peristylium | Nachtwanderung

  • Schlaflosigkeit. Unruhe. Hellwach hatte Severa ihr Zimmer verlassen und schlich katzenhaft, kaum vernehmbar durch das aurelische Domizil.
    Alle Villenbewohner, gleich ob Sklave oder Patrizier, hielten sich zu dieser Zeit in ihren privaten Räumlichkeiten auf. Ihre Stola raschelte leise, als sie durch die stillen Gänge schritt. Es war dunkel. Einzig die etlichen Öllampen durchbrachen die Finsternis. Ein düsterer Mantel umschloss Rom, die Nacht war angebrochen. Es war ihr erster Tag in jener Stadt, als die Aurelia keinen Schlaf fand. Ihr Weg führte sie in das Peristyl, dem wohl behaglichsten Ort in der ganzen Villa. Ein kühler Windzug stieß ihr entgegen, als sie durch den Säulengang schritt. Dieser Platz war so idyllisch, so friedvoll und vor allem so fern gelegen von dem Chaos, das überall herrschte. Man befand sich an der frischen Luft und war dennoch von sämtlichen Gemäuern geschützt. Generell hasste Severa die Stille. Die Einsamkeit. Aber die Schlaflosigkeit trieb sie aus ihrem Bett.


    Vor allem jedoch war dies der Ort an dem man am besten nachdenken konnte. Ihre Gedanken kreisten für gewöhnlich stets um ihre Familie.
    Um ihre Mutter, die Severa einsam zurückließ. Hätte ich bei ihr bleiben sollen?
    Um ihre verstorbene Schwester, welche sich so von ihr abgeseilt hatte. Wieso hat sie mich so im Stich gelassen?
    Um ihren Vater, welcher zu früh hatte sterben müssen. Wieso hat er mich allein gelassen?
    Um ihre Cousine, ihrer zweiten Hälfte, ihrer besten Freundin. Ist sie immer noch so wie früher, hat sie sich verändert?
    Laevina. Sie war jene Bewohnerin dieser Villa, welche mit Severa am nähesten verwandt war, mit welcher sie am meisten vertraut war. Seit ihrer Kindheit waren die beiden Mädchen beste Freundinnen.
    Severa hatte Laevina als eine Art Schwester angesehen, von Anfang an. Diese Ansicht verstärkte sich nur, als Antonia sich derart zurückzog. Selbst von ihr. Lange quälte sie diese Tatsache, welche sie stets zu verdrängen versuchte. Severa atmete tief durch. Sie hatte längst ein neues Leben begonnen, Antonia gehörte zu ihrer Vergangenheit. Genau wie die Schmerzen, die sie ihr zugefügt hatte. Erbarmungslos. Ungerührt wie sie war. Ihr war es vollkommen egal wie sich Severa dabei fühlte. Damals war es schwer für die sonst so lebenslustige, impulsive und stets gut gelaunte Aurelia damit umzugehen. Heute hatte sie sich schon fast davon gelöst.


    Wie spät es wohl war? Die Patrizierin drehte sich leicht zur Seite, als sie meinte, ein Geräusch gehört zu haben. War doch noch jemand wach? Konnte Irgendjemand ebenfalls nicht schlafen?
    "Hallo?" Schallte es in den stillen Raum hinein.


    Sim-Off:

    reserved

  • Es war spät gewesen, als Orestes und ich vom Gastmahl bei Tiberius Durus in die villa zurückgekehrt waren. Wir beide hatten dem Wein gut zugesprochen, auch wenn Orestes sich ob der Anwesenheit einer ganz bestimmten Tiberia doch sehr gezügelt hatte. Vermutlich war er bereits ins Bett gegangen, überlegte ich. Selbst jedoch bar jeder Müdigkeit, hatten mich meine Schritte vor den kleinen Hausaltar geführt, wo ich die Glut geschürt und mit geübten Gesten die so vertrauten Handgriffe durchgeführt hatte. Weihrauch verströmte seinen intensiven Duft immer noch, obwohl die Glut bereits erkaltet war. Lediglich eine Öllampe spendete schummriges Licht. Ich hatte Zwiesprache gehalten mit den Ahnen, hatte ihnen leise von Celerina erzählt und den Dingen, die mir eine Bürde waren. Es erleichterte stets, sie mit jemandem zu teilen, und nur die Ahnen waren mir geblieben, seitdem Prisca durch Italien reiste.


    Schlussendlich, die Morgenstunde musste bereits näher denn Mitternacht sein, erhob ich mich. Mit steifen Gliedern und dumpf pochendem Schädel nahm ich die Öllampe und strebte jedoch nicht etwa meinem Gemach entgegen, sondern lenkte meine Schritte zum Peristyl hin, um noch ein wenig der klaren, frischen Luft zu schöpfen, mit der die Nacht Rom zumeist überzog. Ich hatte die Schwelle hinaus gerade erreicht, als ich einen schwachen Lichtschein sah. Innehaltend runzelte ich dir Stirn und strengte die Augen an, doch außer dem Schein konnte ich nichts entdeckten, weder Quelle des Lichts noch etwas anderes. Ich sah in das Licht meiner Öllampe und dachte nach. Bis eine zarte Stimme erklang, hatte ich noch vermutet, es handelte sich um eine vergessene Öllampe. Doch dann kniff ich überrascht die Augenlider zusammen. War sie es wirklich? War sie zurück?


    Zügig machte ich einen Schritt hinaus, und schalt mich gedanklich einen Narren, dass ich eben ins Licht hatte schauen müssen - nun sah ich rein gar nichts mehr, zumindest für eine Weile. "Prisca?" fragte ich und blieb stehen, um nicht noch gegen eine Säule zu laufen, die ich schlichtweg nicht sah. Die Ohren gespitzt, nur noch die tunica tragend, die ich unter der toga auf dem Bankett getragen hatte, harrte ich der erlösenden Antwort. Wenn sie zurück war, würde ich endlich wieder jemanden haben, dem ich bedingungslos all das anvertrauen konnte, was mich bewegte.

  • Severa zuckte ein wenig zusammen, als sie eine Männerstimme vernahm, welche ihre Vermutung bestätigte, dass noch jemand anwesend sein musste. Jene ihr noch unbekannte Stimme fragte nach Prisca, deren Name ihr durchaus bekannt vorkam. Severa glaubte sich daran zu erinnern, dass Prisca ebenfalls hier in der Villa lebte. Also war er allem Anschein nach ein Mitglied der Familie. Orestes konnte es nicht sein, klang seine Stimme doch um Längen nicht so tief und rauchig wie diese. Andere männliche Villenbewohner hatte Severa noch nicht getroffen, weswegen es eigentlich jeder beliebige Mann sein konnte, der hier residierte. Leicht unbeholfen drehte sie sich um, die Quelle der Stimme suchend und erkannte schließlich die Umrisse des Mannes, der nicht weit entfernt von ihr stand. Er hielt eine Öllampe in seiner Hand, wodurch sie ihn verschwommen erkennen konnte. Hilflos wie sie jetzt da stand, abrupt aus ihren Gedanken gerissen suchte sie
    nun angestrengt nach einer passenden Antwort - was sollte sie bloß sagen?


    "Nein." Meinte die Patrizierin zunächst noch tonlos, unwissend, mit wem sie eigentlich sprach, während sie versuchte sich in Richtung des Mannes zu tasten, bis sie sein Gesicht erkennen konnte. "Corvinus?" Ihre Augen weiteten sich ein wenig, als sie den Mann zu erkennen glaubte und ein Lächeln bildete sich sogleich auf ihren Lippen.
    "Bist du das?", fragte Severa sicherheitshalber und versuchte den Mann, der um einen ganzen Kopf größer als sie selbst war, in der nur schwachen Beleuchtung zu mustern. "Ich bins, Severa!", fügte die
    Aurelia nach binnen weniger Sekunden an, ehe er die Möglichkeit hatte etwas zu sagen und ihr eingefallen war, dass Marcus sich vielleicht nicht an sie erinnern konnte. Ihr letztes Treffen ist zu lange her gewesen, als dass man sich jetzt hier in der Dunkelheit so plötzlich wieder erkennen konnte. Die Patrizierin empfand diese absonderliche Situation als blamabel, was sollte er jetzt nur von ihr denken, etwa,
    dass sie jede Nacht durch die Villa geisterte? Aber was machte er eigentlich hier? Severa zog ihre Stola aufgrund der zunehmenden Kälte enger an sich, sicherheitshalber schweigend, so ratlos wie sie war und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Jetzt würde sie ohnehin nicht mehr schlafen können.

  • Bei der anschließenden, abrupten Bewegung hin zum Quell der Stimme rutschte der Docht meiner Öllampe ein wenig tiefer ins Öl hinein, was nach sich zog, dass das ohnehine schon kleine Flämmchen nur noch etwas mehr schrumpfte. Dunkle Haare umrahmten ein dunkles Gesicht - nicht weiter verwunderlich angesichts der mondlosen Nacht - doch das ersehnte Ja kam nicht als Antwort, sondern sein Gegenpart. Enttäuschung schlug über mir zusammen wie die Welle über dem Ertrinkenden, ich schalt mich gedanklich einen Narren - natürlich hätte Prisca ihr Kommen angekündigt, wie ich sie gebeten hatte.


    Nun wollte ich allerdings genauer wissen, wen ich dort vor mir hatte. Prüfend kniff ich die Lider zusammen, als die Frau im Dunkel erriet, wen sie dort vor sich hatte. Corvinus. Warum nur glaubte letztlich jeder in dieser Familie, er müsse mich so förmlich anreden? Ich seufzte leise. "Ja", gab ich zur Antwort und schritt nun näher heran. Es war doch schon kühl, allmählich in dieser Jahreszeit, und ganz besonders zu solch später Stunde, wenn man draußen war. Was mich zur Frage brachte, warum sie draußen war, wer immer sie auch sein mochte. Helenas Stimme klang definitiv anders, zudem wusste ich sie im Süden Italiens bei ihrer Tante. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, erkannte ich mehr von - wie sich jetzt herausstellte - Severas Gesicht. Nun stahl sich auch ein Lächeln auf meine Züge. "Severa? Ja ist denn das möglich?" fragte ich mit deutlich zum Positiven hin veränderter Stimme und blieb schließlich nahe bei ihr stehen. "Man erkennt dich ja fast nicht wieder, und daran ist sicherlich nicht nur die Dunkelheit schuld", sagte ich und schmunzelte. "Ich wusste gar nicht, dass du wieder zu Hause bist - bist du heute Abend angekommen?" Anders würde es kaum Sinn machen, dann hätte ich doch davon erfahren, dass Severa anwesend war. "Kannst du nicht schlafen?"

  • Ihre Haare, die wie sonst immer mal nicht zusammengebunden waren, wehten bei dem kommenden Windzug wild durcheinander - was den Effekt hatte, dass sie noch zerzauster aussahen als sie es ohnehin schon taten. Wie ärgerlich. Gerade jetzt. Es brauchte eine gewisse Zeit, bis Marcus erkannte, dass er Severa vor sich hatte. Letztere lächelte unentwegt, wie sie es auch sonst immer tat und ihre Augen strahlten, was Marcus vermutlich aufgrund der Dunkelheit nicht sehen konnte. Sie stellte sich leicht auf ihre Zehenspitzen, um ihren Großcousin kurz, aber herzlich zu umarmen. "Ich bin ja so froh dich wieder zu sehen!"
    Waren die Worte die daraufhin folgten und diese entsprachen vollkommen der Wahrheit. Einen Monat länger bei ihrer Mutter und sie wäre gestorben, zumindest vor Langeweile.
    "Ja, das liegt daran dass ich jetzt gewachsen bin." , scherzte Severa lachend. "Ich bin vorhin, also besser gesagt heute Abend nach Hause gekommen, dabei hab ich Manius getroffen." Aurelias Augen gewöhnten sich zunehmend an die Dunkelheit, so dass sie Corvinus besser mustern konnte. "Du siehst ja wirklich toll aus - zumindest für dein Alter!" Severa grinste schelmisch und hoffte, dass Marcus diesen kleinen Witz, den sie ironisch gemeint hatte, verstehen würde. "Das ist ja meine erste Nacht seit langem hier und... ich bin einfach zu aufgeregt als dass ich jetzt schlafen könnte." , gab sie offen zu und war wirklich froh darüber, dass er ebenfalls noch wach war. "Deswegen bin ich froh dass du auch noch wach bist!" Wie sie es hasste allein zu sein. Es war so öde. Auf dem Land bekam sie das zu spüren, viel zu lange weilte sie dort. Hier in Rom blühte das Leben. So lange hatte sie die Rückkehr in jene Stadt herbei gesehnt und jetzt endlich war sie hier. Ein schlechtes Gewissen quälte sie dennoch, hatte sie ihre Mutter einfach einsam zurückgelassen, diese war jetzt nur noch von wenigen Sklaven und natürlich der Natur umgeben. Grauenhaft.
    "Du glaubst nicht wie schrecklich es war. Ich will nie wieder zurück auf das Land!", erzählte Aurelia mit einer derart spürbaren Abneigung in der Stimme wie man es wohl nie von ihr gehört hatte. "Aber jetzt zu erfreulichen Themen, Manius hat mir erzählt dass du dich mit einer Flavierin verlobt hast. Das ist wirklich schön zu hören." Ob es wohl unpassend war gleich zu Anfang davon zu sprechen?
    Severa war jedoch so neugierig, es ging scheinbar eine Heiratswelle durch die Villa, hat sie doch von Orestes erfahren dass Prisca ebenfalls bald einen Flavier ehelichen würde.
    Und er selber blieb auch nicht verschont. Wunderlich war es für Severa zwar immer noch, dass er ihr gleich erzählte er habe sich verliebt, aber etwas dagegen einzuwenden hatte sie zweifelsohne nicht. Es war schlichtweg zu interessant. Und es war eine zu erfreuliche Neuigkeit, als dass man diese in irgendeiner Weise hätte ablehnen können.

  • Die Luft entwich mir leise ob der plötzlichen Umarmung, die ich nach einem Bruchteil von Sekunden auch herzlich erwiderte. "Ja, es ist schön, dich wieder hier zu haben. Willkommen zu Hause", entgegnete ich schmunzelnd und ließ die Arme wieder sinken. Ihr helles Lachen erinnerte mich erneut an Prisca. Im nächsten Moment allerdings sah ich sie entrüstet an. "Autsch. Das war schmerzhaft", gab ich trocken zurück, konnte jedoch ein Grinsen nicht ganz unterdrücken. So alt war ich schließlich noch gar nicht. "Gehen wir ein Stück? Oder möchtest du lieber hinein?" fragte ich sie. Um die Uhrzeit war es sehr kühl hier draußen, aber gegen einen kleinen Spaziergang war gewiss nichts einzuwenden.


    Auf ihre Erklärung hin nickte ich. "Verständlich. Aber das wird morgen Abend sicher ganz anders sein. Da bist du dann froh, dass du endlich in die Federn kannst. Hast du außer Manius noch jemanden angetroffen heute? Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, Laevina war mit Tilla in der Stadt", erzählte ich. "Ich war heute Abend bei den Tiberiern eingeladen. Es ist etwas später geworden, und ich habe auf dem Weg ins Bett noch beim Hausaltar vorbeigesehen. Deswegen geistere ich hier noch herum", erklärte ich und lächelte Severa an, bis ich lachen musste ob ihrer inbrünstigen Verwünschung des Landlebens. "Ach naja. Manchmal ist es schon ganz angenehm, aber mehr als ein paar Wochen würde ich es wohl auch nicht aushalten", gab ich zu und zwinkerte. "Was hat deine Mutter gesagt? Sie ist doch sicher traurig, dass du zurück nach Rom wolltest?"


    Kurz darauf musste ich feststellen, dass solche Neuigkeiten schneller die Runde machten, als es einem bisweilen lieb sein konnte. Erstaunt blickte ich Severa von der Seite her an. Sie wusste also schon von der Verlobung. Das ging wirklich schnell hier im Haus, dachte ich mir. "Ja, stimmt", sagte ich. "Vorgestern haben wir es eintragen lassen. Du wirst sie sicher bald kennenlernen. Aber wo wir gerade bei erfreulicheren Themen sind - du wirst doch nicht so schnell wieder abreisen, nehme ich an?" Zumindest hatte ich das aus dem Fluch über das Landleben herausgefiltert.

  • Seine empfindlich wirkende Reaktion bezüglich des Alters war nicht anders zu erwarten gewesen, wobei sein Grinsen darauf deuten ließ, dass er den kleinen Spaß verstanden hat. Severa indes konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Ja, gerne - wo wir doch schonmal hier sind!", antwortete die Aurelierin mit einem beschwingt klingenden Unterton in der Stimme; trotz der Kälte war ein kleiner Spaziergang sicherlich angenehm, vor allem wenn man sich so viel zu erzählen hatte. Und gerade die Dunkelheit machte das Ganze noch interessanter - nichts ging über einen schönen abendlichen Spaziergang, wobei, jetzt konnte von Abend sicherlich nicht mehr die Rede sein. "Das denke ich auch, ich hab morgen noch so viel vor! Laevina bin ich auch begegnet, das ist einfach wundervoll, ich wusste bis dahin gar nicht dass sie auch hier in Rom ist! Ist das nicht ein schöner Zufall?" In Severas Stimme konnte man während diesen Worten eine gewaltige Freude vernehmen, allein der Gedanke an das Zusammentreffen mit ihrer Cousine zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen. Selbiges verblasste mit einem Mal, als Marcus Severa auf ihre Mutter ansprach. Ein leichtes Seufzen entglitt ihr daraufhin."Du kannst es dir bestimmt schon denken." Ein gedämpftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. "Meine liebe Mutter war natürlich alles andere als begeistert. Ich kann das ja auch verstehen. Wer will schon alleine sein? Besonders seit dem mein Vater gestorben ist. Aber ich kann ja nicht ewig bei ihr bleiben." Wenigstens etwas Verständnis musste Melina für ihre Tochter doch übrig haben, welches sie jedoch so wie es schien bisweilen gut zu verdecken wusste; Severa für ihren Teil konnte es zumindest nicht erkennen. "Wäre ich nicht zu lange auf dem Land gewesen, würde ich es heute vielleicht mehr zu schätzen wissen. Aber so... ich bin wirklich froh jetzt wieder hier zu sein!"
    Zugegebenermaßen war sie über die Tatsache dass Marcus bald heiraten würde doch noch ein wenig erschrocken. Es lag wohl daran, dass sie sich einfach nicht vorstellen konnte, Corvinus als Ehemann zu sehen. Wobei ihr natürlich immer bewusst war, dass er irgendwann mal heiraten würde, so wie sie es selbst in ferner Zeit auch tun würde.
    "Ja, das hoffe ich! Aber ich bin mir sicher, dass du eine gute Wahl getroffen hast." Die Aurelia grinste ihm schelmisch zu. "Und keine Sorge, du wirst mich jetzt wohl für längere Zeit ertragen müssen!"

  • "Du solltest wirklich bald versuchen, die Augen zu schließen, wenn du morgen so viel vor hast. Wobei morgen genaugenommen schon heute ist. Vermutlich werden wir beide uns irgendwann mittags wie zwei wandelnde Manen begegnen, weil wir kaum geschlafen haben." Ein Seitenblick folgte, dann verzogen sich meine Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. "Naja. Wenigstens sind wir so vorgewarnt." Severas Antlitz schien zu strahlen, als sie von Laevina sprach. Bereits in jüngeren Jahren hatten die beiden zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Ihre Worte, gepaart mit der selbst im Dunkel sichtbaren Freude verrieten mir, dass sich an ihrer Beziehung kaum etwas geändert hatte.


    Jedoch, kaum dass ich sie auf ihre Mutter ansprach, wirkte sie befangen. "Nein, das nicht", erwiderte ich auf ihre Worte hin. "Vielleicht hat sie Lust, uns irgendwann zu besuchen? Du kannst es ihr ja vorschlagen. Und dann werden wir natürlich alles daran setzen, dass sie hier in Rom bleibt, damit sich keiner ein schlechtes Gewissen machen muss." Weder sie noch Melina. Ich lächelte Severa freundlich zu und schritt weiterhin langsam an ihrer Seite den Säulengang entlang. Auf der dem Haus gegenüberliegenden Seite raschelten dann und wann leise die Blätter im Nachtwind, vielleicht waren es auch Nagetiere. Das Kaninchenproblem hatte sich jedenfalls noch nicht von selbst gelöst. Ich seufzte leise, als ich an die umgegrabenen Beete dachte. Wenn ich denjenigen erwischte, der die Viecher herausgelassen hatte aus ihrem sicheren Käfig! Ohnehin waren diese Tiere nur für eines gut: Zum Opfern.


    Der Tatsache, Severa sich sicher war, ich hätte eine gute Wahl mit meiner Verlobten getroffen, sah ich ehrlicherweise ein wenig skeptisch entgegen. Wenn es keine dringliche Notwendigkeit gewesen wäre, zu heiraten - ich hätte es vermutlich nie mehr getan. Doch so konnte man Celerina durchaus als gute Wahl bezeichnen. Sie war eine Flavia, sie sah recht annehmbar aus und hatte ein Interessensgebiet, das sich mit meinem deckte. Dennoch erwiderte ich nichts, räusperte mich und ging stattdessen auf den Folgesatz ein. "Das hatte ich gehofft." Ein trockenes Knacken aus dem Garten ließ mich kurz innehalten und den Kopf wenden, doch die Hunde schlugen nicht an, also war es nichts besonderes. "Planst du etwas Bestimmtes für deine Zukunft, Severa?" fragte ich sie. Für die Vestalinnen war sie bereits zu alt, aber vielleicht stand ihr eine Gottheit besonders nahe? "Außer, die Märkte zu schröpfen, natürlich. Und gemeinsam mit Laevina den Junggesellen Roms die Köpfe zu verdrehen, versteht sich." Ein marginales Schmunzeln zeigte sich um meinen Mund herum.

  • Bei den Worten Corvinus' verfiel Severa in ein schallendes Lachen. "Vermutlich werden wir beide uns irgendwann mittags wie zwei wandelnde Manen begegnen, weil wir kaum geschlafen haben." "So schlimm wird es schon nicht kommen! Jetzt ist es ohnehin schon zu spät, als dass ich noch einschlafen könnte, zumal es ja sowieso nicht mehr sehr viel bringen würde.", entgegnte die Patrizierin grinsend, während sie ihren Großcousin seitlich anblickte.
    "Nein. Darauf hat sie keine Lust. Nicht mal, um uns zu besuchen." Jene Worte waren mit einem leicht sarkastischen Unterton belegt. Severa wollte sie gar nicht wieder sehen. Mutter und Tochter verband so etwas wie eine Hass-Liebe. Auf der einen Seite tat es ihr Leid, ihre Mutter so alleine zu sehen, auf der anderen war sie so dankbar, endlich aus ihren Fängen entkommen zu sein. Zu ihrem Vater allerdings hegte sie stets eine größere Verbindung. Dadurch tat es ihr nur noch mehr weh. Als die Götter ihr ihn haben weg nehmen müssen. Zu früh. "Meine Mutter würde niemals ihr geliebtes Landhaus verlassen..." Nicht mal für mich! fügte die Aurelia in Gedanken hinzu und tat so, als wär ihr das vollkommen gleichgültig. Natürlich war es das nicht. Sie verstand ihre Mutter einfach nicht. Lange quälte sie der Glauben, der Tod ihres Vaters hätte Melina nichts ausgemacht. Heute weiß sie es besser. Die Nämliche zeigte ihre Gefühle niemals in der Öffentlichkeit. Vermutlich schäumte die Trauer und die Einsamkeit im Inneren der verschlossenen Melina nur so über, weil sie nie über sich und ihre Gedanken sprechen konnte. Severa selber war es zwar nicht bewusst, aber es war nicht wunderlich, dass Laevina Severas Mutter nie besonders gut leiden konnte. Die Patrizierin schüttelte die Gedanken von sich ab. Lauschte stattdessen den Geräuschen der Nacht. Vernahm die Gerüche. Und spürte die kühle Luft. Wäre Severa alleine hier, dann würde sie die Dunkelheit vermutlich als unheimlich empfinden. In Begleitung ihres Großcousins verspürte sie solche Unsicherheit natürlich nicht.
    Unwillkürlich verschrenkte die junge Aurelierin die Arme vor der Brust, als Marcus unversehens auf die Planungen bezüglich ihrer Zukunft einging. Mit dem darauf folgenden Satz schloss er aus, dass es sich hierbei um ihre Freizeitaktivitäten handelte. Ein kurzes Lächeln schlich sich dennoch auf ihr Gesicht, als er die Junggesellen erwähnte. Da es einer Patrizierin im Prinzip nicht zustand arbeiten zu gehen, musste er wohl meinen, dass sie womöglich eine Vestalin werden wollte? "Hm.", brachte sie zunächst hervor. "Also, um ehrlich zu sein..." Sie stockte. Zwei Dinge schlossen eine Vestalin zu werden aus. Zum einen war sie zu alt. Zum anderen wollte Severa das nicht. Unter keinen Umständen. Sie hegte auch kein großes Interesse, sich einer bestimmten Göttin zu widmen. Dies änderte natürlich nichts an der Tatsache, dass sie religiös war. Jeder anständige Römer war das. Aber ihren Glauben wollte sie nicht zu ihrem 'Beruf' machen. "Nein, ich plane diesbezüglich eigentlich nichts bestimmtes.", antwortete sie daher wahrheitsgemäß.

  • "Dann sollte ich dir wohl einen Aufpasser zuteilen, der acht gibt, dass du nicht an unpassender Stelle im Stehen einschläfst", witzelte ich. Ihr Lachen gefiel mir. Bevor sie ihre Mutter besuchen gereist war, hatte es sich noch mädchenhaft und kindlich angehört, nun wirkte Severa durch und durch erwachsen. Bald würde wohl die Zeit komme, sich nach einem geeigneten Partner für sie umzuschauen. Ich seufzte. Mein Patron hatte inzwischen ein Eheweib, und wer käme sonst in Frage, ohne dass es einen Abstieg bedeutet hätte? Ein Jammer, dass der vielversprechende, junge Flavius den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen hatte. Ich betrachtete Severa seitlich. Sie hatte noch Zeit, sagte ich mir. Ich würde schon Prisca bald verlieren....


    Ihre Worte Melina betreffend klangen ein wenig verbittert, eher wütend als traurig. Vermutlich war es dann wirklich besser, erst keine Einladung zu versenden. Ihrer beider Verhältnis schien nicht sonderlich gefestigt zu sein, und wieder erinnerte ich mich an meine beiden Neffen und seufzte tief. Severa lenkte mich ab, indem sie meine Frage beantwortete, und das war gut so. Tatsächlich wollte sie wohl erst einmal noch ihre Freiheit genießen. Ich konnte es ihr nicht verdenken - wie hätte ich auch, wo ich doch selbst beinahe dreißig und noch nicht verheiratet war? Sie klang ein wenig so, als würde sie sich dafür schämen, dass sie nichts besonderes plante. "Gut. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich es gern sehen, wenn Manius ein wenig auf dich aufpasst. Und vielleicht könnt ihr beiden, du und Laevina, euch ja mit Minervina anfreunden." Minervina wirkte sehr zurückgezogen und eingeigelt auf mich. Es täte ihr sicher gut, wenn sie öfter raus käme aus dem Haus, und wer war besser dafür geeignet, sie aus der Deckung zu locken, als zwei Gleichaltrige?

  • Marcus' von Ironie angehauchter Humor war einfach herrlich! Es war angenehm sich mit ihm zu unterhalten. Er hatte eine besondere und erfrischende Art an sich, so wie Severa es empfand. Beinahe hätte sie dies durch ihre lange Abwesenheit vergessen. "Auf jeden Fall solltest du das tun.", bestätigte die Aurelierin in einem schelmischen Tonfall gepaart mit einem schiefen Grinsen, nachdem sich ihr Lachen wieder gelegt hatte. Severas Gedanken indes kreisten einzig um die anstehende Hochzeit von Corvinus. "Wie heißt sie denn eigentlich, also deine Verlobte?", fragte Severa in einem unverkennbar höchst interessierten Tonfall seitlich an den Aurelier gerichtet. "Und seit wann kennst du sie? Wie alt ist sie? Aus welcher Familie kommt sie denn überhaupt? Teilt ihr gemeinsame Interessen?", sprudelte es da aus Severa heraus, neugierig wie sie war, denn seitdem die Aurelierin von dieser Nachricht erfahren hatte, verursachte selbige massenhaft Fragen, die sich mehr und mehr zu entfalten begannen und jetzt aus ihr hinausströmten. Da fielen ihr unverhofft die Worte von Orestes ein. Eine Flavierin war sie, soweit sie sich erinnern konnte. Es würde wahrscheinlich noch eine Weile brauchen, bis sich die junge Patrizierin mit diesem Gedanken hatte anfreunden können. Ein verwunderter Blick Severas wanderte alsdann seitlich zu Marcus auf. Etwas schien in Corvinus vorzugehen, bemerkte sie, als ihm ein kleiner Seufzer entglitt. "Was ist?" Sie blieb stehen. Ihre Worte wurden von einem erwartungsvollen Blick begleitet. Worüber er wohl gerade nachgedacht hatte?
    "Gut. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich es gern sehen, wenn Manius ein wenig auf dich aufpasst." Severa nickte lediglich einmal kurz um zuzustimmen. "Ja, das werden wir bestimmt! Ich hoffe dass ich sie bald sehe. Aber das werd ich ja sicherlich morgen.. äh, heute.", versicherte die junge Aurelierin erfreut und zog ihre Stola noch enger an sich. Die herbstliche Nachtluft ließ sie frösteln. Aber den kleinen Spaziergang würde sie nur ungern jetzt schon beenden.

  • "Ah... Wie hatte ich auch nur annehmen können, dass du das Thema vielleicht vergisst?" sagte ich mehr zu mir als zu ihr, als sie auf die Verlobung zu sprechen kam. "Na, das sind aber viele Fragen... Es ist Celerina von den Flaviern. Sie ist die Großnichte meines Freundes Aquilius. In Lutetia war sie bereits einmal verheiratet, aber ihr Mann starb, und jetzt ist es für sie an der Zeit, wieder zu heiraten", erzählte ich. "Sie ist ein wenig jünger als ich, genau kann ich es dir gar nicht bennen, schließlich fragt man eine Dame nicht nach ihrem Alter." Ein Zwinkern in Severas Richtung folgte. "Aber sie scheint von seltenen Pflanzen sehr angetan zu sein und hat recht fundierte Kenntnisse über die Eigenheiten bestimmter Vertreter der Flora. Diese Passion teilen wir also. Einer der Gründe, aus denen ich der Verbindung ein wenig freudiger entgegensehe als wenn es nur eine rein politische Ehe wäre. Sicherlich, die Flavier sind eine der angesehensten Familien dieser Tage, wenngleich auch ihr Verhältnis zum jetzigen Kaiser ungebrochen kritisch erscheinen mag, aber..." Ich unterbrach mich und blinzelte erschrocken in Severas Richtung. Ein rettendes Lächeln später fuhr ich fort. "Verzeih mir, ich wollte dich nicht mit politischen Floskeln langweilen."


    Jetzt musste also ein anderes Thema her. Ich versuchte mich zu erinnern, was Severas Interessen gewesen waren, doch wollten mir keine so recht einfallen, sah man von den diversen Freundschaften ab, die sie während ihrer Romaufenthalte geschlossen hatte. "Ich nehme an, du willst deine Freundinnen bald besuchen? Wie ich hörte, soll Tiberia Albina inzwischen verlobt sein. Sie macht eine gute Partie, es ist der ehemalige proconsul von Hispania. Er hat sicherlich auch noch ein paar interessante Verwandte..." Ein überaus verwegenes Schmunzeln auf den Lippen, warf ich einen Blick zu Severa hin und konnte es nicht unterlassen, ihr freundschaftlich in die Seite zu knuffen.

  • "Aber sie scheint von seltenen Pflanzen sehr angetan zu sein und hat recht fundierte Kenntnisse über die Eigenheiten bestimmter Vertreter der Flora. Diese Passion teilen wir also…"
    …‘ne alte Kräuterfrau also… dachte Severa innerlich und kicherte kurz. "Bist du sicher, dass sie jünger ist als du? Vielleicht ist sie schon ganz alt und… sieht einfach nur jung aus, wer weiß!" Die Aurelierin zuckte unschuldig mit den Schultern. "Ich hab mich schon immer gefragt wieso du dich so unglaublich für Pflanzen interessierst. Das ist doch so… ermüdend!" gab die Patrizierin in einem übertrieben abfälligen Ton ihre Meinung dazu kund und bereute ihre Worte erst nachdem sie diese ausgesprochen hatte - Severa wollte es sich mit ihrem Onkel natürlich nicht verderben! "Andererseits, also wenn ich so darüber nachdenke, glaube ich dass das doch schon ganz interessant sein könnte!" zur Bestätigung folgte ein kräftiges Nicken und ein liebliches Lächeln. Seine nachfolgende Aussage half ihr nur dabei. "Ach Unsinn, du könntest mich nie langweilen! Ich liebe die Politik!" Lügnerin. Marcus würde es sicherlich merken.


    "Ach, Albina ist also verlobt?" Da blieb Severa doch glatt der Mund offen stehen. "Unglaublich! Ich freue mich für sie…" Tatsächlich freute sich die Aurelierin für ihre alte Freundin. Merkwürdig war es allerdings schon, dass sie verlobt war und bald heiraten würde, kannte sie diese doch nur als Kind. Als Marcus von den Verwandten des Flaviers sprach lachte Severa amüsiert auf. Sie wusste, worauf ihr Onkel hinaus wollte - auch wenn es in diesem Moment eher scherzhaft gemeint war - und hatte sich zudem mit diesem Thema noch nie wirklich intensiv beschäftigt. "Ähm…" Severa fasste sich an den Bauch. "Irgendwie hab ich Hunger, du auch? Ich glaube, ich hab den ganzen Tag noch nichts gegessen." Ein bescheidenes Lächeln umspielte die Mundwinkel Severas. "Und es wird immer kälter. Sollen wir reingehen?"

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