servitriciuum der Frauen

  • Eine junge Botin..


    Tilla nahm den Weg durch den Garten, um durch das Küchenfenster in die Villa hineinzuklettern und sich dort noch etwas vom Rest des Abendessens zu nehmen. Sie huschte mit schnellen Schritten durch die Gänge, kaute Brotrinde und den Käse auf.


    Dann erst schlich sie ins Zimmer der weiblichen Sklaven hinein, streifte die Sandalen von den Füßen und legte sich angezogen in ihr Bett unter die Decke. Ihre Kleidung war gerade schön warm... warum ausziehen? Sie sah sich nach den anderen Mitsklavinnen um. Hatte jemand ihre späte Rückkehr bemerkt oder war jemand wachgeworden? Tilla spähte zu Siv, Caelyn und Nuala rüber... waren die drei Frauen da oder schliefen die in den Kammern direkt bei den Herren?

  • villa | adventus auf leisen Sohlen


    Tilla kehrte zufrieden lächelnd in die Schlafräume der weiblichen Sklavinnen zurück und hockte sich vor die Truhe, die ihre wenigen Habseligkeiten beherbergten. Ja, hoffentlich gefiel der netten Aurelierin das Geschenk und hoffentlich würde Hektor bald vorzeigen, was er von seiner Reise mitgebracht hatte. Tilla öffnete die Truhe und verstaute das Tuch im Inneren der Truhe.


    Wie immer schwirrten viele Fragen und Gedanken durch ihren Kopf, die ihr keine Ruhe liessen. Insbesonders das Wissen, dass Matho tot war, Brix der neue majordormus und der Anblick von Fhionns malträtierten Rücken. Heftig weinend hatte sie vor der Truhe gehockt und sich gewünscht weit weit weg von diesem Dach zu sein.


    Außerdem vermisste sie den Sklaven Maron mit seinem Herrn Cotta. Es war schon äußerst seltsam, dass ihre wenigen Freunde aus Männern bestanden, dominus Ursus und dominus Orestes eingeschlossen, obwohl sie von Kindesbeinen an gelernt hatte Angst vor diesem Geschlecht zu haben. Diese Männer hatten ihr gezeigt, dass sie kein bisschen so waren wie ihr alter grausamer Herr. Seit sie Fhionns Rücken gesehen hatte konnte sie nimmer mehr so wie immer an Corvinus Seite stehen... was war bloß los mit ihm? Trug er eine Maske, die er fallen liess wenn er mit den älteren Sklavinnen alleine war und um dann sein wahres Gesicht zu zeigen? Hatte er sie deshalb an die junge Herrin Laevina verschenkt um ihr sein wahres Gesicht zu ersparen?


    Wer von den anderen Mitbewohnern bloss hatte ihm erzählt wie sie früher unter ihrem alten Herrn gelitten hatte? Die stumme Sklavin sah sich vorsichtig um.. immer noch war sie ganz alleine. Niemand verlangte oder rief nach ihr. Ihre Hand glitt in die Truhe, holte das Messer mit dem blauen Griff heraus, wog es in der offenen Handfläche. Langsam zog sie es aus der ledernen Hülle heraus, betrachtete die sauber glänzende Schneide. Was empfand sie bei diesem Anblick? Schmerzen und Leid... und der Anblick von Blut gehörte dazu. Irgendwann war sie abgestumpft. Mit einer schnellen Bewegung ritzte sie sich die linke Ellenbogeninnenseite, betrachtete den dicken Tropfen Blut der aus der Hautritze hervorquoll.


    Sim-Off:

    Wer mag?

  • Gestern hatte Corvinus mir Tilla geschenkt. Das Mädchen hatte mir auch schon ganz gut gedient. Ich mochte sie wirklich gerne. Und das war mir bei einer Sklavin noch nie aufgefallen. Natürlich würde ich ihr das auch - noch - nicht zeigen. Denn schliesslich war sie meine Sklavin und keine Freundin.
    In der letzten Nacht hatte sie weder bei mir im Zimmer geschlafen, noch vor der Tür. Abends war ich zu müde gewesen um noch nach ihr zu suchen. Aber heute Abend ging ich frühzeitig los um sie zu holen. Erst fragte ich Leone, aber er wusste nicht, wo sie sich aufhielt, also lief ich einige Zeit durchs Haus. Als ich im Atrium eine junge Sklavin traf, fragte ich ziemlich barsch: "Wo hält Tilla sich gewöhnlich um diese Zeit auf?" Die kleine schluckte und gab dann schüchtern Auskunft: "Vielleicht ist sie im Schlafraum... Das ist dahinten um die Ecke...", fügte sie eilig hinzu, als sie sah, dass ich mit der ersten Aussage nichts anfangen konnte und wies mir den Weg. Ich nickte kühl und folgte ihrer Weisung.


    Die Tür des Schlafsaals der Sklavinnen war nur angelehnt. Leise stiess ich sie auf.
    Tilla war alleine im Raum. Sie sass bei einer Truhe und hatte mir den Rücken zugekehrt. In der einen Hand hielt sie das Messer, das mir schon bei unserem ersten Treffen aufgefallen war. Ich wollte sie gerade ansprechen, wollte sie anpampen, sie solle mitkommen. Doch da schnitt sie sich. Ich riss die Augen auf und hielt die Hand vor den Mund. Der Schrei, den ich ausstiess war stumm. Als ich sah, wie das Blut aus Tillas Arm rann, spürte ich wie sich alles anfing um mich zu drehen und wie mir plötzlich übel wurde. Ich stiess einen lauten Seufzer aus und hielt mich schnell am Türrahmen fest um nicht umzukippen. "Nein, Tilla!", stiess ich hervor, bevor ich in mich zusammensackte und es für einen Augenblick schwarz vor meinen Augen wurde.

  • Langsam nur quoll der dunkelrote Blutropfen hervor, als ob er sich zieren würde an die Oberfläche zu kommen und das Licht der Welt zu erblicken. Tilla schnitt sich noch einmal mit dem Messer, erweiterte die Schnittstelle um ein kleines bisschen mehr, damit das Blut endlich floß. Erleichtert atmete sie auf, spürte den Schmerz und das dumpfe stetige Klopfen an der Schnittstelle. Das war wohl ihr kleines Herz welches sich gerade über die Mehrarbeit beschwerte. Stumm betrachtete sie die Bahn des dicken Bluttropfens, welcher begann Stück für Stück ihren Unterarm herunterzufliessen. Sie setzte die Schneide des Messers an die Schnittstelle, um noch ein bisschen mehr Blut herauszubekommen. Ein knarrendes Geräusch liess sie herumfahren.


    Aus großen Augen starrte sie Laevina starr vor Entsetzen an. Wie um aller Welt war Aurelia Laevina bloß hergekommen? Bestimmt nicht durchs Fenster sondern durch die angelehnte Tür. Die junge Frau und Herrin war die allererste höherstehende Person, die sie hier in diesen einfachen Räumlichkeiten aufsuchte. Und offensichtlich war dieser Besuch gerade dabei umzukippen. Tilla liess das Messer zurück in ihre Truhe gleiten, holte das Tuch heraus und verband die Schnittstelle ohne das bereits geflossene Blut abzuwischen.


    Noch im Aufstehen schnappte sie das eigene Kopfkissen, huschte los und platzierte es hinter Laevinas Rücken und Kopf. Nicht auszudenken, wenn die Herrin sich ausgerechnet hier verletzen würde! Tilla hetzte ein weiteres Mal los, holte den Krug Wasser, den sie nachts auszutrinken pflegte, kehrte zurück und bespritzte mit mehreren dicken Tropfen Laevinas blasses Gesicht. Sie versuchte zugleich das Blut mit den Zipfel ihres notdürftigen Verbandes vom Arm abzuwischen. Jetzt klopfte ihr kleines Herz noch schneller...

  • ...


    Kurz darauf sah ich wieder etwas. Doch zuerst war alles nur verschwommen und erst als ich Tilla erkannte, die vor mir kniete und mich mit Wasser bespritzte, fiel mir siedend heiss wieder ein wo und warum ich hier war und was passiert war. Was war eigentlich passiert? Tilla hatte sich geschnitten. Mit Absicht! Wollte sie sich umbringen? Nein, sicher nicht, dafür war es eine schlechte Stelle gewesen, soviel kapierte ich. Hatte ich gedacht, sie wolle sich umbringen? Ich wusste es nicht. Auf jeden Fall war Blut geflossen und das und der Schock hatten mich glatt ohnmächtig werden lassen. Mittlerweile konnte ich wieder richtig sehen. Immer noch mit weit aufgerissenen Augen starrte ich meine neue Sklavin an. In ihren Augen konnte ich sehen, dass sie mindestens so erschrocken war, wie ich. Dabei hatte sie sich doch eindeutig mit Absicht geschnitten! Ich blickte langsam von ihrem Gesicht weg und vorsichtig zu ihrem blutigen Arm. Sie hatte eine Binde über die Wunde gelegt, doch das Blut drang durch den Verband. Mir wurde wieder etwas schwindelig, doch ich biss die Zähne zusammen und das kalte Wasser hielt mich davon ab, wieder dem Bewusstsein zu entfliehen.
    Also versuchte ich meine Sprache zu finden, doch das fiel mir nicht leicht, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Warum hatte Tilla das getan? Das war noch nicht ganz bei mir angekommen. Ich sah sie mit einem langen Blick aus einer Mischung von Vorwurf, tiefem Mitleid und verzweifelter Ahnungslosigkeit an. Mir wurde bewusst, dass sie sich und mich in eine ziemlich aussichtslose Situation gebracht hatte. Als ich schliesslich etwas sagen musste, kam nur ein ziemlich kraftloses aber entschlossenes: "Das Messer! Du kannst es nicht behalten!" Mein Gesicht war immer noch blass vom Schock und aus meinen Augen sprach die pure Verzweiflung. Wie war ich hier bloss gelandet und wie kam ich hier wieder weg??

  • Die Herrin wachte auf... aber WAS bloß wollte ihr benebelter Blick ihr jetzt ohne Worte sagen? Tilla spritzte Laevinas Gesicht mit dicken Tropfen nass und hörte dann auf. Schliesslich hatte sie ja ihr Ziel erreicht, nämlich Laevina wachzukriegen... nur irgendwie schien die Betroffene sich nicht zu freuen sie wiederzusehen. Stumm, mit weit aufgerissenen Augen, während die Schnittwunde schmerzlich zu brennen anfing, erwiderte sie Laevinas Blick und folgte ihren Augen, als diese sich erneut ihrer selbst zugefügten Wunde zuwandte. Tja... wie es schien und so war, hatte Laevina Tilla bei einem ihrer Geheimnisse ertappt.


    Es würde Ärger geben, ganz sicher, aber der kam nicht... stattdessen kam der Herrin ein ganzer Satz über die Lippen. "Das Messer! Du kannst es nicht behalten!" Tilla sah zur Seite, lugte zur Truhe und kramte nach einer Antwort. Das ist MEIN Messer... es gehört nicht dir! beharrte sie mit knappen Gebärden, deutete auf die Truhe, tippte sich selbst auf den Brustkorb. Zuletzt deutete sie auf Laevina, schüttelte den Kopf. Nicht dein Messer. Das ist mein Besitz. Geschenk vom letzten Jahr von Corvinus. Tilla stockte. Mist... sie hatte verraten von wem sie es bekommen hatte. Eilig rutschte sie zurück, stiess mit dem Rücken gegen das Fußteil ihres Bettes und presste die Hand auf den notdürftigen Verband. Und darum ich es behalten kann...

  • Tilla starrte zurück, doch mit meiner Forderung war sie ganz offensichtlich nicht einverstanden. Im Augenblick schien mir das jedoch die einzige Möglichkeit. Ich musste Tilla schützen, notfalls vor sich selbst. Sie war mir lieb geworden in so kurzer Zeit... Naja, und sie war auch mein Besitz.
    So einfach wie möglich, versuchte Tilla mit mir zu kommunizieren, sie wusste ja, dass ich von den Gebärden fast nichts verstand.
    Dass sie das Messer nicht abgeben wollte, kapierte ich aber natürlich, ich hatte es auch nicht anders erwartet, doch ihre Begründung überraschte mich etwas.
    Sklaven hatten überhaupt keinen Besitz. Tilla gehörte mir, daher gehörte auch das Messer mir. Ich schüttelte den Kopf und hielt meine junge Sklavin an ihrem gesunden Arm fest, als sie von mir wegrutschen wollte.
    Ich hatte nicht die Kraft, Tilla festzuhalten, wenn sie wirklich wegwollte, aber ohnehin wollte ich an ihre Vernunft appellieren. Bevor ich mich als ihre Herrin rechtfertigen musste, tat ich lieber zuerst, wonach mir wirklich war.
    "Ich möchte nicht, dass Du dich verletzt! Wenn dir etwas passiert, könnte ich es mir nicht verzeihen..." War das schon zu viel?? War sie mir wirklich so wichtig?? Es war einfach herausgekommen und da mir immer noch etwas schwummerig im Kopf war, machte ich mir weiter keine grossen Gedanken darum. Um meine Argumente noch etwas zu bekräftigen fügte ich nicht ganz fair hinzu: "Du möchtest doch nicht, dass ich Corvinus sage, was Du mit seinem Geschenk anstellst?!" Das war fies, aber es würde vielleicht wirken. Ich schüttelte den Kopf und begrub ihn in meiner freien Hand. Mir war fast zum Heulen zumute. In Griechenland hätte ich die Sklavin sicher gemeldet, ihr das Messer abgenommen und mein Vater hätte sie ausgepeitscht oder verkauft - was war eine Sklavin wert, die sich selbst zerstörte?? Aber hier war niemand, dem ich so vertraute, wie meinem Vater... Bei aller Distanz hatte ich ihm doch vertrau. Und Corvinus hatte etwas mit Tilla gehabt, davon ging ich fast aus. Und Ursus wollte ich auch nichts von meinem neuen Problem erzählen. Von Orestes ganz zu schweigen. Severa würde ich alles erzählen, aber sie würde nicht helfen können.
    Ich fühlte mich elend. Mir kam es vor, als ob ich in einer grausamen Klemme steckte. Ich hatte meine neue Sklavin erwischt, wie sie sich verletzte und hätte sie nun selbst verletzen sollen. Doch das konnte ich nicht.
    Ich holte tief Luft und blickte wieder auf. Ich hielt Tilla noch immer fest. Nochmal schüttelte ich den Kopf und fragte leise: "Wie glaubst Du soll das weiter gehen?"
    Für mich war diese Angelegenheit keine Mücke, sondern ein gewaltiger Elefant und ich hatte keineswegs das Gefühl ich hätte es erst dazu gemacht. Bloss, wenn ich Tilla nicht erwischt hätte... Entweder wär sie jetzt tot. Oder ich hätte es nie gemerkt und diese weitere Sorge wäre mir erspart geblieben.

  • Die Hand der anderen Frau hielt sie fest. Ohne wenn und aber liess Tilla es zu, weil sie Laevina als nicht wirklich stark einschätzte. Als früheres Straßenkind sammelte man so manche Kraft und sie hatte darauf geachtet, von eben dieser Kraft nicht all zu viel zu verlieren. "Ich möchte nicht, dass Du dich verletzt! Wenn dir etwas passiert, könnte ich es mir nicht verzeihen..." Tilla machte große Augen. Was denn? Laevina mochte es nicht wenn sie sich selbst verletzte? Dies war ihr gänzlich neu... dazu würde sie sich auch noch Sorgen um sie machen. Ein tiefer Atemzug verliess Tillas Brustkorb und ihre Hand drückte stärker auf die Wunde, damit diese nicht mehr so arg die notdürftige Binde vollblutete. Der nächste Satz aber zerstörte ihre Entspannung. "Du möchtest doch nicht, dass ich Corvinus sage, was Du mit seinem Geschenk anstellst?!" Sie hätte sich instinktiv losgerissen, fürchtete sich jedoch vor dem Ärger von der jungen Frau. Irgendwie war das verkehrte Welt... Langsam schüttelte sie den Kopf, zeigte ein 'C' an und deutete auf die eigenen verschlossenen Lippen, legte den Zeigefinger davor. Nicht sagen. wollte Tilla ihrer jungen Herrin mit diesen Gesten verständlich machen. Ihr ging auf, dass dieser stumme Kommunikationsweg nicht viel bringen würde, da sie beide sich recht kurz kannten.


    Ganz vorsichtig löste sie Laevinas Griff, tapste am Bett entlang zur Truhe und kehrte mit Tafel sowie weisser Kreidesteine zurück, um dann zu schreiben. Ich schneide mit Messer wenn alleine. Keiner da. Keiner sieht. Keiner kommt. Still und heimlich. Niemand fragt. Lust und Bitterkeit unwichtig für andere, wie Honig und Galle, wie süß und sauer. Nimmer Messer gegen dich legen. Du bist kein Mann. Nicht wie Corvinus, der Fhionn geschlagen hat. Niemand spricht darüber aber ich habe ihren Rücken gesehen. Fhionn hat gesagt, ich soll nicht vergessen. Das Wissen ist schwer auszuhalten. Alle sagen, niemand schlägt... und es wurde doch getan. Warum sie es ausgerechnet der jungen Frau erzählte beziehungsweise niederschrieb? Vielleicht weil es endlich rauswollte.. vielleicht weil sie weniger Galle in sich drin haben wollte?! Und weil sie nicht wissen konnte, dass die Verletzungen Fhionns in Wahrheit von Matho stammten. Alles nur ein Missverständnis oder war Corvinus tatsächlich ein Maskenträger?!? Niemals Messer gegen euch zeigen. bekräftigte sie nickend mit ernstem Blick, reichte Laevina die voll beschriebene Tafel.

  • Natürlich wollte sie nicht, dass ich Corvinus was sagte. Und das würde ich auch nicht. Aber es war offensichtlich ein wirksames Drohmittel. Als Tilla sich sacht befreite, fürchtete ich für einen kurzen Moment sinnloser Weise, sie würde ihr Messer holen. Umso mehr war ich beruhigt, dass sie nur die Tafel brachte. Das war sehr hilfreich. Ich schenkte ihr einen dankbaren Blick, doch schnell wandelte sich mein Ausdruck wieder in Verzweiflung und Niedergeschlagenheit.
    Während Tilla schrieb, beobachtete ich sie aufmerksam und wagte auch noch einen Blick auf ihre Wunde. Wieso hatte sie das getan? Tat das nicht weh? Als hätte jemand eine Tür offen stehen lassen und als träfe mich der kalte Zug, so kam mir langsam eine Erkenntnis und liess mich schaudern. Meine kleine Sklavin tat sich weh. Oft ass ich nichts oder viel zu wenig. Ich hatte keinen Appetit... und genoss es, wenn mir der Magen vor Hunger schmerzte. Diese Art von Schmerz liess mich einige Sorgen vergessen, andere, schöne Sorgen - die Wehmut nach Severa - die ich, den Göttern sei dank, nun ja endlich wiedergefunden hatte, die Einsamkeit oder das Verliebtsein... - schöne Sorgen vertiefte es. Es war verrückt. Doch vielleicht ging es Tilla ähnlich. Zum ersten Mal sah ich sie mit ganz anderen Augen. Sie war mir plötzlich näher. Sie hatte Gefühle, die ich auch hatte, ich konnte sie verstehen. Und gleichzeitig machte mir diese Verwandtheit Angst und stärkte meine Entschlossenheit, sie vor sich zu beschützen. Mich konnte ich nicht retten, aber sie...
    Ich hatte meinen Kopf schief gelegt und musterte sie mit einem schmerzlich-süssen Ausdruck, als sie mich überraschte indem sie mir die beschriebene Tafel reichte.
    Wieder einmal hatte mein Gegenüber soviel teilweise wirres Zeug geschrieben, dass es mir schwerfiel so schnell alles zu verarbeiten und vor allem zu verstehen.
    Obwohl ich mich in meinen verbindenden Gefühlen zu meiner Sklavin bestätigt fühlte - ich konnte Lust und Bitterkeit kaum deuten, aber es klang so vertraut, so innig - versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Doch mein Herz klopfte schneller.
    Leider hatte sie mich nicht verstanden; sie dachte mir ginge es um meine Sicherheit. War es mir darum gegangen?? Wohl auch. Aber nicht hauptsächlich. Ich schüttelte innerlich den Kopf über mich. Die ganze Zuwendung, die ich seit meiner Ankunft in Rom erhalten hatte, hatte mich verändert.
    Doch, dass sie es nicht tun würde, weil ich kein Mann wäre, beunruhigte mich wiederum. Sie drohte zwischen den Linien, Corvinus oder andere Männer anzugreifen.
    "Nein! Du darfst Dichnicht verletzen! Und jetzt muss ich es dir erst Recht wegnehmen. Du hast ja fast selber gesagt, dass Du Corvinus ermorden willst..." Ich schluckte. Als sie von Männern geschrieben hatte, waren meine Gedanken zuerst zu Ursus gegangen. Doch das tat jetzt nichts zur Sache. "Wenn er tatsächlich Fhionn hat auspeitschen lassen...", sagte ich zweifelnd - obwohl es mir tatsächlich nicht aussergewöhnlich erschien eine Sklavin zu peitschen, bloss traute ich es Corvinus nicht leichtfertig zu, "dann hatte er sicher einen Grund. Was hat Fhionn denn getan?" Oh, nein. Das war sicher nicht sehr überzeugend für Tilla. Sie war selbst Sklavin und womöglich auch noch Freundin von dieser anderen Sklavin... War das nicht die aus dem Bad mit dem seltsamen Akzent? Einem Impuls folgend wollte ich Tilla versprechen, sie nie zu schlagen, doch als ich noch einmal las, was sie geschrieben hatte, fand ich es gefährlich ihr etwas zu versprechen, was ich im Zweifelsfall nicht würde halten können, auch wenn ich wollte. Was wäre zum Beispiel, wenn sie tatsächlich etwas gegen Corvinus unternehmen sollte?
    Also sagte ich nichts und wartete auf eine Erklärung von Tilla und auf die Ausführung meiner Bitte nach dem Messer.

  • Gut, Laevina würde nichts zu Corvinus sagen. Wieder einmal atmete sie auf und nickte zufrieden dreinschauend. Ihre Herrin aber wollte nicht von dem Thema 'Messer' und 'Selbst verletzen' ablassen. Tilla zog die Tafel herbei, wischte alles weg und schrieb drauflos, noch während Laevina weitersprach. Das konnte sie gut.. zuhören und schreiben. Trotzdem... damit alles raus kann, tue ich mir weh von eigener Hand. Corvinus war bisher keiner von denen. Aber jetzt ist er einer von denen, weil er Fhionns Rücken wehgetan hat. Fhionn konnte sich nicht gegen ihn wehren, aber ich möchte mich gegen ihn wehren. Ich weiss nicht, ob er mich jetzt überhaupt noch beachtet, weil er mich inzwischen an dich weiterverschenkt hat. Fhionn hat einen wichtigen Mitsklaven getötet, der schlecht zu uns allen war. Vielleicht war der Mörder der Hausherr selbst, um die Schuld auf Fhionn zu schieben. Immer kommt es für die Kleinen ganz dick und die Großen schauen ganz unschuldig, halten uns alle für die bösen, obwohl wir rein gar nichts gemacht haben, um die Großen böse und ärgerlich und wütend zu machen. legte sie ihrer jungen Herrin ihr gesammeltes Wissen samt unsicheren Vermutungen und fixen Ideen dar.


    Die Herrin hatte aufgehört zu sprechen. In ihren Sätzen steckte die Forderung nach dem Messer. Tilla schüttelte vehement mit dem Kopf, verzog das Gesicht. Mein Messer. versuchte sie noch einmal klarzustellen. Den einen Versuch war es wert, um sich wehren zu können, wenn es ganz dicke kam. Mein Rücken sah genauso wie der von Fhionn aus, als ich damals heimlich geflohen bin. Die Narben auf dem Rücken und die Erinnerungen im Kopf werden niemals verschwinden. Nie! Zu keiner Zeit. Mit schwach zitternder Hand gab sie die Tafel Laevina zurück, erhob sich ein weiteres Mal, um zur Truhe zurückzukehren und das noch blutige Messer herauszuholen. Tilla brachte zudem ein sauberes Tuch mit, um das Blut, welches noch an des Messers Schneide hing, wegzuwischen. Ihr fiel noch etwas ein. Langsam gebärdete sie. Mir soll niemand mehr wehtun. Was ich erlebte, reicht für mein weiteres Leben. Du würdest dich auch wehren, wenn es gefährlich wird. Darum ist das mein Messer. Tilla legte das Messer zwischen sich und der Aurelierin hin... genau in die Mitte.

  • Sie hörte mir nicht einmal zu, sondern schrieb sofort wieder los! Doch, als ich dann las, was sie schrieb, wurde mir bewusst, dass sie beides gleichzeitig konnte. Ihre ganzen Gedanken und Geheimnisse, wie es mir vorkam, überwältigten mich fast. Fast niemand war je so ehrlich gewesen. Wie sollte ich damit umgehen?? Gefühle bei seite gelassen, so stand fest, dass Tilla gefährlich war. Sie würde im Zweifelsfall einen Römer töten, sie war geflohen, "beschädigte" sich selbst. Das allein wäre schon Grund genug für Steinbruch oder Kreuz. Zumindest nachdem sie alles so freimütig gestanden hatte. Aber ich konnte Gefühle natürlich nicht aussen vor lassen. Und ich wollte es auch nicht. Es war ziemlich aufregend zu wissen, was Tilla von Corvinus hielt und ihm das Geschehene zu verschweigen.
    Fhionn war also selber Mörderin gewesen. Nun, jeder Sklavenhalter in Rom hätte sie dafür auspeitschen lassen. Deswegen schüttelte ich auch verständnislos den Kopf. Doch diese absurde Situation, in der ich mich befand, war zu faszinierend, als dass ich sie beenden wollte oder konnte. Ich sass im Schlafsaal der Sklavinnen und erfuhr die Geheimnisse meiner Sklavin. Doch weil mich das so fesselte, griff ich auch nicht sofort nach dem Messer, sobald ich es gekonnt hätte. Ich las und musterte dann Tilla. Eine Träne war in meinen Augen. Ich hatte Mitleid, ja. Und ich war ziemlich verzweifelt, weil ich mir nie hätte vorstellen können, wie sehr Tilla fühlte. Und nun musste ich eine furchtbare Entscheidung treffen.
    Mit belegter Sprache fragte ich nun lieber - immerhin war Tilla mir mit dem Herbeibringen des Messers entgegengekommen:"Verstehst Du das nicht?? Nicht nur bist Du bedroht. Auch ich bin immer in Gefahr. Wie kann ich sicher sein, dass Du mir oder meinen Verwandten nichts antust? " Mir wurde bewusst, wie leicht sie mich genau in diesem Moment verletzen könnte. Doch ein inneres Gefühl liess mich ruhig sitzen bleiben. Tilla war zu ehrlich um mir jetzt etwas anzutun. Ich hoffte, dass der freundliche und vertrauensvolle Weg der Richtige war -- Nein, tatsächlcih dachte ich darüber wenig nach. Ich handelte, wie man mit mir nicht gehandelt hatte, als ich klein war. Ich tat, was ich dringend brauchte - gab Verständnis und Einsicht so weit es ging.

  • Oh, wenn Tilla wusste, was Laeviona über sie und ihre Meinung dachte, hätte sie bestimmt nicht soviel von sich erzählt. Aber sie hatte schon auf die Tafel niedergeschrieben, was sie mit dem Selbstverletzen ausdrücken wollte, nämlich sich selbst erleichtern von dem was sie ganz arg beschäftigte oder bedrückte. Diese Art von Selbstverletzung mit dem Messer hinterliess tiefe Narben in ihrer Ellenbogeninnenseite und auf längerfristige Sicht musste sie sowieso bald eine neue Stelle am Körper suchen, wo sie weitermachen konnte. Niemandem war es aufgefallen oder man hatte sie nicht angesprochen. Tilla war schlichtweg anwesend und hatte die besondere Gabe immer da und dort unpassend reinzuplatzen, wenn sie eigentlich nicht sollte. Mit schiefgelegtem Kopf verfolgte sie Laevinas Kopfschütteln, runzelte die Stirn und wartete auf die nächsten Worte aus Laevinas Mund. Leider folgten keine Erklärungen zum Kopfschütteln... Und weil sie ihre Herrin sowieso schon aufmerksam musterte, entging ihr dessen schimmernde Träne nicht. Wieder zog sie die Tafel an sich und schrieb. Warum weinst du?


    Mit weiterhin schiefgelegtem Kopf sah sie Laevinas ganz genau an und zuckte als erste Reaktion hilflos mit den Schultern. Nein. du bist nicht bedroht, das habe ich dir schon geschrieben. Du stellst komische und ganz schön schwer zu beantwortende Fragen. Wie kann ich mir sicher sein?! Keine Ahnung. Und woher bloß soll ich denn wissen was heute sein wird und morgen auf mich oder uns zukommt? Das Messer wirkte verlockend auf Tilla. Sie war gestört worden.. von der bitteren Galle war noch nicht genug geflossen. Fest biss sie sich auf die Lippen. Tilla stand ruckartig auf und setzte sich auf ihr Bett, zog die Beine in den Schneidersitz, lehnte sich mit dem Rücken gegen die kalte Wand. Zumindest für diesen einen Moment war sie außer Reichweite des Messers und somit keine Gefahr für ihre Herrin. Mit gesenktem Kopf blickte sie auf die Notbandage und das eingetrocknete Blut.

  • "Ich weine nicht!", sagte ich trotzig und wischte mir die Träne von der Wange. Das konnte ich mir selbst nicht so genau erklären, also noch viel weniger Tilla.
    Fast, als wollte sie sich in Sicherheit bringen, so setzte Tilla sich auf ihr Bett und weg von mir und ihrem Messer. Ich wollte es nicht.
    "Ich will es nicht!", sagte ich dann auch bestimmt. Doch sie liess mir kaum eine Wahl, weil sie mich nicht verstehen wollte, obwohl ich schon so klar geredet hatte. Also hatte ich schon kurz darauf das Messer in meiner kalten Hand. Dabei beobachtete ich, wie Tilla reagieren würde. Das Messer bedeutete ihr klar viel.
    "Du kannst es Dir abholen, wenn Du es wirklich brauchst oder wenn wir ausgehen. Aber über Nacht behalte ich es." Da fiel mir wieder ein, weshalb ich überhaupt hergekommen war. "Du sollst auch bei meinem Zimmer im Nebenraum schlafen. Ich brauch dich doch jetzt!" Wieso fiel es mir so schwer, Tilla das Messer wegzunehmen? Alle Argumente sprachen dafür, doch nichts desto trotz fühlte ich mich schlecht. Ich hielt die Waffe jetzt fest in meiner Hand und beobachtete meine junge Sklavin ohne mich zu rühren.

  • Wenn sie heute noch wie alle anderen Menschen ganz normal sprechen könnte, dann hätte sie ganz bestimmt erwidert, dass Laevina weinte. Aber sie konnte heute nicht mehr sprechen, weil ihr die Stimme weggenommen worden war. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie auf und Laevina an und zuckte schließlich mit den Schultern. Die Ältere wollte immer noch nicht, dass sie das Messer besaß und an sich nahm. Sie nahm es sogar an sich, hielt es nun fest.


    Tilla wusste, wenn sie sich jetzt in Laevinas Richtung bewegte, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit den bisher ausgebliebenen Ärger bekommen. Und wie ein solcher Ärger aussah, wollte der kleine Irrwisch nicht wissen.. besser noch gar nicht oder überhaupt nicht wissen. Wie gewohnt spitzte sie die Ohren, lies sich den Vorschlag durch den Kopf gehen, nickte kurz. Naja.. wenn sie mehrmals drum bitten würde, würde Laevina es bestimmt vergessen zurückzufordern... oder sie gab vor, dass sie es verloren hatte. Dann würde das Messer in Vergessenheit geraten und wieder ihr alleine gehören. Jetzt gleich mitkommen und ab sofort bei dir schlafen?? Na gut, mir bleibt nichts anderes übrig. Ich bin für dich ein Geschenk und daß du mich erwischt hast war reiner Zufall. Ich werde besser aufpassen...


    Langsam rutschte sie vom Bett über die Kante zu Boden und packte die übrigen ihr gehörenden Sachen, die außerhalb ihrer Truhe sich befanden sowie das Bettzeug darin ein. Mit einem leisen Knall ließ sie den Deckel niedergehen, drehte sich zu der jungen Herrin um. Die Wunde schmerzte durch die viele Bewegung, aber sie war diesen Schmerz gewohnt. Aus dunklen Augen heraus betrachtete sie das Messer, schluckte hart. Bettzeug und Decke, Kleidung und Sandalen, Kieselsteine zum Schleudern samt Stoffreste, Walnüsse und Lederbänder, die eine oder andere Beute in Form von Münzen, eine selbstgebastelte Puppe beherbergte die hölzerne einfache Truhe mit der eisernen Schnalle. Mit einer Hand hob sie die liegengelassene Schneide vom Boden auf und behielt diese in der Faust. Genug Schritte trennten sie von Laevina, die von Tilla einmal mehr gemustert wurde. Und jetzt?!?

  • Tilla fand sich mit meinem Vorschlag ab und sammelte ihre Sachen zusammen. Sie hatte erstaunlich viele seltsame und bunt zusammengewürfelte Dinge, die sie alle mit Truhe und Bettzeug aufhob und dann fragend auf mich schaute.
    Ich nickte und öffnete die immer noch angelehnte Tür, blieb jedoch noch einmal stehen und betrachtete Tilla genau und dann ihre Verletztung am Arm. Ganz sacht berührte ich sie oberhalb ihrer Hand nahe des Verbandes. Noch einmal schaute ich ihr tief in die Augen. Dann drehte ich mich abrupt weg und ging voraus zu meinem Zimmer. Dort angekommen wies ich meiner jungen Sklavin, der ich viel näher gekommen war an diesem Abend, den kleinen Nebenraum neben meinem eigenen Zimmer zu und wünschte ihr eine gute Nacht. Als ihre Tür geschlossen war, suchte ich einen Ort um das Messer zu verstecken. Zuerst überlegte ich, es unter mein Kopfkissen zu legen, doch ich hatte zuviel Angst, es könne mich verletzen. Also verstaute ich die Waffe in einer der Schriftrollen, die in meinem Regal standen.
    Müde war ich, furchtbar müde und erschöpft von dem Erlebnis mit Tilla und meiner Ohnmacht. So schlief ich auch bald ein, obwohl mich die neue und ungewohnte Beziehungssituation verwirrte und verunsicherte.

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