wieder kurz über das Schwert, und sie biss sich kurz auf die Unterlippe, um nicht der Versuchung zu erliegen, doch danach zu fragen. Das gehörte sich sicher nicht, sie sollte an sowas kein Interesse haben. Stattdessen sollte sie sich lieber endlich mal fürs Weben interessieren. Also wartete sie lieber, ob Marcus ihr eine Antwort mitgeben würde, und hielt sich eisern zurück, der Versuchung nachzugeben.

  • Ich nickte. "Dann werde ich ihn nicht allzu lange warten lassen. Ich wollte ihn ja sowieso besuchen. Richte dem ehrenwerten Nikolaos Kerykes doch bitte aus, dass ich ihn spätestens übermorgen besuchen werde."


    Axillas Interesse an dem Schwert war kaum zu übersehen. "Du würdest das Schwert wohl gerne mal begutachten?" fragte ich grinsend. Ich zog es langsam und hielt es vorsichtig vor sie. Die - im Vergleich zu einem gladius - schmale Klinge legte ich auf meine linke Hand, während ich meine rechte Hand unter dem Griff öffnete, so dass es locker auflag. "Man nennt diese Art von Schwert jian. Aber sei vorsichtig, die Klinge ist vor allem im letzten Drittel zur Spitze hin extrem scharf." Wer auch nur halbwegs Ahnung von Schwertern hatte, würde erkennen, dass der Stahl -ebenso wie das Holz des Griffs und der Scheide - von außerordentlicher Qualität waren. Die kleinen Edelsteine fielen dagegen kaum auf.

  • Die Sonne glitzerte auf der Klinge, als Markus sie zog und vor sich auf den Händen balancierte. Axilla bewegte ihren Kopf, um dem Lichtspiel einen Moment zuzusehen, wie dieser kleine Fleck Sonnenlicht am Eisen entlangglitt. Erstaunt bemerkte Axilla, dass der Lichtfleck dabei nicht hüpfte. Die Klinge musste wirklich über die gesamte Länge sehr gerade sein. Und dabei war sie so dünn! Nungut, ein gladius war ja auch eher eine Stichwaffe und keine Hiebwaffe wie eine dieser Barbarenäxte, von denen sie gehört hatte, oder eine Keule, und musste daher ja eigentlich nicht sooo breit sein. Aber das Dingelchen hier musste doch beim Auftreffen auf eine schwere Rüstung brechen! Wie konnte man da genug Wucht in den Schlag legen, um durch eine Rüstung hindurchzudringen, ohne dass die Klinge brach?
    “Und damit kann man richtig kämpfen, oder sind die nur zum Anschauen? Ich meine, es ist so… schmal. Muss die Klinge dann nicht brechen, wenn sie auf einen harten Panzer trifft, oder gleitet sie dann einfach ab? „
    Axillas Hand glitt einen Fingerbreit über der Klinge an dieser entlang, ohne sie zu berühren. Für viele Soldaten war ihre Waffe etwas wichtiges, für manche etwas heiliges. Das tatschte man nicht so ungefragt einfach an. Aber sie wollte ein Gefühl für die Waffe haben. Sie biss sich noch einmal auf die Unterlippe, bevor sie ihren Mut zusammennahm und einfach mal fragte.
    “Darf ich es mal halten? Ich bin auch ganz vorsichtig.“

  • "Wenn man damit direkt zusticht, kommt die Klinge wohl auch durch einige Rüstungen durch. Durch ein Kettenhemd nicht und auch nicht durch eine Legionärsrüstung. Ausprobiert habe ich es nie. Das ist auch gar nicht nötig. Es gibt immer Schwachstellen, die nicht durch eine Rüstung geschützt sind. Der Hals oder das Gesicht zum Beispiel. Außerdem ist es mehr eine Schnittwaffe als eine Stichwaffe. Wenn man eine Rüstung trifft, wird das jian abgleiten. Brechen wird diese Klinge sicher nicht. Dazu ist der Stahl von viel zu hoher Qualität." Man merkte mir meinen Stolz an. Dieses Schwert war vom besten Schmied, den ich in Ch'in finden konnte, hergestellt worden. Es hatte ein Vermögen gekostet.


    Nach kurzem Zögern hielt ich ihr den Griff etwas näher hin. "Du darfst. Aber sei sehr vorsichtig." Es war vielleicht gegen die Konventionen, dass eine Frau eine Waffe auch nur halten durfte, aber ich hielt mich ja auch nicht an die Konventionen. Zumal ich das von meiner verstorbenen Frau kannte. Sie war die Tochter eines Generals und im Umgang mit Waffen geschult. Axillas Vater war auch ein Offizier gewesen. Wieso sollte er sie nicht im Umgang mit Waffen unterwiesen haben?

  • Vorsichtig nahm Axilla das Schwert entgegen und trat damit einen Schritt von Marcus zurück, um genug Sicherheitsabstand zu ihm zu haben. Bis dahin hielt sie es vorsichtig und zu locker in der Hand, aber nun war es fast wie ein kleiner Ruck, der durch ihren Körper ging, als sie den Griff richtig hielt. Sie drehte sich leicht seitlich, so dass sie im Profil zu Marcus stand, und hielt die Klinge am ausgestreckten Arm gerade von sich, als wäre sie eine Verlängerung des Armes. Eine perfekte gerade Linie, an der sie entlangschauen konnte. Die Klinge war wirklich sehr gerade, durch die Länge aber schwer. Der Schwerpunkt lag anders als bei einem Gladius, etwas weiter vorne, wenn auch nicht viel. Axilla ging in den etwas breitbeinigen Grundschritt eines Legionärs und hob die Klinge leicht am angewinkelten Arm neben sich, vollführte damit einen schnellen Stich gegen einen unsichtbaren Gegner, während ihr linker Arm sich fast wie von selbst unmerklich hob, als würde sie mit einem Schild einen Gegenschlag blocken.


    Der Tag war sonnig. Sie waren auf einer Wiese, etwas entfernt von jedem, der sie sehen könnte. Etwas weiter hinten grasten die Pferde von ihrem Vater und seinem Schwertbruder, Castricius Tegula. Sie waren heute beide heimgekommen, und er war Gast bei ihnen zuhause. Axilla war mit ihrem Vater geritten, er war allein geritten. Tegula saß auf einem Stein in der Sonne und grinste sie und ihren Vater an.
    „So, mein Eichhörnchen. Halt das Gladius nicht zu fest. Du musst es locker genug halten, damit der erste kräftige Hieb dir nicht gleich den Arm bricht, aber fest genug, dass es dir niemand aus der Hand schlägt“
    Axilla versuchte es, als der donnernde Bass von Tegula dazwischenschallte. „Wie wenn man seinen Schwanz hält beim…“
    “Ich hab gar keinen Schwanz“ funkte Axillas helle Kinderstimme dazwischen, sichtlich verwirrt, und Tegula lachte. Vater warf ihm einen etwas strengeren Blick zu. Dann wandte er sich wieder an Axilla, und lächelte dieses Lächeln, bei dem sie immer zurücklächeln musste.
    „Komm schon, Cassiodor, es ist und bleibt ein Mädel. Gib ihr lieber ne Nadel in die Hand als das Ding. Ist doch zu groß für sie.“
    Das kleine Mädchen zog eine Schnute und griff fester um den zu großen Ledergriff und hielt das Schwert tapfer vor sich. Und ihr Vater wandte sich mit seinen grauen Augen und diesem siegessicheren Ausdruck um den Mundwinkel an seinen Freund. „Sie ist meine Tochter. Nichts ist zu groß oder zu schwer für sie.“


    Axilla hatte gar nicht bemerkt, dass sie in ihrer Bewegung vollkommen erstarrt war, als die Erinnerung sie überschwemmt hatte. Mit deutlich schlacksigeren Bewegungen nahm sie das Schwert herunter, als die Körperspannung auf einmal aus ihrem Körper zu weichen schien und sie mit ihren Gefühlen kurz einen heftigeren Kampf ausfocht als gegen jeden imaginären Gegner. Wie sie es gelernt hatte, gab sie die Klinge an Marcus zurück, mit der Spitze zum Boden zeigend und dem griff so, dass er ihn gut und einfach greifen konnte.
    “Ist… anders als ein gladius. Aber sicher ein gutes Schwert. Liegt gut in der Hand, gute Balance, und nicht zu schwer. Der Schwerpunkt ist etwas anders, aber daran gewöhnt man sich sicher.“
    Sie schluckte noch einmal und suchte nach einem Themenwechsel. Das war ihr doch ein wenig peinlich. “Ähm, ich sag das dann dem Gymnasiarchos. Übermorgen, spätestens, richtig? Ja, das richte ich ihm dann aus.“

  • Ich nahm das Schwert und hielt es verkehrt herum in meiner rechten Hand, so dass die Klinge hinter meinem rechten Arm nach oben ragte. "Dein Vater hat dir beigebracht, mit Schwertern umzugehen, nicht wahr? Ich kenne das von meiner Frau. Sie war die Tochter eines ranghohen Offiziers. Wenn du möchtest, können wir ab und zu ein wenig üben. Aber sag Urgulania besser nichts, sie würde das vermutlich nicht besonders gut finden." Ich lächelte sanft.


    "Ja genau, spätestens übermorgen," bestätigte ich meine Antwort für Nikolaos.

  • Einen Moment stand Axilla nur perplex da und suchte nach der richtigen Antwort. Es gab ein paar Antworten, die ihr in den Sinn kamen, aber keine davon wollte passen. Angefangen bei einem zornigen „Das geht dich gar nichts an, von wem ich das kann“ über ein verwundertes „Dich stört es nicht, dass ich ein Mädchen bin?“ bis hin zu einem sehnsüchtigen „Das wäre sehr schön, das hat mich schon lange keiner mehr gefragt“, aber das alles schien nicht richtig zu sein aus dem einen oder anderen Grund. So sah sie ihn nur eine Weile etwas betreten an und wusste nicht so recht, was sie darauf erwidern sollte. Schließlich fing sie sich und schaute kurz zu Boden.
    “Ja, genau, ich sag’s ihm dann. Ähm, war schön, dich zu sehen. Ich… ähm, geh dann mal wieder.“
    Axilla war sich sehr wohl bewusst, dass sie sein Angebot eben vollkommen ignoriert hatte, aber sie wusste wirklich nicht, was sie dazu sagen sollte oder durfte. Zum einen würde sie ja wirklich, wirklich, wirklich gerne wieder trainieren. Sie hatte das schon so lange nicht mehr machen können. Aber nicht nur Urgulania würde ihr die Ohren langziehen, wenn sie davon erfahren würde. Ein römisches Mädchen machte so etwas nicht. Nicht eines aus einer Familie mit einer so langen Geschichte. Auch wenn die Iunier überschaubar klein waren und bei weitem nicht die Macht wie noch vor hundertvierzig Jahren hatten, so war sie ja doch kein niemand. Das hatte Urgulania erst auf der Hochzeit von Penelope und Ánthimos zum Ausdruck gebracht, als der junge Prudentier sie angesprochen hatte.


    Axilla drehte sich um und ging zu ihren beiden Sklaven, die noch immer da warteten, wo sie sie gelassen hatte. Auch wenn ihr Abgang vielleicht etwas plötzlich wirkte, aber sie wollte nicht schon wieder etwas machen, was vollkommen falsch wäre. Davon hatte sie schon zu viele Dinge gemacht, und sie wollte doch wirklich endlich vorbildhaft sein.
    Sie gab den beiden Sklaven einen etwas unwirsch wirkenden Wink, der soviel bedeuten sollte, wie dass sie gehen konnten. Erst schon fast am Tor packte es Axilla doch noch einmal und sie drehte sich noch einmal und plötzlich auf dem Absatz um und schaute zu Marcus zurück.
    “Ähm, Marcus. Also, wegen dem Schwert… ähm… ich meine… ja, ähm… du hast recht.“
    Womit genau, ließ sie offen. Eigentlich stimmte ja alles, was er dazu gesagt hatte. Ihr Vater hatte es ihr beigebracht, sie würde gerne trainieren und Urgulania hätte ganz sicher etwas dagegen. Aber das musste sie jetzt nicht so aufschlüsseln.
    “Also, vale.“

  • "Hab ich?" Axilla hatte eine besondere Begabung, mich zu verwirren. Deshalb konnte ich auch nicht mehr hervorbringen.


    Nachdem mein Besuch gegangen war, wandte ich mich Alsuna zu. "Kannst du dich eigentlich verteidigen, wenn du angegriffen wirst? Immerhin sind wir hier in Rhakotis, da wäre so etwas hilfreich."
    Neugierig ging ich dann auf den Kochtopf zu, den ich entdeckt hatte. "Und, was gibt es heute leckeres?" Ich sah kurz hinein, dann nahm ich mir einen Löffel. "Ah ja, Haferbrei." Hoffentlich war der etwas aufgepeppt. Ich tauchte den Löffel kurz hinein und probierte etwas. Sofort verzog ich mein Gesicht. "Um Himmels Willen!" Mein Blick zu Alsuna war wenig begeistert. "Kochen musst du aber noch üben. Am besten bringe ich dir ein paar Dinge bei. Die Zeit nehme ich mir. Schauen wir doch mal nach... ich habe da eine Holzschachtel im Vorratsraum, da steht "Kinnámomon" drauf. Hol die mal."

  • Zitat

    Original von Alsuna
    Also hatten die werten Konkubinen das Amt des Generals an sich nicht respektiert? Nein, es war müßig, weiter darüber nachzudenken. Vermutlich war die gesamte Erzählung nur aus dem Grunde geschaffen worden, dass man irgendeine Lebensweisheit daraus ziehen sollte, und hatte sich so nie wirklich ereignet. Was sollte man auch mit 360 Frauen? Und warum sollte man sie exerzieren lassen, um einen General zu testen? Eine Situation direkt aus dem Leben gegriffen!
    "Ja natürlich, Herr. Das ist gerecht."
    Angesichts eines solchen Herrn sollte man wohl tatsächlich nicht versuchen, mit eigener Vernunft und Logik an ein Problem heranzutreten. Dafür war die Gefahr zu groß, das komplette Gegenteil von dem anzurichten, was sich Achilleos wünschte.
    "Wenn es ohnehin noch etwas dauert, bis die Wasserleitungen verlegt sind, kann ich diejenigen Bereiche der Anlage, für die du dir Bepflanzung wünschst, schon einmal auf ihre Lage hin beobachten und dir Pläne für diejenigen Pflanzen erstellen, welche an dieser Stelle vorteilhaft wären. Möchtest du auch Figuren oder ähnliches aufstellen?"


    Schön, dass sie mir recht gab. Wobei sie das ja immer tat. Was mir eigentlich nicht gefiel.


    "Guter Vorschlag. So werden keine Pflanzen, die ab und zu Schatten brauchen, mitten in der Sonne stehen und umgekehrt." Die Sache mit den Figuren war etwas, das ich fast vergessen hatte. "In der Mitte werde ich einen kleinen Schrein für Athene errichten. Aus Marmor."

  • Da ihr Herr glücklicherweise selbständig den Weg zum äußeren Hof und damit in die Arme seines Besuches gefunden hatte, konnte sich Alsuna ruhigen Gewissens aus dem Gespräch zurückziehen und sich derzeit wichtigeren Dingen, nämlich ihrem Haferbrei, zuwenden. Sogleich hatte sie das Rühren wieder aufgenommen und geschnuppert, ob sich ein verdächtig angebrannter Duft ausbreitete. Doch Fortuna schien wenigstens in dieser Kleinigkeit auf sie hinab zu lächeln. Mit einem leisen, erleichterten Seufzer hockte sie sich wiederum neben den kleinen Kessel und überlegte, was sie aus den Vorratsräumen am Besten als Beilage nutzen sollte. Sie mochte nicht wild durchprobieren, sondern lieber bereits im Voraus die Möglichkeiten bedenken.


    Gerade war die Sklavin zu einem Entschluss gekommen und erhob sich, um ihn in die Tat umzusetzen, als ihr Herr seinen Besuch offenbar verabschiedet hatte und sich auch gleich daran machte, ihren Brei zu kosten, wovon sie ihm natürlich abgeraten hätte, wäre ihr die Gelegenheit dazu gekommen. Dies hier war ein Aufwärmen, ein Probedurchlauf sozusagen, um sich erst einmal mit der Hitze des Feuers und dem Kochen an sich anzufreunden. Nie im Leben hätte sie etwas davon Achilleos angeboten. Bedauerlicherweise bediente er sich jedoch gänzlich selbständig und zeigte ihr daraufhin mit Sicherheit dasselbe Gesicht, welches sie selbst noch wenige Augenblicke zuvor gezogen hatte. Und was auch kein Wunder war! Natürlich musste sie kochen noch üben, sie war ja auch gerade dabei gewesen!


    Hart schluckte sie eine patzige, aber angemessene Antwort hinab und beschränkte sich auf ein knappes Nicken. Über diese Fiesheit hatte sie sogar seine Frage nach der Selbstverteidigung beinahe vergessen. Dummerweise konnte sie wohl kaum erwidern, dass sie mit seinen Besitztümern lieber alleine ein wenig experimentiert hätte, anstatt es sich von ihm zeigen zu lassen, denn jetzt bauschte sich das Ganze wieder zu einer unerträglichen Unterrichtsstunde auf, dank der sie garantiert kein Vergnügen an der Kochkunst gewinnen würde. Andererseits war sie dies inzwischen hinlänglich gewohnt.
    „Gegen wen oder was genau verteidigen, Herr?“ Das fehlte ihr gerade noch, dass er sie auch noch im Kampf unterrichten wollte. Für derart viele Unterrichtseinheiten fühlte sie sich inzwischen wirklich zu alt.
    Doch da er ihr ohnehin erst einmal einen Auftrag gegeben hatte, konnte sie in der Vorratskammer ausreichend mit den Zähnen knirschen, um zurück mit der Holzkiste wieder den gewohnt demütigen Eindruck zu erwecken.

  • Gegen wen verteidigen? Das war mal eine gute Frage. Ich konnte sie ja schlecht zur Schwertkämpferin ausbilden. Also fielen Bewaffnete weg. Und gegen eine unbewaffnete Gruppe sollte man besser auch nicht allein kämpfen. Obwohl es durchaus möglich war. Während ich noch darüber nachdachte, gegen wen sie sich verteidigen können sollte, holte sie die Kiste, die zu holen ich ihr befohlen hatte.
    "Möglicherweise ist das mit dem verteidigen doch nicht so klug. Weglaufen ist vielleicht die bessere Alternative. Und wenn das nicht klappt, einfach mit mir drohen. So lange du tagsüber unterwegs bist, sollte dir eigentlich eh nichts passieren." Womit das Thema von meiner Seite aus auch abgeschlossen war. Außerdem sollte ich nicht versuchen, ihr alles auf einmal beizubringen, wofür ich Jahre zu lernen gebraucht hatte.
    Ich nahm die kleine Kiste und öffnete sie. Sofort strömte der exotische Geruch von Zimt entgegen. Und genau das war auch da drin: Zimtstangen. "Das ist genau das richtige Gewürz, um Haferbrei oder anderen Getreidezubereitungen etwas mehr Geschmack zu verleihen. Aber man sollte nicht zu viel davon nehmen. Je nach Geschmack muss man hinterher eventuell etwas mit Honig süßen, aber..." So langsam merkte ich Alsuna an, dass sie das vielleicht lieber selbst ausprobieren wollte. "Ähm... ja, das findest du dann sicher heraus. Da stehen auch noch etliche andere Gewürze im Lager, die du auch mal ausprobieren kannst. Aber sei bitte vorsichtig mit dem roten Gewürz, das ich mit "ex India II" beschriftet habe. Das ist schon sehr scharf. Garum habe ich keins, weil ich es nicht mag." Damit war dann wohl auch klar, dass ich hier kein Garum sehen wollte.
    Ganz nebenbei fiel mir auf, dass Alsuna wirklich schöne Haare hatte. Ich wurde doch nicht etwa alt, dass mir so was auf einmal auffiel?

  • Zurück aus den eher endlichen Weiten der Vorratsräume wurde Alsuna sehr rasch verdeutlicht, dass sie wohl laut der Meinung ihres Herrn nicht gerade einer Amazone ähnelte. Was sie wahrscheinlich von sich aus bereits eher von sich gewiesen hätte. Doch ob ‚Weglaufen‘ ein so guter Rat wäre? Immerhin kannte sie sich bei Weitem nicht so gut im Gassenlabyrinth dieses Problemviertels aus, wie düster gesinnte Ansässige dies vermutlich taten. Gewisse einschlägige Orte waren ihr zwar schon bekannt, aber wenn es wirklich um Leben und Tod ginge... die Unruhe, die sie befiel, sobald jemand sich im Eingangsbereich der Akademie zeigte, traf sie sicherlich nicht zufällig. Und einen Hinterausgang oder eine verborgene Kammer hatte sie an diesem Ort bislang auch noch nicht ausmachen können. Sie würde hier im Ernstfall gnadenlos in der Falle sitzen.


    Schweigend und mit den Gedanken unwillentlich an einigen anderen Orten verweilend nahm sie Achilleos‘ Erklärungen eher halbherzig wahr. Gewürzlehre stand also auf dem Stundenplan. Nun, dafür brachte Haferbrei vermutlich eine großartige Grundlage mit sich, denn der schmeckte passenderweise pur nach rein gar nichts.
    Alsuna quittierte die Ausführungen zum Thema Zimt und Honig mit einem neuerlichen Nicken, bemerkte aber mit einiger Verwunderung, dass ihr Herr dann plötzlich abbrach. Das war neu. Und ungewohnt. Und seltsam bei einem derart leidenschaftlichen Dozenten. Ihre Augenbrauen hoben sich, doch da sie wie gewohnt nicht seinen Blick erwiderte, dürfte er ihr die Überraschung nicht allzu deutlich ansehen können. Seit wann durfte sie etwas selbst herausfinden? Hatte man ihr die Frustration eben doch angemerkt?


    “Danke... Herr“, brachte sie nicht ohne eine leichte Verunsicherung in der Stimme heraus, fast so, als rechne sie mit einer gut getarnten Falle hinter dem plötzlichen Vertrauen. Sie griff auch keineswegs direkt mitten hinein in die Gewürze und machte sich ans Ausprobieren – diese Art und Weise des Kochens hätte Achilleos sicherlich auch gleich wieder seine Worte bereuen lassen.
    Alsuna indes fand jene sonderbare Wendung des zweiten Themas dermaßen seltsam, dass sie doch lieber wieder zum ersten zurückfand. Zudem sollte er sich auch nicht ständig Gedanken darüber machen, ob er seine Sklavin am Ende des Tages noch in einem Stück wiederfände.
    “Ich werde mich schon zu verteidigen wissen, Herr. Solange du nicht verlangst, mich gegen dich zu verteidigen, brauchst du dir darüber keine Gedanken zu machen.“ Zugegeben, diesen Wortlaut konnte man missinterpretieren – oder unglücklich nachhaken. Da wandte sie sich lieber wieder der Holzkiste zu und nahm eine der intensiv duftenden Zimtstangen zwischen Daumen und Zeigefinger, um sie genauer zu betrachten.

  • "Gegen mich?" Wieso um alles in der Welt sollte sie sich gegen mich verteidigen? Beziehungsweise wieso sollte ich das verlangen? "Nein, ganz sicher nicht."


    Mein Blick fiel wieder auf den Haferbrei. "Wenn du nichts dagegen hast, werde ich mich um das Hauptgericht kümmern. Du machst aus dem Haferbrei die Vorspeise oder den Nachtisch und ich mache das Hauptgericht. Magst du es lieber scharf oder süß?" Mir kamen da zwei schöne Varianten in den Kopf. Einerseits Reis mit süß-saurem Gemüse, andererseits Reis mit scharfem Gemüse. Die erste Variante war eher chinesisch, die zweite eher indisch.
    "Übrigens... du brauchst nicht immer den Kopf zu senken, wenn du mit mir sprichst. Du kannst mir ruhig in die Augen sehen. Dann würde ich auch mal deine Augenfarbe sehen." Natürlich war Alsuna meine Sklavin, aber deshalb musste sie ja nicht dauernd mit gesenktem Blick rumlaufen. Das war einfach nicht nötig. "Eine kleine Verbeugung, wenn du mich ansprichst, genügt. Also, kurz verbeugen und dann ganz normal mit mir sprechen. Vielleicht auch noch eine kurze Verbeugung am Ende des Gesprächs, aber mehr ist nicht nötig. Ich bin ja schließlich kein Kaiser."


    Ich sollte ihr vermutlich sowieso ein paar Freiheiten lassen. Das würde mich dann auch dazu bringen, mir selbst wieder ein paar Freiheiten einzuräumen. "Wie war eigentlich deine erste Nacht hier? Ist das Bett in Ordnung? Hast du gut geschlafen? Brauchst du noch irgend etwas in deinem Raum?"

  • Scheinbar war er bezüglich ihrer Aussage der Verteidigung gegen ihn doch auf einige Ungereimtheiten gestoßen. Angesichts seiner bislang offenbarten Gesinnung musste ihm das erst recht seltsam erscheinen, da es sich anhörte, als fürchte seine neue Sklavin jederzeit eine gewalttätigen Übergriff von seiner Seite. Eigentlich hatte Alsuna trotz ihrer Aussage, sich verteidigen zu können, lediglich von vornherein eine Demonstration zu Testzwecken ausschließen wollen. Frei nach dem Motto 'Dann zeig mir doch mal, was du tätest, wenn dich jemand so von hinten überfiele.' Zumindest war ihr Herr nach ihren Worten derart überrascht, dass er in eine solch unerwünschte Richtung gar nicht mehr dachte. Insofern war das ursprüngliche Ziel letztendlich doch erreicht worden. Deswegen beließ es die Germanin lieber auch dabei und widmete sich ebenfalls wieder dem Essen.


    Hm, welchen Geschmack bevorzugte sie? Nachdenklich blickte Alsuna auf die Zimtstange, ehe sie sie behutsam wieder in die Kiste zurücklegte. Nach ihrer Meinung selbst bei so einer kleinen Sache fragte man sie für gewöhnlich aus dieser Richtung nicht und es war seltsam, dies nun von Achilleos zu hören. Irgendwie befürchtete sie wiederum eine Falle, allerdings nur ehe sie sich verdeutlichte, wer da zu ihr sprach.
    “Ich mag scharfes Essen. Aber süß ist auch in Ordnung.“ Sie war neugierig, welche Würzmischung er nun verwenden würde. Wahrscheinlich würden ihr die einzelnen Namen nicht viel über das Ergebnis verraten können, doch vielleicht erlaubte er ihr, ihre Essensportionen immer ein wenig nachzuwürzen. Außer natürlich die entsprechende Zutat sprengte alle finanzielle Grenzen.


    “Meine Augen sind grün, Herr.“ Zwar hob sie ihren Kopf in eine vernünftige Höhe, beließ den Blick jedoch immer noch knapp unterhalb von Achilleos‘ Kinn. “Und ich durfte ausgezeichnet schlafen, hab Dank.“ Sie war glücklich gewesen, als sie endlich ruhigen Gewissens hatte den Tag beginnen und von ihrem Lager flüchten können. Immer wieder war sie aus dem Schlaf hochgefahren, weil sie glaubte, irgendjemand – oder irgendetwas hätte sie gerufen. Noch ein guter Grund, ihrem Herrn nicht die Gelegenheit zu geben, sich allzu genau ihre Augenpartie anzuschauen.
    “Und ich bin sehr zufrieden mit meinem Raum.“ Sie hatte eine leicht gelöste Bodendiele durch bohren und schieben noch ein wenig mehr lockern können. Es entsprach noch nicht ihren Bedürfnissen oder Wünschen, doch man näherte sich langsam.

  • "Scharf... gut, das lässt sich einrichten." Ich ging in den Vorratsraum und nahm einen Mörser mit Pistill heraus. Da noch Platz in der anderen Hand frei war, schnappte ich mir noch die Dose mit Kardamom-Kapseln. Dann ging es wieder hinein und ich holte eine Dose Pfeffer und eine kleines Gefäß mit Kreuzkümmel. Alles stellte ich auf den Zubereitungstisch nahe der Feuerstelle. Mein Schwert legte ich ab und stellte es an die Wand des Vorratsgebäudes. Dann setzte ich mich an den Tisch und gab eine gute Menge Pfeffer als Grundlage in den Mörser und zerrieb ihn darin grob. Danach kamen die Kardamom-kapseln hinzu. Das würzige Aroma füllte nach dem Zerstoßen der Kapseln recht schnell die Luft. Ein Stück von einer Zimtstange kam noch hinzu und schließlich ein wenig Kümmel zum verfeinern. Nachdem alles gut zerstoßen und fein pulverisiet war, feuchtete ich die Spitze meines kleinen Fingers leicht an und tauchte sie in das Pulver. Die feine Schicht der Gewürzmischung leckte ich vom Finger ab. Es war auf jeden Fall scharf geworden und schmeckte gut. "Möchtest du auch mal probieren?"


    Jetzt fehlte das passende Gemüse. Möhren waren zu gebrauchen, aber was noch? Am besten Linsen. Als Grundlage auf jeden Fall Reis. Also holte ich erstmal den Reistopf. Das war im Prinzip ein normaler Topf, aber mit einer hölzernen Einlage, in der der Reis garen konnte, ohne nass zu werden. Er wurde nur etwas angefeuchtet und dann im Wasserdampf gehalten. Der Dampf entstand durch Wasser am Boden des Topfes, worauf die Holzeinlage stand. So bereitete ich auch den Topf vor und stellte ihn aufs Feuer. "Und, was macht der Haferbrei?" fragte ich neugierig. "Wird er Vor- oder Nachspeise?"

  • Anscheinend hatten ihre Antworten ihn ausreichend zufriedengestellt. Oder aber er kochte einfach nur so leidenschaftlich gerne, dass alles andere sich erst einmal hinten anstellen musste. Ein Umstand, der ihn nur noch seltsamer werden ließ. Alsuna war kein männliches Wesen bekannt, das gerne kochte oder mit Speisen hantierte, von Tätigkeiten innerhalb einer Plantage, Metzgerei und Ähnlichem einmal abgesehen. In Memnos' Haushalt hatte es nur Köchinnen gegeben, wenngleich die Germanin schon hin und wieder mitbekommen hatte, dass mancher Herr sich auch einen Mann als Koch hielt. Dass jedoch ein Herr seiner Sklavin zeigte, wie man würzte und kochte besaß etwas derart Irreales, dass Alsuna einige Momente benötigte, um diesen Mosaikstein irgendwo in ihrem Weltbild unterzubringen. Etwas trieb sie an, ihm sofort alles aus den Händen zu nehmen und diese Arbeit selbständig auszuführen - wenn sie nur gewusst hätte, wie und wo sie damit anfangen sollte. Achilleos wusste zweifellos, was er zu tun hatte, wie sie an den geübten Handgriffen schnell feststellte. Und eigentlich sollte es ihr auch vollkommen egal sein, ob das Herr-Sklave-Gefüge gerade auf den Kopf gestellt wurde. Umso ärgerlicher, dass es ihr nicht so einerlei war. Stattdessen musste sie sich auf die Zunge beissen, um keinen unsinnigen Einwand zu murmeln.


    Lieber versuchte sie sich auf seine Künste mit dem Mörser zu konzentrieren, und auf die Mengen, welche er verwendete. Den Pfeffer erkannte Alsuna auch noch relativ problemlos, bei diesen seltsamen Kapseln allerdings fiel ihr kein passender Name ein. Mohn war es zumindest nicht, der war ihr bekannt. Wahrscheinlich kam es auch auf die Kombination an. Sie hätte zunächst einmal vermutlich nur nach einem einzigen Gewürz gegriffen und nicht gleich derartige Mischungen erstellt. Angesichts Achilleos' Können begann sich die Sklavin stattdessen zu wünschen, sich mit ihrem Haferbrei zu einem Zeitpunkt ans Feuer gesetzt zu haben, an dem er definitiv auswärts weilte und sie keinesfalls bei ihren miserablen Bemühungen würde erwischen können.
    Ein wenig aus ihren Gedanken gerissen schüttelte sie auch dementsprechend hastig den Kopf als er ihr anbot, die Würzmischung zu probieren. Mit einem Finger... sie kannte Küchensklaven, denen hatte man nach derartigem Kosten und Naschen ein Fingerglied abgeschnitten. Diese Erfahrung hatte sich derart in ihr Gedächtnis gebrannt, dass sie selbst noch davor zurückschreckte, wenn ihr Herr selbst es tat und ihr anbot. Womöglich lauerte dahinter auch nur wieder ein Trick, um ihre Verhaltensweisen auf die Probe zu stellen. Also lehnte sie sicherheitshalber ab. Sie hing an ihren Fingern und die Gewürze würde sie gleich ohnehin schmecken können.


    Bei der Frage bezüglich ihres Haferbreis kam sie natürlich nicht so einfach davon und sie musste sich eingestehen, dass sie viel zu fasziniert von den Kochkünsten eines Mannes gewesen war, um sich noch groß um ihren Brei Gedanken zu machen.
    "Nachtisch, Herr. Vielleicht mit Zimt und Früchten und... etwas Milch... und etwas Scharfem? Was ist dies hier, Herr?" Nicht ganz so sicher, wie sie es gerne gewesen wäre, deutete Alsuna auf die unbekannte Kapsel und hoffte, sich nicht erneut der Lächerlichkeit preisgegeben zu haben. Möglicherweise zur Ablenkung fügte sie relativ rasch noch hinzu:
    "War mein Verhalten vorhin bei deinem Besuch nicht angemessen? Hätte ich mich nicht entfernen dürfen?" Es schien sich um eine geschäftliche Angelegenheit zu handeln, doch in erster Linie hatte Alsuna ihren Brei retten wollen.

  • Davon, dass Alsunas Weltbild gerade einen kräftigen Knacks abbekommen hatte, bekam ich nichts mit. Dazu war ich zu sehr aus Kochen vertieft. Dass sie es ablehnte, die Gewürzmischung zu probieren, quittierte ich mit einem Schulterzucken. Das war ihre Sache und wer nicht wollte... beim Essen würde sie es sowieso schmecken.


    Haferbrei mit Früchten und Zimt. Das hörte sich doch ganz gut an. "Das hier? Das ist Kardamom. Ist hier gar nicht mal so einfach zu bekommen. In Indien findet man es aber ziemlich häufig." Ich gab ihr eine Kardamom-Kapsel. "Der Geschmack hält sich in der Kapsel ziemlich lang. Aber wenn die Kapsel zerstört wird, muss man es noch am selben Tag zubereiten. Sonst schmeckt es kaum noch."


    Ihre nächste Frage ließ mich kurz mit der Schulter zucken. "Keine Ahnung. Ich fand dein Verhalten in Ordnung. Axilla hatte damit sicher auch kein Problem. Ganz ehrlich, ich finde es sogar besser, wenn nicht dauernd jemand daneben steht. Außerdem musstest du ja auch noch nach dem Essen sehen. Also von meiner Seite aus war dein Verhalten in Ordnung. Sonst hätte ich es dir auch gesagt." Ich lächelte ihr aufmunternd zu.


    "Nochmal zurück zum Nachtisch: Du hast da völlig freie Hand. Du hast noch nicht allzu oft gekocht, oder? Ist aber nicht schlimm, du kannst ja üben. Du wirst dann schon herausfinden, was gut schmeckt. Außerdem kommen so gerne mal neue Rezepte zustande."


    Der Reis würde noch etwas dauern. Wie es mit dem Haferbrei aussah, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls nicht, ohne in den Topf zu sehen. Da ich aber nicht in Alsunas Kochversuche eingreifen wollte, überließ ich es ihr und holte statt dessen einen weiteren Topf, in den ich Wasser und Linsen füllte. So konnten die Hülsenfrüchte schonmal aufquellen, bevor sie gekocht wurden. Danach nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich.

  • Kardamom also. Nachdenklich wiederholten Alsunas Lippen stumm dieses Wort während sie überlegte, ob ihr dieser Begriff irgendwann einmal bereits begegnet war. Nein, zumindest in keinem größeren Zusammenhang. Und wo fand man es häufig? In Indien? So wie er das aussprach, schien er der festen Überzeugung zu sein, sie würde schon verstehen, von was er da wieder sprach. Im Gegensatz zu Kardamom wusste sie zumindest, dass es sich um ein Land weit im Osten und am Meer handelte, hauptsächlich mit Wald bedeckt, seltsamen Wilden und Elefanten mit kleinen Ohren. Ansonsten existierten da noch eine Menge kurioser Geschichten, von denen man nicht wusste, ob sie wirklich samt und sonders glaubhaft sein konnten. Eigentlich würde sie ihrem Herrn gerne die ein oder andere Frage nach den von ihm bereisten Ländern stellen. Nur fürchtete sie, dass es über ihre Fragereien und seine Antworten Nacht werden könnte. Natürlich war es von Vorteil, dass Achilleos scheinbar nicht zu den Schweigsamen gehörte – für einen Lehrer wäre dies wahrscheinlich auch nicht sehr produktiv.


    Alsuna betrachtete die fremde Kapsel ebenso wie zuvor die Zimtstange, während sie den Erwiderungen ihres Herrn lauschte. Natürlich, er hätte sie sicherlich zurecht gewiesen, wenn sie sich in Gegenwart seines Gastes ungebührlich verhalten hätte. Für gewöhnlich fühlte und benahm sie sich auch nicht derart verunsichert, wie seit ihrer Ankunft in diesem neuen Domizil. Vermutlich lag dies nicht zuletzt an dieser verdammten, ständig offenstehenden Eingangstür! Weswegen musste dieses elende Stück Holz auch ständig jedermann stumm zum Eintritt verlocken?


    “Nein, Herr, das hier ist mein erster Kochversuch. Dies wurde noch nie von mir verlangt. Danke für deine Geduld. Ich hoffe, bald Fortschritte machen zu können.“ Jedoch dämmerte Alsuna die Befürchtung, dass auch die hohe Kunst des Kochens auf einen guten Teil Talent angewiesen wäre, den man entweder besaß, oder aber ewig vermissen würde. Achilleos besaß dies zweifellos, doch auf welche Kunst traf das nicht zu? Verglichen mit ihm würde sie wahrscheinlich in sämtlichen Bereichen kläglich versagen.
    Ein solcher Gedanke war nicht gerade angenehm, denn trotz ihrer fast lebenslangen Sklavenexistenz lebte auch in ihr ein gewisser Stolz. Verglichen mit Hermione war sie immer intelligenter und fähiger gewesen, andererseits lag darin selten eine Herausforderung. Wahrscheinlich würde sie dies alles nun dank ihres Alleskönner von Herrn irgendwo im Durchschnitt wiederfinden können.
    Mit leichter Verärgerung suchte die Germanin die Regale der Vorratsräume nach ein paar geeigneten und vor allem bekannten Früchten ab, ehe sie sich der Einfachheit halber für drei Äpfel entschied. Deren Zubereitung im Sinne von Waschen, Schälen und Schneiden würde wohl selbst sie hoffentlich noch bewerkstelligen können.


    Als sie schließlich ebenfalls wieder auf ihrem Stuhl neben dem Haferbrei Platz genommen hatte, die Äpfel in ein Tuch auf ihrem Schoß schälte, kam ihr der Gedanke, dass es wesentlich einfacher war, bei einem fehlerhaften Herrn Sklavin sein zu müssen, als bei einem derart perfekten. Bislang hatte sie schließlich gewusst, dass es Themen und Bereiche gab, in denen sie besser war als ihre Besitzer und irgendwie hatte ihr dieses Wissen über so manche Ungerechtigkeit hinweg geholfen. Es mochte weder edelmütig noch ehrenvoll sein, doch es hatte ihr etwas gegeben, was sie nun eindeutig entbehrte. Vermutlich wären die meisten anderen Sklaven dankbar und selig gewesen für einen solchen Aufstieg, die bessere Behandlung, einen derart couragierten und intelligenten Herrn. Doch so funktionierte Alsuna eben nicht.
    “Trägst du das Schwert permanent, weil die Tür immer offen ist, oder ist die Tür stets offen, weil du von Früh bis Spät dein Schwert trägst?“ Eigentlich hätte die Frage Warum verschließt du diese Tür nicht?! lauten müssen, doch so überdeutlich mochte die Germanin nicht auf diesen wunden Punkt hinweisen.

  • "Mein Schwert... nun, ich könnte natürlich sagen, dass es mein Recht als Jìnshì ist, ein solches Schwert zu tragen. Und dass ich es deshalb dauernd trage. Das wäre aber gelogen. Zumindest hier in Alexandria habe ich am Anfang das Schwert auch nicht permanent getragen. Aber die Dinge ändern sich. Mit der Tür hat es jedenfalls nichts zu tun. es hat mehr etwas damit zu tun, sich jederzeit wehren zu können. Wenn mich jemand umbringen will, dann stellt das Tor kein Hindernis da. Man kann es aufbrechen oder über die Mauer klettern. Gerade beim Klettern über die Mauer würde man noch nicht einmal Lärm machen. Ein Tor ist also kein ernstzunehmendes Hindernis. Warum sollte ich es dann schließen? Es genügt, wenn ich es nachts schließe. Ganz abgesehen davon ist ein offenes Tor ein deutliches Zeichen von Macht. Ich zeige damit jedem, dass ich mich vor niemandem fürchte. Außerdem zeige ich damit auch jedem, dass alle, die in friedlicher Absicht kommen, willkommen sind. Wenn nun doch einer ankommt und mich angreifen will..." Ich zuckte mit den Schultern. "Nur zu. Ich bin bisher noch nie besiegt worden. Wer unbedingt sterben will, der möge sterben. Ich für meinen Teil ziehe das Leben dem Tod vor, aber das ist eine individuelle Entscheidung."


    Ich betrachete Alsuna beim Schälen der Äpfel. "Um deine Frage explizit zu beantworten: Die Tür ist stets offen, weil ich niemanden abweise. Das Schwert trage ich aber, weil ich mich immer verteidigen können will."


    Nach einem Moment des Nachdenkens wechselte ich das Thema. Nachher würde ich sonst noch auf die Idee kommen, meine Meinung entweder zum offenen Tor oder zum Schwert zu ändern. "Kannst du gut Flöte spielen?" Ich konnte es nämlich nicht. Aber das würde Alsuna noch herausfinden.

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