Atrium | Die Acta zu Besuch

  • Der Ianitor führte den Subauctor ins Atrium, welches man vor allem mit dem Begriff "pompös" umschreiben konnte. Groß, im griechischen Stil, mit Mosaiken auf dem Boden und Malereien an den Wänden erblickte zuerst das Auge, abgerundet wurde es durch die Einsetzung von Statuen und fragilen Vasen. Anders gesagt: wenn der Subauctor einen Sinn für sowas hatte, konnte er sich die Zeit mit Schauen vertreiben.


    Bitte zu warten, ich hole den Herrn sogleich. sagte er und ließ den Korrespondenten der Acta allein.

  • Caius hatte in Rom schon einige pompöse Villen gesehen. Aber die hier, die war speziell. Hier gab es wohl mehr Marmor als in einem Marmorbruch, und das ganze Brimborium war auch mehr dekadent als angemessen.
    Caius war eigentlich einfach nur neidisch.
    Er wusste genau, wenn das hier fertig war, und er irgendwann Auctor war, würde er in genau einer solchen Villa leben..


    Mit zerhauenem Gesicht und schmerzenden Gliedern stand Caius neben einer lebensgroßen Marmorstatue und ahmte die Pose des darauf abgebildeten ehemaligen Proconsuls von Hispania, Publius Matinius Agrippa, nach, die sehr emporgestreckt, aber irgendwie auch recht behäbig wirkte.


    Was daran liegen mochte dass die Statue aus Marmor war, der nicht in dem Ruf stand besonders agil zu sein.

  • Es dauerte seine Zeit, bis sich der Proconsul bequemte, ins Atrium zu kommen. Jemanden warten zu lassen, galt ja in manchen Kreisen als vornehm, und zudem war ihm der Name des Besuchers nicht einmal im entferntesten geläufig. Daher ließ er sich gemütlich Zeit, bis er mit Hilfe seiner Sklavinnen seine synthesis angelegt hatte und begab sich erst dann ohne Hast ins Atrium.


    Salve. grüßte er den Besucher. Du wolltest mich sprechen? Erst dann bemerkte er den Zustand des Gastes und runzelte die Stirn. Ich hatte einen Korrespondenten der Acta erwartet und keinen Olympia-Teilnehmer des Pankration. sagte er trocken.

  • "Senator... eh... Proconsul Vinicius Hungaricus", versuchte Caius sich in einer großspurigen Begrüßung, was ob seiner aufgeplatzten Lippe etwas misslang, "Hah, hah hah... wie lustig."
    Sein Lachen klang laut und verzerrt, und er hörte augenblicklich damit auf als er merkte dass er sich gerade übelst lächerlich machte.
    "Nun, mein Auftreten rührt daher dass meine Verpflichtungen in deiner Provinz auf recht wenig Gegenliebe stoßen... garkeine, um genau zu sein. Du hast... nicht rein zufällig... den Comes heute schon begrüßen dürfen? Er ist nicht rein zufällig hier...?", Caius sah sich ein wenig gehetzt um, konnte es doch gut sein dass der Comes immernoch davon ausging dass Caius tot war, und nicht noch mehr herumstromerte.

  • Wenn er nicht schon vorher die Stirn gerunzelt hätte, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt dafür. Der Comes hat vor einigen Tagen seinen Rücktritt eingereicht. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. antwortete er oberflächlich gelassen, während er sich auf eine der zahlreichen Sitzgelegenheiten platzierte. Irgendwie ahnte er, daß dieser Besuch Unangenehmes zu Tage bringen würde.


    Setz dich. sagte er daher und wies mit der Hand auf den Sitz gleich gegenüber von ihm. Was gibt es Neues aus Rom? Für ihn bestand - noch - kein Grund, unhöflich zu werden und den Gast daher sofort nach seinem Begehr zu fragen. Wenn es etwas dringendes sein sollte, würde der Korrespondent schon von sich aus damit anfangen.

  • "Zurückgetreten?", atmete Caius erleichtert auf. Dem Comes war wohl die Luft zu dünn geworden, und hatte sich abgesetzt. Natürlich nicht ohne vorher dem Luftverdünner das Gesicht zu verbreitern.


    "Neuigkeiten? Aus Rom?", Caius musste lächeln, was in seiner Hulcus-Visage für reichlich Schmerz sorgte. Seit wann war er in Hispania? Er musste tatsächlich nachdenken... leichte Schläge auf den Hinterkopf sollten wohl das Denkvermögen anregen. Er fragte sich, wie es dabei mit anderen Regionen des Kopfes aussah...


    "Ich bin wahrscheinlich länger in Hispania als du, werter Proconsul, und Neuigkeiten habe ich nur aus der Acta, wie du wahrscheinlich auch selbst. Du musst wissen, unser Auctor ist was Informationen angeht wie ein Schwamm: er saugt sie auf, aber gibt nichts davon her. Wie es dabei aussehen würde ihn auszuwringen, das muss noch beobachtet werden...", Caius lobte sich innerlich selbst für diesen brillanten Einfall, ein Projekt dass er anstoßen würde sobald er wieder in Rom war. Natürlich musste er vorher die gesamte Redaktion auf seine Seite bringen. Und dann würde es sich auch noch schwierig herausstellen den Auctor überhaupt in eine Position zu bringen, die das auswringen begünstigen würde... und mit was sollte man das auswringen letztendlich vollbringen?
    Caius fiel es wie Schuppen von den Augen! Natürlich! Elefanten!!
    Er hatte einmal im Colloseum beobachtet wie ein Kriegselefant gestolpert war (ja, Elefanten können stolpern. Erinnert entfernt an Plattentektonik.) und dabei auf einen unglückseligen Verbrecher fiel. Der sah nachher ziemlich trocken aus. Im Vergleich zu dem Flecken um ihn herum.
    Sehr anschaulich, wirklich, sehr anschaulich.
    Caius hatte einen Plan. Nicht dass er den Auctor nicht mochte, immerhin hatte er den fatalen Fehler begangen Caius vor seiner Reise mit einem herrlich unkonkreten "bleib auf dem Teppich" zu einem bedachten Umgang mit dem Budget ermahnt hatte (Er konnte ja nicht wissen dass Caius den Teppich einfach auf fünf Lagen Gold postieren würde), allerdings war Caius auch ein experimentierfreudiger Mensch. Und man musste Opfer bringen, um die Menschheit voran zu bringen. Caius würde in diesem Fall den Auctor opfern, so einfach war das. Er fragte sich wieviele Informationen nach dem Elefanten-Roll-Over auf dem Boden kleben würden...


    Irgendwann fiel ihm ein, dass er nicht alleine war. Die Person vor ihm schaute ihn abwartend an, und das schon seit langen Sekunden. Caius' Kehle gefror als er bemerkte dass er dem Proconsul nicht nur gegenüber saß, sondern ihn auch warten ließ. Wie aus dieser Situation retten? Nachdenklich tun! Genau!
    Caius machte eine kritisch-ernste Miene und sah den Proconsul bedeutungsschwanger an: "Proconsul, ich bin hier um mit dir über zwei Sachen zu sprechen. Einerseits möchte ich für die Acta und die Bürger Roms ein Gespräch mit dir über die Provinz und deine ersten Tage hier führen, andererseits geht es um meine Recherchen, die mich nach Hispania geführt haben. Es ist dir überlassen was du zuerst erledigen willst, mit Verlaub."

  • Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten... Hungi konnte es nicht, geschweige denn wissen, was der Korrespondent so dachte. Zum Glück für den Acta-Menschen, denn hätte Hungi gewußt, welche blutlüsternen Visionen sein Besucher in Bezug auf seinen Klienten hegte, hätte er ihn achtkant aus dem Haus werfen lassen. Mindestens. Vermutlich noch ein paar Dinge mehr angestellt. Höchstwahrscheinlich. Oder er hätte darüber gelacht.


    Wie dem auch gewesen wäre, denn Hungi wusste ja nichts, sondern konnte dem Korrespondenten nur beim Denken zuschauen. Und das sogar ziemlich lange, denn anscheinend hatte der junge Mann nicht nur im Gesicht etliche Blessuren davongetragen, auch dessen Geist dürfte wohl etwas abgekriegt haben. Als der Korrespondent endlich seinen Mund geöffnet und etwas gesagt hatte, seufzte Hungi leise und innerlich auf. Er hatte es geahnt.


    Dann würde ich sagen, befriedigen wir zuerst meine Neugierde. Also sprich, was hast du mir zu erzählen?

  • Caius musste sich zur Konzentration zwingen, und darum kämpfen nicht auf einmal mehrere Kriegselefanten durch das Atrium stampfen zu sehen... er war hier um seine Arbeit zu machen.
    Der Proconsul schien wissbegierig auf die Recherchen des Schreiberlings zu sein, und Caius sammelte sich mehrere Sekunden lang, bevor er zu erzählen begann: "Der Grund für meinen Aufenthalt in Hispania war das wachsende Misstrauen in Rom gegenüber der Vergabepraxis von Auszeichnungen und Boni an Angestellte der hispanischen Verwaltung. Unverhältnismäßig viele Auszeichnungsurkunden kamen nach Rom, während unverhältnismäßig wenige Projekte erfolgreich durchgeführt wurden. Du selbst hast den Debatten um den ehemaligen Proconsul beigewohnt.", so langsam wurde sein Mund trocken, und er fragte sich ob der Proconsul die hiesigen Weinvorräte unter Verschluss hielt. Was ihn nicht daran hinderte weiter zu reden: "Ich bekam den Auftrag das ganze etwas genauer auszuleuchten, und es stellte sich heraus dass in der kurzen Amtszeit von Proconsul Flavius Furianus vielfach mehr ausgezeichnet wurde als im vergleichbaren Maßstab in anderen Provinzverwaltungen. Soweit kein Problem über das man sich größer den Kopf zerbrechen müsste, auch dass der Proconsul sich ein Heer von Günstlingen hielt die mit Auszeichnungen und Beförderungen versehen wurden kann man noch unter "großzügiger Auslegung des Proconsulats" einstufen. Kritisch wird es bei seiner eigenen Person. Flavius Furianus ließ sich insgesamt vier mal während seiner aktiven Amtszeit selbst auszeichnen, mit überbordender Zustimmung der Curia Provincialis natürlich. Fertig gebracht hat so etwas kein kaiserlicher Vertreter zuvor, weder hier noch in irgendeiner anderen Provinz. Er schaffte es gleich vier Mal. In Verbindung mit den Auszeichnungen an andere Verwaltungsangestellte jeder noch so niederen Funktion ergibt das einen bitteren Beigeschmack.", wieder eine Pause, langsam fing er an zu krächzen. Sollte er einen Sklaven herbeiwinken um sich selbst Wein zu genehmigen? Besser nicht... er war fast fertig...
    "Aber nicht nur der Proconsul übte sich in Unüblichen. Der Comes Fabius Rusticus, der vor wenigen Tagen seinen Rücktritt eingereicht hat, wie du sagtest, hat sich seinen Posten als Princeps Curiae mit Geld und Auszeichnungen erkauft. Es spricht nicht für ihn zu behaupten dass er Auszeichnungen vergeben könnte, schließlich kann dies nur der Proconsul. Allerdings schuf er für seine willigen Unterstützer eine Grundlage und einen Zugang zum Proconsul, was zur Auszeichnung führte. Zudem bestach er diverse Mitglieder der Curia Provincialis mit Geld um ihm das Amt zu sichern. Was ja auch gelang. Mit Verlaub verzichte ich vorerst auf die Nennung von Namen, da diese Personen mir vielleicht weitere Erkenntnisse über die Korruptionsstruktur in der Provinz ermöglichen. Ich werde ihnen die Möglichkeit zur Selbstanzeige geben, du wirst also noch davon hören. Nun, bei meinen Recherchen kam ich erst zum Comes, um mich schneller wieder vor der Tür vorzufinden als ich sie durchschritten hatte, nur um später von ihm folgende Nachricht zu erhalten.", er kramte in seinem Beutel und holte schließlich folgenden Fetzen Papier hervor:


    Caius Columnus,


    falls du wirklich noch Informationen willst, hänge ein weißes Tuch aus dem Fenster deiner Unterkunft und einer meiner Sklaven wird dich zu einem Ort bringen, wo wir in Ruhe reden können.


    M.F.R.


    "Dieser Nachricht folgte ich natürlich, wo der Comes mir mit seinen Schergen auflauerte und mich übel zusammenstauchte. Natürlich nicht ohne, in Gewissheit meines bevorstehenden Todes, seine Taten großtönig aufzudecken. Es wird eine Weile dauern bis ich das Gespräch rekonstruieren kann, aber ich habe so einiges erfahren. Naja, kurz darauf knipste man mir die Öllampe aus, und ich fand mich so zugerichtet in einer Taberna im Hafenviertel wieder. Einige Seeleute erzählten mir dass man mich einigen Leuten abgenommen hatten, die drauf und dran waren mich auf dem Meeresgrund zu versenken... meine Recherche geht natürlich weiter. Dies ist, was ich bisher weiß..."


    Vom Gespräch mit dem Duumvir musste er dem Proconsul nicht erzählen. Noch nicht. Es gab da noch einiges herauszufinden, und bevor der Proconsul eingriff, wollte Caius lieber selbst seine Möglichkeiten ausschöpfen...

  • Wirklich überrascht war Hungi beim Bericht des Acta-Korrespondenten nicht. Korruption und Ämtervergabe nach Bekanntschaftsgrad (und nicht nach Qualifikation) und eingesetzten Finanzierungsmitteln ist ja nicht gerade etwas, was als selten im Römischen Reich galt. Und solange niemand wirklich zu Schaden kam, war es einfach etwas, was man hinnahm. Allerdings achtete man in den meisten Fällen drauf, daß es nicht allzu offensichtlich war. Insofern wunderte ihn das Verhalten des Proconsuls bei der Auszeichnungsvergabe und das des vorigen Comes kurz vor der vermeintlichen Tötung des Acta-Korrespondenten.


    Von welchen Taten hat der ehemalige Comes da gesprochen? Nur über die Geschehnisse in der Curia oder auch von anderen Dingen? Die Curia selber war ihm egal, wenn sie ihm auf den Nerv ginge, würde er sie einfach auflösen und neu besetzen. Aber eventuelle andere Stätten der Taten des vorigen Comes... das wäre schon viel interessanter.

  • Caius zog die Lippen schmal... soweit er das konnte. Es erschien eher als groteske Maske denn als resignierend. Er hatte vergessen wem er hier gegenüber saß. Marcus Vinicius Hungaricus war in Rom nicht als Mann der einfachen Wahrheiten bekannt. Genau genommen hatte der Vinicier sich das Motto "Kritik" so fest auf die Stirn geschrieben dass man auf seinem Hinterkopf wahrscheinlich Durchschriften nehmen konnte...


    "Nein. Keine Geschichten ausserhalb der Curie. Zumindest bis jetzt noch nicht... wer weiß was rauskommt wenn man diesen Ba... Mann erst einmal zu fassen bekommt.", Caius hatte nicht vor, den Mann ungeschoren davonkommen zu lassen. Er war Gesandter des Kaisers, und niemand brachte einen Gesandten des Kaisers einfach so dazu sich erst die Toga vollzupinkeln um dann damit durch die halbe Stadt zu laufen...


    "Mein Augenmerk lag auf der Vergabe von Auszeichnungen und Beförderungen, nicht an dem Hausdreck den die Leute hier am Stecken haben.", was seine Recherchen wohl ein halbes Jahr andauern lassen würde, wenn es wo wäre.

  • Er war etwas enttäuscht, hatte er sich doch eine griffigere Antwort erhofft. Das hier, was er geboten bekam, war zwar interessant, aber in keiner Weise entscheidend für die Politik, die er hier in Hispania durchsetzen wollte.


    Ich kann deinen Unmut verstehen, doch sind mir die Hände gebunden. Der ehemalige Comes wollte, sofern ich mich richtig erinnere, einen Familienbetrieb seines kürzlich verstorbenen Onkels weiterführen, in Britannia nämlich. So wie es aussieht, hat er jedoch gelogen, daß sich sämtliche Balken in Tarraco gebogen haben. Wer weiß, wo er sich gerade aufhält. Ich kann natürlich die Sicherheitskräfte der Provinz anweisen, die Augen offen zu halten und ihn bei Auffinden festnehmen lassen, wenn er aber nur einigermaßen bei Verstand ist, hat er die Provinz längst verlassen. Versuchter Mord ist kein Kavaliersdelikt. Dies wußte er selbstverständlich genau, hatte er doch einen Kommentar zum derzeit gültigen Codex Iuridicialis verfasst.


    Was die gehäuften Auszeichnungen anbelangt... fuhr er fort, so kann ich versichern, daß dies in einem solchen Ausmaße nicht mehr auftreten werden. Nicht unter meiner Führung. Ich war nie dafür bekannt, schnell und leichtfertig Beförderungen und Auszeichnungen zu verteilen, ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern. Zudem habe ich vor, demnächst Wahlen zu auf der Basis der Lex Provincialis zu veranstalten. Wenn also mein Vorgänger unfähige Leute installiert hatte, bin ich mir sicher, daß diese von den mündigen Bürgern abgewählt werden. Und falls nicht, würde er in den kommenden Monaten schon merken, wie der Hase lief.

  • "Schön zu hören...", knirschte Caius hörbar mit den Zähnen, er wünschte den Comes in die Abgründe des erst kürzlich von Caius selbst verfassten Artikels über Götterflüche, und selbst Iunos von Wechseljahrehitzewallungen geschüttelter Riesenhippopotamushintern würde dem Fabier keinen Unterschlupf gewähren können, dessen war Caius sich sicher.
    In seinem Kopf fanden sich perverse Rachepläne zu einem düsteren Stelldischein zusammen, in dem "1:1-Pyramiden-auf-kleinem-Zeh-des-Comes-bauen" sich heftigste Wortgefechte mit "Beckenboden-vom-Mare-Nostrum-mit-Zahnbürste-schrubben" lieferten...


    Doch da war ja auch der Proconsul...


    "Ehm, ja... dann gibt es zu der Sache ja nichtmehr viel zu berichten. Wenn wir jetzt zum zweiten Teil meiner Wünsche kommen konnten:", sprach Caius und zupfte eine goldbeschlagene Tabula aus seiner Tasche, sowie einen Griffel aus reinstem Silber, an dessen Ende ein rotfunkelnder Rubin angebracht war und in den mit Goldfolie der Schrifzug "CAIVS COLVMNVS AVCTOR MAXIMVS GIGANTIVS" eingearbeitet war. Ein Geschenk an sich selbst für seine großartigen Schreiberfähigkeiten, das er sich gegönnt hatte nachdem er den Comes überlebt hatte. Er schlug die Beine übereinander, ein jahrelanger Reflex der Routine und Versiertheit vorgaukeln sollte, und schlug sie gleich wieder auseinander nachdem ein brennender Schmerz sich durch seine Leistengegend zog... 'diese dreckigen Hunde von..', dachte er bei sich, 'wenn das länger so bleibt werde ich den Comes auf eine Reha-Curtisanenarmee verklagen...'


    "Ehm... ja...", wimmerte er schließlich mit kleinlauter Stimme und sah den Proconsul mit schmerzverzerrter Miene an, hatte das eigens aus Gallia Narbonensis herbeigeschaffte Eis nicht gereicht um seine glühenden Klöten zu kühlen? Was bei Mars sollte er denn noch tun?


    "Wo waren wir? Achja,... die Fragen... nun, Proconsul Vinicius,


    Hast nun, ach! Philosophie,
    Juristerei und Ehetheorien,
    Und leider Adoptionsideologie,
    Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
    Da steh' ich nun, ich armer Torus,
    Und bin so klug als wie zuvorus!


    Heißt Senator, heißt Proconsul gar,
    Und reist schon an die vielen Jahr'
    Herauf, herab und quer und krumm
    im römischen Staatswesen herum -
    Und siehst, daß aus Hispania nichts kommen kann!


    Das kann dir schier den letzten Nerv verbrennen.
    Zwar bist du gescheiter als alle die Laffen,
    Quaestoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
    Dich plagen keine Skrupel noch Zweifel,


    Fürchtest weder Senat noch Klientel,
    Dafür ist dir auch alle Freud' entrissen,
    Bildest dir nicht ein, von Furianus zu wissen,
    Bildest dir nicht ein, die Curie zu belehren,
    Die Menschen zu bessern und zu bekehren?


    Doch hat Hispania nicht an Gut noch Geld,
    Noch Ehr' und Herrlichkeit der Welt;
    Es möchte kein Proconsul so länger leben!
    Drum hast du dich der Reform ergeben?
    Ob Dir durch Geistes Kraft und Mund
    Nicht manch Geheimnis würde kund?


    Daß du nicht mehr mit sauerm Schweiß
    Zu sagen brauchst, was du nicht weißt?
    Daß du erkennst, was die Provinz
    Im Innersten zusammenhält?
    Schau' alle Wirkenskraft und Klüngelei,
    Und tust nicht mehr in Worten kramen?"


    Die Worte kamen von ganz allein, und Caius bekam garnicht mit was er da redete... als sein Mundwerk geendet hatte, war sein Geist gerade fertig mit einer dringend notwendigen Defragmentierung, und so sah Caius, der felsenfest davon ausging gerade investigativ wichtige Fragen gestellt zu haben (die sich während des Umbaus von Caius' Innerem auf einer Umleitung verirrt hatten, und sich nun verzweifelt bei der Milz erkundigten wie bei der heiligen Gehörmuschel man nun zum Mundwerk kam.) den Proconsul erwartungsvoll an, und harrte der Dinge die da kommen mochten...

  • Es dauerte ein wenig, bis er sich erinnert hatte, was der Schreiberling mit dem zweiten Wunsch meinte. Ahja, ein Gespräch über die Führung der Provinz. Ja, das war es. Das konnte vermutlich länger dauern. Deswegen entschied er sich, einen Sklaven herzuwinken, der ihm und seinem Gast einen gemütlichen Spritzer einschenken sollte. Während der Sklave dies tat, überlegte er schon im Geiste, was er wohl dazu sagen könnte. Welche Ziele er hatte, was er in nächster Zeit davon umsetzen wollte, wie lange er vermutlich hier bleiben würde, was er von seinen Zielen vermutlich schaffen würde und was nicht. Wenn schon einer von der Acta hier war, dann sollte er auch was schmissiges sagen können. Da er diesen Gedanken nachhing, fiel ihm die protzige Tabula samt Schreibstift auch nicht auf, zumindest nicht bewußt. Und erst recht nicht, als er da den lyrischen Erguss da vernahm. Bona Dea, der hörte ja gar nicht mehr auf. Doch schon allein an der Anzahl der Worte erkannte man den schroffen Gegensatz zwischen dem Proconsul und dem Korrespondenten.


    Wie meinen?


    Da dies aber doch gar wenig war als Erwiderung, fügte er noch etwas hinzu. Hübsches Gedicht.

  • Gedicht? Caius sah den Proconsul verwirrt an, soweit dies sein entstelltes Gesicht zuließ. Was meinte der Mann bloß mit Gedicht?
    Caius sammelte seine Gedanken, und stürzte den vom Sklaven angebotenen Becher in einem herunter. Der Vinicier schien Witze zu machen. Das war es... ein Witz!


    Caius lachte gestellt und kritzelte nervös mit seinem Szepter über die Tabula,...


    "Nun, lass uns bitte bei der Sache bleiben, mit Verlaub. Also, noch einmal: Als Proconsul Hispanias trägt man eine Verantwortung die Normalsterblichen kaum greifbar scheint, und dennoch ist es eine weitere Sprosse in einer Karriereleiter die vor ruhmreichen und gleichsam verantwortungsvollen Positionen nur so strotzt. Die Erwartungen an dich als neuen Amtsinhaber sind natürlich immens, in Rom war man nicht erst seit gestern mit der Führung in Hispania unzufrieden. Auch die Erwartungen der hispanischen Bevölkerung darf man nicht als zu gering einschätzen, wie sieht es da mit der Befriedigung von öffentlichem Interesse an deiner Person aus? Deine Ankündigung einer neuen Art von Führungsstil an der Spitze der Provinzverwaltung dürfte auf nicht unbedingt negative Resonanz stoßen, aber wie soll das im Detail aussehen? Du bist schon einige Tage im Amt, was ist dem neuen Proconsul direkt ins Auge gefallen, und was will er langfristig erreichen?"


    Caius sah den Vinicier erwartungsvoll an, doch innerlich war er etwas genervt... er hasste es, sich wiederholen zu müssen.

  • Ahja, das waren die Fragen, mit denen er schon eher etwas anfangen konnte. Wenngleich ihm natürlich aufgefallen ist, wie verwirrt der Korrespondent nach seiner, also Hungis, Reaktion war. Allerdings schob er das auf die Tätigkeit des Schreiberlings. Wer immer staubtrockene Nachrichten verfassen musste, bei dem musste irgendwann einmal die Kreativität hervorbrechen. So zumindest stellte er sich das vor.


    Nunja. begann er langsam und mit einer staatstragenden Miene. Wie du ja schon richtig bemerkt hast, sind den Senatoren einige Punkte aufgefallen, die einer Klärung bedürfen. Das waren zum einen das Budget, zum anderen die enorm hohen Kosten für die Miliz. Meine Aufgabe soll es sein, eben jene Punkte zu klären und die Wirtschaft zu stärken, so daß die Zahlungen und Lieferungen nach Rom weiterhin in geordneten Bahnen läuft. Dies werden meine Eckpunkte sein. Selbstverständlich habe ich auch kleinere Projekte im Sinn, doch die werde ich erst dann endgültig benennen können, wenn ich alle Berichte gelesen habe und daher genau weiß, wie die derzeitige Lage aussieht.

  • "Die Miliz betreffend, gegen die Medicus Germanicus Avarus ja eine regelrechte Kampagne im Senat losgetreten hat...", sponn Caius den Faden fort, "... sollten sich sie die Unregelmäßigkeiten bewahrheiten, die Flavius Furianus angelastet werden, was wäre der nächste Schritt des Senats? Eine Anklage gegen einen Senator von Rom? Das hat es schon lange nicht mehr gegeben... man spricht davon dass der Flavius sich ziemlich in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, und das laut Meinung einiger hochrangiger Senatoren auf sehr dilletantische Art und Weise. Da du nun die Möglichkeit hattest die angesprochene Miliz selbst zu begutachten... hast du das überhaupt schon getan? Und wenn ja, was war dein Eindruck?"

  • Zu sinnieren, was der Senat tun oder nicht tun würde, sollten sich irgendwelche Behauptungen beweisen oder nicht beweisen, ähnelt einem Kürschner, der sein Leder verkauft, obwohl das Tier noch munter im Wald herumhüpft. Es ist meines Erachtens nach müßig, schon jetzt über die Folgen zu diskutieren, wenn ich noch nicht einmal weiß, ob überhaupt ein Tatbestand vorliegt. Und wer wußte schon, wie der Senat überhaupt entscheiden würde. Die Fraktion um Avarus war ja nicht unbedingt klein, aber die Patrizier würden einen der ihren sicher nicht belangen wollen. Da etwas vorauszusagen... da konnte er gleich in eine Taverne würfeln gehen. Die Chancen, auf das richtige zu wetten, wären die gleichen.


    Nein, bisher konnte ich die Milizen noch nicht sorgfältig überprüfen. Ich plane jedoch eine Reise in die wichtigsten Städte Hispanias, auch in die Regionen von Lusitania und Baetica, um die dortige Lage kennenzulernen. Dabei werde ich auch die Frage der Milizen gründlich erörtern.

  • Laaaaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig! wollte Caius schon schreien. Das Reden des Proconsuls über Kürschner und so weiter brachte ihm keine Zeile ein. Skandale, Skandale, Skandale! Das war es was das Volk lesen wollte... und wenn dafür der Kopf eines Senators rollen sollte, und wenn auch nur wegen eines Gerüchts, dann war das halt so. Aber der Proconsul gab sich zugeknöpft, was Caius sehr ärgerte. Er hatte selbstverständlich nicht vergessen wen er hier vor sich hatte, aber das ändert nichts daran dass seine Leser so Sätze wie "es ist zu früh um über etwaige Dinge zu sinnieren" in etwa genauso gerne lasen wie "Senator Ixxus Ypsilonius Zettus wurde kein Opfer eines Anschlags, und überlebte! Unverletzt! Freuen wir uns des Lebens!".


    Nun galt es aus dem Proconsul ein paar Dinge zu entlocken die das Publikum der Acta interessierte... da fiel ihm ein, dass der Mann sich erst kürzlich neuverlobt hatte!


    "Proconsul! Das Volk von Rom hat mit einer gewissen Genugtuung davon erfahren dass deine Person sich tatsächlich wieder binden will. Die Person, mit der du diese Bindung eingehen willst, verbleibt derzeit in Rom um auf die ersten Erfolge deiner Arbeit hier zu warten. Unsere Leser interessiert es, wie diese Trennung auf Zeit auf das Gemüt des Mannes wirkt, der sich sonst so betont kühl und rational gibt?"


    Die Fragestellung war eine Farce, im späteren Text würde das natürlich so aussehen:


    Einer der begehrtesten Junggesellen und tragischsten Scheiterer im Schicksal der Liebe nimmt Anlauf für einen neuen Versuch, das Herz eines Menschen für sich zu gewinnen.
    Licinia Minor ist die glückliche, und wartet nun mit vor Sehnsucht blutenden Herzen darauf dass die ehrenhaften Bestrebungen ihres geliebten Verlobten in Hispania bald Früchte tragen, so dass Zeit und Götterwille gefunden werden um die beiden einsamen Herzen im Hafen der Ehe glücklich miteinander zu vereinen. Die Zeit bis zu diesem freudigen Zusammenschluss verbringt der Proconsul alleine, in seiner riesigen Villa mit seiner, seit Jahr und Tag zu intim gewordenen, Einsamkeit hadernd; darauf wartend dass sich das Liebesleid seines Lebens letztendlich doch in gemeinsame Glücklichkeit auflöst. Jede Sekunde, die er nicht von den schwerwiegenden Problemen seiner Tätigkeit erdrückt wird, schickt er ein schmachtendes Liebesgebet zu seiner Licinia nach Rom, auf dass ihre physische Distanz doch in einer psychichen Nähe an schmerzender Strenge verliere.


    Caius LIEBTE seinen Job.

  • In manchen Fällen wäre es sehr günstig, wenn man Gedanken lesen konnte. In anderen Fällen hingegen, und dies hier war einer, wäre Hungi sogar froh gewesen, daß er nicht Gedanken lesen konnte, wenn er gewußt hätte, was er dann gelesen hätte. Er hatte dementsprechend keine Ahnung von dem Langweiligkeitsanfall des Korrespondenten, was er sich aber ohnehin hätte denken können, wenn er sich die Zeit dazu genommen hätte, und noch weniger hatte er Ahnung von dem Liebesroman-Anfall des gleichen Korrespondenten, was er sich garantiert nie gedacht hätte. Doch da er sowieso nicht darüber nachdenkt, ist es müßig darüber nachzudenken, was er gedacht hätte, wenn er es gedacht hätte unter der Voraussetzung selbstverständlich, daß er von alldem Kenntnis gehabt hätte. Aber da er diese Kenntnis nicht hatte, konnte er ja nicht darüber nachdenken.


    Aus diesem zweifelsohne unweigerlich einleuchtendem Grunde, dachte er stattdessen über das nach, was der Korrespondent sagte. Denn das, was der Korrespondent sagte, entlockte ihm tatsächlich an mehreren Stellen ein Schmunzeln. Angefangen mit "Das Volk von Rom hat mit einer gewissen Genugtuung davon erfahren..." Das Volk von Rom? Wohl eher gewisse Väter von gewissen Damen, die er manches Mal zu besuchen pflegte. Als ob eine Heirat seinerseits an seiner Einstellung großartig etwas ändern würde. Allerdings, das mußte er zugeben, war er seit der Geburt seiner Tochter schon etwas gemütlicher geworden, vielleicht lag es am Alter und hier in Hispania definitiv am nicht wirklich weit reichenden Angebot.


    Trennung auf Zeit? Glaubte der Korrespondent etwa, daß dies eine Liebesheirat wäre? Er hoffte doch nicht. Das Letzte hingegen, das gefiel Hungi, das schmeichelte ihm sogar ein wenig.


    Betont kühl und rational? Hm, gefällt mir. kommentierte er eben jene seiner Ansicht nach schmeichelhaften Worte des Korrespondenten. In mancher Hinsicht hatte das Altern tatsächlich etwas Gutes, denn in früherer Zeit hatte er des öfteren mit seinem leicht überschäumenden Temperament zu kämpfen. Er vermisste es. Ich werde nicht mehr allzulang von meiner Verlobten getrennt sein. In den nächsten Wochen wird hier Hochzeit gefeiert.

  • "Dann kann man sicher mit einer längeren Gästeliste der höheren römischen Ränge rechnen?", fragte Caius um dieses Thema abzuschließen, er brauchte nicht viele Worte um das heraus zu hören was er heraus hören wollte, um Seiten voll Geschnulze zu füllen.


    "Und wo wir gerade bei Rom sind. Als einer derjenigen die im Senat die gemäßigte Linie gefahren sind, würde es unsere Leser schon interessieren wie du deinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung weiterhin erhalten willst... immerhin stehen im Senat unter unserem geliebten Kaiser, Sohn unseres noch viel geliebteren Kaisers, einige interessante Entscheidungen an, von denen viele denken dass du bei diesen fehlen wirst."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!