Die Straßen um die Villa Flavia herum waren nicht sonderlich belebt, denn es führten keine Durchgangswege durch das Viertel hindurch und nur jene, welche dort lebten, jemanden dort besuchten oder eine Dienstleistung erbrachten, fanden ihren Weg dorthin. Als wäre ihnen zwischen patrizischen Villen und den geräumigen Häusern gut betagter Römer das Sprechen nicht gestattet, um nicht die Ruhe der Bewohner zu stören, schwieg Sciurus, bis dass er und Dido belebtere Gegenden erreicht hatten.
"Pergament ist nicht gleich Pergament. Es gibt gutes, feines Pergament aus den Häuten junger Ziegen und Lämmer, und es gibt grobes Pergament aus den billigen Häuten alter Böcke oder Schweine. Für die Qualität entscheidend ist zudem, wie sorgfältig die Haare und Oberhaut abgeschabt werden, denn Stoppeln stören den Schreibfluss", begann er zu dozieren.
"Wenn du nicht verkauft wirst oder bei den Löwen landest, wirst du eines Tages einem intelligenten Patrizier gehören, der deinen Wert zu schätzen weiß und der ebenso Wert auf gutes Pergament legen wird, so wie es sein Verwandten tun." Natürlich spielte Sciurus dabei auf Serenus an, während er den derzeitigen Herrn Didos - Aristides - außen vor ließ. Der Sklave wusste, dass der Vetter seines Herrn die meisten seiner Schriftstücke - darunter ohnehin kaum etwas von Dauerhaftigkeit - nicht einmal selbst verfasste, dazu fähig war, auf der besten Grundlage unnötige Tintenflecke zu hinterlassen und gutes von schlechtem Pergament vermutlich ebenso wenig zu unterscheiden wusste wie Horaz von Catull.
Triste Insulae zogen an ihnen vorbei, manche versteckt hinter Läden oder Karren voller Waren, aus anderen gähnten ihnen die großen Öffnungen der Tabernae entgegen, in denen aus großen Töpfen, welche direkt in die Theke zur Straße hin eingelassen waren, Eintöpfe und Suppen geschöpft wurden.
"Du wirst feststellen, dass intellektuell gebildete Patrizier irgendwann der Ansicht sind, dass ihre Worte einer besonderen Grundlage bedürfen, wenn sie festgehalten werden sollen, manches mal auch einfach nur deswegen, um bei den Lesern Eindruck zu hinterlassen." Briefe an das Collegium Pontificium etwa, seien sie von seinem eigenen Herrn, von Aquilius oder Lucullus, hatte Sciurus stets nur auf teurem Pergament gesehen, obgleich den Schreibern ebenso wie ihm bewusst sein musste, dass sie dort nicht lange überdauerten. Bisweilen erachtete Sciurus die diesbezüglichen Bedürfnisse seines Herrn als ein wenig übertrieben, doch es gab - durchaus auch an diesem Herrn - weitaus störendere Bedürfnisse, so dass Sciurus der Befriedigung dieser nach hochwertigem Pergament ganz ohne Wertung, welche ihm ohnehin nicht zustand, nachkam.
"Es ist daher für dich nicht nur wichtig zu wissen, welches Pergament du deinem Herrn zu welchem Anlass zu bringen hast, sondern auch, wie die verschiedenen Arten Pergament zu unterscheiden und woran ihre Güte festzumachen ist." Letzteres war dabei weitaus einfacher denn ersteres, denn nur ein Sklave mit äußerst feinem Gespür konnte wissen, wann sein Herr Belanglosigkeiten oder philosophisches Gedankengut festhalten wollte, wann er glaubte, seine schnulzigen Liebesgedichte für die Ewigkeit bewahren zu müssen oder wann nur für die nächste Nacht bei seinem Geliebten.
Ein Hund rannte kläffend an ihnen vorbei, braunfarben mit einigen weißfarbenen Flecken, welcher Dido kaum bis an die Knie reichte, ihm hinterher ein Haufen johlender Kinder, die mit Kieselsteinen nach dem Tier warfen. Sciurus beachtete sie nicht, wartete nur, bis der Lärm vorüber gezogen war.
"Weißt du, wie Pergament hergestellt wird?"