Tablinum | Ein Abend der Veränderung

  • Im Grunde waren sie gleich, das claudische Tablinum und das flavische. Beide erfüllten dein gleichen Zweck. Aber es war eben doch etwas anders, wenn das Ambiente ungleich war. Epicharis hatte nun bereits zwei weitere Nächte hier verbracht, sah man von der Hochzeitsnacht ab. Wenn man die mitzählte, waren es drei. So herzlich, wie sie nicht nur von den Flaviern selbst, sondern auch von den Sklaven aufgenommen worden war, hatte sie gar nicht anders gekonnt, als sich schnell einzuleben. Neben diversen Briefen hatten sich noch viele Geschenke eingefunden, die nachgereicht worden waren. Heute war ein Brief von Lucilla gekommen, was Epicharis ganz besonders freute, denn sie wusste, dass die ehemalige Auctrix hochschwanger war und genug mit sich und dem Kind zu tun hatte. Nur von Aelia war bisher nichts gekommen, was Epicharis schon ein wenig schade fand. Aber von Ägypten nach Rom war es ja auch weit, sagte sie sich. Vielleicht kam schon morgen ein Brief.


    Epicharis lag seitlich auf einer Liege. Es war noch nicht Zeit für die Cena - in der Villa Flavia aß man später als in der Villa Claudia - und Aristides war nicht zu Hause. Mit Freude, die nur schwer zu verbergen gewesen war, hatte sie seinen Entschluss aufgefasst, den Militärdienst aufzugeben. Ein wenig überrascht hatte es sie schon, dass er einerseits selbst darauf gekommen war, andererseits so schnell das Gladius an den Nagel gehängt hatte. So einfach hatte sie es sich nicht vorgestellt. Sie hieß es trotzdem gut. Als sie vom Papyrus aufblickte, der schräg vor ihr auf einer harten Unterlage lag, und mit dem Ende der Feder an der Wange entlang strich, ließ sie gedankenverloren den Blick durch den Raum schweifen. Öllampen tauchten das Zimmer in ein angenehmes Licht und tauchten das erdige Braun ihrer Tunika inein Licht, dessen Falten wie geschmolzene Schokolade um ihren Körper flossen. Die vereinzelten, golden abgesetzen Ornamente wirkten wie Lichtreflexe. Doch Epicharis' Blick war auf einen unbestimmten Punkt an der hübsch bemalten Wand gerichtet. Leise klimperten die Ohrringe, als die Feder sie berührte. Dann schien ihr etwas einzufallen, die Feder senkte sich wieder auf den Papyrus und kratzte beschwingt Wort um Wort auf die Pflanzenfasern - Epicharis verfasste eine Antwort in die Einöde.


    Ein sachter Windstoß aus dem Atrium ließ die Flammen der Öllampen kurz flackern. Kurz darauf waren entfernt Stimmen zu hören. Epicharis meinte, Hannibal herauszuhören. Vermutlich war es Aristides, der gerade nach Hause kam. Die ehemalige Claudia wartete geduldig darauf, dass er sie hier fand, wenn er es denn war.

  • Schwer waren die Schritte von Aristides als er auf das Haus zu hielt. Die Dämmerung war schon herein gebrochen und es war kalt draußen, Regentropfen platschten hernieder, ein kühler Wind zog zwischen den Straßen von Rom entlang. Das Wetter war schlicht ungemütlich, aber es entsprach gänzlich seinem Gemüt am heutigen Abend; seine Schultern waren gebeugt, sein Gesichtsausdruck düster. Sein Sklave – Hannibal – folgte ihm einige Schritte und trug, wie noch ein anderer Sklave, einige Dinge, die er aus der offiziellen Unterkunft bei der CU mitgenommen hatte - wo er freilich selten geschlafen hatte meist nur, wenn er zu lange arbeiten mußt; unter den Sachen, da waren auch seine Rüstung, sein gladius, hasta, pilus und Helm, mit der centuriocrista. Die Sklaven hatten mit dem Rüstzeug schwer zu tragen und Marcus mit dem Brocken in seinem Magen, zudem einer neuen phalera, die er mit einer ganz seltsamen Art erhalten hatte; er trat auf die Tür zu und klopfte- Wind stob in das atrium, kalt, Marcus trat hinein und reichte seinen Mantel, der vom Regen nass war, an den Sklaven weiter. Er wechselte einige Worte mit seinem Sklaven, Hannibal, mit dem er seit einigen Tagen nur das notwendigste sprach und wenn, dann recht frostig. Das Metall der phalera ruhte kühl in Marcus' Hand als er durch das atrium ging und Spuren am Boden hinterließ. Feuchte Abdrücke seiner Soldatenstiefel, die er wohl am heutigen Tage das letzte Mal tragen würde. Ob er glücklich war, traurig, wehmütig oder zornig, Marcus hatte immer einen ausgesprochenen Appetit und kompensierte seine Stimmungen gerne durch ein gutes Mahl, somit lenkte er seine Schritte auch gleich in die Richtung des Eßzimmers.


    Gülden strahlte es aus dem Zimmer, warm leuchteten ihm die Lichter der Öllampen entgegen, ein Knabe aus dunklem Eisen hielt in seinen Händen zwei bronzene Lampen, der direkt an der hinteren Wand des Zimmers stand; Marcus war diese Statuette und Lampenhalter nie aufgefallen, heute tat er es, aber nur kurz, denn dann zog ein anderes Kunstwerk seine Aufmerksamkeit auf sich und das war seine Ehefrau. Wie auf einem Gemälde lag sie auf den Klinen, ein Kunstwerk was heutige Künstler noch nicht so anmutig gestalten könnten. Ein Bild, was in späteren Epochen sicherlich wahre Entzückung bei den Romaphilen hätte auslösen können und ein Lächeln auf das eher düstere und melancholische Antlitz von Marcus brachte, denn selbst wenn der Tag umschattet von belastenden Dingen waren, so erschien ihm seine Ehefrau an dem heutigen Tage besonders ein Licht zu sein, ein goldener Schimmer, der zumindest die nächste dunkle Zeit in seinem Leben erhellen vermochte.


    Ein wenig glänzte es noch feucht in Marcus' schwarzen Haaren als er auf die Kline seiner Gattin zutrat. Ohne ein Wort zu sagen nahm er neben ihr Platz und legte das runde Abzeichen achtlos auf den Stoff, seine Hand suchte nach ihrer Wange, strich zart daran entlang und bis zu ihrem Hals, dann beugte er sich vor und gab ihr einen warmen Kuss, auch, um seine Gedanken aus dem trüben Gewässer des Wehmuts heraus zu steuern.
    Mea stella!“
    , raunte er als er seine Lippen von ihr gelöst hatte. Seine Finger fuhren über ihre Kinnlinie; wie schön sie doch war. Er lächelte milde, aber nun schlich doch wieder die Melancholie in sein Gesicht, auch wenn er sie hartnäckig vertreiben wollte, heute war aber ein schwerer Tag für ihn gewesen, er mochte Epicharis damit dennoch nicht belasten.
    „Wunderschön bist Du, corella mea!“
    Er spürte etwas an der Hand kitzeln und erblickte eine Feder, samt Schreibunterlage.
    „Oh, störe ich grade? Was schreibst Du denn, mea stella?“

  • Wieder waren Schritte zu hören, brachen ab, setzten wieder ein. Und kamen in ihre Richtung. Mit Aristides kehrte auch ein kurzer Luftzug ins Tablinum ein, ließ erneut die Flammen flackern und trieb eine leichte und schnell wieder abebbende Gänsehaut auf Epicharis' Haut. Sie sah nun auf, blickte Aristides mit einem aufmunternden Lächeln an und wandte den Kopf, als er um die Liege herum ging, auf der sie lag. Sein Schweigen deutete sie als Bedauern darüber, dass er am heutigen Tag einen schweren Schritt getätigt hatte. Hatte tätigen müssen. Eine Prise Mitleid äußerte sich darin, dass sie ihre Augenbrauen ein wenig zusammenzog. Die Hand mit der Feder verharrte auf halber Höhe, und dann folgten Epicharis' Augen der Bewegung seiner Hand. Eine Phalera lag auf dem weichen, teuren Stoff der Liege, als er sie wieder fort nahm und ihr über die Wange strich.


    Dass er sie wieder seinen Stern nannte, ließ Epicharis den Blick von der metallenen Auszeichnung lösen und ihn ansehen. Seine Finger waren kühl, sein Kuss träge und, wie sie fand, auf gewisse Weise nach Trost suchend. Bestimmt redete sie es sich nur ein, aber das Gefühl, ihn irgendwie aufheitern zu müssen, blieb dennoch. Um ein Haar hätte sie ihn gefragt, wie sein Tag war. Gerade noch rechtzeitig erinnerte sie sich daran, ihn heute besser nicht danach zu fragen. Stattdessen legte sie die Feder endgültig ab und griff nach der Phalera. Sie war ebenfalls kühl, als sie sie in der Hand wog. Bei dem erneuten Kompliment lächelte sie Aristides verschmitzt an. "Das sagst du so oft, dass ich beinahe selbst glaube, dass es wahr ist", tadelte sie ihn scherzhaft und folgte seinem Blick hinunter zur Feder. "Du störst nicht", versicherte sie ihm. "Stell dir vor, Decima Lucilla hat geschrieben! Du kennst sie vielleicht, sie war vor dem Aurelier die Auctrix bei der Acta. Jedenfalls ist sie eine sehr Liebe. Ich antworte ihr gerade. Sie hat gefragt, wie die Hochzeit war, und sich entschuldigt, dass sie nicht kommen konnte. Die Ärmste sitzt irgendwo in der Einöde auf einem Landgut und wartet darauf, dass der kleine Germanicus endlich hinaus will." Epicharis' Augen glänzten amüsiert. Während sie sprach, schaukelten die Ohrhänger sachte vor und zurück, und ihre Hand drehte die Phalera unwillkürlich hin und her.


    Als sie verstummt war, musterte sie ihren Ehemann eingehender. Sein Haar glänzte feucht. "Oh, regnet es schon wieder?" erkundigte sie sich unschuldig. Am heutigen Tag hatte sie das kurze schöne Wetter im Anschluss an einen Regenguss zusammen mit Fiona im Garten ausgekostet. Wie der Nachmittag verlaufen war, daran dachte sie lieber nicht zurück. Ein leises Seufzen drang über ihre Lippen. Dann endlich stellte sie die Frage, nicht ohne zuvor die Phalera abzulegen und mit ihrer nun freien Hand die von Aristides zu suchen, zu ergreifen und festzuhalten. "Wie ist es gelaufen?" fragte sie vorsichtig nach.



    /edit: Rechtschreibung

  • Die villa lebte und war erfüllt mit vielem Leben, das mal mehr lebhaft, dann jedoch dezent und still ertönte; Schritte, die den Gang entlang gingen, irgendwo das Raunen von Stimmen, die sich zu einem Gespräch vermengten, das kaum mehr als ein Rauschen des Meeres ähnlich zu sein schien, in den Sklaventrakten ging es sicherlich lauter zu, insbesondere da die cenazeit sich näherte, etwas, dem Marcus auch entgegen sehnte, er hatte nämlich Hunger. Darum streiften seine Augen einen Herzschlag lang enttäuscht die noch leeren Tische, er hatte schon gehofft, es wäre schon die Zeit gekommen und er konnte seine Wehmut auch einfach mit einem guten Mahl in den Tiefen seines Inneren versenken und sich erst mal darüber hin weg trösten. Der Streifzug seiner Augen verlor sich wieder auf den schönen Gesichtszügen seine Frau, die er mit einem marginalen Schmunzeln betrachtete, das den Grundtenor der Schwermut tatsächlich etwas vertreiben konnte. Frauen! Wenn sie ein Kompliment erhaschten, dann schienen sie immer peinlich berührt zu sein, aber Marcus hatte mittlerweile den festen Glauben errungen, daß sie dann einfach nur mehr hören wollten, dann waren sie zufrieden.
    Amoenitas mea, und wenn ich es hundert Mal am Tag sagen muß, damit Du es glaubst, so werde ich es mit Freuden tun, denn wunderschön bist Du!“
    Er beugte sich vor und gab ihr auf eine Stelle knapp unter ihrem Ohr einen sanften Kuss...und stockte, seine Augen wanderten zu dem Stück papyrus! Decima Lucilla? Die Lucilla? Immer noch erzeugte schon alleine der Name ein Echo früherer Vernarrtheit in Marcus, die, da sie kaum Nährstoff erhalten hatte, zwar etwas abgekühlt war, aber immer noch in ihm flackerte, eben weil auch das letzte Holz der Flamme nicht zerfallen war.


    „Hmh!“
    , murmelte Marcus leise und starrte auf das papyrus. Ja, natürlich kannte er sie, so nickte er langsam und suchte danach zu sehen, was die Beiden sich wohl schrieben, was er aus Epicharis' Antwort hätte erkennen können, Epicharis schrieb doch nicht von ihm, oder? Ein etwas mulmiges Gefühl ob dieser Konstellation keimte in ihm auf; kleiner Gremanicus? Marcus brauchte einige Herzschläge um zu verstehen, was Epicharis meinte; dann schien die arme Lucilla wohl doch ihren alten Senator geheiratet zu haben – gut, so alt war er nicht, aber Marcus hatte noch so einen steifen, sehr seltsamen Kerl vor Augen, wenn er an diesen Mann auf der Rednerbühne dachte! Wieder ein:
    „Hmh!“
    , war die einzige Ernte an Redefluß, den man Marcus mit dieser Nachricht entlocken konnte, er verzog einen Moment das Gesicht und leckte sich über die trockene Unterlippe, dabei Ausschau haltend nach einem Sklaven. Er hatte Durst und würde gerne wenigstens einen guten Becher mit Wein vor der cena zu sich nehmen, bei all den Tropfen des Wehrmuts, der heute in ihn versickerte.


    Die Frage von Epicharis rauschte erst an Marcus vorbei, er hörte ihre Stimme, vernahm die Worte jedoch nicht, so daß er sein Gesicht mit einem etwas verwirrtem Ausdruck ihr zu wandte. Was hatte sie gesagt? Langsam hallte es in ihm nach, einem Echo gleichend, das auf hohe Felswände traf, an geborstenen und zerklüfteten Steinen wieder hallte und bis zu der anderen Seite seiner Gedankenschlucht fand, wo es endlich Aufnahme fand. Regen!
    „Ähm...ja, tut es!“
    Endlich schien sich auch mal ein Sklave in den Raum zu trollen, Marcus winkte ihn heran und trug ihm seinen Wunsch nach Wein auf, während der Sklave davon trabte, legte Marcus einen Arm über Epicharis hinweg und stützte sich auf der anderen Seite auf den weichen Kissen mit dem Handballen auf.
    „Ganz gut...wohl...aber es war merkwürdig! Ich war beim praefectus persönlich, da ich als centurio eigentlich vom Kaiser entlaßen werden muß...und der praefectus war einfach seltsam. Und er hat etwas gesagt, was ich im Nachhinein noch etwas merkwürdiger finde. So etwas wie: Wenn ich es sage, dann wird der Kaiser es machen oder es wird gemacht...na, egal. Er hat mich anstandslos aus dem Dienst entlaßen, ich hatte sogar fast das Gefühl, er wäre froh drum...“
    Verwirrt schüttelte Marcus den Kopf, denn je länger er über die wenigen Minuten beim PU nachdachte, desto ominöser wurde das für ihn.
    „Na, auf jeden Fall bin ich jetzt entlaßen und aus dem Militärdienst ausgeschieden, ich habe jetzt also viel, sehr viel und noch mehr Zeit!“
    , fügte Marcus mit einem schiefen Grinsen an.
    „Wie wäre es, wenn wir...vielleicht eine Reise unternehmen? Wir könnten nach Baiae uns begeben, Du könntest meine Mutter kennen lernen!“

  • Ein helles Lachen erklang, als Aristides sein Kompliment noch einmal unterstrich. Diesmal erwiderte Epicharis, abgesehen von ihrem Lachen, jedoch nichts darauf und ließ ihn einfach gewähren. Im nächsten Moment drang ein entferntes Scheppern an wohl alle Ohren im Haus, kurz darauf folgte ein kleiner, aber lautstarker Disput, dann war es wieder ruhig. Epicharis hatte die Stimme des Kochs herausgehört und vermutete, dass jemand etwas fallen gelassen oder umgestoßen hatte. Natürlich hatte sie auf- und zur Tür gesehen, damit Aristides Spielraum gegeben: Bei seiner Liebkosung zuckten ihre Halsmuskeln kurz zusammen und sie entzog ihm reflexartig den Hals. "Aah, du weißt doch, dass das kitzelt", schalt sie ihn liebevoll und zahlte es ihm sogleich heim, indem sie mit spitzem Finger in seine Seite piekte. Sonst war sie weniger albern - dafür aber umso kitzeliger -, aber bei Aristides war das etwas anderes. Im Stillen nannte sie ihn manchmal einen Brummbär, da er sie an den trägen, brummigen Bären im Hortus erinnerte, in dem er sie gefragt hatte. So lange war das nun schon her...


    Und tatsächlich bestätigte er gleich schon wieder, dass er diese Bezeichnung auch wirklich verdiente, nicht nur des Brummens wegen, sondern auch wegen des Ausdrucks auf seinem Gesicht. Epicharis schmunzelte verschmitzt, natürlich konnte er nicht wissen, was sie sich dabei dachte. Sie schob das Schreibzeug mit einer nebensächlichen Geste fort und entzog es damit auch unwissentlich den neugierigen Augen ihres Gemahls - denn natürlich stand sein Name in dem Brief und noch so einiges anderes. Das Benetzen seiner Lippen nahm Epicharis zum Anstoß für eine neue Information, deren Wichtigkeitsgrad sie selbst allerdings sehr viel geringer einstufte als Aristides das tun würde. "Ach, ich habe mir übrigens gedacht, dass wir zusammen etwas Schönes zu Abend essen könnten. Deswegen habe ich...hm, den Koch - ich vergesse ständig seinen Namen - beauftragt, eine kleine Überraschung vorzubereiten." Wie diese Überraschung im Detail aussah, verriet sie natürlich nicht, sonst wäre es schließlich keine Überraschung mehr gewesen. Aber es war ja auch noch ein wenig hin bis zum Abendessen.


    Seine Erzählung verfolgte sie Aufmerksam, was man auch an den leicht zusammengekniffenen Augen und dem seitlich geneigten Kopf erkennen konnte. Hin und wieder schaukelten die Ohrringe, wenn sie eine leichte Bewegung machte, und am Ende war sie ebenso verwundert wie Aristides. "Dieser Vescularius, nicht?" fragte Epicharis nach und nickte dann ernst. "Ich habe mich neulich mit Soterica getroffen. Du weißt schon, die Tochter von Dallius Sparsus, dem Bäcker in der... Ach, nicht so wichtig. Jedenfalls liefert Dallius Sparsus wohl hin und wieder auch etwas in den Palast, und deswegen hat er gute Kontakte. Sie sagt, dass der Kaiser inzwischen wohl so krank ist, dass er sich nicht mehr aus seinem privaten Flügel rausbewegt. Kannst du dir das vorstellen? Ich meine, da muss ja etwas dran sein, wenn dein Praefectus nicht wegen einer Entlassung zum Kaiser geht. Immerhin ist er sein Stellvertreter." Epicharis runzelte nachdenklich die Stirn. "Vielleicht war der Kaiser deswegen auch nicht bei den Rennen", vermutete sie. Aristides schien das weniger eigenartig zu finden und machte einen Vorschlag, den Epicharis ehrlicherweise ein wenig erstaunte. Zunächst sagte sie nichts. Inzwischen hatte sie schon so viel von Agrippina gehört, dass sie gar nicht mehr wusste, was sie glauben sollte. Sicher wäre es wohl am besten, sie einfach selbst kennenzulernen, aber in Epicharis hatte sich inzwischen etwas entwickelt, dass man am ehesten mit Prüfungsangst gleichsetzen konnte, sodass sie eigentlich ganz froh darum gewesen war, Aristides' Mutter noch nicht kennengelernt zu haben. "Meinst du? Wolltest du nicht...vielleicht zu den Wahlen kandidieren?" Ein wagemutiges Lächeln später fuhr sie fort. "Ach. Du hast Recht, vielleicht sollten wir einfach ein wenig reisen, dann kannst du mit viel mehr Tatendrang an die Sache herangehen." Denn für Epicharis stand es außer Frage, dass ihr Ehemann nicht einfach so herumlungern, sondern etwas aus sich machen würde.


    Epicharis fuhr erneut mit einem Finger am Rand der Phalera entlang, lächelte plötzlich und beugte sich zu Aristides hin. "Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich unglaublich stolz auf dich bin?" fragte sie ih rhetorisch und küsste ihn dann auf die Nase. "Unsere Kinder werden auch ganz stolz sein auf ihren Papa." Und wenn Aristides nicht dafür sorgen würde, dann würde Epicharis das übernehmen.

  • Ein Zittern ging durch seine Leibesmitte, von der man nicht gerade sagen konnte, daß sie rank und schlank war, mehr füllig genau da, wo ein Finger hinein piekste. So wie Epicharis' Hals sich seiner Berührung entzogen hatte, wich auch der Bauch von Marcus dem Finger aus, denn Aristides war nun mal leider ziemlich kitzelig; ein glucksender und schnaufender Laut löste sich von seinen Lippen bei dem Ausweichen und er zog seinen Bauch einfach etwas ein, was schon ausreichte. Als er wieder nach der Ablenkung auf den Brief linsen wollte, war er schon seinen Augen entzogen, zudem war Marcus kein großer Leser und hätte länger gebraucht, um aus der elegant verschnörkelten Schrift seiner Ehefrau etwas heraus lesen zu können. Aber womöglich hätte er sehen können, ob sein Name da stand, was er nicht hoffte, aber nicht wirklich daran glaubte, das dem doch nicht so war. Einen Herzschlag lang verfolgte er noch den Brief, wie er seiner neugierigen - oder mehr besorgten – Nase entzogen wurde, doch lange darüber nachdenken mußte er nicht. Überraschung? Marcus' Mundwinkel wanderten nach oben, womit sie zuerst ihren üblichen Höhenstand erreichten und somit den trüben Ausdruck etwas vertrieben und dann so was wie gespannte Freude offenbarten; ob es wohl was gutes zu Essen war? Vielleicht eine fette, köstliche Ente, darauf hätte Marcus jetzt großen Appetit, gefüllt mit Gänseschmalz und in einer schön dicken, sämigen Sauce. Schon bei dem Gedanken daran lief Marcus das Wasser im Mund zusammen und erinnerte ihn daran, wie hungrig er war – was ja ein relativ normaler Zustand bei ihm war, außer nach einem Föllereiessen, wo selbst Marcus keinen Bissen mehr zu sich nehmen konnte.
    „Ich weiß auch nicht mehr, wie er heißt, aber er kann gut kochen, das muß man ihm laßen.“
    Zur Tür gespäht, nein, die Überraschung kam nicht auf Nennung, Marcus hob seine Hand und kratzte sich an der Wange.
    „Was für eine Überraschung denn?“
    , fragte er arglos.


    Als das Gespräch auf die Merkwürdigkeiten bezüglich des Entlaßungsgespräch kam, nickte Marcus zuerst auf der Nennung des Namens hin. Soterica? Er sollte schon wissen?
    „Ah ja...natürlich...“
    , erwiderte Marcus leise und etwas lahm. Keinen blaßen Schimmer, wen Epicharis meinte, hatte sie die Frau schon mal erwähnt? Marcus nahm eine bequemere Pose auf der Kline ein und hörte den Ausführungen zu, ja, sicherlich, man hörte ungute Gerüchte über den Kaiser und wenn man ihn mal sah, dann war er reichlich blaß, aber die Worte von Salinator waren dennoch reichlich merkwürdig; war der Kaiser etwa nur eine Marionette? Nein, auf keinen Fall, Marcus verwarf den komischen Gedanken sofort wieder.
    „Rennen? Meinst Du das vom cultus?“
    Da war Marcus noch mit den Soldaten gewesen; Marcus seufzte leise als er daran zurück dachte, sicherlich, er war ihr Kommandant gewesen und es war dadurch schon eine größere Distanz zu den Männern gewesen, aber irgendwie waren das Männer aus Schrot und Korn, und von der Mentalität einfach ihm näher als die Gesellschaft, die sonst seine Familie pflegte, eben die Oberschicht, die Reichen und manchmal auch Mächtigen, oder jene, die glaubten, mächtig zu sein. Marcus rätselte und melancholisierte gleichzeitig, wobei er sich ausgiebig mit der Hand über Kinn und rechte Wange rieb als ihn die Worte von Epicharis aus den Überlegungen schreckten. Wahlen? Nächste Wahlen? Er? Wie? Was? Verdattert starrte er Epicharis an.
    „Wahlen? Wieso sollte ich kandidieren? Wofür?“
    Marcus grübelte, nein, ein militärischer Posten stand da nicht zur Debatte, dann weiteten sich seine Augen, sie meinte doch nicht etwa für ein politisches Amt, mit langen Wahlreden, Debatten, Verwaltungskram, seltsamen Dingen, die man zu tun hatte und jedes Fettnäpfchen umschiffen sollte? Herrje.
    „Äh...“
    Was schon mal ein Zeugnis war für mangelnde Eloquenz, die ihn nicht gerade für ein Redneramt qualifizierte.


    Marcus dachte noch nach, wie er sich aus der Affäre ziehen konnte, war noch zu keinem Schluß gekommen als ihn der Kuß auf die Nase erreichte.
    „Stolz? Worauf?“
    Dann erst erblickte er die phalera und seufzte erneut melancholisch, es war wie der letzte Ziegelstein - der Abschlußstein - über dem Gewölbe, das den Ausgang aus seiner Militärzeit darstellte, und ähnlich wie bei der ersten phalera hatte Marcus nicht das Gefühl, sie verdient zu haben, höchstens wenn sie eine für seine ganze Militärzeit darstellte, aber er hatte nur seine Pflicht getan, so sah Marcus es. Dann stutzte Marcus: Kinder? Er beäugte Epicharis, aber verwarf den Gedanken gleich wieder, nach ein paar Tagen könnte das gar nicht sein. Was aber seine Gedanken auf seinen Sohn lenkte, Serenus: Wie es ihm wohl ging, ob ihm Achaia gefiel und ob er viel dort lernte? Der Junge war ja sehr klug und würde bestimmt das Wissen aufsaugen wie ein trockener Schwamm, und erneut hüpfte Marcus' Gedanken weiter, zu einem anderen Thema.
    „Ach, mea stella, ich wollte Dich noch zu etwas fragen, ich weiß einfach nicht mehr weiter, wegen Hannibal. Du weißt ja, mein Sklave, es ist einfach schwierig geworden, er tut ständig Dinge, die einfach...ähm...ja...ach, wie sage ich das jetzt...also, es ist so...nein...hm...also, er macht Dinge, die ich nicht vertreten kann, im Gegenteil, die mich in arge Schwierigkeiten bringen könnten, was soll ich nur mit ihm machen, hm?“
    Das er reichlich ominös sprach, war Marcus schon klar, aber er war auch schlicht ratlos, inwiefern er Epicharis damit belasten sollte oder nicht.

  • Aristides schien wohl großen Hunger zu haben, da er kaum nach ihrer Bemerkung häufiger schlucken musste als eben noch. Doch noch während sie das dachte, korrigierte sie sich selbst - Aristides konnte immer essen. Aus diesem Grund hatte sie auch am Vormittag ein langes Gespräch mit dem Koch geführt, der ihr versprochen hatte, ihr Worte zu befolgen. Weitestgehend zumindest. Wie gut das funktionieren mochte, würde sich dann wohl während der nächsten Wochen herausstellen, aber der heutige Abend war für sie der ideale Zeitpunkt. Dieser Neuanfang sollte auch ein Neuanfang in gänzlich anderer Hinsicht sein, als Aristides das wohl gegenwärtig vermutete. "Ja", erwiderte sie schlicht auf sein Lob des Kochs wegen, schmunzelte ihren Gemahl dann an. "Das wirst du sehen, wenn es soweit ist. Lange wirst du dich nicht mehr gedulden müssen." Wie zur Bestätigung klapperte wieder etwas im hinteren Teil des Hauses.


    "Ja, genau das meine ich. Überhaupt lässt er sich doch nirgendwo blicken. Ich habe ihn nur auf dem Forum gesehen, bei der offiziellen Ernennung. Sonst hört man nur dieses und jenes, das meiste ist natürlich an den Haaren herbeigezogener Unsinn... Aber die Gerüchte, dass er zu krank sei, um sein Amt richtig auszufüllen, häufen sich. Schau dir nur mal an, was da derzeit mit dem Consul los ist. Aelius Quarto wird für ein weiteres Jahr kandidieren. Wenn du mich fragst, dann nimmt er Valerianus die Arbeit damit ab, die er selbst machen sollte. Und dass dein Stadtpräfekt ihn schon gar nicht mehr fragt wegen Dingen, wo er sonst fragen sollte, ist doch auch ein Zeichen dafür, dass Valerianus nicht recht den Fuß auf den Boden bekommt." Epicharis sprach ganz offen, was sie natürlich in der Öffentlichkeit niemals getan hätte. "Meinst du nicht auch?" wandte sie sich wieder an Aristides, der irgendwie dasaß, als machte er sich darüber keine sonderlich großen Gedanken. Genauso wie über seine weitere Zukunft. Sein verwunderter Blick verwirrte Epicharis einen kurzen Moment, dann aber dachte sie sich, dass sie wohl nur zu fix das Thema gewechselt hatte, und reagierte scheinbar arglos wie eh und je. "Zum Vigintivirat, mein Schatz. Die Meldefrist ist noch nicht um, und du wolltest doch irgendwann Senator werden, hm? Stell dir nur vor, wie stolz Serenus wäre...und unsere Kinder." Epicharis lächelte ein typisches Epicharislächeln, aus dem Aristides sowohl Zuneigung herausdeuten konnte, als auch das Wissen darum, dass jeder Widerspruch mit treffenden Argumenten und einem herzlichen Lächeln abgeschmettert werden würde. Natürlich sah sie sich als seine Ehefrau im Zugzwang, dafür zu sorgen, dass er nicht dem Müßiggang anheim fiel. Und selbstredend hatte sie für sich eine nicht wenig wichtige Stellung auserkoren, an der Seite ihres Mannes, der Senator werden würde.


    Seine Zeit im Militär sollte ihn da allerdings nicht so schnell loslassen. Epicharis bemerkte den melancholischen Blick und vernahm das fast qualvolle Seufzen, und sie hob eine Hand und wuschelte Aristides durch das feuchte Haar. "Auf dich natürlich", antwortete sie so prompt und mit einer solchen Überzeugung, dass sich ihm hoffentlich keine Frage nach dem Warum stellte. Und schon wechselte er das Thema, was Epicharis nur wieder zeigte, wie viel ihm seine Zeit im Militär bedeutete und dass er deswegen nicht darüber reden wollte, um die Tatsache kurzzeitig zu vergessen, dass die Zeit für ihn nun vorbei war. Sie lauschte seinen Worten und fühlte sich augenblicklich an die Situation von vorhin erinnert, die im Garten mit Fiona. Ein nachdenkliches Gesicht machte sie, zumal sie auch nicht ganz verstand, worin nun das Problem mit Hannibal lag. Sie hatte ihn stets als zuvorkommenden Sklaven erlebt, und dementsprechend verwundert war auch ihr Ausdruck, als sie antwortete. "Ich glaube, da ist heute der Wurm drin. Fiona hat vorhin... Aber ach, erzähle du erst einmal deine Sache. Wie meinst du das mit Hannibal? Was hat er denn getan, das dich in Schwierigkeiten bringen könnte? Und hast du mit ihm schon darüber geredet?"

  • Verheißungsvoll war das Klappern, im hinteren Teil des Hauses, oh, es schien wirklich mit dem Abendessen zusammen zu hängen, Marcus' Hunger wuchs noch mehr und ein erfreutes Leuchten erschien in seinen braunen Augen. Womöglich wollte Epicharis mit einem guten und zünftigen Mahl seine düstere Laune aufheitern, hach, wie fürsorglich die junge Frau doch war, was natürlich die Wärme in seiner Brust etwas schürte und ihn zu einem breiteren Lächeln veranlaßte. Er war schon sehr gespannt, nickte jedoch folgsam und fragte nicht weiter nach, denn eine Überraschung wurde selten vorher verraten. Marcus rutschte etwas weiter hoch auf der Kline, um es sich gemütlicher zu machen und stütze sich neben Epicharis ab, um ihr weiter zu lauschen. Sie war ganz offensichtlich deutlich besser über die Zusammenhänge in Rom informiert als er, aber darüber wunderte sich Marcus nicht, Epicharis war nun mal eine Frau und sehr klug dazu, diese schnappten deutlich mehr auf als einer wie Marcus eben. Er staunte nicht schlecht, so hatte er die ganzen Angelegenheiten noch gar nicht betrachtet – Aelius Quarto, doch, dem Mann war er neulich sogar bei dem Gastmahl des Tiberiers – dem angenehmen Tiberier – begegnet. Ach herrje, jetzt fragte Epicharis ihn noch zu seiner Meinung diesbezüglich, aber er hatte doch gar keine! Grübelnd runzelte er die Stirn, konnte aber nicht wirklich diese verworrenen Intrigenfäden auflösen, die sich zu einem komplexen Politiknetz versponnen, womit das Reich immer noch geleitet wurde. Nein, das war zu hoch für Marcus. Er zuckte ratlos mit der Schulter.
    „Wenn ihm sein Bruder hilft, dann ist das doch gut, man muß sich doch auf seine Familie verlaßen können, aber ehrlich gesagt, kann ich unseren neuen Kaiser nicht ganz einschätzen. Aber der göttliche Iulianus wird schon viel in ihm gesehen haben, weswegen er ihn adoptiert und zum Nachfolger bestimmt hat. Hm, aber der praefectus? Komisch ist das Ganze auf jeden Fall. Hm...weißt Du, irgendwie erinnert mich das Ganze an Seianus!“
    Hah, Marcus' Augen leuchteten plötzlich noch mehr, er konnte mit Wissen auftrumphen, der Kurs hatte also doch etwas gebracht.
    „Dem Praetorianerpräfekt des Kaiser Tiberius. Womöglich hat der Mann auch einen ähnlichen Einfluß...ähm...ich meine damit den heute, also den praefectus urbi, ja.“


    Schon wurde er aus dem Nachdenken heraus gerißen, als es seine eigene Person betraf. Tatsache! Donnerwetter! Sie meinte wirklich, daß er kandidieren sollte!! Nein, das war ausgeschloßen, das wußte Marcus intuitiv und sofort, seine Zukunft fand er in der Politik bestimmt nicht mehr. Seine Augen suchten nach etwas, worauf er ablenken konnte, eine Fluchtmöglichkeit vor diesem unangenehmen Thema.
    „Aha.“
    , murmelte er leise.
    „Ah ja...“
    Er wußte, daß Serenus ihn als Soldat interessanter fand als als Politiker, jedoch wohl leider nur so lange, wie er selber Kind war, als junger Mann würden sich die Erwartungen schnell ändern, dennoch änderte es nichts an der Tatsache, daß die Politik für ihn nicht taugte. Er schwieg sich jedoch lieber in dem Moment aus, denn er wußte genauso, daß er gegenüber Epicharis bestimmt den Kürzeren ziehen würde, sobald er widersprach. Mit einer Mischung aus Verlegenheit, des Kompliments wegen, und Unbehagen, der Wahl wegen, starrte Marcus einige Herzschläge lang auf seine Fußspitzen, so daß er erneut froh war, daß Epicharis wieder zu seiner Frage zurück kam und somit er das Glatteis schnell verlaßen konnte. Nichtsdestotrotz war auch das Thema etwas schwierig.


    „Hm...Fiona? Hm...also Hannibal, er hat sich schon früher oft in Schwierigkeiten gebracht. Weißt Du, er ist nicht ganz normal im Kopf, das ist leider der Preis von dieser Sklavenfamilie, die wir Flavier uns halten, sie sind etwas unberechenbar; auf jeden Fall hat er die Angewohnheit ab und an auszurasten, bei bestimmten Umständen; also Eifersucht, um genau zu sein, und er hat schon...hmm...naja, er hat schon einen Mord begangen.“
    Einer war noch untertrieben.
    „Auf jeden Fall hat er mir versprochen, daß eben jene erwähnten Umstände nie wieder eintreten, aber er hat mich belogen, er hat selbige Dinge erneut getan, wobei es – den Göttern sei Dank – noch nicht zu der fatalen Konsequenz gekommen ist. Und das muß ich unter allen Umständen verhindern. Was meinst Du, was soll ich tun? Ihn weg schicken? Nach Baiae?“
    Marcus seufzte leise und unschlüssig.
    „Und was ist mit Fiona? Deine Sklavin, hm? War das die kleine Blonde?“

  • Wie einfach Epicharis ihm eine Freude machen konnte. Aristides schien regelrecht aufzuleben, während in der Ferne die klappernden Essensvorbereitungen von einem baldigen Schmausen kündeten. Dass diese Cena im wahrsten Sinne des Wortes eine Überraschung für Aristides sein würde, dessen war sie sich sicher.


    Es wunderte sie nur ein wenig, dass ihr Ehemann meinungslos zu sein schien, was den Kaiser anbelangte. Nachdenklich musterte sie ihn, das Schulterzucken, das Stirnrunzeln und den plötzlich aufkeimenden Geistesblitz. Nach schmunzeln war ihr dennoch nicht zumute, immerhin hatte sie schon allerhand über diesen Präfekten gehört, und das meiste davon hatte recht befremdlich angemutet. Bei Aristides' Vergleich mit dem Prätorianer war es nun Epicharis, die die Stirn runzelte. Ein Moment des Schweigens zog sich in die Länge, in dem Epicharis überlegte. "Iulianus hatte keinen Sohn. Also hat er einen Mann ausgewählt, den er kannte und der ihm vertraute. Haben die beiden nicht früher in der Legion zusammen gedient? Also, wenn du mich fragst, dann ist das der Grund für diese Adoption damals gewesen. Damals dürfte Valerianus auch um einiges vielversprechender gewesen sein...aber schau ihn dir doch jetzt mal an", sagte Epicharis und schüttelte den Kopf. "Meinst du? Ich finde nicht, dass ein Praefectus Urbi einen solchen Einfluss haben sollte. Wer weiß, vielleicht ist es auch sein Verdienst, dass der Caecilier nun abgelöst wird. Dieser Artorier erscheint mir weitaus weniger gefährlich, zumal er dieses Kommando auch neu bekommt. War das nicht dein Kastellpräfekt?" Fragend zogen sich Epicharis' Brauen zusammen, während sie ihren Mann musterte.


    Und sie musterte ihn noch eingehender, als er nicht viel zum Senatorendasein zu sagen hatte. Epicharis seufzte leise. "Marcus", begann sie, und wenn Aristides sich an Gelegenheiten zurückerinnerte, die diesen Tonfall beinhalteten, dann würde er ahnen, dass ihm nun eine mittelschwere Standpauke bevorstand. "Sieh mal, mit deinem Bein kannst du nicht mehr in den aktiven Dienst zurück. Und in der Verwaltung würdest du vor Langeweile sterben. Der Tempeldienst ist natürlich auch eine Option, aber ich glaube nicht, dass...er zu dir passt." Eigenlich war es eher Aristides, der nicht zum Tempeldienst passte... "Oder ein Collegium. Hättest du daran Freude?" Prüfend sah Epicharis Aristides an und erwartete natürlich ein Nein. Umgehend sprach sie weiter und untermauerte ihre Aussagen mit einer grazilen Geste. "Wie ehrenvoll wäre da der Sitz im Senat? Die Flavier haben so viele Senatoren hervorgebracht, mehr als viele anderen Familien. Ich bin mir sicher, dass du es schaffen würdest. Und natürlich würde ich dir helfen, wo ich kann." Wenn ihn das noch nicht überzeugte, würde es nun Epicharis' unschuldiges, einnehmendes Lächeln tun. Und falls das auch nichts half, setzte sie noch etwas obenauf. "Stell dir nur die leuchtenden Augen Serenus' vor, wenn du Senator Flavius Aristides bist, und nicht mehr nur Centurio. Und du würdest auf vielen Gastmählern und Gelagen bei wichtigen Persönlichkeiten eingeladen werden..." Wohin er sie natürlich mitnehmen würde, immerhin war sie nun seine Frau. Jetzt kam es nur noch auf Aristides' Reaktion an. Wenn er nun begann, sich zumindest ein wenig mit dem Gedanken anzufreunden, hätte sie schon fast erreicht, was sie wollte.


    "Nein, die Rothaarige", erwiderte sie automatisch auf seine Frage und dachte fast augenblicklich zurück an die nachmittägliche Situation im Garten. Wieder kam ein leiser Seufzer über ihre Lippen, und ein plötzlicher Lufthauch ließ die Flammen im Raum flackern. Würzige Gerüche zogen nun in den Raum hinein. Das Essen musste bald fertig sein. Interessiert lauschte sie den Worten ihres Mannes. Dass ein so zuvorkommender Sklave wie Hannibal morden könnte, mochte Epicharis gar nicht glauben. Doch welchen Grund hatte sie, an Aristides' Worten zu zweifeln? Eine steile Falte entstand auf ihrer Stirn. Der Seufzer am Ende der Worte veranlasste sie dazu, ein wenig vage zu lächeln und ihre Hand über seine leicht stoppelige Wange streicheln zu lassen, dann jedoch erstarrte sie ein wenig und ließ die Hand wieder sinken. "Er hat wieder jemanden umgebracht?" Dass er es einmal getan hatte, war schlimm genug. Doch mehrmals? Und erst kürzlich wieder? Epicharis lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter, sie fröstelte ein wenig. "Hast du ihn zur Rede gestellt? Was hat er gesagt?"

  • Ein sonderlich politischer Mensch war Marcus nun mal nicht, womöglich in Belangen der Legionen würde er sich noch bewandert fühlen und Interesse dafür zeigen, ansonsten war der Kaiser nun mal der Kaiser für ihn und Marcus würde immer voll Inbrunst und Loyalität auf jenen Mann trinken, ihm seine Loyalität versichern und demnach auch handeln – er würde wohl erst in solche Grübeleien gestürzt werden, wenn es mehrere Kaiser gleichzeitig gab, was zu seinen Lebzeiten immerhin noch nicht vorgekommen war. Er nickte langsam, ohne sich ganz schlüßig zu sein und gab leise Brummlaute von sich, denn wirklich etwas kluges konnte er dazu nicht von sich geben. Mit gerunzelter Stirn verfolgte er die Schilderungen von Epicharis. Damals vielversprechender...doch jetzt...hm, ja, Marcus hatte den Kaiser eigentlich kaum bis gar nicht zu Gesicht bekommen bisher und konnte sich kein rechtes Bild von jenem Mann machen, weswegen er nur ratlos mit der Schulter zucken kannte, dann jedoch artig nickte, denn er vertraute Epicharis' Urteil in dieser Hinsicht durchaus.
    „Hm, wenn's der richtige PU ist, sollte er doch durchaus Einfluß haben, denke ich!“
    Doch dann blinzelte er und ein breites Grinsen huschte über seine eben noch düster-ratslosen Gesichtszüge, sogar ein Zucken von seinen Schultern war zu erkennen, ein Zeichen, daß ein Lachen in ihm aufstieg.
    „Artorius Avitus meinst Du? Der soll weniger gefährlich als der Caecilier sein?- hahaha...“ ,
    lachte Marcus gutmütig, wenn auch nicht lange; er gluckste noch ein paar Mal.
    „Nein, nein, wenn jemand von den beiden Männer gefährlicher sein kann, dann ist das ganz bestimmt der Artorier. Der Mann ist nicht nur verdammt schlau und clever, sondern auch eine wahre Führungsperson und durch und durch ein brillanter Soldat.“
    Marcus hatte nun mal eine ausgesprochen gute Meinung von dem Artorier – im Gegensatz zu dem Caecilier, den er doch mehr für einen tumben Klotz hielt, der zu sehr die Züge eines Parvenue trug.
    „Der Kaiser sollte sich die Treue von Avitus immer sichern, denn der Mann könnte sicherlich neue Kaiser schaffen.“
    Was Marcus nie und nimmer geäußert hätte, wenn er nicht im trauten Zusammensein mit seiner Frau wäre.
    „Ja, er war nicht nur mein praefectus castrorum, er war sogar mein Ausbilder in Germanien, er hat mich durch die Grundausbildung geschickt, ich habe in seiner Zenturie gedient und schließlich unter ihm als primus pilus, der Mann hat es wirklich zu etwas gebracht.“
    , schloß Marcus ab und hangelte nach einem leeren Becher Wein, in der Hoffnung, daß dieser bald auch gefüllt wurde.


    Einer der Sklaven, der gerade durch den Raum kam, tat ihm auch den Gefallen, es gluckerte leise in den Becher hinein und wurde mit einem süffigen mulsum gefüllt, der sich hervor ragend eignete, den Appetit anzuregen – wiewohl Marcus das schon gar nicht mehr nötig hatte, die Zeiten des Legionsessen gewöhnt, etwas vor der cena der privaten Haushälter, regte sich schon lange sein Magen und kämpfte eifrig darum, gefüllt zu werden. Der Tonfall von Epicharis hatte ihn auch gänzlich verstummen laßen und er lauschte aufmerksam. Ja, in den aktiven Dienst konnte er nicht mehr zurück, er nickte betrübt bei ihren Worten, die Verwaltung war wirklich nichts für ihn: folglich ein eifriges Neigen seines Kopfes. Beim Tempeldienst verzog er leidig das Gesicht, denn er hatte wirklich nicht die Neigung seiner Verwandten, die auch deutlich mehr Talent verfügten als er. Beim collegium schüttelte Marcus energisch den Kopf, er wollte ja niemanden – und schon gar nicht Epicharis - auf falsche Gedanken bringen, indem er es nicht entschieden genug von sich wies. Doch schon im nächsten Augenblick zuckten Marcus' Schultern herunter; ein Sitz im Senat? Ach herrje, warum war das den Römerinnen nur so wichtig, es gab doch auch noch andere Dinge im Leben, die genauso bedeutungsvoll waren, oder? Marcus sah Epicharis bedrückt und schon fast wie ein begoßener Pudel an, denn bei dieser Geschichte würden seine Mutter und Epicharis bestimmt einer Meinung sein, wie sollte man sich da einer solchen Front erwehren – unmöglich!
    „Ach, mein Herz, ich glaube, Du würdest eine tausend Mal bessere Senatorin abgeben als ich als Senator. Ich tauge doch nichts in der Politik, sieh mal, gerade vorgestern hat mich Gracchus mit zu einer Feierlichkeit bei den Tiberiern mitgenommen, wo er als pontifex eingeladen war. Also bei Tiberius Durus – ein ausgesprochen angenehmer Zeitgenoße übrigens! - naja, auf jeden Fall habe ich, glaube ich, es geschafft, wieder mal die Familienehre zu besudeln. Es ging da um die Frage der Ehe und ich habe freimütig von mir gegeben, daß wir doch auch nur mal eine Ritterfamilie waren, also wir Flavier. Und sowas paßiert mir ständig, wirklich, wenn ich als Soldat handel, dann ist es was anders, als centurio wußte ich, was zu tun war, die Welt war so viel klarer, so viel einleuchtender und die Arbeit mir näher, aber sobald es in die Wirren von Worten und Reden geht, dann verfahre ich mich wie auf unbekannten Gewäßern. Wirklich, ich würde der Familie damit nur schaden!“
    Der traurige Dackelblick haftete immer noch für einige weitere Herzschläge an den Gesichtszügen von Epicharis.


    „Die Rothaarige? Ah so...“
    Vage entstand ein Bild vor Marcus' Augen, genauso undeutlich wie es bei der Blonden gewesen wäre, wären einer von Beiden oder gar Beide so schwarz wie Ebenholz gewesen, Marcus würde sich noch deutlich an die Beiden erinnern. Er nickte und dachte kurz darüber nach, was er über die Sklavin wußte: es war herzlich wenig, im Grunde nur, daß sie Epicharis viel zu bedeuten schien, fast schon eine Freundin war. Junge Frauen sollten aber nun mal auch von jungen Frauen umgeben sein, weswegen ihn diese Nähe nicht wunderte, selbst bei Sklavin und Herrin.
    „Was hat sie denn gemacht?“
    , fragte Marcus, gleichwohl er vom Thema abzulenken gedachte, dennoch wußte, daß er aber auch den Rat von Epicharis brauchte, er war sich zu unschlüßig in dieser Hinsicht.
    „Nein, nein, gemordet hat er noch nicht, die Götter bewahre, daß das paßiert!“
    Marcus riß die Augen schier auf und atmete erleichtert auf, machte dazu das Abwehrzeichen gegen das Böse, um das Schicksal nicht heraus zu fordern.
    „Es könnte aber wieder paßieren, darum meine Sorge; weißt Du, er läßt sich nun mal nicht nur mit Sklaven...ähm Sklavinnen ein, sondern auch mit Freien. Wenn eine Sklavin verschwindet, ist es ärgerlich und teilweise auch traurig, aber nicht tragisch, wenn er einen Freien ermordet, dann ist das eine Katastrophe.“
    Marcus seufzte schwer und trank seinen ersten Schluck von dem süßen Wein.
    „Hm, nein, doch, ja...ich hab ihn zur Rede gestellt. Weißt Du, ein Verehrer von ihm war nämlich bei mir in der villa und wollte ihn mir abkaufen, hat von Liebe und solchen Dingen gesprochen, naja, ich habe ihn natürlich nicht verkauft und danach Hannibal klipp und klar gesagt, daß er es vergeßen kann, mit seiner Freilaßung, die vielleicht in ein paar Jahren gekommen wäre. Ich kann doch keinen so gefährlich Menschen auf die Welt los laßen...oder?“
    Fragend sah Marcus von seinem Weinbecher weg und zu Epicharis.

  • Die Meinung ihres Ehemannes konnte Epicharis nicht teilen. Das mochte daran liegen, dass sie nicht fand, Vescularius sei der richtige PU. Hungaricus war ein weitaus angenehmerer Mann gewesen, wie sie fand, wohingegen sein Vorgänger, dieser Octavier, nicht allzu viel besser gewesen war als der amtierende Präfekt. Doch sie schwieg dazu, erkannte, dass es keinen Sinn hat, darüber weiterzureden mit Aristides - nicht etwa, weil sie die andersartige Meinung scheute oder sie nicht respektierte, sondern weil es keine Auswirkungen auf die Umstände haben würde.


    Ob seines Lachens runzelte sie fragend die Stirn. Aristides hielt den Artorier also für gefährlicher. Nachdenklich hörte sie sich die genannten Gründe an, konnte ihm aber nicht beipflichten. Hunde, die bellten, bissen schließlich nicht. Und soweit sie sich erinnerte, hatte der Caecilier niemals gebissen. Aber war da nicht eine Konfrontation wegen Aristides' Tochter gewesen? Epicharis glaubte, sich an entsprechende Informationen von Hannibal zu erinnern. Vielleicht war es auch Aristides selbst gewesen, der ihr davon erzählt hatte, das war aber im Grunde einerlei. Epicharis glaubte, dass Aristides zumindest einen der beiden Männer falsch einschätzte. Iulianus hatte große Stücke auf den Caecilier gehalten, das war mehr als einmal offensichtlich geworden. Der Artorier allerdings war ein unbeschriebens Blatt in der Politik Roms, was zweierlei für ihn bedeuten konnte, einerseits einen Vorteil, andererseits einen Nachteil. "Und du denkst, dass Artorius Avitus sich im politischen Gerangel behaupten kann?" gab sie zu bedenken. "Der Posten des Prätorianerpräfekts dürfte von weitaus politischerer Natur sein als der eine Lagerpräfekten uns Ausbilders. Ich missgönne ihm seinen Erfolg nicht, aber ich habe Zweifel, dass er unter Vescularius' Fuchtel stehen wird. Eher, als der Caecilier es tat. Hast du mal daran gedacht, dass Caecilius Crassus vielleicht wegen Diskrepanzen mit seinem Vorgesetzten darum gebeten hat, abdanken zu dürfen?"


    Der Sklave, der Aristides' Becher gefüllt hatte, bedachte danach auch Epicharis mit einem fragenden Blick, doch sie schüttelte stumm den Kopf, woraufhin der Sklave nur verkündete, das Essen sei auch bald soweit, ehe er wieder ging. Epicharis seufzte leise, als Aristides sich so vehement gegen einen Platz in einem der Kollegien sträubte und anschließend auch bei einem Senatssitz alles andere als willens aussah. Sie hatte sie schon fest vorgenommen, diesmal kein Pardon mehr zu dulden, aber der Blick, mit dem er sie bedachte, weichte das claudisch-flacische Herz dann doch schneller auf, als der Vorsatz umgesetzt worden war, sodass Epicharis zunächst erstmal schwieg und die wettergegerbte Gesichtshaut ihres Mannes musterte. Die Äußerung mit der Ritterfamilie war nun einmal ein vermeidbarer Patzer gewesen, aber solchelei Gespräche zu führen, waren etwas, das man lernen konnte. Epicharis hob einen Mundwinkel und die Brauen gleichzeitig an, beugte sich dann vor und küsste Aristides einige Sekunden lang liebevoll auf die Lippen, ehe sie sich wieder zurücklehnte. "So. Du meinst also, mir würde eine Senatorentoga besser stehen als dir, mh?" neckte sie ihn schmunzelnd. "Da bin ich aber anderer Meinung. Es haben schon weitaus ungeeignetere Männer einen Senatssitz ergattert. Schau dir doch mal diesen Germanicer an, den jüngeren, oder diesen dicken Cornelier, du weißt schon, den Vater von Lucius' Spielgefährten? Wenn solche Leute es schaffen, warum dann nicht auch du?" Aristides wurde mit einem schmeichlerischen Blinzeln bedacht. "Und ich denke, du weißt, dass sowohl Manius als auch ich jederzeit an deiner Seite wären, um dich zu unterstützen. Wenn der Aurelier wahrhaftig Celerina heiratet, bedeutet das im Umkehrschluss außerdem, dass du von vorn herein mehr Stimmen hättest. Und solche Gespräche zu führen, kann man lernen. Im Grunde ist es doch nichts weiter als Diplomatie. Ich glaube einfach nicht, dass du der Familie schaden würdest. Du würdest damit Lucius' den Einstieg erleichtern." Epicharis überlegte kurz. "Und deine Mutter stolz machen. Mich sowieso", fügte sie dann an und hob die Hand, um mit deren Rücken über Aristides' stoppelige Wange zu streichen.


    "Sie hat mich gebeten, ihr die Freiheit zu schenken", sagte Epicharis schließlich kurzbündig, nachdem sie einen kurzen Moment lang überlegt hatte, wie sie das geführte Gespräch am besten verpackte. "Ich habe natürlich gesagt, dass es dafür zu früh ist... Ich meine, ich müsste ja nun ohnehin erst mit dir darüber reden, das weiß ich, aber..." Es war Epicharis stets ein wenig unangenehm, wenn sie darauf zu sprechen kamen, dass Aristides nun über sie zu bestimmen hatte, und damit auch über ihren sämtlichen Besitz. Sie räusperte sich, stibitzte sich seinen Becher und nippte einen Schluck an dem süßgoldenen Wein. "Sie war natürlich nicht begeistert. Und jetzt redet sie kein Wort mehr mit mir. Ich bin mir aber sicher, dass das bald vorbeigeht", fügte sie hinzu, ehe Aristides vielleicht vorschlagen konnte, jemanden mit Fiona darüber reden zu lassen oder sie gar zu bestrafen. Die Eskalation ließ sie absichtlich außen vor, immerhin war sie selbst auch ein wenig von der Bahn geglitten. Und ohnehin war das Ausmaß dessen, was ihr Ehemann eben erzählte, weitaus weitgreifender. Epicharis lauschte mit aufmerksamer Miene und gab Aristides seinen Becher zurück. Es war nicht nur traurig und ärgerlich, wenn ein Sklave getötet wurde, fand sie. Es war schrecklich, denn jeder Mord war schrecklich. Doch sie beide schienen eine unterschliedliche Auffassung davon zu haben, und es war nicht das erste Mal, dass Epicharis das feststellte. Bei seinem Versprecher wurde sie ein wenig stutzig. Konnte es denn sein, dass Hannibal Gleichgeschlechtliche... Aber nein, das war einfach absurd, schalt sie sich eine Närrin. Doch schon Aristides' nächste Worte ließen sie wieder zweifeln, denn er sprach von einem Verehrer und nicht von einer Verehrerin, Nachdenklich und ernst sah sie drein und erwiderte so Aristides' Blick. "Glaubst du denn, dass er jetzt Dummheiten anstellt, wo du einen Streit mit ihm hattest und er denkt, dass er niemald frei sein wird?" fragte sie ihn nachdenklich. Was hätte Hannibal denn noch zu verlieren jetzt? "Du wärst die Verantwortung nicht los, wenn du ihn nach Baiae schickst, weißt du. Aber wenn du ihn frei ließest... Ich meine, wenn du ihm ohnehin nicht mehr vertrauen würdest, wäre es wirklich das Naheliegendste, oder?" Dann wäre er zwar Hannibals Patron, aber er würde nicht mehr dafür gerade stehen müssen, wenn er etwas anstellte. Epicharis bedauerte diesen Vorschlag im Grunde. Sie mochte Hannibal, zumindest hatte sie ihn bis eben gemocht. Niemals hätte sie angenommen, dass so ein wohlerzogener junger Mann ein solches Schlitzohr sein könnte! Betrübt blinzelte sie. "Vielleicht sollte ich einmal mit ihm reden?" schlug sie halbherzig vor.


    Da spazierten vier Sklaven hinein. Der erste trug ein ovales Silbertablett, auf dem allerlei Buntes angerichtet war: Gemüse aller Art, eingelegt, angesäuert, gekocht, gedünstet und gewürzt. Der zweite trug zwei Schalen, aus denen es dampfte. In einer befand sich eine Art Kohl mit ein klein wenig magerem Speck, in der zweiten eine hellgrüne, sämige Suppe, auf der Kresse schwamm. Der dritte trug ein rundes Tablett, in dessen Mitte eine kunstvoll geschnitzte Melone in Form eines flügelschlagenden Flamingos thronte, und um ihn herum waren allerlei Obststücke in appetitlichen Häppchen drapiert. Der vierte und letzte Sklave trug neben der Verantwortung zwei Teller, auf denen sich jeweils ein kleines Stückchen gebratener Fisch befand. Alle zusammen stellten sie ihre Gaben ab, und dann begannen sie, die Teller mit verschiedenen Gemüsesorten zu füllen. Fleischplatte gab es keine. Auch Süßes wurde nicht dargereicht, sah man vom Obst einmal ab. "Überraschung!" freut sich Epicharis und lächelte herzlich. Sie langte nach vorn und nahm eines der kleinen Früchtebrotstücke an sich, um es dann Aristides zu reichen. "Hier, probier das mal. Findest du es? Ist das nicht ganz außergewöhnlich?" Erwartungsvoll hielt sie ihm das krümelte Stückchen unter die Nase.

  • Irgendwie schürten die Worte von Epicharis einige Herzschläge lang Mißtrauen in Marcus' Herzen, kannte sie den Caecilier etwa? Vielleicht sogar beßer als ihm – Marcus – es lieb wäre? Oder warum sagte sie so etwas über jenen Mann, wo er doch beide Männer recht gut einzuschätzen wußte und ganz besonders die Qualitäten und Fähigkeiten von dem Artorier – den Marcus sehr schätzte, selbst wenn das nicht auf Gegenteiligkeit beruhte, nein, der Artorier konnte Marcus ja noch nicht mal sonderlich gut leiden, was Marcus nie gemerkt hatte! Marcus runzelte einen weiteren Herzschlag lang seine Stirn, einige Furchen bildeten sich dort und eine angedeutete Falte zwischen seinen Augenbrauen, aber sofort wischte er die Gedanken hinweg, das Mißtrauen flog davon, wie ein flüchtiger Nebel und sein Herz wurde nur noch durch die Melancholie des Tages belastet, nicht jedoch durch Argwohn – und es war nicht Marcus' Natur, anderen Menschen zu mißtrauen, ganz gewiß nicht der strahlenden und so heiteren Epicharis; dennoch verzog er skeptisch das Gesicht.
    „Ich bitte Dich, meine Liebe, der Caecilier ist gewiß kein Mann der Subtilittranz...Subti...ach egal, der Mann ist nicht minder ein Elefant in einer Tonwerkstatt als ich, ich glaube kaum, daß Avitus dem weniger gewachsen wäre als der Caecilier, wirklich nicht! Der Artorier ist einfach schlauer, so ist das nun mal!“
    Und von der Meinung würde man Marcus auch bestimmt nicht weg bekommen, die hatte er sich schon vor einigen Jahren gebildet, sowohl über Avitus als auch über Crassus.


    Und genauso wie bei der Sache mit dem PP ließ Epicharis auch bei der Karriere von Marcus nicht locker, resigniert starrte er in das gelbflüßige Getränk und seufzte still als er einen tiefen Schluck davon tätigte, angenehm und beruhigend rann er seine Kehle herunter, während er sich fragte, was zum Henker Epicharis damit meinte, daß es schon ungeeignetere Männer in jenen Stellen gegeben hat; also hielt sie ihn im Grunde doch für ungeeignet, naja, kein Wunder, sie hatte ja den perfekten Gracchus als das Idealbild eines römischen Patriziers sicherlich vor Augen, klug, gebildet, wortgewandt, erfolgreich, egal, was er tat; wenn Marcus seinen Vetter nicht so aufrichtig mögen und ihm das Beste von der Welt wünschen würde, er hätte glatt neidisch werden können auf Gracchus, aber Marcus wurde es nicht, nur sich seiner eigenen Unzulänglichkeit völlig bewußt, wenn es die Erforderniße seiner Familie anging, irgendwie schien es ihm schon ein munterer Streich der Götter gewesen zu sein, ihn in die Familie der Flavier zu schicken, und wenn schon die Flavier, dann hätte es wohl beßer vor hundert Jahren sein sollen, da hätte Marcus wohl eher hinein gepaßt; Marcus' Schultern sackten ein wenig hinunter und er starrte betrübt drein, er schaffte es darum lediglich ein leises:
    „Hm!“
    von sich zu geben. Er wollte Epicharis jedoch nicht jetzt schon enttäuschen, sie würde noch erkennen, wie absurd schon die Vorstellung war, daß er den Weg zum Senat anstrebte – herrje, wie sehr sich Marcus an diesem Abend irrte und wie sehr das Schicksal – mehr jedoch seine eigene Familie und als besonders aktiver Täter sein Vetter – ihm einen Strich durch die Rechnung machen würde.
    „Gucken wir mal, mea stella!“
    , erwiderte er nun und lächelte in einem mehr unzureichendem Versuch, ein wenig Fröhlichkeit zu versprühn, es gelang mehr schlecht, als recht.


    Etwas erleichtert war Marcus, das Thema zu wechseln und sich lieber anderen Dingen zu zu wenden, wie der Sklavin; die Freiheit? Aha, das war ja noch schöner, jetzt fragten wohl die Sklaven heutzutage und wollten unbedingt ihre Freiheit, statt daß sie geduldig warteten, treu dienten und sich damit einfach ihre Freiheit verdienten, tja, so ging die Welt elendig zu Grunde, zumindest waren die Sklaven von heute wohl nicht mehr das von seiner Jugend, zumindest glaubte Marcus das für einige Herzschläge lang, früher hatte es doch auch nicht so viele Probleme mit ihnen gegeben, oder? Nachdenklich runzelte Marcus die Stirn und rutschte etwas herum, um bequemer zu sitzen und seinen Magen noch für einen Moment stumm zu halten, er hatte nämlich einen Bärenhunger so langsam, aber sicher.
    „Wieso mußt Du mit mir reden? Wenn Du einer Sklavin die Freiheit schenken willst, ist das Deine Entscheidung!“
    Marcus würde gewiß nicht anfangen, in Epicharis' Welt reinzureden, nein, Epicharis war klug, besonnen und ein gutherziger Mensch – vielleicht zu gutherzig!, und Marcus wußte, daß Entscheidungen in ihren Händen auch gut aufgehoben waren, warum dann anders vorgehen; er lächelte Epicharis einen Moment liebevoll an, küßte sie sanft auf die Wange und trank einen Schluck vom mulsum, der sein Begehren noch mehr schürte – auf das Essen natürlich!
    „Wie lange dient sie Dir denn schon? Und willst Du sie überhaupt freilaßen?“
    Der Gedanke, den Epicharis aufwarf, war gar nicht so verkehrt gedacht; Marcus war aber dennoch einfach noch zu wütend und enttäuscht über Hannibals Verhalten, um die Klugheit hinter den Worten seiner Frau zu erkennen, er verzog mehr mürrisch den Mund, war jedoch immerhin schlau genug, auf ihre Worte zu nicken.
    „Wenn Du möchtest...aber ich glaub, da ist Hopfen und Malz verloren!“


    Endlich – den Göttern sei Dank! - wurde das Mahl aufgetragen, es roch schon gut, doch irgendwie auch...ungewohnt; Marcus ließ seinen Blick über das Essen schweifen, es schien ihm wirklich unkonventionell zu sein, aber vielleicht wollte Epicharis ein wenig Abwechslung auf den Speiseplan bringen; er nickte und versuchte ein gequältes Lächeln herunter zu spielen, denn sein Magen schrie nach etwas handfesten, aber das würde sicherlich noch folgen, also würde er sich für den Moment und Epicharis zu Liebe noch etwas in Geduld üben.
    „Ähm, ja, sehr außergewöhnlich, eine interessante Vorspeisenwahl!“
    Marcus winkte einen Sklaven heran, damit dieser ihm auf einen Teller auftat, für den gröbsten Hunger würde das erstmal reichen, hoffentlich schwang der Koch noch weiter seine Löffel eifrig.

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