Genauso wenig wie Siv wusste, wie lange sie im Tablinum noch gesessen und geweint hatte, konnte sie nicht sagen, wie lange sie so da gestanden und Idolum umarmt hatte, das inzwischen verweinte Gesicht in seine Mähne vergraben. Der Hengst hatte sich kaum gerührt, hatte nur gelegentlich den Kopf nach ihr gewandt und sie angestupst. Es tat ihr gut, einfach nur die Nähe eines anderen Lebewesens zu spüren, das ruhige Atmen und der kräftige Herzschlag, doch der Aufruhr in ihrem Inneren beruhigte sich nur langsam ein wenig. Sie hatte es Corvinus sagen müssen, das wusste sie. Es noch länger hinaus zu zögern hätte es nur noch schlimmer gemacht. Trotzdem wünschte sie sich, sie hätte sich noch mehr Zeit gelassen, hätte noch mehr Zeit gehabt. Eine Schonfrist. Sie hatten doch gerade erst wieder zueinander gefunden, und es war ja nicht so, dass es nicht noch genug Schwierigkeiten gab. Siv fröstelte kurz, als sie daran denken musste, wie Corvinus sie im Arm gehalten hatte. Trotz der körperlichen Nähe war da ein Abstand gewesen, der sie sich hatte fühlen lassen wie einen Fremdkörper. Dass er so… distanziert gewesen war, schmerzte sie, mehr als sie zugeben wollte, und es half ihr auch nicht viel sich zu sagen, dass er Zeit brauchte.
Irgendwann ließ sie Idolum los. Sie wurde wieder rastlos, unruhig, sie brauchte irgendetwas zu tun, weil sie meinte es nicht mehr aushalten zu können, einfach nur zu warten. Kurz überlegte die Germanin, ob sie ins Haus gehen und nachsehen sollte, ob Corvinus schon wieder da war, aber sie entschied sich dagegen. Wenn er wieder da war und mit ihr reden wollte, würde er nach ihr rufen lassen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sie es vermutlich gerade in so einer Situation nur schlimmer machen würde, wenn sie ihn zu einem Gespräch zwang, solange er noch nicht bereit war. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie auch Angst davor. Sie hasste es zu warten, aber der Gedanke hinein zu gehen und sich wieder ihm zu stellen, die Distanz zu spüren und keinen Weg zu sehen, wie sie das überbrücken konnte, verursachte ihr Übelkeit. Mit einem Kopfschütteln streichelte sie Idolum noch einmal und löste sich dann endgültig von ihm. Danach schlüpfte sie aus der Box und ging hinter zu der kleinen Kammer, aus der sie sich eine Mistgabel holte. Sie brauchte etwas zu tun, irgendetwas, was anstrengend genug war, dass es sie von den Grübeleien ablenkte, die ohnehin nichts brachten. Ins Haus wollte sie nicht, und auch im Garten war ihr die Gefahr zu groß, irgendjemandem zu begegnen, der sie dann fragen würde, was los war – denn dass etwas los war, konnte man ihr ansehen. Und so machte sie sich daran, die Unterstände der Pferde auszumisten, eigentlich eine Arbeit, die jeden Tag frühmorgens erledigt wurde, aber am nächsten Tag würden sich die für den Stall zuständigen Sklaven freuen können, dass die Boxen weit sauberer als sonst waren.
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