DCCCLVIII A.U.C. (105 n.Chr. - Einstieg ins Spiel am Hafen von Athen)
Zusammen mit ihrer jüngsten Schwester Vestina und ihren Eltern saß Narcissa in einer bequemen Pferdekutsche, die sie nach Athen brachte - wo sie auf das Schiff gehen würde, dass sie nach Ostia zu bringen hatte. Neben der gemächlich durch die Menschenansammlung fahrenden Kutsche liefen die Sklaven, darunter Nicäa, eine ältere griechische Sklavin die sie begleiten würde. Narcissa saß lautlos und beinahe wie betäubt neben ihrer erst achtjährigen Schwester, die besorgt die Hand ihrer Schwester hielt. Es waren hektische Tage gewesen und sie begriff noch nicht ganz, dass sie die Ältere wahrscheinlich nicht mehr wieder sehen würde. Wenn sie in vier Jahren ins richtige Alter käme und einen ansprechenden Mann finden konnte, mochte sie Narcissa besuchen kommen. Doch in ihrem kindlichen Herz brannte der Abschied, als wäre er für immer. Ihre kleinen blauen Äuglein tränten und auch die von Narcissa, wenn auch aus völlig anderen Grund. Zenon war tot, ihr Vater hatte ihn vor ihren Augen erschlagen! Allein bei dem Gedanken an dem kläglichen Winseln das der große Hund hatte verlauten lassen, als man ihn so grob behandelte, drehte sich ihr der Magen um und sie wollte am liebsten den wenigen Mageninhalt, der sich krampfhaft in ihrem Körper zu halten versuchte, auf ihren Vater übergießen. Ihre Augen brannten von all den ungeweinten Tränen und sie blickte völlig abwesend hinaus in die Straßen, sah die Menschen in Athen und sah sie wieder nicht.
Ihre Gedanken waren erfüllt von den trauen braunen Augen ihres Hundes, dessen Kopf mit ihrem auf einer Höhe war, wenn sie nebeneinander gesessen hatten. Gewesen war, er war tot! Als letzter Pfand ihrer Disziplin erschlagen, um sie zu brechen und sie zu zwingen ihren Verwandten zu heiraten. Zum Wohl der Familie, natürlich. Sie schnaubte und ignorierte den erstaunten Blick ihrer Mutter. Innerlich tobte es in ihr und wäre sie nicht so unsäglich traurig gewesen, dann hätte sie sich mit Händen und Füßen gewehrt. Aber was machte das noch für einen Sinn? Sollten die gierigen Harpyien, die ihre Eltern waren, sie doch verschiffen. Ohne Zenon hatte ihr Leben in Achaia keine Freuden mehr für sie.
Am Hafen angekommen entstiegen sie der Kutsche und Vestina hielt immer noch krampfhaft ihre Hand. Während sich die Familie mit dem Kapitän unterhielt und Geld den Besitzer wechselte, beobachtete Narcissa ruhig das blaue Wasser, welches sanft den Bug des Schiffes umspielte und irgendwie genauso verletzlich aussah, wie sie sich gerade fühlte. In einem von den Eltern ungesehenen Augenblick kniete sie sich zu ihrer jüngeren Schwester und reichte ihr einen ihrer eigenen Ringe, der jetzt zwar noch zu groß war, aber ein schönes Andenken sein würde. Sie küsste sie sanft auf die Stirn und sagte dem Blondschopf Lebewohl. Vielleicht kam sie deshalb so gut mit dem Nachzügler der Familie zurecht, weil sie nur halb zu ihrer Familie gehörte - jedenfalls wenn man den Gerüchten Glauben schenkte. Verwunderlich war es schon, dass sie als Einzige seit Generationen blonde Haare hatte. Aber auch Narcissa hatte so eisig blaue Augen wie ihre Schwester, selten in ihrer Familie, aber sie mochte es. Genauso wie ihre Haare nicht braun, sondern schwarz waren.
Dann war der große Augenblick gekommen und ihre Mutter brach pflichtbewusst in Tränen aus, die wohlgemeinten Ratschläge von einer Hausfrau und Mutter zu einer, die es bald werden würde überhörte Narcissa dabei geflissentlich. Sollte sie sich ihre Weisheiten doch sonst wo hin schreiben. Sie war viel zu verletzt und auch beleidigt um dem Ganzen noch Bedeutung zuzumessen. Sie wurde kurz umarmt und Narcissa ließ es geschehen. Ihr Vater besaß Anstand genug, ihr nur zuzunicken, was sie allerdings nicht erwiderte. Sie hatte sich fest vorgenommen, in ihrem Leben kein Wort mehr mit ihm zu wechseln, ob persönlich, in einem Brief oder auch nur durch einen Laufburschen ausgerichtet. Für sie war er so tot wie das weiße Fellbündel, dass er einfach in einen Graben geschmissen hatte. Gestern, nachdem der fette, alte Händler enttäuscht - aber um eine hohe Entschädigungssumme reicher - von dannen gezogen war. Nein, ihr Vetter musste es sein!
Der Kapitän begleitete sie auf das Schiff, ihr Hab und Gut war verstaut, ihre Sklavin würde nun ihre Kajüte einrichten und dann galt es die schätzungsweise 8 Tage nach Ostia, dem Hafen Roms, zu überstehen. Sie stand an der Reling und beobachtete die Seefahrer, wie sie das schwere Gefährt langsam in Bewegung setzten, sie winkte der kleinen Vestina zu und wandte sich dann ab. Mit kerzengeraden, steifen Schritten ging sie in ihr Zimmer, trank vom Wein, den sie mitgenommen hatte und der eigentlich ein Geschenk an ihren Vetter und ihren zukünftigen Mann sein sollte. Es half ihr einzuschlafen, auch wenn es erst früher Nachmittag war, doch sie konnte es einfach nicht anders aushalten.
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