Schlaflosigkeit. Unruhe. Hellwach hatte Severa ihr Zimmer verlassen und schlich katzenhaft, kaum vernehmbar durch das aurelische Domizil.
Alle Villenbewohner, gleich ob Sklave oder Patrizier, hielten sich zu dieser Zeit in ihren privaten Räumlichkeiten auf. Ihre Stola raschelte leise, als sie durch die stillen Gänge schritt. Es war dunkel. Einzig die etlichen Öllampen durchbrachen die Finsternis. Ein düsterer Mantel umschloss Rom, die Nacht war angebrochen. Es war ihr erster Tag in jener Stadt, als die Aurelia keinen Schlaf fand. Ihr Weg führte sie in das Peristyl, dem wohl behaglichsten Ort in der ganzen Villa. Ein kühler Windzug stieß ihr entgegen, als sie durch den Säulengang schritt. Dieser Platz war so idyllisch, so friedvoll und vor allem so fern gelegen von dem Chaos, das überall herrschte. Man befand sich an der frischen Luft und war dennoch von sämtlichen Gemäuern geschützt. Generell hasste Severa die Stille. Die Einsamkeit. Aber die Schlaflosigkeit trieb sie aus ihrem Bett.
Vor allem jedoch war dies der Ort an dem man am besten nachdenken konnte. Ihre Gedanken kreisten für gewöhnlich stets um ihre Familie.
Um ihre Mutter, die Severa einsam zurückließ. Hätte ich bei ihr bleiben sollen?
Um ihre verstorbene Schwester, welche sich so von ihr abgeseilt hatte. Wieso hat sie mich so im Stich gelassen?
Um ihren Vater, welcher zu früh hatte sterben müssen. Wieso hat er mich allein gelassen?
Um ihre Cousine, ihrer zweiten Hälfte, ihrer besten Freundin. Ist sie immer noch so wie früher, hat sie sich verändert?
Laevina. Sie war jene Bewohnerin dieser Villa, welche mit Severa am nähesten verwandt war, mit welcher sie am meisten vertraut war. Seit ihrer Kindheit waren die beiden Mädchen beste Freundinnen.
Severa hatte Laevina als eine Art Schwester angesehen, von Anfang an. Diese Ansicht verstärkte sich nur, als Antonia sich derart zurückzog. Selbst von ihr. Lange quälte sie diese Tatsache, welche sie stets zu verdrängen versuchte. Severa atmete tief durch. Sie hatte längst ein neues Leben begonnen, Antonia gehörte zu ihrer Vergangenheit. Genau wie die Schmerzen, die sie ihr zugefügt hatte. Erbarmungslos. Ungerührt wie sie war. Ihr war es vollkommen egal wie sich Severa dabei fühlte. Damals war es schwer für die sonst so lebenslustige, impulsive und stets gut gelaunte Aurelia damit umzugehen. Heute hatte sie sich schon fast davon gelöst.
Wie spät es wohl war? Die Patrizierin drehte sich leicht zur Seite, als sie meinte, ein Geräusch gehört zu haben. War doch noch jemand wach? Konnte Irgendjemand ebenfalls nicht schlafen?
"Hallo?" Schallte es in den stillen Raum hinein.
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