Das Haus des Titus Statilius Taurus auf dem Collis Quirinalis

  • Titus Statilius Taurus war ein wohlhabender Mann und sein Haus verbarg das nicht. Es war groß, nicht protzig, aber stattlich, und es stand in bevorzugter Lage am Südhang des Quirinal, an einer Kreuzung der Via Nomentana, kaum mehr als einen Steinwurf vom Templum Salutis und der Porta Salutaris entfernt.
    Statilius Taurus selbst entstammte einem ritterlichen Zweig der Statilii. Aber es war nicht alleine das 'alte Geld' seiner ebenso alten Familie, dem er seinen Wohlstand verdankte, sondern auch seinen Umtrieben als Bauunternehmer und Eigentümer mehrerer Steinbrüche und Ziegelbrennereien.

  • Damit niemand den Mann warnen konnte vor dem Besuch des Quästors, machte sich Ursus sogleich auf den Weg zu der Behausung des Titus Statilius Taurus. Schon von außen machte das Haus einen überaus prächtigen Eindruck. Doch das war noch nichts, was Ursus verurteilen konnte oder auch nur wollte. Immerhin war der Mann im Baugewerbe und konnte dementsprechend für ganz andere Preise bauen als jemand anderer.


    Sonst war Ursus sich nicht zu fein, irgendwo selbst anzuklopfen, doch heute ließ er einen der Sklaven anklopfen, die mitgekommen waren. Gerade hier mußte er seine Stellung ein wenig herauskehren. Es würde ein schwerer Kampf werden, das ahnte er schon. Wenn schon der Bauleiter auf der Baustelle so zäh war, mußte er bei dessen Patron mit weit mehr Widerstand rechnen. Zumal der ja durchaus Einfluß besaß, eine Tatsache, die man niemals unterschätzen durfte. Doch auch Ursus besaß mittlerweile einigen Einfluß. Durch seine Amtsgewalt schon ganz und gar. Und er hatte nicht vor, sich abspeisen zu lassen.

  • "Salve. Nun, dann habe ich ja an die richtige Tür geklopft", erwiderte der aurelische Sklave, ohne dabei in unhöflichen Ton zu verfallen. "Dies ist Quästor Consulum Titus Aurelius Ursus, der Titus Statilius Taurus im Auftrag des Consul Aelius dringend zu sprechen wünscht."


    Ursus wartete geduldig ab, während die Sklaven miteinander verhandelten. Doch seine Miene drückte recht unmißverständlich aus, daß er nicht geneigt war, sich abweisen zu lassen.

  • Auch angesichts dieser Erklärung ließ sich am unbewegten Gesicht des Ianitors nicht viel ablesen. Doch! Zuckte da nicht kurz seine rechte Augenbraue nach oben?


    “Mein Herr wird den Quaestor gerne empfangen.“, antwortete er im nächsten Moment wieder scheinbar teilnahmslos und stieß die Torflügel weit auf.
    “Wenn er mir bitte folgen will, dann führe ich ihn in das Tablinum.“


    So tat er es.
    Im Tablinum angekommen versicherte er, seinem Herrn Bescheid zu sagen und bat um etwas Geduld.

  • Dem Sklaven raunte Ursus zu, draußen zu bleiben und die Eingänge des Hauses im Auge zu behalten. Sollte es jemand aus diesem Haus auf einmal sehr eilig haben, sollte er ihm folgen. Dann winkte er seinen Begleitern und betrat mit ihnen zusammen das Haus. Er wurde sogleich ins Tablinum geführt, statt ins Atrium, und das überrascht Ursus nun wieder. Doch natürlich stellte er das nicht in Frage, sondern wartete einfach ab, was nun geschehen würde.

  • Weshalb der Hausherr seinen Gast nicht im Atrium empfing wurde gleich darauf verständlich. Plötzlich waren von dort nämlich die laut und hell tönenden Stimmen einer nicht näher zu beziffernden Anzahl Kinder zu vernehmen. Fröhlich quickend und lachend schienen sie in das Atrium eingefallen zu sein und sich nun am Impluvium zu tummeln. Zwischen den Kinderstimmen war auch die eines Mannes zu vernehmen. In scheinbar wohlwollendem Tonfall sprach er mit ihnen, wobei die eigentlichen Worte aber im Gejauchze der Kinder untergingen.




    Die tiefe, sonore Männerstimme gehörte zu einem Mann, der wenige Augenblicke später im Tablinum erschien. Das war unzweifelhaft Titus Statilius Taurus, der Herr des Hauses, den Aurelius Ursus sprechen wollte.
    Er war groß, kräftig und seine Körperfülle deutete darauf hin, dass er das Leben zu genießen verstand. Dieser Eindruck wurde noch durch seine vollen Lippen und seinen offenen Blick unterstrichen. Er schien einen Hang zu extravaganter, farbenfroher Kleidung zu haben, die an seiner stattlichen Statur aber ganz natürlich wirkte. Der Mann strahlte Selbstsicherheit aus und einen etwas rauen Charme, dem man sich nur schwer entziehen konnte.


    “Salve! Ich bin Titus Statilius. Bitte entschuldige, meine Kinder haben Freunde aus der Nachbarschaft eingeladen.“, erklärte er.
    “Mein Sklave hat mir gesagt, dass mich ein Quaestor sprechen will. Das bist du? Ich hoffe du kommst wegen dem Ulpianum. Denn das wird auch langsam mal Zeit!“
    Er sagte das in freundlichem Tonfall, der aber nicht die große Bedeutung des Wortes 'meins' in seinem Wortschatz verbarg.

  • Entweder Statilius hatte eine außerordentliche Zahl an Kindern, - oder er war gerade überfallen worden. Doch als der Hausherr erschien, wurde zumindest dieses Rätsel hiermit gelöst. Ursus mußte zugeben, daß der Mann eine auf etwas raubeinige Art durchaus anziehende Ausstrahlung hatte. Er mußte sich nochmals bewußt machen, warum er hier war, sonst würde er diesem Charme verfallen, das wurde ihm plötzlich bewußt. Verdammt, der Mann war ihm sympathisch und das war etwas, womit er ganz und gar nicht gerechnet hatte.


    "Salve, Statilius Taurus. Kinder sind unser aller Zukunft, mögen sie zu starken und ehrenhaften Römern heranwachsen." Er lächelte leicht, wurde dann aber gleich wieder ernst. "Ich bin Quästor Consulum Titus Aurelius Ursus, unterwegs im Auftrag Kaisers und dessen Bruders, Consul Aelius. Und Du hast recht, es handelt sich um das Ulpianum. Du hast also schon damit gerechnet? Sogar darauf gehofft? Nun, dann berichte doch Du zuerst." Er sprach ebenfalls in freundlichem Tonfall, doch auch durchaus selbstbewußt. Zwar bemühte er sich dabei, nicht überheblich zu wirken, doch lieber wollte er überheblich wirken, als daß Statilius glaubte, er bräuchte ihn nicht ernst zu nehmen.


  • “Ja natürlich!“, entgegnete Statilius Taurus ein wenig ärgerlich.
    “Was glaubt der Senat? Soll ich alle Ausgaben im Voraus alleine tragen? Ich bin nicht arm. Aber ich bin auch nicht so sagenhaft reich wie Matinius Agrippa oder Germanicus Avarus. Ich habe bisher noch kein müdes As gesehen. Will man mich in den Ruin treiben? Ich war schon gezwungen einige Männer zu entlassen. Ich ziehe auch den Rest von der Baustelle ab, wenn ich nicht bald Geld sehe. Dann werden die Arbeiten in diesem Winter eben ganz still stehen. Bestimmt 15.000 Sesterzen hat mich die Sache inzwischen schon gekostet und alles habe ich selbst bezahlen müssen. So geht das nicht!“

  • Nun war es an Ursus, mehr als verblüfft zu gucken. Er hatte das alles selbst bezahlt? Unglaublich! Was war denn mit den Gelder passiert? "Meines Wissens nach sind die Mittel bereits vor Jahren vom Senat bewilligt worden. Sie sind Dir nicht zur Verfügung gestellt worden?" Wenn dies eine Lüge war, dann war dieser Mann der dreisteste Lügner, der ihm je untergekommen war. Ursus atmete kurz durch. Hier war etwas ganz gründlich schief gelaufen und es lag bei ihm, herauszufinden, was das war. "Wenn das so ist, dann bitte ich Dich, mir alle Deine Unterlagen zur Verfügung zu stellen und mir vor allem auch den Vertrag zu zeigen. Und natürlich die Namen der Männer zu nennen, die bisher Deine Ansprechpartner waren." Er mußte die Angelegenheit offenbar komplett aufrollen. Irgendwo mußte das Geld hängengeblieben oder gar versickert sein. Und er würde die Stelle finden!


    "Sowohl der Consul Aelius, als auch der Kaiser wünschen eine rasche Umsetzung des Bauprojektes. Ich brauche Namen, Zahlen und Belege, um weiterforschen zu können, warum es nicht vorwärts geht. - Warum hast Du Dich eigentlich nicht schon lange an einen der Consuln gewandt? Das muß doch schon Jahre so gehen." Er sagte das keineswegs vorwurfsvoll, sondern eher mit hörbarem Erstaunen. Sonst waren doch immer alle hinter dem Geld her, gerade wenn es um öffentliche Bauten ging.


  • “Aber das habe ich natürlich. Erst vor ein paar Monaten. Da bin ich zu dem damaligen Consul Vitorius Marcellus gegangen. Aber er hat mich vertröstet, genauso wie mich alle seine Vorgänger seit dem Consul Prudentius Commodus vertröstet haben. Er war der letzte, der wirklich Interesse an dem Ulpianum gezeigt hat. Er wollte alles Nötige in die Wege leiten. Aber dann wurde er umgebracht. Seit dem renne ich gegen verschlossene Türen. Die hohen Herren habe immer etwas besseres zu tun! Was hätte ich tun sollen, Quaestor? Weder bin ich ein Bettler, noch kann ich dem Senat oder einem Consul drohen, oder?“


    Statilius Taurus überlegte kurz. Dann schüttelte er den Kopf.


    “Nein. Nichts für ungut, Quaestor, aber du brauchst von mir keine Unterlagen. Ich werde dir nichts geben. Alles was du wissen musst wirst du im Archiv des Senats finden. Man soll die Kasse des Senats prüfen. Du wirst feststellen, dass man mich nicht entlohnt hat, und das ich keinen Vorschuss bekommen habe. Gar nichts, kein einziges As, nichts! Ich weiß nicht, wo das Geld geblieben ist. Vielleicht hat es einer der Consuln für sich genommen? Vielleicht liegt es noch immer in der Kasse des Senats. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich davon nichts gesehen habe und ich die Bauarbeiten einstellen lasse, wenn sich daran nicht schnell etwas ändert. Das kannst du Aelius Quarto sagen, oder von mir aus auch gleich dem Kaiser. Ich verlange nicht mehr als das man mich gerecht behandelt.“

  • Ursus seufzte innerlich. Consul Vitorius Marcellus... Nunja, ein zerbrochenes Ei konnte niemand mehr flicken. Es blieb nur, alles wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Wenn denn stimmte, was der Mann sagte. Und davon ging Ursus mittlerweile aus. Derartige Lügen aufzutischen, wäre reiner Selbstmord, zumal alles leicht würde nachzuweisen sein.


    "Und Dir soll Gerechtigkeit widerfahren, Statilius Taurus. Doch bitte verstehe auch mich. Wenn ich Zahlen und Fakten vorlegen kann, dann haben meine Worte ungleich mehr Gewicht. Ich brauche den Namen desjenigen, der den Vertrag im Namen des Senates unterschrieben hat. Du sollst mir diesen ja nicht aushändigen, sondern nur zeigen. Und ich benötige einen Nachweis über sämtliche Aufwendungen, die Du bisher aus Deiner eigenen Tasche bezahlt hast." Es war wirklich unglaublich. So viele Jahre war das nun schon verschleppt worden. Daß Statilius Taurus ungehalten war, konnte wohl niemanden verwundern. "Sollte das, was an der Baustelle an Unterlagen vorhanden war, alles sein, dann brauchst Du Dich alllerdings nicht mehr bemühen, diese Unterlagen habe ich bereits." Er sagte dies ganz offen, denn er wollte Statilius nichts vormachen. "Und ich werde persönlich dafür Sorge tragen, daß Du diese Unterlagen schnellstens zurück erhältst."


  • Taurus schaute eher verwundert als verärgert.


    “Du hast Unterlagen von der Baustelle? Aber was den für Unterlagen?
    Den Bauauftrag habe ich damals vom Quaestor Urbanus bekommen. Sein Name war Octavius, Lucius Octavius Detritus.“

  • Mittlerweile Senator Octavius, wie Ursus wußte. Und war der nicht zur Zeit auf Reisen? Zumindest meinte er, so etwas gehört zu haben. Also konnte er diesen schon einmal nicht fragen. "Unterlagen über die Ausgaben, die von dort getätigt wurden. - Sind das alle Unterlagen oder gibt es noch mehr? Erfassen diese alle Ausgaben, die für Dich bisher bei diesem Projekt angefallen sind? Es geht schließlich auch darum, daß Du diese Aufwendungen so schnell wie möglich ersetzt bekommst." Wenn alles stimmte. Es konnte ja nur im Interesse des Statilius liegen, daß die Unterlagen vollständig waren.


  • “Ach, was kümmern den Senat meine Kosten!“, rief Statilius Taurus ein wenig unwirsch aus.
    “Darum müssen sich die Herren Senatoren, der Consul und der Kaiser keine Sorgen machen.“


    Außerdem wollte Taurus sich wohl nicht gerne in die Karten, pardon, Würfel schauen lassen. ;)


    “40.000 Sesterzen soll das Ulpianum am Ende kosten. Das war der ausgehandelte Preis und mehr werde ich auch nicht verlangen. Aber man soll jetzt die Hälfte davon an mich auszahlen, damit es weitergehen kann. Ich kann nicht bis zum Schluss warten. 20.000 jetzt und 20.000 wenn alles fertig ist. Mehr verlange ich nicht. Man sieht doch, dass schon viel getan wurde. Man muss nur zur Baustelle gehen um zu sehen, dass ich niemanden betrüge. Es wird gebaut.“

  • Ursus runzelte die Stirn. Es gefiel ihm nicht, daß der Mann seine Unterlagen nicht herausrücken wollte und sein Mißtrauen erwachte wieder. Was, wenn nachträgliche Zahlung vereinbart gewesen war? Doch tun konnte er in diesem Moment nicht viel dagegen. Vielleicht war es das beste, erst einmal dem Consul Bericht zu erstatten und mit ihm die weitere Vorgehensweise zu besprechen. "Das kann ich Dir nicht versprechen. Ich kann Dir nur versprechen, daß ich die Angelegenheit mit dem Consul besprechen werde, nachdem ich mir von den Beamten des Palastes habe den Vertrag zeigen lassen, damit ich die genauen Abmachungen erfahre. Mit ordentlichen Unterlagen in der Hand wäre ein für Dich positives Ergebnis sicher etwas leichter - und vor allem schneller - zu erreichen, aber gut, wenn Du es nicht wünschst... Ich informiere Dich über die weitere Vorgehensweise, sobald ich selbst mehr weiß." Es war der allerletzte Versuch, aus dem Mann auf friedliche Weise noch mehr heraus zu bekommen. Wenn der Consul eine genaue Buchprüfung für erforderlich hielt, würde Ursus wiederkommen. Und dann die notwendige Durchsetzungskraft besitzen, um dies auch zur Not gegen den Willen des Statilius vorzunehmen.


  • “Ja. rede mit dem Consul. Sag' ihm, ich verlange nicht mehr als mir zusteht. Sag' ihm auch, dass ich ihn gewählt habe, bei der letzten Wahl. Ich, und meine Klienten mit mir. Meine Stimme hat Gewicht, hier auf dem Quirinal, und ich verlange nichts Unrechtes.“


    Statilius Taurus' große, kräftige Hand landete mit freundschaftlichem Schwung auf Ursus' Schulter.


    “Rede mit dem Consul. Ich verlasse mich auf dich.“

  • Der Schlag kam völlig unerwartet und Ursus sackte für einen kleinen Augenblick in den Knien ein wenig ein. "Wie schon gesagt, ich werde mit ihm sprechen." Mit einem leicht schiefen Grinsen verabschiedete Ursus sich. "Sobald ich mehr weiß, komme ich wieder", versprach er ernst. Dieses Versprechen gedachte er auch zu halten. Was auch immer das Gespräch mit dem Consul ergeben mochte. "Nun, ich denke, damit ist erst einmal alles besprochen. Alles weitere beim nächsten mal. Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag, Statilius Taurus."

  • Es war schon eine aufregende Sache, mit derartig viel Geld durch Rom zu spazieren. Doch zum Glück war er ja gut beschützt worden. Die Erleichterung war natürlich groß, als er endlich das Anwesen des Statilius Taurus erreichte. Ursus war wirklich froh, das Geld endlich loszuwerden. Ein Sklave klopfte für ihn an.

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