"Iuno." Zum Bersten angefüllt war mein Kopf. Gedanken, Vorsätze und Ängste mischten sich und schienen meine zurechtgelegten Worte zu übertünchen. Der namenlose Sklave im Hintergrund hatte keine andere Aufgabe als jene, die gekalkte Sau im Zaum und ruhig zu halten. Ich stand vor dem Altar, beide Hände am Fuße der Iunostatue auf dem prächtigen Altar. Irgendwo neben mir hörte ich, wie knisternd der Weihrauch verging, sich löste und kräuselnd zur Decke hin aufstieg.
"Du größte aller Göttinnen, mater regina. Vergib mir, nicht eher gekommen zu sein." Langsam hob ich den Kopf und sah der steinernen Ausführung der Göttin ins erhabene Antlitz. "Du, erhabenste Iuno, hast mir dein Missfallen offenbart, in einem Traum. Und doch komme ich nicht, um für mich Gnade zu erbitten, sondern um deinen Rat zu suchen, du mächtige Schutzherrin." Ich beugte mich hinunter, hob einen kleinen Korb mit Früchten auf den Altar und förderte dann einen einzigen Blütenzweig aus dem Flechtwerk zu Tage. Rundliche Blüten, in zartem Rosa und kräftigem Magenta gehalten, durchsetzt mit violetten Sprenkeln und einer goldig gelben Mitte saßen rechts und links des dunklen Geästs. "Die Blüten dieser Orchidee, mater matrum, sind das Kostbarste, das meinen Garten ziert. Ich schenke sie dir, auf dass du dich daran erfreuen magst." Behutsam platzierte ich den Zweig zu Füßen der Statuette, hernach senkte ich das Haupt vor der Göttin. "Vergib mir, gerechte Patronin, denn ich habe gefehlt." Sie musste wissen, was ich meinte. Dass ich Siv meinte, mein Leben meinte. Alles schien schief zu laufen. Meine Lippen senkten sich auf den kühlen Marmor des Sockels und zogen sich wieder zurück, als ich ihn demutsvoll geküsst hatte. "Geliebte Mutter, die du deine Hände schützend über jene hältst, die dich preisen. Ich bitte dich um deinen weisen Rat, damit ich in deinem Sinne rechtens entscheiden kann. Ich bitte um deine Güte und deine Weisheit, auf dass ich deine Weisung richtig zu deuten vermag. Führe mein Denken zu deinem Wohl, wie der Soldat sein Schwert zum Wohle Roms führt. Darum bitte ich dich, Iuno Regina." Kaum vermochte ich, dem strahlendweißen Antlitz standzuhalten. Was nur sollte ich tun? Siv war schwanger, ich war der Vater. Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln. Es lag nun in meiner Macht, den Arzt kommen zu lassen. Es war einzig meine Entscheidung, auch, ob ich dem Kind später eine bessere Ausbildung zukommen lassen würde, als es üblich war für einen Sklaven. Und Siv hatte der Göttin bereits geopfert. Ich konnte mich nicht dagegen stellen, und ich wollte es auch nicht. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken nur so umher. Deswegen war ich hier, um die nötige Ruhe zu finden zur Entscheidung. Vielleicht, um ein wenig Zuversicht zu erhalten.