Tablinium | MTD et Decimus Flavus

  • Stesichoros führte den Decimer ins Atrium, wo er ihn einen Augenblick stehen ließ, während er sich hinter den Vorhang begab, der ins Tablinium führte. Offensichtlich befand sich der Hausherr dort, denn kurze Zeit später erschien der Ianitor wieder und schickte Flavus ebenfalls hinter den Vorhang.


    Dort saß Tiberius Durus an seinem Tisch. Er schien gerade etwas gelesen zu haben, denn er legte eine Buchrolle vor sich, deren Worte bei genauerem Hinsehen griechisch waren.


    "Salve, Decimus Flavus. Du möchtest mich sprechen?"


    Noch recht genau erinnerte sich Durus an den Vater seines Gastes. Livianus war nicht unbedingt sein größter Freund gewesen und oft hatten sie sich gestritten. Doch dass er in Gefangenschaft des Partherkönigs war, war wirklich eine unerfreuliche Geschichte. Und dafür hatte Flavus wohl Durus' Mitleid verdient!

  • Bereits das Atrium zeigte den gehobenen und außergewöhnlichen Stellenwert dieses patrizischen Geschlechts. Nicht nur die prunkvollen Fresken und Verziehrungen des Atriums, auch die lange Reihe der Ahnenmasken, unter denen sich bekannte Namen bis in die Zeiten der Republik zurückverfolgen ließen, hatten den jungen Mann in seinen Bann gezogen. Ihm blieb jedoch nur wenig Zeit diesen Anblick zu genießen, da wurde er bereits vom Ianitor weiter gebeten. Dieser führte ihn in das noch prunkvollere Tablinium, in dem der Senator auf einer Liege weilte und seinen Gast, ganz Patrizier und ohne sich dafür zu erheben, begrüßte und sofort den Gesprächsfaden aufnahm. Marcus deutete mit einem tiefen Kopfnicken eine Verbeugung an und erwiderte die Begrüßung des Senators.


    "Ich grüße dich Senator! Vielen Dank, dass du mich so kurzfristig empfängst. Mein Patron, Consul Aelius Quarto, hat mir den freundschaftlichen Rat gegeben, das Gespräch mit dir zu suchen. Es geht um die kommenden Wahlen im Cursus Honorum."

  • Die Wahlen zum Cursus Honorum? Was wollte denn der Consul da von ihm wissen? Aus irgendeinem Grund zog es Durus vorerst gar nicht in Betracht, davon auszugehen, dass Flavus selbst die Absicht hatte, zu kandideren! Stattdessen nahm er an, Quarto hätte den jungen Mann geschickt, um etwas auszurichten - nicht ungewöhnlich bei wichtigen Angelegenheiten! Im Grunde hätte er es allerdings an der Formulierung erkennen müssen - doch Durus war eben nicht ganz bei der Sache.


    "Was möchte der Consul von mir?"


    Er wollte ihn doch wohl nicht bitten, das Consulat mit ihm gemeinsam anzutreten? Durus hatte gehört, Quarto gedächte, erneut anzutreten und eine Dispens des Kaisers war bei ihm ja wohl nur eine Formalität!

  • Der Senator hatte Marcus allen Anschein nach falsch verstanden. Am liebsten hätte der junge Mann einfach nur geantwortet – das du mir bei der nächsten Wahl deine Stimme gibst. Aber das wäre zu einfach gewesen. Stattdessen lächelte Marcus freundlich und gab sich natürlich höflichkeitshalber vor dem Senator selbst die Schuld an diesem Missverständnis.


    "Oh! Nein, nein Senator. Ich fürchte, ich habe mich nicht verständlich ausgedrückt. Verzeih mir.


    Der Consul selbst hat kein Anliegen an dich. Er hat mir lediglich den Rat gegeben bei dir vorstellig zu werden und dich um deine Unterstützung zu bitten, da ich mich bei den kommenden Wahlen um das Vigintivirat bewerben möchte."

  • Durus war ziemlich überrascht: Er konnte sich nicht erinnern, jemals Besuch von einem Wahlkämpfer bekommen zu haben, insbesondere nicht von einem Decimus. Die Decimer hatten doch ohnehin genügend Einfluss (zumindest hatte Durus das bisher immer geglaubt). Andererseits schmeichelte es ihm und er lehnte sich zurück und setzte eine geschäftliche Miene auf.


    "Und warum sollte ich das tun?"

  • Da der Senator keine Anstalten machte dem jungen Decimer einen Platz an zu bieten, blieb Marcus unvermittelter Dinge stehen und sah weiterhin freundlich auf den gemütlich vor ihm liegenden Tiberier herab. Mit dieser Frage hatte er bereits gerechnet. Es war die Frage, die ihm vermutlich bei fast all seinen Besuchen erwarten würde. Es lehrte ihn noch vor Beginn seiner Karriere, dass er in der Politik nichts geschenkt bekam - und schon gar keine Unterstützung. Um das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken, wollte Marcus vorerst ein wenig ausholen und nicht sofort mit der Türe ins Haus fallen.


    "Nun, wie die Dinge derzeit stehen befinde ich mich derzeit in einer – sagen wir – nicht gerade günstigen Ausgangssituation für die anstehenden Wahlen. Mein nicht gerade unbekannter Vater ist verschollen und vermutlich Gefangener der Parther und mein Onkel Mattiacus sowie sein Vetter der Senator Decimus Meridius sind nach Parthia aufgebrochen, um die Verhandlungen über eine mögliche Freilassung aufzunehmen. Die Machtbasis unserer Gens, vor allem die politische, ist derzeit also alles andere als gefestigt.


    Ich selbst bin erst vor kurzem aus Britannia in Rom eingetroffen und daher noch ein unbeschriebenes Blatt unter den Klienten und Freunden unserer Familie. Du wirst also bestimmt nachvollziehen können, dass ich zurzeit sehr viel Überzeugungsarbeit unter den Anhängern meines Vaters leisten muss, um mich ihrer Loyalität zu versichern. Da es sich dabei jedoch nur zu einem kleinen Teil um Senatoren handelt, werde ich für die Berufung zu Vigintivir auch weitere Fürsprecher brauchen."


    Das hatte nun zwar einiges erklärt und auch die Situation beleuchtet, in der sich der junge Mann befand, aber Marcus hatte dem Senator noch nicht verraten was er nun letztendlich davon hatte. Doch zuerst wollte er auf eine mögliche Reaktion des Senators warten und räusperte sich daher kurz, um damit seinen Redefluss zu unterbrechen.

  • Durus hörte sich geduldig an, was der junge Mann zu sagen hatte - und das mit größtem Interesse: Die Decimer betrachteten sich also im Augenblick auch selbst als nicht besonders stark. Dass Decimus Meridius und Mattiacus nach Parthia gingen, hatte er schon gehört. Im Grunde war es sehr unklug von Flavus, in dieser Situation (ganz zu Schweigen vom Fehlen seines Vaters) zu kandidieren. Er an Flavus' Stelle hätte wohl lieber seinen Vetter begleitet um herauszufinden, was mit seinem Vater geschehen war. Doch offensichtlich hatte er es sich anders überlegt.


    Doch er sagte vorerst nichts, denn seine Frage war noch nicht beantwortet.

  • "Ich kann dir versichern, dass dir sowohl mein Patron, als auch mein Vater deine Unterstützung nicht vergessen werden. Selbstverständlich würde auch ich in deiner Schuld stehen Senator."


    Das war es, um was in Rom ging. Wer stand in welcher Schuld, wer hatte bei wem noch den einen oder anderen Gefallen offen und wer hatte dadurch Einfluss auf jemand anderen. Es war wie ein Geschäft. Die Senatoren unterstützen einen Klienten von Quarto und Quarto unterstützte wiederum bei nächster Gelegenheit die Senatoren oder deren Anhänger. Was seinen Alten betraf, so konnte Marcus die Unterstützung selbstverständlich nicht mit Sicherheit zusagen, doch es war ihm gleich und dieser Senator konnte nicht wissen, dass Marcus seinen Vater am liebsten bei den Parthern verschmoren lassen wollte.


    Doch eines konnte er mit Sicherheit Zusagen – das er selbst in der Schuld des Tiberiers stehen würde. Und auch in diesem Fall galt wieder die selbe Sichtweise wie bereits beim Consul. War Ursus ein politischer Weggefährte seines Vaters, so würde er dessen Sohn allein aus diesem Grund unterstützen wollen um Livianus einen Gefallen zu erweisen. War er ein Gegner des Alten, so konnte er eine solche Gelegenheit nutzen, um damit ein einmaliges Zeichen unter seinen politischen Verbündeten zu setzen, denn was könnte demütigender sein, als den Sohn seines politischen Gegenspielers als Trumph in seinen eigenen Reihen zu wissen und dies gekonnt zur Schau zu stellen. Marcus hoffte, das dies auch dem Senator klar war.

  • Und natürlich war das Durus wohl klar, bevor Flavus auch nur darüber nachgedacht hatte, denn er spielte das große Spiel, das man als Politik bezeichnete, wohl schon länger als Flavus überhaupt an Politik denken konnte. Der einzige Grund, warum er nichts gesagt hatte, war, dass dies auch dem Decimer bewusst war und ob es konkrete Angebote gab. Doch eigentlich genügte ihm diese Zusage bereits: Ein Ehrenmann (und soweit er wusste, wurde die Ehre bei den Decimern höher geschätzt als in manchen germanischstämmigen Familien der römischen Aristokratie) würde sich durch eine solche Zusage gebunden fühlen wie durch einen Eid.


    Daher lächelte er leicht und beugte sich leicht vor.


    "Ich denke, ich könnte dir tatsächlich helfen."


    Und im Zweifelsfall konnte er das Pflichtgefühl des Flavus auch noch auf die Probe stellen, bevor dieser wirklich zu Einfluss kam (das Vigintivirat war nunmal eher...unbedeutend in der Politik).


    Sollte er gewählt werden (und wenn er so mächtige Proteges hatte, wie er vorgab, würde er dies ohne Zweifel), würde er von diesem Zeitpunkt an in Durus' Schuld stehen. Sicherlich würde Durus allerdings mit der Bitte warten, bis Flavus mehr Einfluss hatte - vielleicht würde er sie auch nie stellen in der Erwartung, dass die bloße Möglichkeit der Bitte das Gewissen des Decimers beeinflusste.

  • Auch wenn sich der junge Decimer über dieses Zusage mehr als freute, versuchte er dies nicht all zu sehr offen zu zeigen und blieb verhältnismäßig Ruhig. Lediglich das Lächelnd seines Gegenübers erwiderte er verbunden mit einem dankenden Kopfnicken. Dabei musterte er den Senator einen kurzen Moment. Auch wenn er sich nicht sicher sein konnte, so hatte er das Gefühl, das dieser Mann ganz anders war, als sein Patron Aelius Quarto – berechnender, strategischer und intriganter. Alles in Allem also genau nach Marcus Geschmack. Grund genug sich dazu zu entschließen, den Kontakt zu diesem Mann aufrecht zu erhalten und vielleicht mit der Zeit auch weiter auszubauen. Mit stoischer Gesichtsmine antwortete Marcus


    "Das hatte ich gehofft Senator. Ich wäre dir dafür ausgesprochen Dankbar, wenn du die Stimmen deiner Klienten und senatorischen Anhänger für mich sichern könntest."


    Zusätzlich hoffte Marcus, dass die Fürsprache des Tiberiers auch aufgrund seiner Stellung als Pontifex Einfluss auf weitere unentschlossene Senatoren haben könnte. Schließlich war es nicht ganz unabwegig daraus zu resümieren, dass auch die Götter dem jungen Kandidaten hold waren. Für die meisten Senatoren die Marcus dieser Tage besuchte war das Vigintivirat vermutlich gar nicht wichtig genug, um sich lange mit einem Kandidaten der um Unterstützung bat aufzuhalten. Marcus sah dies anders – auf das Vigintivirat folgte das obligatorische Tribunat bei den Legionen. Also Zeit genug um sich bereits einen Namen für die Quaestur zu schaffen und sein Netzwerk besser auszubauen. Vermutlich würde er dann wesentlich weniger Unterstützung benötigen, als bei diesem ersten Wahlantritt, bei dem er ein unbekannter Name unter vielen war.

  • "Ich werde sehen, was ich tun kann."


    erwiderte Durus unverbindlich und machte eine wegwerfende Handbewegung, als würde es ihn keinen großen Aufwand kosten. Tatsächlich ging der Tiberier davon aus, dass er seine 'Freunde' - im wahren, persönlichen Sinne hatte Durus keine, vielmehr handelte es sich um Männer, die seine politischen Interessen teilten oder mit denen er in einer Art politischer Symbiose lebte - überzeugen konnte, einen Mann zu unterstützen, der bereit war, sich dankbar zu zeigen. Mit einem Verwandten wie Decimus Meridius und dem Fehlen des teilweise etwas unbequemen Vaters hatte er gute Chancen, die konservativeren Stimmen des Senates zu fangen - besonders, wenn er gegen irgendwelche Aufsteiger antrat!


    Schließlich wartete Durus, ob Flavus noch etwas zu sagen hatte - wovon er nicht ausging, denn was sollte ein Kandidat mehr wollen als die Stimme des Wählers?

  • Marcus nickte dankend mit seinem Kopf und atmete tief ein. Er hatte allem Anschein nach also auch diesen Senator von seiner Kandidatur überzeugt und somit einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Cursus Honorum geschafft. Das Gefühl, von diesem Tiberier noch einiges lernen zu können, hatte unterdessen nicht nachgelassen. Auch wenn er den eigentlichen Grund seines Kommens bereits abgehandelt hatte, wollte er die Gelegenheit dieses Gesprächs nutzen und den Senator um seinen Rat fragen.


    "Wenn du die Frage erlaubst Senator. Welchen Rat würdest du einem jungen Mann wie mir im Bezug auf die bevorstehende Kandidatur und auf den weiteren Weg durch den Cursus Honorum mit auf den Weg geben?"

  • Sim-Off:

    sorry, total übersehen ;)


    Das schmeichelte Durus natürlich ebenfalls! Flavus stellte es sehr geschickt an, indem er den Tiberier bei seinem größten Stolz - der politischen Erfahrung - packte. Vielleicht war Durus sogar ein wenig zu begeistert von dem Jungen...


    "Hm, das wichtigste ist vielleicht...Versichere dich, dass du gewinnst, ehe du etwas vor den Senat bringst - egal ob Kandidatur oder Antrag."


    Durus wusste das aus eigener Erfahrung. Bei seinen Kandidaturen war er stets siegessicher gewesen, bei einem seiner Anträge hingegen war alles in der Luft zerrissen worden. Seitdem war er wesentlich vorsichtiger geworden...


    "Und vergiss deine Freunde nicht, natürlich!"


    fügte er hinzu und lachte kurz auf, als ihm klar wurde, dass dies auch wie eine Ermahnung klingen konnte, ihn selbst nicht zu vergessen! Doch andererseits waren stabile politische Freundschaften tatsächlich eine sehr wichtige Sache...

  • "Ich danke dir für diesen Rat Senator. Ich werde ihn beherzigen."


    Der junge Decimer nickte dem Senator dankend zu. Dieser Tiberier war tatsächlich nach seinen Geschmack und er war sich jetzt bereits sicher, dass sich ihre Wege wieder kreuzen würden. Vielleicht würde er bei der nächsten Gelegenheit auch erfahren, wie Durus zum Alten stand. Endlich auf einen politischen Gegner seines Vater zu treffen, würde neue Optionen eröffnen, die auch ganz im Sinne des jungen Mannes waren. Da sich das Gespräch aber im Moment eher dem Ende zuneigte, war es wohl eher an der Zeit sich zu verabschieden und die Wahlen abzuwarten. Danach würde sich zeigen, wie es mit der Zukunft des jungen Mannes weiterging und was ihm erwartete.


    "Dann danke ich dir für deine Zeit Senator. Wenn du gestattest, werde ich mich nun zurückziehen. Wir sehen uns spätestens bei meiner Kandidatur im Senat."

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